46

Keine Beendigung der Funktionsperiode des Betriebsrates durch Vergleich über Wahlanfechtung*

§ 62 ArbVG zählt die Gründe für eine vorzeitige Beendigung der Tätigkeitsdauer des BR taxativ auf. Ausgehend davon konnte der vor dem ASG als Landesgericht für Zivilrechtssachen abgeschlossene Vergleich nicht zu einer vorzeitigen Beendigung der Tätigkeitsdauer des BR führen.

[...]

Rechtliche Beurteilung

1. Eine E eines Fachsenats, die zwar bisher die einzige ist, die aber ausführlich begründet wurde, zu der gegenteilige E nicht vorliegen oder der nur eine ältere gegenteilige E des OGH gegenübersteht, und die auch im überwiegenden Schrifttum nicht auf Kritik stieß, reicht für das Vorliegen einer gesicherten Rsp aus, sofern nicht der Rechtsmittelwerber mit neuen Argumenten erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser E wecken kann (vgl RIS-Justiz RS0103384 [T3, T4, T6, T10]).

1.1. Während 4 Ob 48/79 (= SZ 52/113 =

[Spielbüchler]
)die Ansicht vertrat, die Endigungsgründe des § 62 ArbVG seien demonstrativ, schloss sich der erkennende Fachsenat nach eingehender Darlegung des Meinungsstands in 9 ObA 90/05h (= SZ 2006/85 = ASoK 2006, 396 [Marhold-Weinmeier] = DRdA 2007/20 [Rebhahn/Kietaibl] = ZAS 2007/14 [Spitzl])der Rechtsauffassung an, dass § 62 ArbVG die Gründe für eine vorzeitige Beendigung der Tätigkeitsdauer des BR taxativ aufzählt. Diese Auffassung ist heute auch in der Literatur herrschend (Preiss in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht4 II § 62 Erl 3; Kallab in ZellKomm2 § 62 ArbVG Rz 1; Pacic in Tomandl, Arbeitsverfassungsgesetz § 62 Rz 5 f; Burger-Ehrnhofer/Drs in Strasser/Jabornegg/Resch, Arbeitsverfassungsgesetz § 62 Rz 4; Kietaibl, Arbeitsrecht10 I 142).

1.2. Ausgehend davon, dass die Aufzählung der Endigungsgründe in § 62 ArbVG taxativ ist, ist die vom Berufungsgericht als iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblich betrachtete Frage, ob der von den Parteien des Verfahrens 30 Cga 137/11t des LGZ Graz als ASG abgeschlossene Vergleich zu einer vorzeitigen Beendigung der Tätigkeitsdauer des am 15.9.2011 gewählten BR führen konnte, zu verneinen. Ist unzweifelhaft, dass der zu beurteilende Sachverhalt jener Norm nicht entspricht, die eine Partei angewendet wissen will (hier: § 62 Z 5 ArbVG), und legt diese Partei auch nicht (nachvollziehbar) dar, aus welchem Grund vernünftiger Weise eine sinngemäße Anwendung der Vorschrift in Betracht kommen könnte, liegt auch dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn höchstgerichtliche Entscheidungen zur betreffenden Vorschrift fehlen (RIS-Justiz RS0042656 [T20]).

Nach § 62 Z 5 ArbVG endet die Tätigkeitsdauer des BR vorzeitig, wenn das Gericht die Wahl für ungültig erklärt. Eine Ungültigerklärung durch gerichtlichen Vergleich ist im Gesetz nicht als Beendigungsgrund angeführt. Der Wortlaut legt nahe, dass von § 62 Z 5 ArbVG nur Urteile (und zwar klagsstattgebende in einem Verfahren wegen Anfechtung einer Wahl – Kallab in ZellKomm2 § 62 ArbVG Rz 29) erfasst sind. Warum dessen ungeachtet der Abschluss eines Vergleichs der Prozessbeendigung durch urteilsmäßige gerichtliche Ungültigerklärung einer Betriebsratswahl gleichzuhalten ist, legt der Revisionswerber nicht nachvollziehbar dar. Dies ist auch nicht einsichtig, zumal die Ungültigerklärung einer Betriebsratswahl die Rechtsstellung der DN des Betriebs berührt, diese aber regelmäßig keine Parteien des betreffenden Gerichtsverfahrens sind. Das Anknüpfen an eine Ungültigerklärung durch das Gericht beugt auch einem möglichen Missbrauch der Prozessparteien vor. Zwar kann grundsätzlich auch über Rechtsgestaltungsansprüche – ein solcher wurde mit der zu 30 Cga 137/11t registrierten und auf § 59 Abs 2 ArbVG gegründeten Klage auf Ungültigerklärung der Betriebsratswahl vom 15.9.2011 geltend gemacht (vgl RIS-Justiz RS0051096) – ein Vergleich abgeschlossen werden, dies aber dann nicht, wenn die Rechtsgestaltung dem Richter vorbehalten ist (Fasching, Lehrbuch2 Rz 1346 iVm 1107; Gitschthaler in Rechberger, ZPO4 §§ 204-206 Rz 15). Bei der Anfechtung einer Betriebsratswahl bleibt wegen des öffentlichen Interesses den Parteien die Rechtsgestaltung mittels Vergleichs verwehrt (vgl Fasching, aaO Rz 1107); sie ist dem Richter vorbehalten. Der Vergleichsabschluss bewirkte somit nicht die Beendigung der Tätigkeit des am 15.9.2011 gewählten BR.

2. Der Revisionswerber zeigt abseits der (zu Unrecht) vom Berufungsgericht als erheblich betrachteten, zuvor behandelten Rechtsfrage keine solche iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

2.1. Aufgrund einer vom Kl erhobenen Klage wurde im Verfahren 31 Cga 39/14t des LGZ Graz als ASG rechtskräftig festgestellt, dass die am 6.9.2012 durchgeführte Betriebsratswahl nichtig ist. Die Frage, ob aufgrund einer „ordnungsgemäß durchgeführten Neuwahl des BR am 6.9.2012“ die Funktionsperiode des am 15.9.2011 gewählten BR endete, kann sich daher von Anfang an nicht stellen.

2.2. Die in der Revision weiters als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO angesehene „Frage der Rückwirkung der Nichtigerklärung einer Betriebsratswahl“ ist (ua) durch die E 9 ObA 206/00k und 9 ObA 77/08a, deren Aussagen zur Nichtigkeit von der Lehre geteilt werden (Kallab in ZellKomm2 § 60 ArbVG Rz 10 f; Löschnigg in Strasser/Jabornegg/Resch, Arbeitsverfassungsgesetz § 60 Rz 1, 2 und 13; Windisch-Graetz in Tomandl, Arbeitsverfas-443sungsgesetz § 60 Rz 3 ff), bereits eindeutig beantwortet: Einem Urteil wie dem zu 31 Cga 39/14t ergangenen kommt allseitige Rechtskraft- bzw Tatbestandswirkung zu (9 ObA 206/00k = RIS-Justiz RS0114118). Die Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl bedeutet, dass die Tätigkeitsdauer dieses BR niemals wirksam begann, weshalb die Nichtigkeit nicht nur vom Zeitpunkt der Wirksamkeit des Urteils an, sondern ab Beginn der Wahl bestand (9 ObA 206/00k = RIS-Justiz RS0100006 [T1]). Liegt eine nichtige Betriebsratswahl vor, so ist stets so vorzugehen, als ob die Wahl nie stattgefunden hätte (9 ObA 77/08a = DRdA 2010/41 [Schneller]). Die Verständigung des am 6.9.2012 gewählten BR kann von der Bekl daher für die Einhaltung des Verfahrens nach § 105 ArbVG nicht ins Treffen geführt werden.

2.3. Das zu 31 Cga 39/14t ergangene Urteil erwuchs in Rechtskraft. Soweit – wie hier aufgrund der allseitigen Rechtskraft- bzw Tatbestandswirkung (9 ObA 206/00k = RIS-Justiz RS0114118) – eine Bindung des Richters des Folgeprozesses an die E des Vorprozesses besteht, ist die Frage, ob die E des Vorprozesses richtig war, irrelevant (RIS-Justiz RS0039843 [T26]; Rechberger in Rechberger, ZPO4 § 411 Rz 3). Keine Relevanz kann daher der gleichfalls vom Revisionswerber als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO betrachteten Frage zukommen, ob der (im Übrigen nicht festgestellte) Umstand, dass bereits vor Erlassung des Urteils zu 31 Cga 39/14t im Zuge des über die *GmbH zu 26 S* des LGZ Graz eröffneten Insolvenzverfahrens alle Mitglieder des am 6.9.2012 gewählten BR als DN ausschieden, der Erlassung des Urteils zu 31 Cga 39/14t und damit der Rückwirkung der Nichtigerklärung der Betriebsratswahl vom 6.9.2012 entgegenstand.

2.4. Die übereinstimmende Bejahung der Zulässigkeit eines Zwischenantrags auf Feststellung durch das Erstgericht und das Berufungsgericht enthält, auch wenn sie formell nicht in Beschlussform zu erfolgen hat, zwei die Zulässigkeit des Zwischenantrags auf Feststellung bejahende Beschlüsse und ist daher vom OGH nicht mehr überprüfbar (RIS-Justiz RS0039492 [T2]). Dies gilt seit der Aufhebung des § 47 ASGG durch die ZVN 2002 (BGBl I 2002/76) auch in Arbeits- und Sozialrechtssachen (vgl RIS-Justiz RS0120273; Neumayr in ZellKomm2 §§ 45-48 ASGG Rz 4). Der OGH hat daher von der Zulässigkeit des vom Kl gestellten Zwischenantrags auf Feststellung auszugehen (vgl 1 Ob 6/06y). Die Frage der Zulässigkeit des Zwischenantrags kann folglich keine Erheblichkeit iSd § 502 Abs 1 ZPO beanspruchen.

3. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision des Bekl zurückzuweisen. [...]