194Verschlechterung der betrieblichen Pensionszusage durch Betriebsübergang: Abfindung
Verschlechterung der betrieblichen Pensionszusage durch Betriebsübergang: Abfindung
Der Kl ist Flugkapitän und war seit 1991 bei der Bekl beschäftigt. Bis 30.6.2012 unterlag sein Arbeitsverhältnis dem KollV für das Bordpersonal der Austrian Airlines und Lauda Air („OS KV Bord 2008“). Er wurde mit Schreiben vom 1.5.2012 über den zum 1.7.2012 bevorstehenden Betriebsübergang zur Tyrolean Airways Tiroler Luftfahrt GmbH und die damit verbundenen Änderungen informiert, insb darüber, dass die Übernehmergesellschaft gem § 5 Abs 1 AVRAG die leistungsorientierten Pensionskassenzusagen laut OS KV Bord 2008 nicht übernehmen werde, sondern sich die Pensionszusagen ab dem Übergangsstichtag nach der bei ihr geltenden BV „Pensionskasse“ richten würden.
Der Kl begehrt rund € 600.000,– brutto sA mit der Begründung, wegen der Nichtübernahme der leistungsorientierten Pensionszusage schulde ihm die Bekl gem § 5 Abs 2 AVRAG als Veräußerin eine nach dem Teilwertverfahren errechnete Abfindung in der eingeklagten Höhe. Die Bekl wandte ein, der Abfindungsanspruch nach § 5 Abs 2 AVRAG entstehe bei gänzlichem Wegfall der betrieblichen Pensionszusage. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt, weil auch im Betrieb der Übernehmerin für den Kl eine – beitragsorientierte – kollektivvertragliche Pensionszusage gegolten habe. Eine bloße Verschlechterung der betrieblichen Pensionszusage sei deren Wegfall nicht gleichzuhalten.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Die Revision zur Klärung der Frage, ob Voraussetzung für eine Pensionsabfindung nach § 5 Abs 2 AVRAG der Wegfall oder auch eine Minderung der betrieblichen Pensionszusage sei, wurde zugelassen. Der OGH erachtete sie als berechtigt.353
Die Regelung des § 5 Abs 2 AVRAG erfasst nicht nur den Wegfall einer individualrechtlichen Pensionszusage, sondern generell den Wegfall „der“ betrieblichen Pensionszusage, sohin auch infolge Betriebsübergangs, insb infolge Kollektivvertragswechsels oder -wegfalls oder durch Wegfall der BV. Mit „der“ betrieblichen Pensionszusage wird prima facie nicht irgendeine, sondern die den Gegenstand der Regelung bildende, nicht übernommene Pensionszusage des Veräußerers angesprochen. Die Auslegung des § 5 Abs 2 AVRAG hat sich nach den Vorgaben der Betriebsübergangs-Richtlinie (RL 2001/23/EG) am Gedanken des Schutzes der nicht übergegangenen Anwartschaftsrechte der AN zu orientieren.
Lehnt der Erwerber den Eintritt in eine betriebliche Pensionszusage ab, dann entsprechen die Rechtsfolgen einer Teilkündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Erwerber. Der Erwerb weiterer Anwartschaften in dieser Pensionszusage endet. Es findet keine (automatische) Fortsetzung in einem anderen betrieblichen Pensionssystem des Erwerbers statt, sondern der AN beginnt ab dem Übergangsstichtag neu mit dem Erwerb von Anwartschaften nach den dort geltenden Regeln.
Hinsichtlich der bisherigen betrieblichen Pensionszusage treten jene Konsequenzen ein, die sich aus den Regelungen des Betriebspensionsgesetzes (BPG), hier bei pensionskassenfinanzierter kollektivvertraglicher Pensionszusage konkret § 5 BPG, ergeben. Der AN hat in diesem Fall Anspruch auf den Unverfallbarkeitsbetrag, den er iSd Abs 2 leg cit in mehreren Varianten zur weiteren Sicherung seiner künftigen Pensionsversorgung veranlagen oder sich nach Abs 4 abfinden lassen kann. Dieses Recht des AN besteht aber unabhängig davon, ob ihm in einem nachfolgenden Arbeitsverhältnis wieder eine betriebliche Pensionszusage gewährt wird und ob diese günstiger oder weniger günstig als die beendete Pensionszusage ist.
Der Unverfallbarkeitsbetrag nach dem BPG repräsentiert aber nur den pro rata temporis ausfinanzierten Wert einer beitragsorientierten Pensionszusage. Der versicherungsmathematische Barwert einer (bedingt) leistungsorientierten Pensionszusage, wie sie zwischen den Parteien bestanden hat, ist in aller Regel höher, weil der Anspruch des AN nicht auf das angesparte Kapital und dessen Erträgnisse begrenzt ist, sondern der ehemalige AG zu Nachschüssen verpflichtet ist, wenn es die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen erfordert. Dem entsprechend ordnet § 5 Abs 2 AVRAG für die Fälle der leistungsorientierten Pensionszusage, der direkten Leistungszusage und der leistungsorientierten Versicherungsverträge die Berechnung der Abfindung nach dem Teilwertverfahren und den für die Bildung der Rückstellung geltenden Grundsätzen an. Mit dieser Abfindung erhält der AN den bis zum Übergangsstichtag berechneten anteiligen Wert der infolge betriebsübergangsbedingter Teilkündigung beendeten leistungsorientierten Pensionszusage. Vom errechneten Teilwert der Pensionszusage ist der sich nach den Rechnungsvorschriften der Pensionskasse ergebende Unverfallbarkeitsbetrag, der einen Anspruch gegenüber der Pensionskasse begründet, abzuziehen.
Die Urteile der Vorinstanzen waren daher aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung (betreffend Höhe des geltend gemachten Anspruchs) an das Erstgericht zurückzuverweisen.