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Datenschutzrecht gilt auch für Vorbringen und Beweismittel vor Gericht

WOLFGANGGORICNIK (SALZBURG)
§ 25 AngG; § 54 ÄrzteG; Art 10 EMRK; § 75 (Tiroler) LBedG
OGH 28.11.2017 9 ObA 118/17vOLG Innsbruck 23.6.2017 15 Ra 17/ 15 Ra 17/17p
  1. Ein Arzt darf „in eigener Sache“ Berufsgeheimnisse nur im unbedingt notwendigen Ausmaß preisgeben.

  2. Die Verletzung einer berufsrechtlichen Geheimhaltungspflicht durch die Nicht-Schwärzung der Namen von Patienten in einem Schriftsatz kann bei objektiver und vernünftiger Erwägung beim DG die gerechtfertigte Befürchtung auslösen, dass auch künftighin Informationen nicht mit der gebotenen Vertraulichkeit behandelt würden.

[...] Nachdem ihm mit Schreiben vom 11.12.2015 auf den 31.5.2016 gekündigt worden war, focht der Kl diese Kündigung gerichtlich an. In jenem Arbeitsrechtsprozess brachte er am 20.4.2016 einen Schriftsatz ein, den er damit einleitete, dass das als Kündigungsgrund behauptete Mobbing in Wahrheit nicht stattgefunden habe und der wahre Kündigungsgrund darin liege, dass er in seiner Funktion als geschäftsführender Oberarzt auf verschiedene Missstände in der Patientenversorgung und Behandlungsfehler hingewiesen habe. Im Schriftsatz stellte er hierzu vier konkrete Sachverhalte unter Nennung der Namen der Patienten, deren Geburts- und Operations- bzw Behandlungsdaten sowie von medizinischen Zusammenhängen dar. Der Schriftsatz war in persönlicher Kenntnis des Kl erstellt worden. Die Bekl wies mit Schreiben an den Vertreter des Kl vom 26.4.2016 darauf hin, dass der Schriftsatz „eine Mehrzahl von der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht unterfallenden personenbezogenen Details beinhaltet“, er mit Vortrag in der mündlichen Verhandlung Bestandteil derselben und damit öffentlich würde, eine „sachliche Rechtfertigung für eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht“ nicht erkennbar sei und der Kl entlassen werden würde, sollten die betreffenden Ausführungen des Schriftsatzes zum Gegenstand des in der mündlichen Verhandlung erstatteten Vortrags erhoben und damit zum Bestandteil der öffentlichen Verhandlung gemacht werden. In der Tagsatzung vom 28.4.2016 belehrte der vorsitzende Richter den Kl darüber, „dass ein Vortrag des Schriftsatzes nicht erforderlich sei und der Kl auch erst nach einer etwaigen Präzisierung der Kündigungsgründe durch die Bekl das Vorbringen auch später erstatten müsse und solle“. Der Vertreter des Kl trug gleichwohl nach Rücksprache mit dem Kl und in dessen Kenntnis von seinem Inhalt den Schriftsatz gem § 177 ZPO vor. Eine Entbindung von der ärztlichen Verschwiegenheit durch die betroffenen Patienten lag nicht vor. Ein Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit war nicht gestellt worden.

Daraufhin wurde dem Kl noch mit Schreiben vom selben Tag die Entlassung mit der Begründung ausgesprochen, er habe trotz des Schreibens vom 26.4.2016 und des Hinweises des vorsitzenden Richters, dass es des Vorbringens rechtlich nicht bedürfe, auch den sensiblen Inhalt des Schriftsatzes in der Tagsatzung vorgetragen und diesen und damit im Besonderen auch die darin enthaltenen patienten- und personenbezogenen Daten zum Inhalt der öffentlichen Verhandlung gemacht. Dieses Verhalten mache es dem Krankenhausträger unmöglich, den Kl weiterhin zu beschäftigen.

2. Auf das Dienstverhältnis zwischen den Parteien ist das (Tiroler) Landesbedienstetengesetz (LBedG) anzuwenden. Der Kl beruft sich im Revisionsverfahren nach wie vor darauf, dass seine Entlassung nach § 75 Abs 2 LBedG nicht gerechtfertigt gewesen sei. Nach lit b dieser Bestimmung liegt ein wichtiger Grund, der den DG zur vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses (Entlassung) berechtigt, insb vor, „wenn der Vertragsbedienstete sich einer besonders schweren Verletzung der Dienstpflichten oder einer Handlung oder einer Unterlassung schuldig gemacht hat, die ihn des Vertrauens des Dienstgebers als unwürdig erscheinen lässt“.

3. Nach stRsp stellt die Beurteilung, ob im Einzelfall ein Kündigungs- oder Entlassungsgrund verwirklicht wurde, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen (RIS-Justiz RS0106298 [T 18]). Dies gilt – hier interessierend – auch für die gleichfalls nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilende Frage, ob sich ein433Bediensteter einer besonders schweren Verletzung der Dienstpflicht schuldig gemacht und dadurch das Vertrauen für den Dienst eingebüßt hat (vgl RIS-Justiz RS0105955 [T 1]).

4. Ob Vertrauensunwürdigkeit vorliegt – hier iSd zitierten Entlassungsbestimmung –, hängt davon ab, ob für den DG vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung besteht, dass seine Belange durch den DN gefährdet sind. Maßgebend ist, ob das Verhalten des DN das Vertrauen des DG so schwer erschüttert hat, dass diesem die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Diesbezüglich entscheidet allerdings nicht das subjektive Empfinden des DG, sondern ein objektiver Maßstab, der nach der Verkehrsauffassung unter Berücksichtigung des Umstands des Einzelfalls anzuwenden ist (RIS-Justiz RS0108229).

5. Nach § 54 Abs 1 ÄrzteG 1998 sind der Arzt und seine Hilfspersonen zur Verschwiegenheit über alle ihnen in Ausübung ihres Berufes anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet. Die Verschwiegenheitspflicht besteht nach § 54 Abs 2 Z 4 ÄrzteG 1998 (in der hier noch maßgeblichen Fassung vor der Novelle zum ÄrzteG BGBl I 2017/25) nicht, „wenn die Offenbarung des Geheimnisses nach Art und Inhalt zum Schutz höherwertiger Interessen der öffentlichen Gesundheitspflege oder der Rechtspflege unbedingt erforderlich ist“.

Ein Arzt darf daher „in eigener Sache“ Berufsgeheimnisse jedenfalls nur im unbedingt notwendigen Ausmaß preisgeben (RIS-Justiz RS0127872).

Ob das Vorliegen höherwertiger Interessen eine Durchbrechung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht rechtfertigt, ist eine Frage des Einzelfalls (vgl RIS-Justiz RS0117236; OGH7 Ob 50/12x).

6. Das Berufungsgericht ging vertretbar davon aus, dass am 28.4.2016 die Offenbarung der persönlichen Daten der Patienten in nicht anonymisierter Form nicht unbedingt notwendig war; warum eine Schwärzung der Namen der Patienten unterblieb, ist tatsächlich nicht einsichtig (vgl Goricnik, DRdA 2016, 138 [Glosse zu OGH9 ObA 43/15m]). Wenn das Berufungsgericht aufgrund des Verhaltens des Kl – der trotz der Hinweise des gegnerischen Rechtsanwalts und des vorsitzenden Richters nach Rücksprache mit seinem eigenen Rechtsanwalt von diesem den gesamten Schriftsatz vortragen ließ und damit auch die persönlichen Daten der Patienten in den Prozess einführte – die Befürchtung der Bekl für gerechtfertigt hielt, dass deren Belange durch den Kl gefährdet seien, ist dies ebenso vertretbar.

Gerade die Verletzung der Geheimhaltungspflicht muss bei objektiver und vernünftiger kaufmännischer Erwägung beim DG die gerechtfertigte Befürchtung auslösen, dass auch künftighin Informationen nicht mit der gebotenen Vertraulichkeit behandelt würden (RIS-Justiz RS0029511 [T 2]). Hinzukommt, dass der in einer offensichtlichen Vertrauensposition befindliche Kl ein dienstliches (Mitarbeiter-)Gespräch heimlich aufzeichnete, was schon für sich genommen den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit begründen kann (RIS-Justiz RS0031784). Nach stRsp ist an das Verhalten von DN in leitender Position ein strengerer Maßstab anzulegen (RIS-Justiz RS0029341 [T 22]).

7. Der Hinweis des Revisionswerbers, beim Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit sei nicht nur der letzte, unmittelbar zur Entlassung führende Vorfall, sondern das Gesamtverhalten des DN innerhalb eines längeren Zeitraums zu berücksichtigen, ist grundsätzlich richtig (RIS-Justiz RS0081395). Richtig ist auch, dass zwar das Gesamtverhalten des DN bei der Beurteilung der Entlassung berücksichtigt werden kann, aber der eigentliche Anlass eine gewisse Mindestintensität aufweisen muss (RIS-Justiz RS0029600 [insb T 2, T 4, T 5]), sowie dass beim Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit das Gesamtbild des Verhaltens des DN berücksichtigt werden muss und nicht jeder einzelne Vorfall für sich allein beurteilt und damit das Gesamtergebnis zerpflückt werden darf (RIS-Justiz RS0029790).

Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers hat das Berufungsgericht diese Grundsätze aber berücksichtigt und in vertretbarer Weise auf den vorliegenden Fall angewandt. Es hat nicht nur den letzten Vorfall – das Verhalten in der Tagsatzung vom 28.4.2016 – berücksichtigt, sondern eine Zusammenschau dieses Verhaltens mit dem vorherigen Geschehen vorgenommen. Dass das Gesamtverhalten des DN innerhalb eines längeren Zeitraums zu berücksichtigen ist, bedeutet keine Verpflichtung des Gerichts zur Befassung mit der gesamten Dauer des – hier seit dem Jahr 1982 währenden – Dienstverhältnisses des Entlassenen.

Im Übrigen bedeutet die Rsp, wonach beim Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit nicht nur der letzte, unmittelbar zur Entlassung führende Vorfall, sondern das Gesamtverhalten des DN innerhalb eines längeren Zeitraums zu berücksichtigen ist, nicht, dass das Vertrauen nicht auch bereits durch eine einzelne Handlung verloren gehen kann (vgl RIS-Justiz RS0029600 [T 5]; Pfeil in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1162 Rz 128; Friedrich in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 25 Rz 11; Tarmann-Prentner in Reissner, AngG § 25 Rz 61).

8. Nichts zu gewinnen ist für den Revisionswerber letztlich auch aus der E des EGMR in der Rs 28274/08 (Heinisch/Deutschland), wonach bei wahrgenommenen Missständen zuerst dem Vorgesetzten oder einer anderen kompetenten Stelle Bericht erstattet werden sollte und nur in Fällen, in denen eine derartige Vorgangsweise inpraktikabel erscheint, Informationen – als letzter Ausweg – an die Öffentlichkeit weitergegeben werden dürfen. Weder ist das Arbeitsgericht, welches der Kl zur Bekämpfung seiner Kündigung anrief, eine kompetente Stelle, um die von ihm angenommenen Missstände fortgesetzter Fehlbehandlungen abzustellen, noch hat der Kl vor seiner Entlassung eine kompetente Stelle außerhalb der Klinik zwecks Abstellen der von ihm angenommenen Missstände befasst; unstrittig brachte er ob der aus seiner Sicht bestehenden gravierenden und gegebenenfalls auch strafrechtlich relevanten Missstände erst nach seiner Entlassung eine Sachverhaltsdarstel-434lung bei der Staatsanwaltsschaft ein (zur Berechtigung zur Erstattung einer Strafanzeige wider den eigenen AG, OGH9 ObA 43/15m = DRdA 2016/14 [Goricnik]).

Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Revision bedürfte es einer auffallenden Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts. Eine solche liegt nicht vor. Da die Revision keine entscheidungsrelevante Rechtsfrage aufzeigt, der die Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zukäme, ist sie zurückzuweisen.

ANMERKUNG
1.
Einleitung

Voranzustellen ist, dass die E des OGH aus Sicht des Rezensenten ausgewogen ist und sowohl vom Ergebnis als auch von der Begründung her überzeugt.

Die E wurde bereits von Wallner in JAS 2018, 36 ff ausführlich besprochen, wobei Wallner dem OGH zunächst aus ärztlich-berufsrechtlicher Sicht folgt, zumal sich der Arzt nicht auf ein das Berufsgeheimnis überwiegendes privates Interesse berufen hätte können. In (als solcher titulierter) arbeitsrechtlicher Beurteilung führt Wallner aber in weiterer Folge aus, dass der von den Gerichten gezogene Schluss, dass ein Arzt sich auch in Zukunft in nachlässiger Weise über das Berufsgeheimnis hinwegsetzen würde, wenn er sich auf Patientendaten in einem Verfahren beruft, in dem es darum geht, ob er auf Grund von beim DG erfolgten Interventionen wegen beobachteter Missstände gekündigt worden ist, wohl nicht zutreffe. ME ist eine Verwendung solcher Daten – auch und insb vor dem Hintergrund der besprechungsgegenständlichen E – aber sehr wohl möglich, vor allem, wenn der Grundsatz der „Datenminimierung“ eingehalten wird. Aus Anlass der Anwendbarkeit der EU-Datenschutz-Grundverordnung (im Folgenden: DS-GVO) vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Datenschutz-RL 95/46/EG – VO (EU) 2016/679 ABl L 2016/119, 1 – ab 25.5.2018, die ein neues, unmittelbar geltendes Datenschutzrecht in der EU bringt, soll sich die gegenständliche Besprechung schwerpunktmäßig (und in unionsrechtlicher Hinsicht ausblickmäßig) mit dem Datenschutzaspekt beschäftigen.

2.
Neues unionsrechtliches Datenschutz-Regime

Eine rechtlich zulässige Verarbeitung personenbezogener bzw personenbeziehbarer Daten ist ab 25.5.2018 nur in den von der DS-GVO bzw vom von dieser (gem bestimmter „Öffnungsklauseln“) gestatteten nationalen Recht (einschließlich KollV und BV) abgesteckten Grenzen möglich. Zunächst ist jede Verarbeitung bzw Verwendung personenbezogener Daten daraufhin zu prüfen, ob die allgemeinen Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten gem Art 5 DS-GVO eingehalten werden, zB die „Rechtmäßigkeit“, die Verarbeitung nach „Treu und Glauben“, die „Transparenz“ und die entsprechende „Zweckbindung“. Für eine zulässige Datenverarbeitung muss der Verantwortliche damit insb eine entsprechende rechtliche Befugnis haben, schutzwürdige Interessen der Betroffenen durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen berücksichtigen und die Daten auf das für den legitimen Verarbeitungszweck notwendige Maß beschränken („Grundsatz der Datenminimierung“), was auch (durch eine entsprechende Dokumentation) nachweisbar sein muss („Grundsatz der Rechenschaftspflicht“).

Der Oberbegriff der „Verarbeitung“ bezeichnet dabei gem Art 4 Z 2 DS-GVO jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie insb das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung.

Patientendaten stellen idR „Gesundheitsdaten“ iSd Art 4 Z 15 DS-GVO dar, deren Verarbeitung als sogenannte „besondere Kategorie personenbezogener Daten“ eines der in Art 9 Abs 2 DS-GVO taxativ aufgelisteten Erlaubnistatbestände bedarf; entscheidungsgegenständlich kämen insb die Erlaubnistatbestände des Art 9 Abs 2 lit b (zur Ausübung aus dem Arbeitsrecht erwachsender Rechte) und lit f DS-GVO (zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen) in Betracht. Die Anwendungsausnahme des Arbeitsrechtes erfordert als Voraussetzung aber eine entsprechende rechtliche Regelung, die auch geeignete Garantien für die Grundrechte und die Interessen der betroffenen Person vorsieht; hinsichtlich der Verwendung von Patientendaten in einem Kündigungsverfahren gegen den DG kann mE dem Rechtsbestand aber keine solche Regelung entnommen werden.

Die Ausnahmeregelung für die Durchsetzung von Rechtsansprüchen dient der Sicherung des Justizgewährleistungsanspruches (vgl Art 47 GRC). Lässt sich ein rechtlicher Anspruch nur mit der Verarbeitung der sensiblen Datenarten des Art 9 Abs 1 DS-GVO durchsetzen, so soll das grundsätzlich erlaubt sein. Allerdings ist die „Erforderlichkeit“ streng zu prüfen; jedenfalls bedarf es für die Verwendung sensibler Daten einer plausiblen Begründung der Beweiserheblichkeit, wobei aber auch die Verfolgung „bloß“ vermögenswerter Rechtsansprüche ausreicht (so auch Weichert in Kühling/Buchner, DS-GVO [2017] Art 9 Rz 86).

Der Vollständigkeit halber ist hinsichtlich des Verhältnisses von Datenschutzrecht und Berufsrecht im Hinblick auf ein zu wahrendes Berufsgeheimnis noch anzumerken, dass diesfalls für die Zulässigkeit der Verwendung von diesem Berufsgeheimnis unterliegenden Daten grundsätzlich eine zweistufige Prüfung bezüglich beider Rechtsgebiete erfolgen muss (vgl Weichert in Kühling/Buchner,435DS-GVO, Art 9 Rz 146 näher zu diesem „Zwei-Schranken-Prinzip“).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund kann sohin die Verwendung von Gesundheitsdaten von Patienten in einem Kündigungsverfahren gegen den DG grundsätzlich zulässig sein, bedarf aber jedenfalls entsprechender geeigneter (prozeduraler) Vorkehrungen schon gem Art 5 DS-GVO hinsichtlich einer „Datenminimierung“ und einer angemessenen „Vertraulichkeit“ (dazu näher unter Pkt 4.).

Nicht übersehen werden darf natürlich der sachliche Anwendungsbereich der DS-GVO gem deren Art 2 Abs 1: Die DS-GVO ist nur anwendbar, wenn Daten aus einer automationsunterstützten Verarbeitung stammen oder einer solchen zugeführt werden sollen; der Einsatz des sogenannten „Elektronischen Rechtsverkehrs-ERV“ (zB für die Einbringung eines Schriftsatzes, der – zumindest – personenbeziehbare Daten beinhaltet) reicht dafür aus. Weiters ist die DS-GVO sogar hinsichtlich (gänzlich) nicht-automationsunterstützt verarbeiteter Daten anwendbar, wenn die manuell verarbeiteten Daten in einer Datei (das ist gem Art 4 Z 6 DS-GVO eine strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind) gespeichert sind oder gespeichert werden sollen; ansonsten sollen Akten oder Aktensammlungen sowie ihre Deckblätter, die nicht nach bestimmten Kriterien geordnet sind, nicht in den Anwendungsbereich der DS-GVO fallen (ErwGr 15 DS-GVO).

3.
Grundrecht auf Datenschutz

Als zusätzliche „nationale Schicht“ von Datenschutz ist auch (weiterhin) die Verfassungsbestimmung des § 1 Datenschutzgesetz (DSG) mit Drittwirkung zu beachten: Jedermann hat, insb auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig. Der Eingriff in das Grundrecht darf weiters jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

Das Grundrecht auf Datenschutz gilt auch für (gänzlich) nicht-automationsunterstützt verarbeitete Daten, selbst wenn die manuell verarbeiteten Daten nicht in einer Datei bzw Kartei gespeichert bzw festgehalten sind (so jüngst auch der OGH6 Ob 191/15d ZIIR 2016, 420 [Thiele] = jusIT 2017/12 [Bergauer]), sohin auch für Daten in Akten oder Aktensammlungen.

Für die Zulässigkeit einer Verwendung der Daten hat grundsätzlich eine Prüfung der entsprechenden Verhältnismäßigkeit iwS zu erfolgen, dies nach den Kriterien der Eignung, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn (dazu allg instruktiv Jahnel, Datenschutzrecht [2010] 73 f).

Verhältnismäßig ieS ist eine Datenverwendung nach Maßgabe einer Gesamtabwägung zwischen der Intensität des Eingriffs (auf Seite des Betroffenen) und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe (auf Seite des für die Datenverwendung Verantwortlichen, zB zur Durchsetzung von Rechtspositionen). Die erforderliche Rechtsgüterabwägung kann diesbezüglich nicht abstrakt, sondern muss jeweils im konkreten Anlassfall vorgenommen werden. Es sind also die (konkreten) Gesamtumstände maßgeblich.

Bedeutsam könnte für die Zulässigkeit der Verwendung von Patientendaten in einem Kündigungsverfahren gegen den DG bspw sein wie folgt:

  • Die Bedeutung des konkreten Anlasses (zB die Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage).

  • Die Zahl der von der Verwendung ihrer Gesundheitsdaten betroffenen Patienten.

  • Die Intensität der Beeinträchtigung von Geheimhaltungsinteressen (in Bezug auf die verwendeten Gesundheitsdaten).

  • Das Ausmaß und die Bedeutung möglicher Nachteile für die betroffenen Patienten (zB bei Bekanntwerden einer ansteckenden, allenfalls sogar unheilbaren Erkrankung).

Zusätzlich bedeutet das Gebot des gelindesten Mittels in § 1 Abs 2 DSG, dass unter den im engeren Sinn verhältnismäßigen Eingriffen nur der schonendste zulässig ist.

Bei einer entsprechenden Zulässigkeitsprüfung kann der letztgenannte Schritt vorgezogen werden; wenn nämlich die Eingriffsart in das Grundrecht nicht das schonendste Mittel zur Zweckerreichung darstellt, erübrigt sich dann die Vornahme einer (idR aufwändigen) Interessenabwägung (vgl OGH8 Ob 108/05y ÖJZ-LSK 2006/79 = EvBl 2006/67 [Noll]).

4.
Konkrete geeignete Datenschutzmaßnahmen

Gem Art 24 Abs 1 und 2 DS-GVO hat der (für die Datenverarbeitung bzw Datenverwendung) Verantwortliche unter Berücksichtigung der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere der Risiken für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen geeignete technische und organisatorische Maßnahmen umzusetzen, um sicherzustellen und den Nachweis dafür erbringen zu können, dass die Verarbeitung gem der DS-GVO erfolgt. Das bedeutet auch die Verpflichtung zur Anwendung verhältnismäßiger und geeigneter Datenschutzvorkehrungen. ErwGr 75 DS-GVO nennt im gegenständlichen Zusammenhang auch den Verlust der Vertraulichkeit von einem Berufsgeheimnis unterliegenden personenbezogenen Daten als Beispiel für einen (materiellen oder immateriellen) – entsprechend zu vermeidenden – Schaden.

Auch die Verhältnismäßigkeitsprüfung gem § 1 DSG und das Gebot des gelindesten Mittels in § 1 Abs 2 DSG als Voraussetzungen der Zulässigkeit eines Eingriffes in das Grundrecht auf Datenschutz werden – über das selbstverständliche Gebot einer „Datensparsamkeit“ bzw „Datenminimierung“436hinaus – entsprechende Datenschutzvorkehrungen erfordern.

Ganz abgesehen davon, dass die vom Kl vorgenommene Offenlegung der – nicht anonymisierten – Patienten(gesundheits)daten zur Durchsetzung seiner Rechtsansprüche (zumindest in diesem Verfahrensstadium) offenbar gar nicht erforderlich war, lässt sich dem Sachverhalt der gegenständlichen E entnehmen, dass der Kl bewusst Datenschutzvorkehrungen unterließ, zB einen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit zu stellen (dazu näher Goricnik, Glosse zu OGH9 ObA 43/15mDRdA 2016/14, 135 [137 f]). Zu Recht hält der OGH in seiner rechtlichen Beurteilung weiters fest, dass nicht einsichtig gewesen sei, warum – zumindest – eine Schwärzung der Namen der Patienten unterblieb (vgl Goricnik, Glosse zu OGH9 ObA 43/15mDRdA 2016/14, 137 f; so auch Gahleitner, Erl zu OGH9 ObA 43/15mDRdA-infas 2015/175, 238).

5.
Resümee

Die gegenständliche E des OGH betont letztlich einmal mehr, dass aus Gründen sowohl gesetzlicher (hier berufsrechtlicher) Verschwiegenheitspflichten als auch datenschutzrechtlicher Vorgaben personenbezogene bzw personenbeziehbare Daten von Dritten in Urkunden und in vorbereitenden Schriftsätzen idR zu anonymisieren bzw zu schwärzen sind und jedenfalls beim Vorliegen gesetzlicher Verschwiegenheitspflichten darüber hinaus idR ein Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit zu stellen sein wird; selbst nach Ausschluss der Öffentlichkeit wird die nicht anonymisierte Einbringung von bestimmten Daten Dritter in einen Prozess – ohne deren Einwilligung – die ultima ratio einer Durchsetzung eigener Rechtsansprüche bleiben müssen. Der Rahmen (noch dazu öffentlicher) gerichtlicher Verfahren entbindet – klarerweise – nicht pauschal von Datenschutzanforderungen und Verschwiegenheitspflichten.

Das bedeutet natürlich einen entsprechenden rechtlichen und faktischen Mehraufwand für die Parteien bzw deren Vertreter, beseitigt aber das Risiko einer (berechtigten) Entlassung wegen dieser Versäumnisse.