Straube/RascheArbeitsrechtliche Korruptionsbekämpfung – Prävention und Verfolgung bei Vorteilsannahme

C.H. Beck Verlag, München 2017, XVIII, 158 Seiten, kartoniert, € 49,–

MONIKADRS (WIEN)

Die vorliegende Arbeit will das jahrelang im Geschäftsleben verbreitete Motto „Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“ hinterfragen und dafür sensibilisieren, dass Schmiergeldzahlungen kein „Kavaliersdelikt“ darstellen und nicht nur hohe Geldbeträge, sondern alle gewährten Vorteile unter den Begriff des Schmiergeldes fallen können und ihre Annahme korruptes Verhalten darstellen kann. Die AutorInnen empfehlen den Unternehmen – unabhängig von der strafrechtlichen Beurteilung – transparente und vor allem wirksame Compliance-Regelungen zu schaffen, um den AN klare Vorgaben zu geben, wie sie zB auf angebotene Geschenke von GeschäftspartnerInnen des Unternehmens zu reagieren haben und ob bzw unter welchen Voraussetzungen sie selbst Zuwendungen an GeschäftspartnerInnen des Unternehmens gewähren dürfen.

Anlass für dieses Buch waren nach eigenen Angaben einige große Schmiergeldskandale in Deutschland. Die AutorInnen verweisen gleichzeitig auch auf Statistiken, wonach zB der in deutschen Unternehmen zu verzeichnende Schaden durch Wirtschaftskriminalität – selbst ohne indirekte Schäden durch anfallende Rechtsstreitigkeiten, Managementkosten sowie Imageverlust – auf rund 8 Mrd Euro jährlich geschätzt wird.

In dem Buch beschäftigen sich die AutorInnen nach einer kurzen Einleitung und einem Kapitel zur Definition des Schmiergeldbegriffs zunächst sehr ausführlich mit der Korruptionsprävention und dabei vor allem mit den einseitigen und zweiseitigen Möglichkeiten der Implementierung von Compliance im Arbeitsverhältnis. Daran anschließend folgt ein Kapitel über die Durchführung von Aufklärungsmaßnahmen zB durch Sichtung der Unterlagen, Mitarbeiterbefragung, Mitarbeiterüberwachung (etwa durch PrivatdetektivInnen, technische Überwachungseinrichtungen455wie offene oder heimliche Videoüberwachung, Ausstattung von Dienstwagen oder Diensthandys mit GPS, Durchführung von „Massenscreenings“ und der Auswertung von E-Mail-Servern mittels Suchmaschinen, Überwachung von Telefon- und E-Mail-Verkehr), aber auch durch Whistleblower-Systeme, die der Aufklärung von korruptionsbezogenen Sachverhalten dienen sollen. Ein eigenes Kapitel ist dann der Frage der notwendigen Beteiligung des BR gewidmet. Zu Recht weisen die AutorInnen dabei darauf hin, dass jeweils im Einzelfall zu prüfen ist, ob und welche Mitbestimmungsrechte des BR (bzw Personalrats) zu beachten sind, was von besonderer Bedeutung schon deswegen ist, da mitbestimmungswidrig erlassene Compliance-Anordnungen nach deutschem Recht unwirksam sind und daher vom AN nicht beachtet werden müssen. Gleichzeitig weisen sie aber wiederholt darauf hin, dass dem BR nach der Rsp des deutschen Bundesarbeitsgerichts kein pauschales Beteiligungsrecht bei der Einführung von compliance-bezogenen Regelungen zusteht.

Daran anschließend enthält das Buch sehr ausführliche Anleitungen zur Korruptionsverfolgung. In diesem Zusammenhang werden aus strafrechtlicher Sicht die wichtigsten Straftatbestände erläutert (Amtsträger-Delikte, Bestechung im geschäftlichen Verkehr, Betriebsratskorruption, Betrug, Untreue). Aus arbeitsrechtlicher Sicht geht es vor allem um die verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung (wobei die AutorInnen ua auch auf die wichtige Frage der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast eingehen), um die Frage der Zulässigkeit der Ungleichbehandlung mehrerer beteiligter AN, aber auch um die Frage der Zulässigkeit des Widerrufs zugesagter Versorgungsleistungen bzw der Aufrechnungsmöglichkeit gegen Ansprüche des/der AG. Interessant ist in diesem Zusammenhang ua die im österreichischen Recht nicht vorhandene Möglichkeit einer Verdachtskündigung (als Gegenstück zur Tatkündigung), wenn der/die AG zwar keine absolut sicheren Kenntnisse hat, aber einen starken auf objektiven Tatsachen begründeten Verdacht eines strafbaren bzw vertragswidrigen Verhaltens, das das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört; Voraussetzung dabei ist, dass der/die AN eines Verhaltens verdächtig ist, das – wäre es erwiesen – eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen vermag. Im Zusammenhang mit der zivilrechtlichen Verfolgung geht es nicht nur um die Herausgabe- und Schadenersatzansprüche des/der AG, sondern zB auch um die Sicherung dieser Ansprüche durch dinglichen „Arrest“ (eine Maßnahme zur Sicherung der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung).

Die AutorInnen haben in dieser Arbeit also nicht nur die arbeitsrechtlichen Aspekte der Korruption im Arbeitsverhältnis aufgearbeitet, sondern einen ganzheitlichen Weg gewählt und sich daneben auch mit der strafrechtlichen, zivil- und zivilverfahrensrechtlichen Seite des Themas beschäftigt. Sie haben sich dabei nicht auf die Darstellung der Korruptionsbekämpfung im engeren Sinn begnügt, sondern auch die bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten präventiver Vorgehensweisen aufgezeigt, um erst dann auf die bestehenden Möglichkeiten der Aufklärung im Unternehmen und der Korruptionsverfolgung anlässlich einer festgestellten Korruption einzugehen. Gerade im Hinblick auf die kürzlich (am 25.5.2018) in Kraft getretene Datenschutz-Grundverordnung haben es die AutorInnen auch nicht unterlassen, auf die in diesem Zusammenhang bestehenden datenschutzrechtlichen Aspekte bei der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten einzugehen.

Besonders hervorzuheben ist der Umstand, dass die AutorInnen ihre Ausführungen mit zahlreichen praktischen Beispielen versehen haben und vor allem auch diverse Musterformulierungen, teilweise sogar ganze Muster-Betriebsvereinbarungen und Musterschriftsätze beigefügt haben, welche bei der praktischen Umsetzung sehr hilfreich sein können.

Abschließend ist festzuhalten, dass das Buch einen überaus interessanten Einblick in die deutschen Bestimmungen zur arbeitsrechtlichen Korruptionsbekämpfung bietet. Auch wenn der österreichische Gesetzgeber die Rechtsfragen zum Teil doch etwas anders gelöst hat und selbst die im deutschen Recht verwendeten Begriffe nicht immer den österreichischen entsprechen, ist es mE doch sehr interessant zu lesen, welche Überlegungen die deutschen AutorInnen dazu anstellen und zu welchen Ergebnissen sie kommen, selbst wenn diese nicht eins zu eins auf das österreichische Recht übertragbar sind. Da sich diese Fragen auch im österreichischen Recht stellen und es bisher – soweit mir das bekannt ist – keine entsprechende umfassende Aufarbeitung dieses Themas aus österreichischer Sicht gibt, ist dieses Buch auch den österreichischen LeserInnen zu empfehlen.