Replik zu Patricia Wolf: Neues aus der Rechtsprechung zur Elternteilzeit (DRdA-infas 2017, 254)

KLAUSBACHHOFER
Unter dem Titel „Neues aus der Rechtsprechung zur Elternteilzeit“ stellt P. Wolf ua auch „allgemeine Voraussetzungen der Elternteilzeit“ vor, die meinen unter dem Titel „Verfahrensrechtliche Aspekte der Elternteilzeit“* vorgeschlagenen Sichtweisen in zwei wesentlichen Punkten widersprechen. Aus diesem Anlass seien die Kontrapunkte kurz in Erinnerung gerufen und einander gegenübergestellt.
1.
Inhaltliche Freiheit beim Vergleichsversuch?

Im Rahmen des bei der sogenannten „Anspruchs-“ oder „großen“ Elternteilzeit vom AG zu beantragenden Vergleichsverfahrens stellt sich in der Praxis häufig die Frage, ob Thema der Vergleichsverhandlung und Inhalt des Vergleiches selbst auch eine anderweitige, uU auch vertragsändernde Tätigkeit der/des AN sein darf.

Meiner Ansicht nach stellt der Gesetzgeber das spezifische innerbetriebliche und gerichtliche Verfahrensprozedere exklusiv und nur zu dem Zweck zur Verfügung, eine Einigung über das Ausmaß und/oder die Lage der Arbeitszeit zu erreichen. Es sollte daher nur ein Vergleich mit ausschließlich diesen beiden inhaltlichen Elementen verhandelt und abgeschlossen werden dürfen.

Dem eindeutigen und klaren Gesetzeswortlaut des § 15h Abs 1 Mutterschutzgesetz (MSchG) und § 8 Abs 1 Väter-Karenzgesetz (VKG) zufolge sind (nur) „Beginn, Dauer, Ausmaß und Lage der Teilzeitbeschäftigung mit dem Dienstgeber zu vereinbaren“. Zum betrieblichen Vorverfahren bestimmen § 15k Abs 1 und § 15l Abs 1 MSchG, dass die Verhandlungen ausschließlich über Beginn, Dauer, Ausmaß und Lage der Teilzeitbeschäftigung zu führen sind.

P. Wolf rekurriert demgegenüber darauf, dass nach hL eine Protokollierung eines Vergleichs gem § 433 Zivilprozessordnung (ZPO) nur im Fall eines Verstoßes gegen materielles Recht oder wegen Sittenwidrigkeit zu verweigern sei und schließt daraus, dass eine Vereinbarung einer vertragsändernden Versetzung zulässig sei, da darin eben kein Verstoß gegen materielles Recht bzw Sittenwidrigkeit läge.

Diese Meinung scheint mir deshalb verfehlt zu sein, da die zitierten Bestimmungen des MSchG und VKG wohl als lex specialis zu betrachten sind, die die abstrakten Möglichkeiten des von der ZPO zu Verfügung gestellten Modells des prätorischen Vergleichsversuches inhaltlich determinieren, zumindest aber die Ermittlung des nach § 433 ZPO im konkreten Umfeld des MSchG bzw VKG „Erlaubten“ bestimmen.

Man kann aber vielmehr überhaupt der Meinung sein, dass gerade diese einschlägigen Bestimmungen des MSchG und VKG genau das materielle Recht darstellen, gegen das bei der Protokollierung nach der hL nicht verstoßen werden darf.

Nach Kodek* wäre die Verweigerung der Protokollierung bei Verstoß gegen zwingende Gesetzesbestimmungen in jenem Umfang konsequent, in dem das Gericht auch in einem Urteil die Unzulässigkeit von Amts wegen wahrnehmen müsste. Dass ein Urteil im Elternteilzeitverfahren nicht über anderes, zB die Tätigkeit, absprechen darf, ist aber nach absolut hA unbestritten.

P. Wolf selbst konzediert in weiterer Folge, dass „eine Änderung des Dienstvertrages etwa durch eine vertragsändernde Versetzung nicht Inhalt des Verfahrens nach MSchG bzw VKG ist, auch und da jeder Rechtszug fehlt“. Konsequenterweise wäre diese mE richtige Ansicht aber dann wohl wirklich auch für das gesamte „Verfahren nach MSchG und VKG“, also auch für die Konsensfindung und Protokollierung im Stadium des prätorischen Vergleichsverfahrens, zu beachten.

Rechtspolitisch scheint mir überdies eine enge und strikte Auslegung der zulässigen Grenzen des Vergleichsverfahrens eine notwendige Schranke gegen rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des-404selben als Instrument zur Herbeiführung von Vertragsänderungen zu bieten.

2.
Bindung des Klagebegehrens an ursprünglichen Vorschlag?

Obwohl zugegebenermaßen eine Bindung des Urteilsbegehrens im Klagsverfahren an den im betrieblichen Vorverfahren unterbreiteten Vorschlag dem Gesetzestext vordergründig und explizit nicht zu entnehmen ist, spreche ich mich aus zumindest zwei Gründen für die Annahme einer solchen Bindung aus:

§ 15k Abs 3 MSchG (§ 8 Abs 3 VKG) normiert, dass der AG die (den) AN im Falle einer Nichteinigung auf Einwilligung „in die von ihm vorgeschlagenen Bedingungen“ der Teilzeitbeschäftigung zu klagen hat. Diese von ihm vorgeschlagenen Bedingungen können nur jene sein, die der AG im Rahmen des betrieblichen Vorverfahrens den Verhandlungen zugrunde gelegt hat.

Gem § 15k Abs 2 letzter Satz MSchG (§ 8c Abs 2 letzter Satz VKG) ist das Ergebnis der Verhandlungen nach Abs 1 (betriebliches Vorverfahren) dem Antrag (zur gütlichen Einigung) anzuschließen. Diese Anordnung wäre überflüssig, wenn man nicht eine Rückbindung des Rechtsschutzbegehrens des gerichtlichen Verfahrens an das des betrieblichen Vorverfahrens ableiten würde. Ein beliebiger Austausch des Antragsbegehrens durch das Klagebegehren stellte eine Umgehung des gesetzgeberisch etablierten Verhandlungssystems dar und führte dieses ad absurdum. Meiner Ansicht nach sollte nur darüber Klage geführt werden können, worüber zuvor ergebnislos betrieblich und „prätorisch“ verhandelt wurde.

P. Wolf verneint diese Ansicht mit dem Hinweis auf die ErläutRV und „nicht bestehender Rsp“, ohne sich allerdings näher mit der Argumentation auseinanderzusetzen. Wenngleich einzuräumen ist, dass der Gesetzeswortlaut eine Bindung des Klagebegehrens an den ursprünglichen Verhandlungsvorschlag nicht ausdrücklich zum Ausdruck bringt, spricht mE dennoch die Wortfolge „Klage auf Einwilligung in die von ihm vorgeschlagenen Bedingungen“ sowie eine systemische Interpretation des komplexen Durchsetzungssystems der Abschnitte 3 MSchG und VKG dafür, eine solche anzunehmen.

Auch in diesem Punkt wäre somit mE die Verhandlungs- und Vereinbarungsfreiheit der Parteien zugunsten der Erreichung der Ziele und Zwecke des Gesetzgebers zu beschränken.405