46Berechnung des Überweisungsbetrages nach § 308 Abs 1 ASVG
Berechnung des Überweisungsbetrages nach § 308 Abs 1 ASVG
Gegen § 308 Abs 6 ASVG, der die Berechnung des Überweisungsbetrages anlässlich des Übertritts der Versicherten in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis regelt, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die pauschalierende Heranziehung unterschiedlicher Bemessungsgrundlagen für Männer und Frauen ist angesichts der durchschnittlichen faktischen Verhältnisse im Hinblick auf Unterschiede im Durchschnittseinkommen unselbständig erwerbstätiger Männer und Frauen nicht unsachlich. Es liegt keine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts und auch kein unzulässiger Eingriff in das Eigentumsrecht vor.
[...]
II. Rechtslage
§ 308 ASVG, BGBl 189/1955 idF BGBl I 18/2016, lautet [in Auszügen] wie folgt:
„Aufnahme in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis§ 308. (1) Wird ein Versicherter in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis (Abs 2) aufgenommen und rechnet der Dienstgeber nach den für ihn geltenden dienstrechtlichen Vorschriftena) Beitragsmonate nach diesem Bundesgesetz, Ersatzmonate nach [...] für die Begründung des Anspruches auf einen Ruhe(Versorgungs)genuß bedingt oder unbedingt an, so hat der nach Abs 5 zuständige Versicherungsträger auf Antrag dem Dienstgeber einen Überweisungsbetrag in der Höhe von je 22,8 % der Berechnungsgrundlage nach Abs 6 für jeden in der Pensionsversorgung bedingt oder unbedingt angerechneten Beitragsmonat und von je 3,25 % dieser Berechnungsgrundlage für jeden in der Pensionsversorgung bedingt oder unbedingt angerechneten Ersatzmonat zu leisten. Zur Stellung des Antrages ist sowohl der Dienstgeber als auch der Dienstnehmer berechtigt. [...](6) Grundlage für die Berechnung des Überweisungsbetrages nach Abs 1 und für die Erstattung der Beiträge nach Abs 3 sind die nachstehend angeführten Hundertsätze der am Stichtag (Abs 7) geltenden monatlichen Höchstbeitragsgrundlage in der Pensionsversicherung (Berechnungsgrundlage):[...]“
Angestellte Arbeiter Träger der männl. weibl. männl. weibl. Pensionsversicherung der Angestellten 55 40 – – Pensionsversicherung der Arbeiter – – 45 30 knappschaftlichen Pensionsversicherung 55 40 45 30
III. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist nicht begründet.
1.1. § 308 Abs 6 ASVG regelt nicht die Rechtsstellung der versicherten (männlichen oder weiblichen) Personen, sondern bestimmt, in welchem Ausmaß der DG eines pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnisses an jenem Beitragsaufkommen beteiligt werden soll, welches (im Umlageverfahren der gesetzlichen PV) für Zeiträume von Beschäftigungszeiten geleistet wurde, die der DG im pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis für die Bemessung des Ruhegenusses berücksichtigt, wobei ein Überweisungsbetrag auch für Ersatzzeiten geleistet wird, für die Beiträge nicht entrichtet wurden. Die gesamte Argumentation in der Beschwerde, die eine Verfassungswidrigkeit des § 308 ASVG wegen einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts darzutun versucht, geht daher ins Leere, weil weder die Rechtsstellung von weiblichen oder männlichen DN von dieser Bestimmung noch das Ausmaß von deren Pensionsansprüchen berührt wird (vgl dazu ausführlich VwGH 24.2.2016, 2013/08/0125). [...]
1.2. Mit Rücksicht darauf, dass der Pensionsversicherungsträger bis zum Eintritt der versicherten Person in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis das Versicherungsrisiko getragen hat (vgl zu diesem Gesichtspunkt die Erläuterungen zur RV 599 BlgNR 7. GP 95), steht dem Gesetzgeber in der Frage, ob und in welcher Höhe im Zusammenhang mit der Anrechnung von Versicherungszeiten für den öffentlich-rechtlichen Ruhegenussanspruch an die betreffende Gebietskörperschaft (hier: das Land) ein solcher Überweisungs-463betrag geleistet wird, ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu. Entgegen der Beschwerdeauffassung besteht daher für diesen Fall keine besondere Verpflichtung des „Gesetzgebers
“, eine bestimmte „soziale Wirklichkeit zeit- und realitätsgerecht zu erfassen
“. Es kann aus der behaupteten Verpflichtung auch weder eine „diffizilere Betrachtung spezifischer Berufsgruppen
“ oder gar „eine berufsspezifische, durchschnittliche Stundenlohnberechnung abgeleitet werden
“, wie die Beschwerde vermeint.
1.3. Es liegt auch im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, der für den Fall des Übergangs in ein versicherungsfreies Dienstverhältnis einen Überweisungsbetrag vorsieht, ob dieser Überweisungsbetrag nach den tatsächlich geleisteten Sozialversicherungsbeiträgen oder ob er nach einem Durchschnittseinkommen des jeweils in Rede stehenden konkreten Versicherten bemessen werden soll oder ob er ihn pauschaliert gewährt, sei es für alle DN in gleicher Höhe unter Heranziehung eines gemeinsamen Durchschnittswertes, sei es für Gruppen von DN unter Heranziehung von Durchschnittswerten in entsprechend unterschiedlicher Höhe. Die vom Gesetzgeber gewählte Regelung muss nur in sich sachlich sein (vgl VfSlg 15.435/1999 zur Erstattung von Beiträgen nach § 308 Abs 3 ASVG idF BGBl 31/1973), dh, dass sich im Falle der pauschalierenden Heranziehung unterschiedlicher, als Durchschnittswerte von Arbeitseinkünften ermittelter Bemessungsgrundlagen für bestimmte Gruppen von Versicherten diese aus entsprechenden Unterschieden im Tatsächlichen ableiten lassen müssen. Dieses Erfordernis der Entsprechung der rechtlichen mit den tatsächlichen Verhältnissen kann im Hinblick auf wechselnde wirtschaftliche Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt und auf den erwähnten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers jedoch nicht in einem streng mathematisch-rechnerischen Sinne verstanden werden; eine solche Differenzierung bei den Bemessungsgrundlagen muss daher nur im Großen und Ganzen den Unterschieden in den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen.
1.4. Der Gesetzgeber hat von den erwähnten möglichen Regelungsmodellen in der Zeit nach 1945 in zeitlicher Abfolge zwei vorgesehen: Im Stammgesetz des ASVG (insoweit gem § 543 Abs 2 lit a ASVG rückwirkend in Kraft gesetzt mit 1.1.1952) betrug der Überweisungsbetrag für jeden angerechneten Versicherungsmonat einen Prozentsatz der (fiktiven) individuellen Pensionsbemessungsgrundlage nach § 238 ASVG. Seit der 29. Nov zum ASVG, BGBl 31/1973, wurde die Berechnung des Überweisungsbetrages mit dem Ziel einer Verwaltungsvereinfachung geändert und (vgl die Erläuterungen zur 29. Nov zum ASVG, RV 404 BlgNR 13. GP 120) das auch heute noch geltende Pauschalsystem geschaffen, das anstelle der aus Versicherungszeiten mehrerer Versicherungsjahre errechneten Bemessungsgrundlage nunmehr gesetzlich festgelegte, je unterschiedliche Bemessungsgrundlagen für Arbeiter und Angestellte und innerhalb dieser Gruppen für Männer und Frauen vorsieht, die nach einem unterschiedlichen Prozentsatz der Höchstbeitragsgrundlage berechnet werden und die ursprünglich auf „den durchschnittlichen Beitragsgrundlagen der Grundzählungen für die Jahre 1969, 1970 und 1971“ (vgl die Erläuterungen zur 29. Nov zum ASVG, RV 404 BlgNR 13. GP 122) beruhten. Seither haben sich die Bemessungsgrundlagen für den Überweisungsbetrag entsprechend der Anpassung der Höchstbeitragsgrundlagen an die allgemeine Lohn- und Gehaltsentwicklung jeweils entsprechend verändert.
1.4.1. Die Pauschalsätze des § 308 Abs 6 ASVG knüpfen im Gegensatz zu einer Heranziehung des konkreten Arbeitsverdienstes (das ist die Beitragsgrundlage iSd §§ 44 und 49 ASVG) oder einer anderen dienstnehmerbezogenen Bemessungsgrundlage nicht an das konkrete Dienstverhältnis an, sondern orientieren sich an den Unterschieden im Durchschnittseinkommen der unselbständig erwerbstätigen Männer und Frauen (und der dementsprechend unterschiedlichen Höhe der Beitragsleistung), wobei in diesen Durchschnittseinkommen jeweils alle versicherten Personen der betreffenden Gruppe berücksichtigt sind, gleichgültig, aus welcher Berufsgruppe sie kommen.
1.4.2. An der Zulässigkeit einer solchen Anknüpfung an durchschnittliche faktische Verhältnisse (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit vgl VfSlg 9908/1983) ändert auch der Umstand nichts, dass es unter den nach dem ASVG versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen (die im konkreten Fall beim selben DG bestanden haben) solche gibt, bei denen das Entgelt im Rahmen von Gehaltsschemata bemessen wird, welche – wie jenes, dem die DN im vorliegenden Fall nach den Behauptungen der beschwerdeführenden Partei unterlegen ist – beim Entgelt keine geschlechtsspezifischen Unterschiede kennen.
1.5. In der Beschwerde wird behauptet, dass gegenüber der Berechnungsgrundlage der 29. Nov zum ASVG „im Bereich der Einkommensverhältnisse männlicher und weiblicher Angestellter erhebliche Veränderungen in der Einkommensrelation [...] eingetreten
“ seien, welche die in § 308 Abs 6 ASVG festgelegte, unterschiedliche pauschale Berechnungsweise des Überweisungsbetrages als nicht mehr gerechtfertigt erscheinen ließen. Abgesehen davon, dass die Beschwerde selbst nicht mit konkreten Zahlen den Beweis für diese Behauptung anzutreten vermag, ist dem VfGH nicht erkennbar, dass sich in den maßgeblichen Durchschnittseinkünften dauerhaft eine solche Angleichung zwischen Männern und Frauen ergeben hätte, welche die gesetzliche Regelung auch unter Berücksichtigung zulässiger Unschärfen nunmehr als unsachlich erscheinen ließe.
1.5.1. Die Bemessungsgrundlage für Frauen gem § 308 Abs 6 ASVG beträgt 72,7 % jener für Männer. Nach den letzten sozialstatistischen Auswertungen der Lohnsteuerdaten der Statistik Austria hat (unter Einbeziehung von Teilzeitarbeit) im Jahre 2014 das Bruttojahreseinkommen der Frauen (median) insgesamt 61,1 % des Bruttojahreseinkommens der Männer betragen (ohne Teilzeitarbeit 82 %), bei Angestellten 51,1 % und bei Vertragsbediensteten 77,6 % (vgl http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/personen-einkommen/jaehrliche_personen_einkommen/index.html – abgerufen am 11.10.2016).464 Angesichts dessen kann nicht gesagt werden, dass die unterschiedliche Pauschalierung in § 308 Abs 6 ASVG durch die Lohn- und Gehaltsentwicklung in einer Weise überholt wäre, dass sie nunmehr unsachlich geworden wäre. Die vom Gesetzgeber gewählte Berechnungsmethode wirkt auch nicht auf die faktischen Verhältnisse zurück, sodass auch insoweit von einer Diskriminierung nicht die Rede sein kann.
1.5.2. An dieser Beurteilung vermag schließlich auch der Hinweis der Beschwerde auf die Änderung des § 311 ASVG durch die Nov BGBl I 18/2016 nichts zu ändern: Der beschwerdeführenden Partei ist nämlich entgegenzuhalten, dass die hier maßgebliche Regelung der Übertragung von Beschäftigungszeiten beim Übertritt in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis mit dem umgekehrten Vorgang des Ausscheidens aus einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis ohne Anspruch auf Ruhegenuss iSd § 311 ASVG nicht ohne Weiteres vergleichbar ist:
1.5.2.1. Der Übertritt in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis durch Begründung eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses als Beamter oder durch Einräumung einer dem Beamtendienstverhältnis entsprechenden Rechtsstellung erfolgt nämlich – bei zulässiger Durchschnittsbetrachtung – zu einem Zeitpunkt, zu dem in der gesetzlichen PV nur Anwartschaften in einem verhältnismäßig geringen Ausmaß erworben worden sind.
1.5.2.2. Der umgekehrte Vorgang, nämlich das Ausscheiden aus dem pensionsversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis, sofern es ohne Anspruch auf Ruhegenuss geschieht, erfolgt in der Regel zeitlich wesentlich später in der Berufslaufbahn und ist im Allgemeinen mit der Übertragung beträchtlich höherer und relativ zeitnah zu realisierender Pensionsansprüche in die Zahlungslast der gesetzlichen PV verbunden.
1.5.2.3. § 308 Abs 6 ASVG ist daher allein dadurch, dass der Gesetzgeber mit dem SRÄG 2010, BGBl I 62/2010, und mit der Nov BGBl I 18/2016 das Regelungssystem betreffend die Überweisungsbeträge in den Fällen des § 311 ASVG geändert hat, nicht verfassungswidrig geworden. [...]
Werden der Pflichtversicherung in der PV nach ASVG unterliegende Beschäftigte (zB Angestellte, ArbeiterInnen oder Vertragsbedienstete) von einer Gebietskörperschaft in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis (zB in ein Beamtendienstverhältnis) übernommen, scheiden sie aus dem Anwendungsbereich der Pensionsversicherungsregelungen aus. Die Alterssicherung erfolgt dann nach dem Versorgungssystem des öffentlichen DG, der meistens bestimmte Vordienstzeiten als pensionswirksam anrechnet (vgl Ziegelbauer in
Diese Anmerkung betrachtet das VfGH-Erk anhand des geltenden Rechts und enthält eine rechtspolitische Einschätzung zu § 308 Abs 6 ASVG.
2010 übernahm das Land Tirol eine der PV nach ASVG unterliegende Landesvertragsbedienstete in ein pensionsversicherungsfreies, öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zum Land und beantragte bei der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) einen Überweisungsbetrag gem § 308 Abs 1 ASVG für die zugunsten dieser Bediensteten „pensionswirksam“ angerechneten Versicherungsmonate. Wegen des als zu niedrig betrachteten zugesprochenen Überweisungsbetrages von € 10.538,04 erhob das Land Tirol Einspruch an den (damals zuständigen) Landeshauptmann von Tirol, weil der Berechnung nach § 308 Abs 6 ASVG eine unsachliche Differenzierung zwischen Männern und Frauen zugrunde liege.
Als die Entscheidungszuständigkeit über diesen Einspruch wegen der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (BGBl I 2012/51) mit 1.1.2014 auf das BVerwG überging, war die strittige Rechtsfrage in einem „Parallelverfahren“ zum Anlassfall (laut BVerwG-Beschluss 1.10.2014, W173 2004133-1 gab es 26 solcher Verfahren) bereits beim VwGH anhängig, sodass das BVerwG das laufende Verfahren bis zur VwGH-E aussetzte (Beschluss 24.4.2014, W198 2004143-1/2E). Der VwGH gab der Beschwerde im „Parallelverfahren“ nicht statt (2013/08/0125 DRdA-infas 2016/147, 225) und auch das BVerwG wies die Beschwerde des Landes Tirol im Anlassfall mit Bezug auf die Entscheidungsbegründung des VwGH als unbegründet ab (21.4.2016, W198 2004143-1). Dagegen richtete sich die Beschwerde des Landes beim VfGH (Art 144 B-VG) wegen Verletzung des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes (Art 7 Abs 1 B-VG) und des Grundrechts auf Unversehrtheit des Eigentums (Art 5 StGG). Es machte eine unsachliche Differenzierung zwischen Männern und Frauen geltend, weil § 308 Abs 6 ASVG als Grundlage für die Berechnung des Überweisungsbetrages unter-465schiedliche Prozentsätze der monatlichen Pensionsversicherungshöchstbeitragsgrundlage für weibliche und männliche Versicherte vorsieht. Wegen der niedrigeren Prozentsätze für Frauen sei der Überweisungsbetrag für eine Versicherte immer niedriger als für einen Mann in derselben Situation. Dies widerspreche den tatsächlichen Gegebenheiten und bewirke eine mittelbare Frauendiskriminierung bei der Übernahme in öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse. Außerdem sei der Überweisungsbetrag gem § 311 ASVG – beim Übertritt aus einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis in die PV nach ASVG – ohne Unterscheidung nach dem Geschlecht zu bemessen.
Nach der Rechtsauffassung des VfGH ist § 308 Abs 6 ASVG nicht verfassungswidrig; er verletze weder den Gleichheitsgrundsatz (Art 7 Abs 1 B-VG) noch das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art 5 StGG). Diese Anmerkung beschränkt sich auf die im Zentrum der Entscheidungsbegründung stehende Beurteilung nach dem Gleichheitssatz. Der VfGH billigt dem Gesetzgeber hinsichtlich der Ausgestaltung und Höhe des Überweisungsbetrages einen weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum zu (so auch Frank in SV-Komm §§ 308-310 ASVG Rz 5) und stützt seine Argumentation maßgeblich auf diesen auch den Berechnungsmodus umfassenden Spielraum sowie auf die Zulässigkeit einer Durchschnittsbetrachtung (vgl bereits VfGHB 392/79 VfSlg 9908). Demzufolge darf die Berechnung des Überweisungsbetrages entweder „individuell“, dh anhand einer dienstnehmerbezogenen Bemessungsgrundlage (zB orientiert an den für den Versicherten geleisteten Beiträgen) erfolgen, oder „pauschaliert“ für alle DN (oder bestimmte DN-Gruppen) an einen geeigneten Durchschnittswert anknüpfen. Der VfGH fordert nur, dass die gesetzliche Regelung „in sich sachlich“ ist (vgl VfGHG 227/98 VfSlg 15.435 zum Erstattungsbetrag gem § 308 Abs 3 ASVG, der ebenfalls nach Abs 6 leg cit bemessen wird). Bei einem pauschalierenden Modell setze dies voraus, dass die Heranziehung unterschiedlicher Bemessungsgrundlagen für bestimmte Versichertengruppen „aus entsprechenden Unterschieden im Tatsächlichen“ ableitbar ist. Die Entsprechung rechtlicher und tatsächlicher Verhältnisse sei wegen wechselnder wirtschaftlicher Verhältnisse am Arbeitsmarkt und des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers jedoch „nicht in einem streng mathematisch-rechnerischen Sinne“ zu verstehen; eine Differenzierung bei den Bemessungsgrundlagen müsse „nur im Großen und Ganzen“ den Unterschieden in den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen.
Das ursprüngliche Berechnungsmodell gem § 308 der ASVG-Stammfassung (BGBl 1955/189; zu den Motiven ErläutRV 599 BlgNR 7. GP 94 f; danach war der Überweisungsbetrag anhand der individuellen Pensionsbemessungsgrundlage gem § 238 ASVG zu berechnen) war „individuell“ ausgerichtet. Mit der 29. ASVG-Novelle (BGBl 1973/31) erfolgte die Umstellung auf das bis heute geltende Pauschalsystem, das an die monatliche Höchstbeitragsgrundlage in der PV nach ASVG anknüpft. Regelungsziel war nach den Gesetzesmaterialien eine Verwaltungsvereinfachung (siehe ErläutRV 404 BlgNR 13. GP 120). Die im Anlassfall zu beurteilende Rechtsfrage folgt daraus, dass § 308 Abs 6 ASVG als Grundlage für die Berechnung des Überweisungsbetrages unterschiedliche Prozentsätze der Höchstbeitragsgrundlage vorsieht, die neben dem Status der Versicherten (Angestellte oder ArbeiterInnen) auch vom Geschlecht abhängen: Bei den Angestellten sind für Männer 55 %, für Frauen hingegen nur 40 %, und bei den ArbeiterInnen für Männer 45 %, für Frauen hingegen nur 30 % der Höchstbeitragsgrundlage festlegt. Diese Differenzierung geht auf die Unterschiede beim Durchschnittseinkommen (und das daraus resultierende unterschiedliche Beitragsaufkommen) männlicher und weiblicher Versicherter zurück, die anhand der damals durchzuführenden Grundzählung der SV für die Jahre 1969, 1970 und 1971 ermittelt wurden (siehe im Detail die ErläutRV 404 BlgNR 13. GP 122 f). Schon in einer E aus 1983 hatte der VfGH keine Bedenken gegen die Differenzierung bei den Prozentsätzen, sondern ging von einer zulässigen Durchschnittsbetrachtung unter Zugrundelegung versicherungsmathematischer Berechnungen aus (VfGHB 392/79 VfSlg 9908). Auch in der Literatur bestehen, soweit ersichtlich, keine verfassungsrechtlichen Bedenken zum Berechnungsmodus gem § 308 Abs 6 ASVG (siehe Frank in SV-Komm §§ 308-310 ASVG Rz 23; Teschner/Widlar/Pöltner, Allgemeine Sozialversicherung [133. ErgLfg 2017] § 308 ASVG Rz 13; Ziegelbauer in Sonntag, ASVG8 § 308 Rz 12 mwN).
Die (auch) nach dem Geschlecht differenzierende Berechnung des Überweisungsbetrages unterscheidet sich von den Diskriminierungssituationen, gegen die sich zahlreiche unionsrechtliche (zB Art 157 AEUV, Art 21 und 23 GRC, RL 2006/54/EG, RL 79/7/EWG) und nationale einfachgesetzliche Gleichbehandlungsbestimmungen (GlBG BGBl I 2004/66; B-GlBG BGBl 1993/100; Tiroler Landes-Gleichbehandlungsgesetz LGBl 2005/1) richten, vor allem dadurch, dass es zu keiner Beeinträchtigung der Rechte bzw Rechtsposition einer bestimmten Person kommt. Die Anwendung der fraglichen Berechnungsregel hat keine negativen Auswirkungen auf die Höhe des individuellen Pensionsanspruchs einer Versicherten, die aus der PV nach ASVG in das Altersversorgungssystem eines öffentlichen DG übertritt. Bei § 308 Abs 6 ASVG geht es lediglich um einen Berechnungsfaktor für eine Zahlung des zuständigen Pensionsversicherungsträgers (hier PVA) an den „übernehmenden“ öffentlichen DG (hier Land Tirol). Der Überweisungsbetrag nach Abs 1 leg cit reduziert die Zahlungslast des DG wegen der Anrechnung pensionswirksamer Vordienstzeiten für „neu“ in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis übernommene Beschäftigte. Geringe Überweisungsbeträge bewirken daher eine finanzielle Belastung öffentlicher DG (siehe Näheres bei Frank in SV-Komm§§ 308-310 ASVG Rz 1;466Ziegelbauer in
Ob § 308 Abs 6 ASVG eine sachliche Regelung ist und dem Gleichheitssatz entspricht, macht der VfGH insb davon abhängig, dass die Differenzierung nach dem Geschlecht in der Berechnungsregelung auf Unterschiede im Tatsächlichen – hier auf noch in der Gegenwart bestehende markante Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen – zurückgeführt werden kann. Der VfGH bejaht dies ohne „Bewertung“ und mit mE nicht durchwegs überzeugender Begründung. Konkret stützt er sich auf die sozialstatistischen Auswertungen der Lohnsteuerdaten der Statistik Austria bezogen auf das Jahr 2014 und beschränkt sich damit auf eine reine „Gegenwartssicht“. Dies ist legitim, dennoch wären einige Bemerkungen darüber informativ gewesen, wie hoch die Einkommensdifferenz bei der Einführung des pauschalen Berechnungsmodells zu Beginn der 1970er-Jahre war, oder wie und warum sie sich in dieser sehr langen Zeit entwickelt hat (vgl weiterführend dazu Böheim/Rocha-Akis/Zulehner, Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern: Die Rolle von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigung, WIFO-Monatsberichte 11/2013, 883 ff; Böheim/Hofer/Zulehner, Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern in Österreich – Ein Vergleich zwischen 1983 und 1997, Kurswechsel 1/2002, 50 ff; Eder in
Recherchen nach durchgehenden, annähernd gleichen Parametern folgenden Daten und Zahlenreihen zur Einkommensentwicklung für die Zeit seit 1970, die einen aussagekräftigen Vergleich mit den heutigen Verhältnissen ermöglichen, waren schwierig. Die Materialien zur 29. ASVG-Novelle (siehe ErläutRV 404 BlgNR 13. GP 122) beschränken sich auf die Information, auf welchem Weg der Gesetzgeber zu den unterschiedlichen Prozentsätzen in § 308 Abs 6 ASVG gelangte, und erlauben nur eine grobe Rückrechnung auf die exakten Einkommensunterschiede. Etwas genauere Rückschlüsse ermöglichen die Lohnsteuerstatistiken für 1970 (ÖSTAT 1975, Heft 369, insb 14, 16 und 18) und für 1973 (ÖSTAT 1977, Heft 471, insb 26, 30 und 34), die – ausgehend von den Jahresbruttobezügen aller Lohnsteuerpflichtigen (Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte) – für beide Jahre einen geschlechtsbezogenen Einkommensunterschied von etwa 39 % ergaben. Der Vergleich mit ähnlich „groben“ Zahlen für 2015 (Bruttojahreseinkommen inklusive der Teilzeitbeschäftigten) ergab bei den unselbständig Erwerbstätigen insgesamt eine ernüchternde Differenz von 38,4 %. Werden nur die Bruttojahreseinkommen der ganzjährig Vollzeitbeschäftigten herangezogen, verbleibt immer noch eine Differenz von 17,3 % (siehe das pdf-Dokument „Ergebnisse im Überblick: Bruttojahreseinkommen von Frauen und Männern“ vom 20.1.2017 auf http://www.statistik-austria.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/gender-statistik/einkommen/index.htmlhttp://www.statistik-austria.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/gender-statistik/einkommen/index.html – abgerufen am 28.7.2017). Diese Zahlen stützen die Bewertung des VfGH, dass die gegenwärtigen geschlechtsbezogenen Einkommensunterschiede ausreichen, um – als Unterschiede im Tatsächlichen – die Differenzierung zwischen Männern und Frauen in § 308 Abs 6 ASVG als „nicht unsachlich“ zu betrachten. Nach geltendem Recht ist das eine vertretbare Einschätzung.
Rechtspolitisch verbleiben dennoch Zweifel am Bemessungsmodus nach § 308 Abs 6 ASVG. Insb wenn man bedenkt, dass sich in den geringeren Durchschnittseinkommen unselbständig erwerbstätiger Frauen, an die er anknüpft, die vielfältigen Schwierigkeiten (insb die Bewältigung der Doppelbelastung durch Beruf und Familie) niederschlagen, mit denen vor allem Frauen im Erwerbsleben konfrontiert werden. Maßnahmen zur Reduzierung des Gender Pay Gap (siehe weiterführend Böheim/Himpele/Mahringer/Zulehner, The Gender Pay Gap in Austria: Tamensi Movetur!WIFO Working Papers 394/2011; Geisberger/Till, Der neue EU-Strukturindikator „Gender Pay Gap“, Statistische Nachrichten 1/2009, 64 ff) verfolgen somit das Anliegen zur tatsächlichen Gleichstellung der Frauen in der Arbeitswelt, zu dem sich die Gebietskörperschaften in der Staatszielbestimmung zur Gleichstellung der Frauen in Art 7 Abs 2 B-VG bekennen. Im Zusammenhang damit steht auch der Gedanke des Gender Mainstreaming, der sich gegen vermeidbare Differenzierungen nach dem Geschlecht in der Rechtsordnung wendet. Vor diesem Hintergrund ist es zweifelhaft, ob eine pauschalierende Berechnung des Überweisungsbetrages, die an Werte anknüpft, die auf den tatsächlichen Einkommensverhältnissen der frühen 1970er-Jahre beruhen, aus heutiger Sicht sinnvoll und erforderlich ist. Vor allem die Anknüpfung an die „Einkommensschere“ zwischen Männern und Frauen in § 308 Abs 6 ASVG ist – sei es auch nur zu Berechnungszwecken – vom Gesetzgeber mE unglücklich gewählt und sollte durch einen anderen Bemessungsmodus (siehe am Textende) ersetzt werden.
Aber auch andere Aspekte geben Anlass über eine Novellierung des § 308 Abs 6 ASVG nach-467zudenken. So sieht diese Bestimmung außer der Unterscheidung zwischen den Beschäftigtengruppen der Angestellten und der ArbeiterInnen (die knappschaftliche PV sei hier ausgespart) keine Differenzierung nach Berufsgruppen vor. Das betrifft auch die Vertragsbediensteten, die – wie die Tiroler Landesvertragsbedienstete im Anlassfall – nach gesetzlich vorgegebenen Besoldungsschemata ohne Unterscheidung nach dem Geschlecht entlohnt werden. Nicht zuletzt deshalb sind die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen in dieser Gruppe niedriger als etwa in der Privatwirtschaft (siehe die Aufstellungen im unter Pkt 3.1. zitierten Überblick: „Bruttojahreseinkommen von Frauen und Männern“ auf http://www.statistik-austria.athttp://www.statistik-austria.at). Dem trägt das Gesetz, laut VfGH im Rahmen des rechtspolitischen Gestaltungsspielraums, mE nicht ausreichend Rechnung. De lege ferenda sollte das – vom Unterschied im Tatsächlichen ausgehend – überdacht werden.
Nicht zu vernachlässigen ist mE auch das vom VfGH nicht näher erörterte Argument (siehe dazu aber VwGH2013/08/0125DRdA-infas 2016/147, 225) des Landes Tirol, öffentliche DG könnten wegen des aufgrund des Berechnungsmodus für Frauen niedrigeren Überweisungsbetrages – bei sonst gleichen Voraussetzungen – dazu tendieren, im Zweifel eher Männer in öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse zu übernehmen. Eine mittelbare Frauendiskriminierung iSd Legaldefinitionen in den Gleichbehandlungsgesetzen (zB § 5 Abs 2 GlBG) liegt darin zwar nicht, weil § 308 Abs 6 ASVG ausdrücklich an das Geschlecht und nicht an ein dem Anschein nach neutrales Kriterium anknüpft. Dennoch sollte schon die Eignung der Berechnungsregelung, das „Übernahmeverhalten“ öffentlicher DG zum Nachteil der Interessentinnen aus finanziellen Gründen zu beeinflussen, in Zukunft legistisch vermieden werden.
§ 311 ASVG legt – „spiegelbildlich“ zu § 308 Abs 6 leg cit – beim Übertritt aus einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis (zB einem Beamtendienstverhältnis) in die PV nach ASVG fest, dass der DG einen Überweisungsbetrag an den zuständigen Pensionsversicherungsträger zu leisten hat. Für die Bemessung dieses Überweisungsbetrages ist keine Unterscheidung nach dem Geschlecht vorgesehen (siehe die Novellen BGBl I 2010/62 und BGBl I 2016/18). Nach dem VfGH sind die beiden Übertrittsverhältnisse (in die oder aus der PV nach ASVG) jedoch „nicht ohne Weiteres vergleichbar“, weil Übertritte in das Pensionsversicherungssystem idR später (also pensionsnäher) im Berufsverlauf erfolgten und daher höhere Überweisungsbeträge bewirkten als Übertritte aus der PV in ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis. Systematisch betrachtet besteht allerdings eine vermeidbare Asymmetrie bei den Berechnungsmodellen für die Überweisungsbeträge nach § 308 Abs 1 (sowie des Erstattungsbetrages gem Abs 3) und nach § 311 ASVG, die mE entfallen sollte.
Schließlich ist das Argument der Verwaltungsvereinfachung als das wichtigste Regelungsziel, mit dem die Einführung des pauschalierenden Berechnungsmodells zu Beginn der 1970er-Jahre begründet wurde (ErläutRV 404 BlgNR 13. GP 120), mE überholt, weil die technische Entwicklung im IT-Bereich die Datenerfassung und die Berechnungsabläufe im Bereich der SV seither so grundlegend verbessert hat, dass diese Argumentation heute wohl nicht mehr greift.
Es wäre daher mE sinnvoll, die Methode zur Bemessung des Überweisungsbetrages (und des Erstattungsbetrages) in § 308 Abs 6 ASVG de lege ferenda so umzugestalten, dass sie auf einer dienstnehmerbezogenen, „individuellen“ Bemessungsgrundlage (zB den für die erworbenen Versicherungszeiten geleisteten Beiträgen) beruht. Dies würde die bestehende, nicht unbedenkliche Differenzierung nach Versichertengruppen und Geschlecht vermeiden und sollte auch ohne eine unzumutbare Mehrbelastung der Pensionsversicherungsträger administrierbar sein.468