147

Auflösungsvereinbarung mit freiwilliger Abfertigung – Fehlvorstellung des Arbeitnehmers über Nettoauswirkungen führt weder zu Dissens noch zu Anfechtbarkeit wegen Irrtums

MANFREDTINHOF

Die Arbeitsvertragsparteien unterfertigten eine zum 31.3.2017 wirksame Auflösungsvereinbarung, die eine „freiwillige Abfertigung“ von € 233.766,– brutto – das sind 81 Bruttomonatsgehälter ausgehend vom zuletzt bezogenen Bruttomonatsgehalt der AN von € 2.886,– – beinhaltete. Zuvor war der AN eine „Abfertigung für einen Zeitraum bis zum Pensionsantritt der AN“ angeboten worden, nachdem sie erklärt hatte, dass dann, „wenn sie dieses Geld gerechnet bis zu ihrem Pensionsantritt (am 1.12.2022) bekommen würde, das für sie ok wäre“. Mit ihrer Klage focht die AN diese Vereinbarung ua deswegen an, weil sie von der AG über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Vereinbarung in die Irre geführt worden sei. Außerdem brachte die AN vor, dass die Vereinbarung mangels Konsenses gar nicht erst zustande gekommen sei.

Der OGH wies die außerordentliche Revision der AN gegen das Urteil des Berufungsgerichtes zurück, mit dem die Klage der AN abgewiesen worden war.

Das Höchstgericht hielt fest, dass die AN mit der Behauptung, sie sei davon ausgegangen, als Abfertigung das Nettogehalt bis zu ihrem Pensionsantritt zu bekommen, angesichts des festgestellten Sachverhalts keinen Dissens zur Darstellung bringe. Dissens liegt nach stRsp nur vor, wenn

  • die Vereinbarung wegen des Offenbleibens von Hauptpunkten des Vertrags unvollständig ist,

  • wegen der (äußerlichen) Unvereinbarkeit von Antrag und Annahme eine Diskrepanz der Erklärungen besteht, oder

  • das Vereinbarte trotz (äußerlicher) Übereinstimmung zwischen Antrag und Annahme mehrdeutig ist und von den Parteien jeweils anders ausgelegt wird.

Kommt jedoch die (angeblich) abweichende Auffassung des Annehmenden nicht zum Ausdruck, so liegt kein Dissensfall vor. Weicht der wahre Wille eines Partners vom objektiven Erklärungswert ab und stimmt der Wille insoweit nicht mit dem Vertragsinhalt überein, ist dieser Vertragsteil vielmehr auf eine Anfechtung des Vertrags gemäß den Regeln der §§ 870 ff ABGB verwiesen. Nach dem festgestellten Sachverhalt kann hier von einer objektiven Mehrdeutigkeit bei gleichzeitiger Nichtübereinstimmung des Gewollten hinsichtlich der von der AG zu zahlenden Abfertigung und somit von Dissens keine Rede sein.

Auch wenn die AN anlässlich der Unterfertigung der Auflösungsvereinbarung der Fehlvorstellung unterlegen sein sollte, die darin genannte Bruttoabfertigung würde ihren Nettoentgeltausfall bis zur (angenommenen) Pensionierung kompensieren, haben die Vorinstanzen in vertretbarer Weise auch die Voraussetzungen einer Irrtumsanfechtung verneint. Eine nach § 871 ABGB zur Beachtlichkeit führende Veranlassung liegt nur vor, wenn das Verhalten der Gegenseite für den Irrtum adäquat ursächlich war. Das trifft bei der Vorformulierung einer in jeder Hinsicht eindeutigen Vertragserklärung nicht zu. Der AN ist daher nicht damit geholfen, dass die Textierung der Vereinbarung von der AG stammte. Woraus sich hier eine Verpflichtung der AG ergeben sollte, die AN weiter über die „Nettoberechnungen und Netto-Auswirkungen“ aufzuklären, zeigt die Revision nicht auf.