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Kollektivvertragsverfallsfrist erst ab Kenntnis von polizeilichem Abschlussbericht ausgelöst

KLAUSBACHHOFER
§ § 1489, 1501 ABGB, Art 12 Z 2 KollV Güterbeförderung

Der bei der Kl als LKW-Fahrer beschäftigte Bekl stürzte mit dem von ihm gelenkten Tanklastkraftfahrzeug am 4.3.2016 bei Glatteis in einen Straßengraben. Noch am selben Tag besichtigte der Geschäftsführer der Kl die Unfallstelle.

Am 21.6.2016 wurde der Kl der Abschlussbericht der Landespolizeidirektion (LPD) NÖ übermittelt. Mit Schreiben vom 16.6.2016 machte die Kl erstmals Schadenersatzansprüche gegen den Bekl geltend.

Gegen die wenige Tage später eingebrachte Klage wendete der Bekl ua den Verfall nach dem anzuwendenden KollV für das Güterbeförderungsgewerbe ein, da die Kl noch am Unfallstag Kenntnis von Schaden und Schädiger erlangt, den Anspruch aber nicht binnen drei Monaten ab dieser Kenntnis schriftlich geltend gemacht habe.

Die Kl entgegnete, dass sie erst nach Erhalt des Abschlussberichts der LPD NÖ erkennen habe können, dass der Unfall vom Bekl verschuldet worden sei und nicht auf plötzlich auftretendes Glatteis zurückzuführen gewesen wäre.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren jeweils wegen Verfalls ab. Das Berufungsgericht lastete der Kl einen Verstoß gegen die sie treffende Erkundigungspflicht an, der zufolge sie die Verantwortung des Bekl, plötzliches Glatteis und kein Fahrfehler hätte den Unfall verursacht, kritisch hinterfragen oder sich zumindest erklären hätte müssen, warum sie nicht eher das Polizeiprotokoll beischaffen habe können.

Der OGH hielt die von der Kl erhobene außerordentliche Revision entgegen des Ausspruchs des Berufungsgerichts für zulässig, erkannte sie auch iSd gestellten Aufhebungsantrags für berechtigt und verwies die Rechtssache zur inhaltlichen Prüfung der geltend gemachten Schadenersatzansprüche an das Erstgericht zurück.

In seiner Begründung führte der Gerichtshof aus, dass die anzuwendende Kollektivvertragsverfallsfrist wie auch die kurze Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB erst in Lauf gesetzt wird, wenn der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen so weit kennt, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann. Der Geschädigte darf sich zwar nicht passiv verhalten und muss seiner ihm prinzipiell zukommenden Erkundigungsobliegenheit nachkommen, diese darf aber auch nicht überspannt werden.

Die Behauptungs- und Beweislast für die die Verjährung begründenden Umstände, insb den Beginn der Verjährungsfrist, trifft denjenigen, der die Verjährungseinwendung erhebt. Der Schadenersatzpflichtige hat den Beweis zu erbringen, dass die maßgebliche Kenntnis auf Seiten des Schadenersatzgläubigers bereits zu einem bestimmten Zeitpunkt bestanden hat.

Im vorliegenden Fall hat der Bekl seinen Verfallseinwand ausschließlich damit begründet, dass die Kl bereits am Unfallstag in Kenntnis von Schaden und Schädiger gewesen sei, weshalb die schriftliche Geltendmachung außerhalb der dreimonatigen Verfallsfrist erfolgt sei. Nach Ansicht des OGH steht allerdings fest, dass erst aus dem der Kl übermittelten Abschlussbericht der LPD NÖ und einer darin enthaltenen Zeugenaussage hervorgeht, dass der Bekl schon während der Bergauffahrt Probleme mit dem Glatteis hatte und die Bergabfahrt fahrlässig versuchte.

Da der Bekl seinen Verfallseinwand nicht auf eine Verletzung der Erkundigungsobliegenheit durch die Kl gestützt und dazu auch kein Tatsachenvorbringen erstattet hat, musste die Kl auch nicht erklären, weshalb es ihr innerhalb der kollektivvertraglichen Dreimonatsfrist unzumutbar oder unmöglich war, die näheren Umstände des Unfalls zu erheben und das Polizeiprotokoll beizuschaffen. Die Kl hat daher die von ihr mit der Klage erhobenen Schadenersatzansprüche rechtzeitig innerhalb der dreimonatigen Verfallsfrist schriftlich geltend gemacht, weshalb Verfall nicht eingetreten ist.344