Neuerungen in der Primärversorgung durch das Gesundheitsreformumsetzungsgesetz 2017 (GRUG 2017)
Neuerungen in der Primärversorgung durch das Gesundheitsreformumsetzungsgesetz 2017 (GRUG 2017)
Die Planung multiprofessioneller ambulanter Versorgungsangebote ist in Art 6 der Art 15a B-VG Vereinbarung über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens verankert.
In Art 6 der Art 15a B-VG Vereinbarung Zielsteuerung-Gesundheit wurde festgelegt, dass Primärversorgungseinheiten gemäß bundesgesetzlicher Grundlage zu schaffen sind.
Im Vereinbarungsumsetzungsgesetz, das noch vor den neuen Art 15a B-VG Vereinbarungen in Kraft getreten ist, wird die Primärversorgung (Primary Health Care) als „allgemeine und direkt zugängliche erste Kontaktstelle für alle Menschen mit gesundheitlichen Problemen im Sinne einer umfassenden Grundversorgung [definiert]. Sie soll den Versorgungsprozess koordinieren und gewährleistet ganzheitliche und kontinuierliche Betreuung. Sie berücksichtigt auch gesellschaftliche Bedingungen
“. Nach langen Verhandlungen auf politischer Ebene wurde mit BGBl I 2017/131 eine gesetzliche Grundlage für die Primärversorgung, nämlich das Gesundheitsreformumsetzungsgesetz (GRUG 2017) geschaffen.
Die rechtlichen Vorgaben für Primärversorgungseinheiten werden im Primärversorgungsgesetz (PrimVG) geregelt. Das PrimVG regelt die Primärversorgung iSd § 3 Z 9 Gesundheits-ZielsteuerungsG (G-ZG), soweit diese durch multiprofessionelle und interdisziplinäre Primärversorgungseinheiten erbracht werden.
§ 2 PrimVG definiert eine Primärversorgungseinheit als eine durch verbindliche und strukturierte Zusammenarbeit gemäß dem Versorgungskonzept nach außen, vor allem gegenüber der Bevölkerung im Einzugsgebiet, als Einheit auftretende Erstanlaufstelle im Gesundheitsversorgungssystem. Sie hat als solche Angebote zur Förderung von Gesundheit und Prävention vor Krankheiten und für eine umfassende Behandlung von Akuterkrankungen und chronischen Erkrankungen zur Verfügung zu stellen sowie die für eine gesamtheitliche und kontinuierliche Gesundheitsversorgung und Krankenversorgung erforderlichen Maßnahmen zu koordinieren.
Primärversorgungseinheiten haben gem § 2 Abs 2 PrimVG jedenfalls aus einem Kernteam, das sich aus ÄrztInnen für Allgemeinmedizin und Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege zusammensetzt, zu bestehen. Orts- und bedarfsabhängig sollen FachärztInnen für Kinder- und Jugendheilkunde Teil des Kernteams sein.
Darüber hinaus sind gem § 2 Abs 3 PrimVG orts- und bedarfsabhängig weitere Angehörige von Gesundheits- und Sozialberufen und Einrichtungen, in denen solche Personen beschäftigt werden, von der Primärversorgungseinheit verbindlich und strukturiert einzubinden. In Betracht kommen insb Hebammen, PsychologInnen, PsychotherapeutInnen, Angehörige der Gesundheits- und Krankenpflege, die im Medizinische Assistenzberufe-Gesetz und im Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz geregelten Berufe und die gehobenen medizinisch-technischen Dienste sowie gegebenenfalls Kooperationen mit öffentlichen Apotheken.399
Zu den Grundvoraussetzungen zählt auch, dass eine Primärversorgungseinheit Rechtspersönlichkeit aufweist.* Sie muss im Regionalen Strukturplan Gesundheit abgebildet sein und über einen auf dem Sachleistungsprinzip beruhenden Primärversorgungsvertrag mit den in Betracht kommenden Gebietskrankenkassen, wobei jedenfalls die örtlich in Betracht kommenden Gebietskrankenkassen Vertragspartner sein müssen, verfügen. Eine Primärversorgungseinheit kann an einem Standort oder als Netzwerk eingerichtet werden. Eine an einem Standort eingerichtete Primärversorgungseinheit kann nur in der Organisationsform einer Gruppenpraxis oder eines selbstständigen Ambulatoriums geführt werden. Wird hingegen ein Netzwerk gegründet, kann es sich beispielsweise auch um einen Verein handeln. Möglich ist ein Zusammenschluss von freiberuflich tätigen ÄrztInnen, Gruppenpraxen sowie anderen nichtärztlichen Angehörigen von Gesundheits- und Sozialberufen oder deren Trägerorganisationen.
Durch Primärversorgungseinheiten soll gem § 5 PrimVG eine breite diagnostische, therapeutische und pflegerische Kompetenz insb für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen, älteren Personen, von chronisch kranken und multimorbiden PatientInnen, die psychosoziale Versorgung, das Arzneimittelmanagement und die Gesundheitsförderung und Prävention abgedeckt werden. Primärversorgungseinheiten müssen auch über ein Versorgungskonzept verfügen (§ 6 Prim-VG). In diesem sind die Versorgungsziele des Primärversorgungsteams, die Beschreibung des verbindlich zu erbringenden Leistungsspektrums sowie Regelungen zur Sicherstellung der Kontinuität der Betreuung von chronisch und multimorbid Erkrankten zu regeln. Betreffend die Organisation sind Regelungen zur Aufbau- und Ablauforganisation im Primärversorgungsteam und in der Zusammenarbeit mit anderen Versorgungsbereichen sowie zur Arbeits- und Aufgabenverteilung und zur Zusammenarbeit im Primärversorgungsteam, zur aufeinander abgestimmten zeitlichen Verfügbarkeit und zum gemeinsamen Auftritt nach außen zu regeln.
Gem § 8 Abs 1 PrimVG werden die Beziehungen der Träger der Sozialversicherung zu einer Primärversorgungseinheit durch einen Primärversorgungsvertrag geregelt. In diesem Vertrag werden die Festlegungen des Regionalen Strukturplans Gesundheit (RSG) umgesetzt, wobei hierbei allenfalls die Aufgaben der Primärversorgungseinheiten nach Abs 7 zu berücksichtigen sind. Für den rechtswirksamen Abschluss eines Primärversorgungsvertrags sind die Abbildungen der Primärversorgungseinheit im RSG über den Bedarf einer Primärversorgungseinheit sowie das Vorliegen eines Versorgungskonzeptes erforderlich. Die Primärversorgungseinheit ist gegenüber den Krankenversicherungsträgern für die Erbringung der vereinbarten Leistungen verantwortlich.
Inhalt des Primärversorgungsvertrags ist bei Gruppenpraxen gem § 8 Abs 3 PrimVG hinsichtlich der ärztlichen Hilfe das auf Kosten der SV zu erbringende Leistungsspektrum entsprechend dem Inhalt des Primärversorgungs-Gesamtvertrags einschließlich der jeweiligen gesamtvertraglichen Honorarvereinbarung, weitere Gesamtverträge, wie der e-card-Gesamtvertrag, der Mutter-Kind-Pass-Gesamtvertrag oder der Vorsorgeuntersuchungsgesamtvertrag und hinsichtlich der durch nichtärztliche Gesundheitsberufe zu erbringende Leistungen die Spezifizierung dieser Leistungen samt deren Abgeltung. Die Abgeltung dieser Leistungen aber nur insofern als die nicht in einer Pauschale nach § 342b Abs 3 und 4 ASVG enthalten oder von der Z1 umfasst ist. Inhalt des Primärversorgungsvertrags von Primärversorgungseinheiten, die in der Rechtsform von selbstständigen Ambulatorien geführt werden, sind gem § 8 Abs 4 PrimVG das auf Kosten der SV zu erbringende Leistungsspektrum und die wechselseitigen Rechte und Pflichten einschließlich der Zusammenarbeit mit dem chef- und kontrollärztlichen Dienst der Sozialversicherungsträger unter Zugrundelegung des Erstattungskodex. Primärversorgungseinheiten, die als Netzwerke gegründet werden, müssen gem § 8 Abs 5 PrimVG auch über einen Primärversorgungsvertrag verfügen, der die gleichen Inhalte wie bei Gruppenpraxen aufweisen muss. Soweit es sich nicht um eine Gruppenpraxis mit dislozierten Standorten handelt, können die teilnehmenden ÄrztInnen hinsichtlich der ärztlichen Leistungen mit den Krankenversicherungsträgern jeweils aufeinander abgestimmte Primärversorgungs-Einzelverträge entsprechend dem Inhalt des Primärversorgungs-Gesamtvertrages abschließen. Die Primärversorgungs-Einzelverträge sind dann integrativer Bestandteil des Primärversorgungsvertrags und vom Bestehen des Primärversorgungsvertrags abhängig. Ist kein Gesamtvertrag anwendbar, so ist hinsichtlich der ärztlichen Hilfe ein Primärversorgungs-Sondereinzelvertrag Inhalt des Primärversorgungsvertrags.400
Für Primärversorgungseinheiten sieht das ASVG durch die Einführung des § 342b ASVG neu den Abschluss eines Primärversorgungs-Gesamtvertrags vor. Dieser Gesamtvertrag ist für die Träger der KV vom Hauptverband mit der Österreichischen Ärztekammer für die Landesärztekammern auf unbestimmte Zeit abzuschließen.
Das Honorierungssystem soll gem § 342b Abs 3 ASVG dazu beitragen, dass die dem PrimVG zu Grunde liegenden Ziele erreicht werden und die an diese Versorgungsform gestellten Anforderungen sicher erfüllt werden. Die Honorierung hat sich aus Grund- und Fallpauschalen, Einzelleistungsvergütungen sowie gegebenenfalls aus Bonuszahlungen für die Erreichung definierter Ziele zusammensetzen und ist in Grundzügen im Gesamtvertrag zu vereinbaren. Art und Umfang der Tätigkeit sind auf Grundlage einer einheitlichen elektronischen Diagnosen- und Leistungsdokumentation zu vereinbaren. Die sich aus einzelnen Elementen zusammengesetzte Grundpauschale dient, unabhängig vom Patientenkontakt zur Abgeltung der zur Verfügung gestellten Infrastruktur, der personellen, technischen und apparativen Ausstattung sowie der mit dieser erbrachten Leistungen. Mit Fallpauschalen soll der Behandlungsaufwand pro Patient abgebildet werden. Für Leistungen mit besonderem Betreuungs- und Behandlungsaufwand sind Einzelleistungsvergütungen zu vereinbaren. Bonuszahlungen kommen für spezielle vereinbarte Versorgungsziele, insb für die Ziele nach dem Versorgungskonzept, in Betracht. Die Honorierung soll gem § 342b Abs 4 ASVG auf regionaler Ebene durch gesamtvertragliche Honorarvereinbarungen, welche die örtlich zuständigen Träger der KV durch den Hauptverband mit der örtlich zuständigen Ärztekammer für das jeweilige Bundesland abschließen, geregelt werden. Diese Vereinbarungen sind Teil des Gesamtvertrags. In diesen gesamtvertraglichen Honorarvereinbarungen sind unter Berücksichtigung der Bevölkerungsdichte im unmittelbaren Einzugsgebiet einer Primärversorgungseinheit Honorare sowie allenfalls Bandbreiten samt Zu- und Abschlägen davon zu vereinbaren.
§ 2 Abs 2 PrimVG sieht vor, dass Primärversorgungseinheiten aus einem Kernteam zu bestehen haben, das sich aus ÄrztInnen für Allgemeinmedizin und Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege zusammensetzt. Orts- und bedarfsabhängig sollen FachärztInnen für Kinder- und Jugendheilkunde Teil des Kernteams sein. Darüber hinaus sind gem § 2 Abs 3 PrimVG ebenfalls orts- und bedarfsabhängig weitere Angehörige von Gesundheits- und Sozialberufen und Einrichtungen, in denen solche Personen beschäftigt werden, von der Primärversorgungseinheit verbindlich und strukturiert einzubinden. Fraglich ist zunächst, ob die Formulierung „Teil des Kernteams“ im Verhältnis zu „Eingebundenheit“ einen rechtlichen Unterschied bewirkt. Ärzte für Allgemeinmedizin und Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege gehören zu dem Teil des Kernteams, das jedenfalls mitarbeiten muss, damit eine Primärversorgungseinheit vorliegt. FachärztInnen für Kinder- und Jugendheilkunde hingegen sollen orts- und bedarfsabhängig Teil des Kernteams sein. Dieser Teil des Kernteams muss daher nicht bei jeder Primärversorgungseinheit tätig sein. Alle anderen Angehörigen von Gesundheits- und Sozialberufen sind je nach Orts- und Bedarfsabhängigkeit einzubinden. Angemerkt wird in diesem Zusammenhang auch, dass das Primärversorgungskonzept auch Ordinationsassistenten als zwingenden Teil des Kernteams vorgesehen hat. Das PrimVG hat diese Berufsgruppe nicht als Teil des Kernteams übernommen. In den Materialien wird aber ausgeführt, dass iS einer qualitätsreichen Primärversorgung, Ordinationsassistenten im Kernteam mitarbeiten sollten, da diese nicht nur administrative Tätigkeiten, sondern als medizinische Assistenz auch entsprechende medizinische Tätigkeiten im Rahmen ihrer Berufsberechtigung an PatientInnen verrichten dürfen.*
Das österreichische Gesundheitsplanungssystem enthält zwei Planungsinstrumente, nämlich bundesweit den ÖSG und darauf beruhend den RSG der Bundesländer. Im RSG muss die Primärversorgungseinheit abgebildet sein. Das PrimVG schreibt Primärversorgungseinheiten nicht zwingend vor, den im RSG getroffenen Bedarfsfeststellungen zu folgen. Darüber hinaus umfasst der RSG auch nicht alle nichtärztlichen Gesundheits- und Sozialberufe von der Angebotsplanung, obwohl die integrative Versorgungsplanung nach § 18 des Vereinbarungsumsetzungsgesetzes (VUG) sehr weitreichend ist und nahezu den gesamten ambulanten Planungsteil und Teile des Sozialbereiches umfasst. Da der RSG nach § 18 iVm § 21 des VUG 2017 nunmehr auch die Primärversorgung und insgesamt die integrative Versorgungsplanung in qualitativer wie quantitativer Hinsicht umfasst, werden in Zukunft entsprechende Datengrundlagen erstellt werden müssen, damit eine objektive Beurteilung der „Orts- und Bedarfsabhängigkeit“ erfolgen kann. Offen ist auch die Frage, ob Primärversorgungseinheiten öffentliche Versorgungsaufgaben wahrnehmen sollen. Ist das der Fall wäre eine entsprechende Finanzierung dieser Leistungen durch die öffentliche Hand sicherzustellen.401
In den Materialien wird festgehalten, dass die Mitglieder des Primärversorgungsteams und die strukturiert eingebundenen Angehörigen der Gesundheits- und Sozialberufe in engem und regelmäßigem Kontakt (Teambesprechungen) stehen und sich über die zu versorgenden Personen austauschen sollen (Fallbesprechungen). Rechtlich ist aber zu beachten, dass bei es einer konkreten Fallbesprechung zu keiner Verletzung der Verschwiegenheitspflicht kommt. Bei der Zusammenarbeit von Angehörigen von Gesundheitsberufen ist die in den Berufsgesetzen der meisten Gesundheitsberufe verankerte Verschwiegenheitspflicht zu beachten. Eine Entbindung durch den/die PatientIn wäre grundsätzlich ausdrücklich oder stillschweigend möglich. Nach der geltenden Rechtslage umstritten ist jedoch, ob ein/e PatientIn allein aufgrund des Umstandes, dass er/sie eine Ordinationsgemeinschaft aufsucht, die dort tätigen Personen von der Verschwiegenheitspflicht untereinander entbindet.* Da die Zielsetzung der Primärversorgung aber gerade die Zusammenarbeit von Gesundheits- und Sozialberufen ist und daher Fallbesprechungen für eine bestmögliche Versorgung im PatientInneninteresse gelegen sind, wäre eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, die sicherstellt, dass die Verschwiegenheitspflicht nicht verletzt wird, sinnvoll gewesen.
Primärversorgungseinheiten können wie oben bereits ausgeführt an einem Standort oder als Netzwerk ausgestaltet werden. Eine an einem Standort eingerichtete Primärversorgungseinheit kann nur in der Organisationsform einer Gruppenpraxis iSd § 52a ÄrzteG oder in der Form eines selbstständigen Ambulatoriums iSd § 2 Abs 1 Z 5 KAKuG gegründet werden. Wird eine Primärversorgungseinheit hingegen als Netzwerk geführt – beispielsweise in der Form eines Vereins – so kann diese nur aus freiberuflich tätigen ÄrztInnen, Gruppenpraxen sowie anderen nichtärztlichen Trägerorganisationen gebildet werden. Für die Beurteilung der Frage, ob nur ÄrztInnen oder auch Vertreter anderer Gesundheitsberufe Gesellschafter einer Primärversorgungseinheit sein dürfen, kommt es darauf an, ob eine Primärversorgungseinheit an einem Standort – in der Organisationsform einer Gruppenpraxis oder eines selbstständigen Ambulatoriums – oder ein Netzwerk gegründet wird. Während sich bei einem selbstständigen Ambulatorium und bei einem Netzwerk nichtärztliche Gesundheitsberufe die Möglichkeit haben, Gesellschafter sein zu können, ist das bei Gruppenpraxen weiterhin nicht der Fall. Eine Änderung durch das GRUG 2017 wurde zwar auf politischer Ebene diskutiert. Eine Umsetzung ist aber nicht erfolgt. IS einer Zusammenarbeit auf „Augenhöhe“ wäre die Beteiligung von nichtärztlichen Gesundheitsberufen an Gruppenpraxen, die Primärversorgung erbringen, wünschenswert gewesen. Die Gesellschafterstellung bringt sowohl Vor- als auch Nachteile, nämlich eine Beteiligung an den Gewinnen der Gesellschaft, aber auch an den Verlusten, mit sich. Da sich aus § 14 PrimVG beim Auswahlverfahren ein Vorrang von Gruppenpraxen gegenüber selbstständigen Ambulatorien ergibt, können sich nichtärztliche Gesundheitsberufe jedenfalls an Primärversorgungseinheiten an einem Standort nur unter erschwerten Bedingungen gesellschaftsrechtlich beteiligen. Die rechtliche Einbindung von nichtärztlichen Gesundheitsberufen kann daher nur in Form von (freien) Dienstverträgen oder Werkverträgen erfolgen. Die Leistungsabgeltung erfolgt seitens der SV für Leistungen der nichtärztlichen Gesundheitsberufe erfolgt im Rahmen der Grundpauschale nach § 342b Abs 3 ASVG. Darüber hinaus sieht auch § 8 Abs 3 Z 3 PrimVG vor, dass der Primärversorgungsvertrag Regelungen hinsichtlich der durch nichtärztliche Gesundheitsberufe zu erbringenden Leistungen samt deren Abgeltung zu enthalten hat. Die Abgeltung aber nur insoweit als sie nicht von der eben erwähnten Pauschale umfasst ist. Diese Leistungsabgeltung erhält aber die Primärversorgungseinheit und nicht die/der Vertreter des nichtärztlichen Gesundheitsberufes. Das Einkommen der nichtärztlichen Gesundheitsberufe wird im Innenverhältnis meist in Dienstverträgen – und sofern vorhanden auf Basis von Kollektivverträgen – vereinbart.
Aus gesundheitspolitischer Sicht soll ebenfalls kritisch angemerkt werden, dass die Anstellung von ÄrztInnen in Gruppenpraxen in Anbetracht des Anteils an weiblichen Leistungsanbieterinnen und dem wachsenden Bedürfnis nach einer Work-Life-Balance nicht umgesetzt wurde. ÄrztInnen können daher auch weiterhin nur in selbstständigen Ambulatorien angestellt werden.
Bei Netzwerken ist eine Beteiligung von nichtärztlichen Gesundheitsberufen als Gesellschafter mE hingegen möglich. Ein Netzwerk muss ebenfalls mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet sein, daher kommen mE alle Rechtsformen in Betracht, die eigene Rechtspersönlichkeit ausweisen, das heißt auch eine GmbH oder OG. Unzulässig wäre aber die Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. In Hinblick auf die Abgeltung soll festgehalten werden, dass § 8 Abs 5402PrimVG zwar vorsieht, dass soweit es sich nicht um eine Gruppenpraxis mit dislozierten Standorten handelt, die an einer Primärversorgungseinheit teilnehmenden freiberuflich tätigen ÄrztInnen zwar hinsichtlich der ärztlichen Leistungen mit den Krankenversicherungsträgern jeweils aufeinander abgestimmte Primärversorgungs-Einzelverträge abschließen, aber die Verrechnung dennoch mE über die Primärversorgungseinheit selbst und nicht über die einzelnen Ärzte oder anderen Vertreter nichtärztlicher Gesundheitsberufe oder Trägerorganisationen erfolgt. Die Abrechnung dieser Berufsgruppen oder der Trägerorganisationen erfolgt je nach der rechtlichen Einbindung in das Netzwerk.
Im Zusammenhang mit der Finanzierung von Leistungen nichtärztlicher Gesundheitsberufe durch die SV wird festgehalten, dass zum Teil Berufsgruppen in Primärversorgungseinheiten eingebunden werden, für deren Leistungen keine Abgeltung im ASVG bis dato vorgesehen war. Der Leistungskatalog des § 135 Abs 1 Z 1 ASVG sieht beispielsweise für Leistungen der medizinisch-technischen Dienste (MTD) nur eine Abgeltung für physiotherapeutische, logopädisch-phoniatrisch-audiologische oder ergotherapeutische Leistungen vor. In § 2 Abs 3 PrimVG werden die medizinisch-technischen Dienste aber als mögliche weitere Angehörige von Gesundheits- und Sozialberufen, die in Primärversorgungseinheiten mitarbeiten können, angeführt. Das würde dann eine Finanzierung für beispielsweise diätologische Leistungen bedeuten, die bis dato im ASVG nicht vorgesehen war. Ein Rechtsanspruch der Versicherten auf die Inanspruchnahme dieser Leistungen ist somit nicht gegeben. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Versicherungsträger und der Hauptverband gem § 448 ASVG der Aufsicht des Bundes unterliegen. Die Aufsichtsbehörden haben gem § 449 ASVG die Gebarung der Versicherungsträger zu überwachen und darauf hinzuwirken, dass im Zuge dieser Gebarung nicht gegen Rechtsvorschriften verstoßen wird. Daher stellt sich die Frage, ob die Bestimmungen des § 342b Abs 3 ASVG und des § 8 Abs 3 Z 3 PrimVG für die Finanzierung solcher Leistungen in Hinblick auf § 449 ASVG als ausreichend zu bewerten ist. Rechtspolitisch wünschenswert ist die Finanzierung dieser Leistungen durch die SV jedenfalls, auch wenn die Leistungen bis zum Inkrafttreten des GRUG 2017 jedenfalls nicht vom Leistungskatalog der KV umfasst waren. Ein weiteres Beispiel für einen Bereich, den die KV bis dato nur ansatzweise finanziert hat, stellt die Pflege dar. Unter dem Titel der medizinischen Hauskrankenpflege, die in § 151 ASVG geregelt wird, war bis dato eine Finanzierung von Tätigkeiten des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege vorgesehen. Von der medizinischen Hauskrankenpflege sind gem § 151 Abs 3 ASVG medizinische Leistungen und qualifizierte Pflegeleistungen umfasst, wie die Verabreichung von Injektionen, die Sondenernährung und die Dekubitusversorgung. Zur medizinischen Hauskrankenpflege zählt aber nicht die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung des Kranken. Die Pflegeleistungen, die aber im Rahmen der Primärversorgung in Zukunft erbracht werden, gehen über die medizinische Hauskrankenpflege hinaus; erbracht werden wohl auch ambulante Grundpflege und Leistungen aus dem ärztlichem Delegationsbereich. Dafür war bisher keine Abgeltung im ASVG vorgesehen. Die Abgeltung von Leistungen der Grundpflege fällt grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich der Länder. Eine Mitfinanzierung durch die Länder kann iSd § 8 Abs 3 Z 3 PrimVG im Primärversorgungsvertrag vorgesehen werden. Eine solche Mitfinanzierung sollte auch vereinbart werden, damit keine Überwälzung von Kosten an die KV stattfindet. Zum ärztlichen Delegationsbereich ist anzumerken, dass mE solange keine Nachteile für die KV bestehen als dadurch ärztliche Leistungen reduziert werden. Zu beachten ist aber, dass es zu keiner Doppelabrechnung dieser Leistungen kommt, das könnte nämlich dann der Fall sein, wenn die Leistung einmal unter dem Titel der Fallpauschale als ärztliche Leistung abgerechnet wird und ein weiteres Mal durch die Grundpauschale.
Die Stärkung der Primärversorgung ist mE im Interesse der PatientInnen gelegen und daher zu begrüßen. Die Umsetzung des GRUG 2017 lässt hoffen, dass die Gründung von Primärversorgungseinheiten nunmehr zügig voranschreiten wird. Dennoch bleiben wie unter Kapitel 2 bereits ausführlich erörtert einige offene rechtliche Fragestellungen sowie derzeit noch nicht umgesetzte rechtspolitische Forderungen bestehen.403