Rechtsangleichungen Angestellte und ArbeiterInnen im Parlament beschlossen
Rechtsangleichungen Angestellte und ArbeiterInnen im Parlament beschlossen
Die Kündigungsfristen für Angestellte sind im Angestelltengesetz (AngG) bisher wesentlich länger als die für ArbeiterInnen. Ihre Kündigungsbestimmungen fanden sich bisher im ABGB und in den Branchenkollektivverträgen, vereinzelt in Betriebsvereinbarungen oder Einzelverträgen. Diese Diskriminierung wurde nun durch das Parlament beseitigt. Die neuen Regelungen sind auf Beendigungen anzuwenden, die nach dem 31.12.2020 ausgesprochen werden. Diese lange Übergangsfrist entspringt dem parlamentarischen Verhandlungsprozess und soll gewährleisten, dass sich AG und Branchen angemessen auf die neue Rechtslage umstellen können. Kündigungen von ArbeiterInnen – unabhängig vom Ausmaß und der Dauer der Beschäftigung – haben daher ab 1.1.2021 nach jenen Fristen zu erfolgen, die bislang nur für Angestellte gem § 20 AngG gelten. Das bedeutet, dass der/die AG auch bei der Kündigung von ArbeiterInnen ab diesem Zeitpunkt eine sechswöchige Kündigungsfrist zum Quartalsende – bei Vereinbarung auch zum 15. oder Monatsletzten – einhalten muss. Diese Frist erhöht sich – wie im AngG – bei längerer Betriebszugehörigkeit.
Die Frist, die der/die ArbeiterIn einzuhalten hat, beträgt grundsätzlich einen Monat zum Monatsletzten, ist jedoch zu Gunsten der AN dispositiv. Dh günstigere Vereinbarungen (durch KollV, BV oder Einzelvertrag) bleiben aufrecht. Dies ist sozialpolitisch wichtig, weil die körperliche Exponiertheit und Beanspruchung von ArbeiterInnen eine andere Behandlung der Sachverhalte erfordert. Die – von dem/der ArbeiterIn einzuhaltende – Kündigungsfrist kann aber durch Vereinbarung auch bis zu einem halben Jahr ausgedehnt werden. In diesem Fall darf aber die Frist, die der/die AG einzuhalten hat, nicht kürzer sein.
Die gesetzlichen Kündigungsbestimmungen für AG sind zwingend und können nicht zum Nachteil der ArbeiterIn abbedungen werden. Jedoch kann in Branchen mit saisonalem Betrieb gem397§ 53 Abs 6 ArbVG (manche Tourismus- oder Baubetriebe) eine Abweichung durch Vereinbarung im anzuwendenden KollV vereinbart werden. Eine Ausnahme besteht für Arbeitsverhältnisse, die nur für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfes vereinbart werden. Diese können während des ersten Monats von beiden Teilen jederzeit unter Einhaltung einer einwöchigen Kündigungsfrist gelöst werden.
Eine von AK und ÖGB lange geforderte Verbesserung gibt es auch für Angestellte: Die Regelung des § 20 Abs 1 AngG, wonach die Kündigungsfristen des AngG nur ab einem bestimmten Mindestbeschäftigungsausmaß gelten, fällt weg. Bezogen auf den Monat muss bisher mindestens ein Fünftel der 4,3-fachen der durch Gesetz oder KollV vorgesehenen wöchentlichen Normalarbeitszeit vereinbart sein, dh zB im Handel 7,7 Stunden wöchentlich. Liegt das Beschäftigungsausmaß darunter, gelten bis dato in einem solchen Fall für Angestellte die gleichen Regelungen wie für ArbeiterInnen (dh die Fristen des ABGB). Somit werden auch alle Angestellten untereinander, unabhängig davon, wie viele Stunden sie arbeiten, gleichgestellt. Diese Neuregelung gilt für alle Beendigungen, die nach dem 31.12.2017 ausgesprochen werden.
Es ist ein sozialpolitischer Meilenstein und eine noch gar nicht abschätzbare Erleichterung für alle RechtsanwenderInnen: Die Entgeltfortzahlung bei Krankheit und Unfall der Angestellten wird auf das System der ArbeiterInnen nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) umgestellt und somit wesentlich leichter administrier- und überprüfbar. Anwendbar sind die Regelungen grundsätzlich auf Dienstverhinderungen, die in nach dem 30.6.2018 begonnenen Arbeitsjahren schon bestehen oder dann eingetreten sind.
Für ArbeiterInnen und Angestellte kommt es in gleichem Maße zu einer großen Verbesserung: Mit der Novelle wird die Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruchs auf bis zu acht Wochen bereits nach einjähriger Dauer des Dienstverhältnisses erhöht (bisher entstand der höhere Fortzahlungsanspruch erst nach fünfjähriger Dauer des Dienstverhältnisses). Die sechswöchige Entgeltfortzahlung besteht daher ab In-Kraft-Treten der Regelung nur mehr im ersten Arbeitsjahr.
Im Fall einer Wiedererkrankung besteht innerhalb eines Arbeitsjahres ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts nun auch für Angestellte soweit, als der Entgeltfortzahlungsanspruch noch nicht ausgeschöpft ist. Mit Beginn eines neuen Arbeitsjahres entsteht der Anspruch wieder in vollem Umfang unabhängig von der Frage einer Vor- oder Wiedererkrankung.
Die Regelung des „zweiten Topfes“ für Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten, bisher eine Besonderheit des ArbeiterInnensystems, wird nach der Neuregelung auch für Angestellte gelten. Nach dem Vorbild des EFZG gibt es den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Anlassfall unabhängig von anderen Zeiten einer Arbeitsverhinderung, zB bei Krankenstand ohne Bezug zu einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit. Es gibt somit zwei getrennte „Töpfe“ für Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und für Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten.
Das Gesetz stellt aber auch klar: Günstigere Normen der kollektiven Rechtsgestaltung (die schon bisher über das Niveau des AngG hinausgingen) bleiben für die von diesen Kollektivverträgen oder Betriebsvereinbarungen erfassten AN aufrecht, dh die bisherige Fassung des AngG bleibt auch als Basis erhalten.
Eine weitere sozialpolitisch sehr wichtige Maßnahme soll mit einem immer wieder beobachteten Missstand aufräumen: Bisher endete die Entgeltfortzahlung im Krankenstand im Falle einer einvernehmlichen Lösung mit Ende des Arbeitsverhältnisses. Neu ist, dass AG die Entgeltfortzahlung nun wie bei einer ArbeitgeberInnenkündigung leisten müssen. Diese Entgeltfortzahlungspflicht für einvernehmliche Lösungen gilt ab 1.7.2018 und betrifft ArbeiterInnen und Angestellte gleichermaßen.
ArbeiterInnen bekommen nun – gleich wie Angestellte – bis zu einer Woche zwingend Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Fall einer unverschuldeten Dienstverhinderung aus anderen wichtigen persönlichen Verhinderungsgründen, wie zB standesamtliche Eheschließung, innerhalb der Arbeitszeit nötige Arztbesuche, Zeugenaussagen vor Gericht, etc. Bislang konnte die Entgeltfortzahlung für ArbeiterInnen durch KollV anders geregelt werden, was zB dazu führte, dass für eine/n LadnerIn im Falle einer Zugverspätung oftmals keine Entgeltfortzahlung gebührte, für den/die KollegIn im Angestelltenverhältnis schon. Diese oftmals angeprangerte Ungerechtigkeit wurde nun, mit Wirksamkeit ab 1.7.2018, beseitigt.398