Richardi (Hrsg)Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung

16. Auflage, C.H. Beck Verlag, München 2018, XXIV, 2.449 Seiten, Leinen, € 179,–

OLAFDEINERT (GÖTTINGEN)

Alle vier Jahre finden bundesweit die Betriebsratswahlen satt, turnusmäßig wieder in diesem Jahr. Entsprechend sorgen die Verlage dafür, dass sämtliche Kommentare zum Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) im Wahljahr in Neuauflage erscheinen. Das gilt auch für die vier hier zu besprechenden Werke. In dem breiten Kanon von Kommentaren zu diesem Gesetz hat jeder von ihnen bereits seinen festen Platz gefunden und das mit durchaus unterschiedlichen Ausrichtungen. Wer aus AN-Sicht eine zuverlässige Information über die Rechtslage gewinnen möchte, zugleich aber eine kritische Reflexion der hM unter Ausschöpfung der Gegenargumente sucht, sollte zum „DKKW“ (Däubler/Kittner/Klebe/Wedde) greifen. Wer das Argumentationspotenzial aus AG-Sicht ausschöpfen möchte, wird am ehesten beim Richardi fündig werden. Am Fitting sind neben Ministerialbeamten BAG-Richterpersönlichkeiten beteiligt, was eine starke Ausrichtung nach der Rsp erklärt, kritische Stellungnahmen zu dieser aber nicht ausschließt, was umgekehrt zeigt, dass er kein sicheres Instrument zur Vorhersage neuer Rsp ist. Ebenfalls eine zuverlässige Bestandsaufnahme mit kritischer Begleitung liefert der überwiegend von Praktikern bearbeitete Kommentar von Düwell.

Es handelt sich bei allen vier Werken um Neuauflagen. Da liegt es nahe, an dieser Stelle besonders auf den Umgang mit neuen Entwicklungen zu schauen. Im Nachgang zur europäischen Datenschutz-Grundverordnung und zur Neuregelung des Beschäftigtendatenschutzes in § 26 BDSG fragt man sich beispielsweise, wie es um den Datenschutz gegenüber dem BR bestellt ist. Im Fitting (§ 75 Rn 156b) findet sich dazu die pragmatische Sicht, dass Persönlichkeitsverletzungen auch durch die Datenverarbeitung des BR möglich sind, § 26 Abs 1 Satz 1 BDSG dies aber zur Ausübung oder Erfüllung der sich aus Gesetz oder KollV ergebenden Rechte und Pflichten gestattet. Es komme mithin auf die Erforderlichkeit an. Doch wie verhält sich dies zum umfassenden Unterrichtungsanspruch des BR aus § 80 Abs 2 BetrVG? Die Antwort findet sich bei der entsprechenden Norm (§ 80 Rn 58): keine Beschränkung durch DS-GV oder BDSG. Im Düwell lässt sich wenig dazu finden, vor allem, weil das Stichwortverzeichnis keinen Hinweis liefert. Ein paar Aussagen finden sich im Kontext einer Schweigepflicht unter dem Aspekt der Datennutzung (§ 79 Rn 22) sowie bei § 34 Abs 3 über Einsichtsrechte der Betriebsratsmitglieder in Unterlagen. Im DKKW nehmen Datenschutzfragen insgesamt einen breiten Raum ein und werden an den verschiedensten Stellen behandelt. Bei der Aufgabennorm des § 80 Abs 1 wird ausgeführt, dass die Datenverarbeitung des BR regelmäßig nach § 26 Abs 1 BDSG legitimiert sei. Im Anschluss an die Rsp (vgl etwa BAG 1 ABR 46/10 NZA 2012, 744, Rn 43) wird klargestellt, dass der BR nicht Dritter, sondern Teil der verantwortlichen Stelle ist (§ 80 Rn 16). Im Richardi wird dazu in der Weise Stellung bezogen, dass gleichwohl das BDSG Anwendung finde und dabei höherrangiges Recht zu beachten sei, nämlich die Datenschutz-Grundverordnung (dort wird freilich noch die Datenschutz-RL 95/46/EG herangezogen), Art 8 der EU-Grundrechtecharta und das aus Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 des Grundgesetzes folgende allgemeine Persönlichkeitsrecht (besser wohl: das daraus folgende Recht auf informationelle Selbstbestimmung). Jedenfalls seien die für die Betriebsratsaufgaben erforderlichen Daten Gegenstand der Unterrichtungspflicht, wo es an der Rechtfertigung durch die Erforderlichkeit für die Aufgabe fehle, sei eine Datenverarbeitung rechtswidrig. Im Ergebnis läuft dies darauf hinaus, dass die Unterrichtungspflicht des AG durch das BDSG jedenfalls nicht beschränkt wird (§ 80 Rn 65).

Eine weitere aktuelle Fragestellung ist der Umgang mit Heimarbeitern. Denn sie gelten, wenn sie in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten, nach § 5 Abs 1 Satz 2 BetrVG als AN. Sie sind arbeitnehmerähnliche Personen, für die ein eigenständiges Gesetz (HAG) geschaffen wurde. Definitionsgemäß sind Heimarbeiter nach § 2 Abs 1 HAG solche Personen, die in selbstgewählter Arbeitsstätte allein oder mit Familienangehörigen im Auftrag von Gewerbetreibenden oder Zwischenmeistern erwerbsmäßig arbeiten, jedoch die Verwertung der Arbeitsergebnisse dem unmittelbar oder mittelbar auftraggebenden Gewerbetreibenden überlassen. Denkt man zunächst unwillkürlich an Bandwirker und Bürstenmacher, hat die Rsp kürzlich klargestellt, dass hier451auch qualifizierte Tätigkeiten, etwa IT-Betreuung durch Programmierer von zu Hause, in Betracht kommen (BAG 9 AZR 305/15 NZA 2016, 1453). Leider wird dies in den Kommentierungen zu § 5 BetrVG im Düwell und im DKKW nicht zur Kenntnis genommen, im Richardi wird immerhin die Entscheidung mit ihrer Hauptaussage zitiert. Lediglich der Fitting trifft eine eigenständige weitere Aussage, wonach Crowdworker selbst bei hochkomplexen und schwierigen Aufgaben als Heimarbeiter in die Betriebsverfassung einbezogen sind, sofern die Voraussetzung der überwiegenden Tätigkeit für den Betrieb erfüllt ist (§ 5 Rn 311). Die damit angesprochenen Crowdworker finden demgegenüber insgesamt deutlich mehr Beachtung in den Kommentierungen; lediglich im stark rechtsprechungsorientierten Düwell findet das Thema wenig Bedacht, insb bei § 5 zum AN-Begriff, soweit ersichtlich, überhaupt nicht. Am meisten Aufmerksamkeit findet diese neue Form der Arbeit im DKKW (zu den Grenzen von Betriebs- und AN-Anknüpfung Einl Rn 267; ausführliche Phänomenologie und Einordnung beim Begriff des AN in § 5 Rn 62a ff). Gemeinsames Erkenntnis aller Kommentierungen ist, dass beim externen Crowdworking in der Regel schon ein Arbeitsverhältnis zu verneinen ist (vgl Fitting, § 5 Rn 85b). Etwas dünn ist allerdings die Begründung im Richardi (§ 5 Rn 85), dass ein Arbeitsverhältnis deshalb ausscheide, weil kein bestimmter zeitlicher Rahmen festgelegt sei. Das ist auch in anderen Fällen denkbar, ohne dass deswegen ein Arbeitsverhältnis zu verneinen ist. § 611a Abs 1 BGB stellt zwar auf das Weisungsrecht ab, Satz 2 der Bestimmung zeigt aber, dass dieses die Zeit der Tätigkeit betreffen kann (nicht: muss).

Insgesamt handelt es sich, wie auch an den hier in den Fokus gerückten Aspekten deutlich wird, um vier Kommentierungen, die in unterschiedlicher Herangehensweise zuverlässig über den Stand der hM im Betriebsverfassungsrecht informieren, der Düwell eher referierend, der Fitting kritisch zusammenfassend, Richardi und DKKW kritisch mit gegensätzlichen Grundausrichtungen.