Sonderzahlungen bei ehemals freien Dienstverträgen und Werkverträgen nicht mehr auf Kollektivvertragsbasis zu berechnen?

GEORGGASTEIGER
In diesem Beitrag sollen die Auswirkungen des neu eingeführten § 2g Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) bei Umqualifizierungen von freien Dienstverträgen und Werkverträgen in echte Arbeitsverhältnisse untersucht werden. Insb bei den Sonderzahlungen könnten sich wesentliche Änderungen ergeben.
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Das Grundproblem

Wenn ein Werk- oder freier Dienstvertrag* in einen echten Arbeitsvertrag umqualifiziert wurde, war laut Rsp* bisher das Honorar* als „Bruttomonatsentgelt“ anzusehen, weshalb ein Anspruch auf Nachzahlung der Sonderzahlungen ausschließlich auf Basis des kollektivvertraglichen Mindestgehalts* geprüft wurde.

Ab 1.1.2016 ist nunmehr jedoch § 2g AVRAG* zu beachten. Dieser bestimmt: „Enthält der Arbeitsvertrag oder der Dienstzettel das Entgelt als Gesamtsumme, die Grundgehalt […] und andere Entgeltbestandteile einschließt, ohne den Grundgehalt oder -lohn im Sinne des § 2 Abs. 2 Z 9 betragsmäßig anzuführen, hat [die AN*] Anspruch auf den Grundgehalt* […] einschließlich der branchen- und ortsüblichen Überzahlungen, der am Arbeitsort vergleichbaren [AN] von vergleichbaren [AG] gebührt (Ist-Grundgehalt […]).

In der Folge werden zunächst die einzelnen Tatbestandselemente (Kapitel 3. und 4.) und anschließend die Rechtsfolgen dieser Bestimmung (Kapitel 5.) in Bezug auf Umqualifizierungen, anhand der bisherigen Rsp, untersucht.

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Der Gesetzeszweck des § 2g AVRAG bei Umqualifizierungen

§ 2g AVRAG wurde mit dem Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2015 (ARÄG)* eingeführt und soll zu einer verbesserten Transparenz für AN führen und zu deren Gesundheitsschutz beitragen.* Auch Umqualifizierungen ist diese fehlende Transparenz immanent: AN wird kaum jemals bekannt sein, welche Entgeltbestandteile (eines echten Dienstverhältnisses) das Honorar umfasst. Ebenso trifft der Aspekt des Gesundheitsschutzes zu, wäre doch das ursprünglich gewählte Vertragsverhältnis gar nicht den AN-Schutzbestimmungen (zB AZG, ARG, etc) unterlegen.

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Handelt es sich beim Honorar um eine „Pauschalentgeltvereinbarung“?
3.1
Die Pauschalentgeltvereinbarung des § 2g AVRAG
3.1.1
Pauschalentgeltvereinbarungen sind nicht nur All-In-Vereinbarungen

Aus den Erläuterungen* ist ersichtlich, dass § 2g AVRAG insb bei All-In-Vereinbarungen zur Anwendung gelangen soll, bei welchen „ein Entgelt für die gesamte Arbeitszeit“ (inklusive etwaiger Mehrleistungen) vereinbart wurde. Dabei zeigt sich, dass es mE keine abschließende Definition378für „All-In-Vereinbarungen“ gibt.* Nähere diesbezügliche Ausführungen können jedoch unterbleiben, da § 2g AVRAG nicht nur klassische All-In-Vereinbarungen umfasst, sondern vielmehr eine eigenständige Definition aufstellt:* Die vereinbarte „Gesamtsumme“ muss das „Grundgehalt […] und andere Entgeltbestandteile einschließ[en], ohne den Grundgehalt […] im Sinne des § 2 Abs 2 Z 9 betragsmäßig anzuführen“. Ein Pauschalentgelt liegt damit nach dem klaren Gesetzeswortlaut bereits dann vor, wenn neben dem Grundgehalt auch nur ein weiterer Entgeltbestandteil vom Gesamtentgelt umfasst ist. Zutreffend führt daher Burger* als Beispiel ein Jahresgehalt an, welches auch die Sonderzahlungen mitumfasst.

3.1.2
Zur Unterscheidung von Grundgehalt und „anderen Entgeltbestandteilen“

Entscheidend ist somit die Unterscheidung zwischen Grundgehalt und anderen Entgeltbestandteilen. Dazu verweist § 2g AVRAG zunächst auf § 2 Abs 2 Z 9 leg cit, welcher ebenfalls durch das ARÄG 2015* neu formuliert wurde. Wie bereits in der Stammfassung* wird auch im nunmehrigen Text klar zwischen „Grundgehalt“ und „weitere[n] Entgeltbestandteile[n] wie zB Sonderzahlungen“ unterschieden. Es erscheint wesentlich, dass auch in der Novellierung die Sonderzahlungen als Beispiel für „weitere Entgeltbestandteile“ genannt werden. Obwohl die Erläuterungen klar festhalten, dass die Änderungen in § 2 Abs 2 Z 9 AVRAG „in Zusammenhang mit § 2g AVRAG zu lesen“ sind, werden keine anderen Entgeltbestandteile (wie zB Überstunden) in der Aufzählung erwähnt. Dies deckt sich auch mit der hM,* wonach Sonderzahlungen jedenfalls vom Grundgehalt zu unterscheiden sind.

Darüber hinaus findet sich in den Erläuterungen* zu § 2g AVRAG keine nähere Definition des Grundgehalts, lediglich die Beschreibung als „Lohn für die Normalarbeitszeit“, welcher die Berechnungsbasis für das Überstundenentgelt darstelle, sowie der Hinweis, dass zwischen „Grundlohn und Mehrleistungsentgelt“ zu unterscheiden sei. Die wohl hM* definiert das Grundgehalt im Wesentlichen als jenes Entgelt, welches den AN während der Normalarbeitszeit gebührt und welches nicht von einem variierenden quantitativ (zB Überstunden) oder qualitativ* (zB Funktionszulagen, Boni, Provisionen) abgrenzbaren Aspekt der Arbeitsleistung abhängt. Es unterscheidet sich daher vom „Normallohn“ des § 10 Abs 3 Arbeitszeitgesetz (AZG).*Maca* spricht treffend vom Entgelt für „Arbeitsleistungen ohne Extras“. Als Abgrenzungskriterien können hier auch allfällig anwendbare Kollektivvertrags-Mindestgehälter,* die Funktion als Berechnungsbasis für andere Entgeltbestandteile bzw allfällige Stichtagsabhängigkeiten (zB Jubiläumsgelder) oder aperiodische Fälligkeiten (zB Gewinnbeteiligungen) dienen. Im Detail bleiben Unschärfen, welche jedoch den Rahmen des vorliegenden Beitrages sprengen würden und für das hier gegenständliche Thema mE idR nicht entscheidend sein werden.

3.2
Die im Honorar inkludierten Entgeltbestandteile*

Nach der herrschenden Rsp* sind das Grundgehalt und die Sonderzahlungen mit dem laufenden Honorar abgedeckt, soweit dies aufgrund der Überzahlung über das Kollektivvertrags-Mindestgehalt rechnerisch möglich ist. Es wird also zur Prüfung allfälliger Sonderzahlungen nur auf den KollV abgestellt. Einer ausdrücklichen Vereinbarung im Einzelvertrag bedarf es hierfür nicht.*

Beim Überstundenentgelt ist zu unterscheiden: Liegt eine stundenweise Bezahlung (Stundenhonorar) vor, so ist damit die Grundüberstunde bereits abgegolten, nicht jedoch der Überstundenzuschlag.* Begründet wird dies insb mit dem Zweck des Überstundenzuschlages, die Mehrbelastung der AN abzugelten und die Kosten der Überstundenarbeit zu erhöhen.* Auch hier bedarf es keiner ausdrücklichen Vereinbarung. Verträge über Monatshonorare sind hingegen im Einzelfall auszulegen. So wurde etwa zu einer als „Pauschalfixhonorar“ bezeichneten Vereinbarung ausgesprochen, dass Grundgehalt, Sonderzahlungen und sämtliche Überstunden inklusive Zuschläge bereits abgegolten waren.*

Wie es sich bei Mehrstunden und den Mehrstundenzuschlägen iSd § 19d Abs 3a AZG verhält, ist – soweit ersichtlich – noch nicht ausjudiziert. Den Erläuterungen* folgend wurde der gesetzliche Mehrstundenzuschlag „analog dem Überstundenzuschlag konstruiert“ und sollte zu mehr Kostengerechtigkeit führen. Die hM* sieht darin überdies eine Abgeltung der erhöhten Flexibilität. Gerade diese wird mangels Anwendung von AZG oder Arbeitsruhegesetz (ARG) bei Scheinselbständigen ebenfalls vorliegen bzw mitunter noch stärker ausgeprägt sein. Daher ist mE davon auszugehen, dass analog zum Überstundenzuschlag zwar die Grundmehrstunde, nicht jedoch der gesetzliche Mehrstundenzuschlag (jedenfalls bei stundenweiser Bezahlung) von den bereits geleisteten Honoraren abgedeckt ist.

Feiertagsentgelte sind laut Rsp* grundsätzlich nicht vom laufenden Honorar umfasst. Sonstige Entgeltbestandteile (Zulagen, Zuschläge etc) sind mE im Einzelfall zu prüfen. Die Urlaubsersatzleistung gem § 10 Urlaubsgesetz (UrlG) kann hingegen durch das laufende Honorar nicht abgegolten sein.*

3.3
Conclusio

Zusammengefasst zeigt sich also, dass in dem ursprünglich als Honorar bezeichneten Entgelt neben dem Grundgehalt idR zumindest die laufenden aliquoten Sonderzahlungen, das Überstunden- und Mehrstundenentgelt (im Allgemeinen die Grundstunde ohne Zuschlag) sowie das Feiertagsarbeitsentgelt gem § 9 Abs 5 ARG enthalten sind.* Wie bereits oben dargestellt, handelt es sich bereits dann um eine Pauschalentgeltvereinbarung iSd § 2g AVRAG, wenn mit dem Gesamtbetrag neben dem Grundgehalt zumindest ein weiterer Entgeltbestandteil abgegolten sein soll. Daher sind umqualifizierte Honorare als Pauschalentgeltvereinbarungen iSd § 2g AVRAG anzusehen. Dieses Ergebnis ist auch im Einklang mit den Erläuterungen,* wonach § 2g leg cit zur Anwendung kommen soll, wenn „ein Entgelt für die gesamte Arbeitszeit“ vereinbart wurde. Gerade dies nimmt die herrschende Rsp an, wenn sie ausführt, dass Honorarvereinbarungen „nicht anders verstanden werden [können], als dass [damit] die Leistung pro rata temporis zur Gänze bezahlt sein soll“.*

4
Die übrigen Anwendungsvoraussetzungen des § 2g AVRAG
4.1
Fehlende Vereinbarung eines Grundgehalts

§ 2g AVRAG verlangt, dass bei Pauschalentgeltvereinbarungen das Grundgehalt betragsmäßig anzuführen ist. Eine solche (vorsorgliche) Vereinbarung scheint in der Praxis – bei Scheinselbständigen – kaum vorzukommen. Die folgenden Ausführungen basieren daher auf dem Fehlen einer solchen Grundgehaltsvereinbarung. Hier sei noch darauf hingewiesen, dass § 2g AVRAG bezüglich des Einzelvertrages keine Formvorschrift enthält und daher auch mündliche Verträge umfasst.* Dienstzettel gem § 2 AVRAG sind dann betroffen, wenn zu deren Ausstellung eine Rechtspflicht besteht.*

Stellt nun die AG aufgrund der Umqualifizierung nachträglich einen Dienstzettel aus, welcher beim ursprünglichen Grundgehalt auf den KollV abstellt, kann dies den Mangel nicht mehr sanieren. Da der Arbeitsvertrag selbst kein Grundgehalt enthält, ist § 2g AVRAG bereits erfüllt. Auf den Dienstzettel kommt es daher nicht mehr an.*380Überdies bedürfte die Vereinbarung des Kollektivvertragsgehalts als Grundgehalt der Zustimmung der AN,* weshalb ein derartiger Dienstzettel nur eine nie getroffene Vereinbarung wiedergeben könnte und schon deshalb mangelhaft wäre.*

Auch die Annahme, dass das Grundgehalt bereits durch die oben dargestellte Rsp – quasi automatisch – enthalten sein könnte, überzeugt nicht. Da die Rsp bisher auch bei echten Arbeitsverhältnissen mit All-In-Klausel die Deckungsprüfung auf Basis des kollektivvertraglichen Mindestgehalts durchgeführt hat,* wäre de facto nach § 2g AVRAG dann auch bei diesen der Anwendungsbereich entzogen. Damit stünde diese Leseart mE dem Gesetzeszweck entgegen.

4.2
Zeitlicher Geltungsbereich

Gem § 19 Abs 1 Z 34 AVRAG trat § 2g leg cit mit 1.1.2016 in Kraft und gilt für danach neu abgeschlossene Pauschalentgeltvereinbarungen. Damit sind sämtliche, ab dem 1.1.2016 neu begonnenen Vertragsverhältnisse umfasst, wobei es hier auf den Zeitpunkt der Willensübereinstimmung und nicht auf den Zeitpunkt des Wirksamkeitsbeginns ankommen soll.* Bei bereits bestehenden Vereinbarungen wird zum Teil vertreten, dass jede einvernehmliche Änderung zur Anwendbarkeit des § 2g AVRAG führe,* zum Teil wird auf das Ausmaß der Änderung abgestellt.* Unstrittig nicht umfasst sind hingegen Änderungen, welche bloß auf kollektivvertraglichen Erhöhungen beruhen.*

5
Die Sanktion des § 2g AVRAG bei Umqualifizierungen
5.1
Allgemeine Aspekte

Die folgenden Ausführungen beziehen sich nun auf jene Fälle, in welchen die oben genannten Voraussetzungen (Kapitel 3. und 4.) erfüllt sind.

§ 2g AVRAG sieht als Sanktion für das Fehlen der Grundgehaltsangabe die Berechnung der abzugeltenden Entgeltbestandteile auf Basis jenes Grundgehalts vor, welches „am Arbeitsort vergleichbaren AN von vergleichbaren AG gebührt“, „einschließlich der branchen- und ortüblichen Überzahlung“ (Ist-Grundgehalt).* Die Bestimmung dieses Ist-Grundgehalts wird idR einer Sachverständigen bedürfen und damit in der Praxis teils massive Probleme bereiten.* Allenfalls verfügbare Statistiken* werden wohl als erster Näherungswert herangezogen werden können.*

5.2
Exkurs: Gehaltsansprüche aufgrund von § 2g AVRAG? Pauschalentgeltvereinbarung bei unterkollektivvertraglichem Honorar?

Während offenbar dahingehend Einigkeit besteht,* dass auch Gehaltsdifferenzen (also der Anspruch auf Nachzahlung von Grundgehalt) aus § 2g AVRAG abgeleitet werden können, erscheint strittig, ob diese mit der Höhe des Gesamtentgelts begrenzt sind.* ME sind Risak* und Burger* eher iS eines Nachzahlungsanspruches zu verstehen, wenn das Grundgehalt als Teil des Pauschalentgelts vereinbart wurde.* Dagegen vertritt Peschek* die genannte Begrenzung des Ist-Grundgehalts unter Hinweis auf eine Überschreitung des Gesetzeszweckes. Dies überzeugt mE jedoch nicht, da selbst die Materialien* an einer Stelle ua vom Vorteil „eine[s] höheren Grundlohn[es] [...]“ sprechen und überdies sieht der Gesetzeswortlaut ausdrücklich und undifferenziert einen „zwingend[en] Anspruch auf [das …] Ist-Grundgehalt“ vor. Auch liefe die gegenteilige Auslegung auf eine Benachteiligung all jener AG hinaus, welche bereits ein höheres Entgelt bezahlt haben, müssten diese doch jedenfalls das volle Ist-Grundgehalt in Anrechnung bringen. Daher steht mE das Ist-Grundgehalt auch dann zu, wenn dieses das vereinbarte Gesamtentgelt übersteigt.381

Liegt nun jedoch die Gesamtsumme (hier: das Honorar) sogar unter dem Kollektivvertrags-Grundgehalt, so scheint es auf den ersten Blick ausgeschlossen, dass „weitere Entgeltbestandteile“ von der Gesamtsumme umfasst sind. Verlangt man dementsprechend, dass das komplette Grundgehalt und weitere Entgeltbestandteile rechnerisch in der Gesamtsumme Deckung finden müssen, ergeben sich jedoch zahlreiche Widersprüche. Zunächst ist aus dem Wortlaut nicht abzuleiten, dass gerade das Grundgehalt zur Gänze enthalten sein muss, während die „weiteren“ Entgeltbestandteile unstrittig nur teilweise umfasst sein müssen.* Auch erscheint bei Umqualifizierungen häufig die genaue Widmung der Zahlung – gerade im Hinblick auf die laufenden Sonderzahlungen – in Frage gestellt. Weiters würde erst eine überkollektivvertragliche Bezahlung die Sanktion des § 2g AVRAG auslösen: Es wären jene AG deutlich bevorzugt, welche ein niedriges – hier sogar unterkollektivvertragliches – Gesamtentgelt bezahlen.*

Daher ist vielmehr dem Wortlaut des Gesetzes folgend auf die Vereinbarung selbst und nicht auf mathematische Größen abzustellen. Entscheidend ist nicht die rein rechnerische Abdeckung weiterer Entgeltbestandteile, sondern ob deren Einschluss vereinbart wurde. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Gesetzeszweck, soll doch die Intransparenz selbst – und nicht erst in Verbindung mit überkollektivvertraglicher Bezahlung – sanktioniert werden.* Dies zeigt sich schon daran, dass auch Dienstzettel (und nicht nur Arbeitsverträge) umfasst sind.

5.3
Folgen für Grundgehalt und Sonderzahlungen

Durch den Einschluss des Gehalts und der Sonderzahlungen in der Honorarvereinbarung (vgl Kapitel 3.2.) sind beide Ansprüche (vgl Kapitel 5.2.) bei Anwendung der Sanktion des § 2g AVRAG auf Basis des branchen- und ortsüblichen Ist-Grundgehalts zu berechnen. Etwaige Sonderbestimmungen zur Berechnung der Sonderzahlungen in Kollektivverträgen* oder Gesetzen* sind selbstverständlich weiter zu berücksichtigen. Auch sind Stundenhonorare, welche für Überstunden gezahlt wurden, nicht zur Abdeckung der Sonderzahlungen heranzuziehen.*

5.4
Folgen für Überstunden

Wurde ein monatliches Honorar vereinbart und kann daher kein Stundensatz errechnet werden, so ist der Berechnung des Überstundenentgelts* im Anwendungsbereich des § 2g AVRAG das branchen- und ortsübliche Ist-Grundgehalt zugrunde zu legen. Wurde hingegen eine stundenweise Bezahlung vereinbart (oder ist eine solche errechenbar), so ist zu differenzieren: Nach der bisherigen Rsp* ist hier zur Berechnung der Überstundenzuschläge der vereinbarte (Honorar-)Stundensatz heranzuziehen. Übersteigt daher dieser Stundensatz das Ist-Grundgehalt, steht es den AN frei, die Überstundenzuschläge* weiterhin auf Basis des Stundenhonorars zu verlangen. Dies ergibt sich aus der relativ zwingenden Wirkung von § 2g AVRAG.* Erweist sich hingegen das Ist-Grundgehalt als höher, so ist dieses für die Überstunden-Grundstunde und deren Zuschlag maßgeblich.

Dass im Überstunden-Honorar kein Grundgehalt* enthalten ist, kann an diesem Ergebnis nichts ändern, wären doch andernfalls Normalstunden höher zu entlohnen als Überstunden.* Dies verstieße klar gegen den Gesetzeszweck des § 10 AZG* und unter Umständen wohl auch gegen § 10 leg cit selbst, da dieser zur Berechnung des Überstundenzuschlages auf die Normalarbeitszeit abstellt.*

5.5
Folgen für Mehrstunden und Urlaubsersatzleistung

Bei Mehrstunden und der Urlaubsersatzleistung erfolgt die Berechnung mE analog zu den Überstunden (vgl Kapitel 3.2.). Auch hier basiert der Anspruch daher auf der Höhe des Honorars, soweit sich die AN nicht auf § 2g AVRAG berufen. Andernfalls erfolgt die Berechnung anhand des Ist-Grundgehalts* iSd § 2g AVRAG.382

5.6
Folgen für die weiteren Entgeltbestandteile

Nur bei jenen Entgeltbestandteilen, für welche das Grundgehalt die Berechnungsbasis bildet, ist das Ist-Grundgehalt gem § 2g AVRAG maßgeblich. Zu beachten ist hier auch, dass lediglich die im Pauschalentgelt eingeschlossenen Entgeltbestandteile von den Rechtsfolgen des § 2g leg cit umfasst sind.* Da jedoch das Honorar das „Bruttomonatsentgelt“ darstellt,* mit welchem „die Leistung [...] pro rata temporis zur Gänze bezahlt sein soll“,* ist mE im Zweifel von einem Einschluss im Honorar auszugehen. Nur in Ausnahmefällen wird man das gesamte Honorar – analog zur Berechnung der Überstundenzuschläge – als Berechnungsbasis für weitere Entgeltbestandteile heranziehen können, da hierfür wohl zumindest ein vergleichbarer Normzweck wie jener des § 10 AZG (vgl Kapitel 4.) vorliegen wird müssen.*

Hier sei abschließend festgehalten, dass ein allfälliger Rückzahlungsanspruch der AG gegenüber der AN aufgrund der relativ zwingenden Wirkung des § 2g AVRAG* weiterhin ausgeschlossen bleibt.*

6
Resümee

Bei Umqualifizierungen wurde bisher das kollektivvertragliche Mindestgehalt zur Berechnung der Sonderzahlungen herangezogen. ME wurde dieser Auslegung und der darauf basierenden bisherigen Rsp durch § 2g AVRAG für Neuabschlüsse ab 2016 die Rechtsgrundlage entzogen: Da das Honorar das Grundgehalt und die Sonderzahlungen sowie idR auch weitere Entgeltbestandteile (zB Überstundenentgelt) beinhaltet, ist dieses als Pauschalentgelt iSd § 2g AVRAG zu qualifizieren. Damit ist der Sanktion des § 2g leg cit folgend sämtlichen vom Honorar umfassten Entgeltbestandteilen das branchen- und ortsübliche Ist-Grundgehalt zugrunde zu legen, so kein anderes Grundgehalt ausdrücklich vereinbart wurde. Insb die Sonderzahlungen (aber unter Umständen auch andere Entgeltbestandteile) sind daher bei Umqualifizierungen in Zukunft auf Basis des Ist-Grundgehalts und nicht auf Basis des Kollektivvertragsgehalts zu prüfen. Durch die relativ zwingende Wirkung dieser Regelung, bleiben günstigere Berechnungen weiterhin zulässig.