Düwell/Schubert (Hrsg)Mindestlohngesetz – Handkommentar

2. Auflage, Nomos Verlag, Baden-Baden 2016 378 Seiten, gebunden, € 79,–

NORAMELZER-AZODANLOO

In Österreich haben sich Ende Juni 2017 die Sozialpartner im Rahmen einer Grundsatzvereinbarung darauf verständigt, spätestens ab 2020 einen kollektivvertraglichen Mindestlohn von € 1500,– pro Monat durchzusetzen. Wird von einer 40-Stunden-Woche ausgegangen, führt der in Österreich angestrebte Mindestmonatslohn immerhin zu einem Stundensatz von € 8,67 (1500 : 173), wobei hier die üblichen Sonderzahlungen noch gar nicht berücksichtigt wären. Maßgeblicher Hintergrund dieser Einigung war es, die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns zu verhindern. Vor gut zwei Jahren ist in Deutschland mit 1.1.2015 hingegen solch ein gesetzlicher Mindestlohn für alle wirksam geworden; seit 1.1.2017 beträgt er € 8,84 pro Stunde. Nicht zuletzt wegen der hervorragenden Wirtschaftsdaten ist der zunächst durchaus umstrittene gesetzliche Mindestlohn in unserem Nachbarland auch bereits – wie es die Professoren Franz Josef Düwell und Jens M. Schubert im Vorwort zum von ihnen nunmehr in zweiter Auflage herausgegebenen Handkommentar „Mindestlohngesetz“ (MiLoG) formulieren – „ein etablierter Teil des deutschen Arbeitsrechts geworden“.

Mit dem gleich gebliebenen Team namhafter Autoren und Autorinnen, die die beiden Herausgeber unterstützen, wurde aber nicht nur die Kontinuität der Kommentierung gewahrt; verschiedene Bereiche wie die Nachunternehmerhaftung (§ 13), das Ehrenamt (§ 22) sowie insb die zum MiLoG erlassene Verordnung (§ 11) wurden verstärkt angesprochen. Ebenso erfuhr die viel kritisierte Herausnahme jugendlicher Beschäftigter aus dem Mindestlohnregime vertiefte Behandlung im vorliegenden Kommentar (siehe Einleitung und § 22).

Das MiLoG ist – naturgemäß – mittlerweile auch in der Rsp angekommen; Fälle der Umgehung des gesetzlichen Mindestlohns, Anrechnungsfragen, die Vergütung von Nichtarbeits- und Bereitschaftszeiten wurden Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen sowie von Diskussionen im Schrifttum und fanden im neu aufgelegten Kommentar entsprechenden Niederschlag (siehe nur die Erl zu §§ 3, 20). Zur Frage der Anrechnung von verschiedenen Entgeltbestandteilen auf den gesetzlichen Mindestlohn sowie Vergütung der Bereitschaftszeiten liegen sogar schon Entscheidungen des BAG vor (5 AZR 135/16, siehe § 1 Erl 58 ff, bzw 5 AZR 716/15, siehe Erl 35 der Einleitung).

Spannend ist aus Sicht der Rezensentin freilich noch ein anderes Thema, nämlich die Anwendung der deutschen Mindestlohnvorschriften auf jene AG mit Sitz im Ausland, die iSd § 20 MiLoG ihre AN in Deutschland beschäftigen, sowie die Rezeption der diesbezüglichen ausländischen Rsp. Dies schließt auch die österreichische Judikatur mit ein. So verneinte der OGH hinsichtlich eines Chauffeurs, der regelmäßig Fahrgäste von Salzburg zum Münchner Flughafen und zurückgebracht hatte, die Anwendung des deutschen Mindestlohns schlichtweg (OGH 26.11.2016, 9 ObA 53/16h). Der Gerichtshof berief sich dabei vornehmlich auf Art 9 Abs 3 der Rom I-VO, wonach ausländischen Eingriffsnormen (in diesem Fall: den deutschen Mindestlohnbestimmungen) Wirkung verliehen werden „kann“, aber offenbar nicht „muss“. Ob die ausländischen Normen zur Anwendung kommen, hängt demnach vom Ergebnis der Abwägung zwischen den Folgen der Anwendung dieser Bestimmungen und jenen ihrer Nicht-Anwendung ab. Da bloß kurzfristige Beschäftigungen in Deutschland keine negativen Auswirkungen auf das deutsche Sozialversicherungssystem hätten und überdies die Entgeltdifferenz von € 0,38 pro Stunde zwischen dem deutschen und dem österreichischen Mindestlohn für den OGH nicht unangemessen sei, andererseits durch407die Anwendung der deutschen Vorschriften jegliche Spontanarbeit in Deutschland von Österreich aus verhindert wäre, entschied sich der OGH gegen die Anwendung des MiLoG.

Eine Auseinandersetzung mit dieser brisanten Rsp zu Sozialdumping durch österreichische Löhne ist – datumsbedingt – erst mit der nächsten Auflage zu erwarten. Zu all den sonst angesprochenen Fragen werden die RechtsanwenderInnen aber bereits in der vorliegenden zweiten Auflage des Handkommentars zufriedenstellende Antworten finden.