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Verlust des Sperrrechts des Betriebsrats wegen verspäteter Zustimmung zur Kündigung

MANFREDTINHOF

Am 27.10.2016 wurde der BR von der beabsichtigten Kündigung einer AN verständigt und beschloss im Gremium, der Kündigung zuzustimmen, gab jedoch der AG gegenüber keine dementsprechende Stellungnahme ab. Am 16.11.2016 wurde der BR darüber informiert, dass die Kündigung nunmehr für den 18.11.2016 geplant sei. Daraufhin übermittelte der Betriebsratsvorsitzende am 17.11.2016 schriftlich die Zustimmung des BR. Am folgenden Tag erfolgte der Kündigungsausspruch. Die AN begehrte klagsweise, die Kündigung wegen Sozialwidrigkeit für rechtsunwirksam zu erklären.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren unter Hinweis auf das Sperrrecht des BR gem § 105 Abs 6 ArbVG, welches die Klagsführung durch einen AN bei Zustimmung des BR zur beabsichtigten Kündigung ausschließt, ab. Es legte die für die Stellungnahme des BR normierte Frist des § 105 Abs 1 ArbVG dahin aus, dass ihm „jedenfalls (zumindest)“ eine Woche zur Stellungnahme zu gewähren sei und lediglich eine vor Ablauf dieser Frist ausgesprochene Kündigung ohne Stellungnahme rechtsunwirksam sei. Soweit der BR nach der Verständigung am 27.10.2010 den Beschluss gefasst habe, der Kündigung zuzustimmen, sei dieser im Innenverhältnis rechtswirksam zustande gekommen. Soweit der Betriebsratsvorsitzende am 16.11.2016 vom konkreten Termin informiert worden sei, sei eine neuerliche Befassung des Gremiums nicht mehr erforderlich gewesen. Die ausdrückliche Zustimmung am 17.11.2016 sei rechtswirksam erfolgt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der AN keine Folge und führte aus, dass die einwöchige Frist zwar eine nicht verlängerbare Höchstfrist sei, aber auch die zweite Mitteilung des AG vom 16.11.2016 als Verständigung iSd § 105 Abs 1 ArbVG zu qualifizieren sei, zu der der BR rechtzeitig seine Zustimmung erteilt habe. Der OGH erachtete die Revision der AN für zulässig und berechtigt, hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur weiteren Verhandlung und E an das Erstgericht zurück.

Der OGH erwog: Unabhängig von der Frage, ob für die Einhaltung der Wochenfrist auch ihr Zugang beim Betriebsinhaber erforderlich ist oder schon die rechtzeitige Absendung genügt, gab der BR in Reaktion auf die am 27.10.2016 erfolgte Mitteilung von der beabsichtigten Kündigung jedoch erst mit Schreiben vom 17.11.2016 eine entsprechende Stellungnahme gegenüber der AG ab. Dies hatte zur Folge, dass der BR für diesen Kündigungsfall keine Anfechtungssperre wegen Sozialwidrigkeit bewirkte.

Die Erwägung, dass eine weitere Verständigung durch den Betriebsinhaber bei ein und demselben Kündigungsfall erneut die einwöchige Frist auslösen könnte, wird vom OGH nicht geteilt. Sie liefe im Ergebnis darauf hinaus, dass der BR infolge der weiteren Verständigung außerhalb der einwöchigen Höchstfrist selbst eine bereits kommunizierte Stellungnahme wieder revidieren könnte und etwa sein Schweigen oder einen Widerspruch durch eine Zustimmung oder umgekehrt ersetzen könnte. Derartiges liefe nicht nur dem Sinn einer Höchstfrist für die Stellungnahme des BR, sondern auch dem Interesse der Belegschaft am Bestand der einmal getroffenen Entscheidung des BR zuwider.

Da im konkreten Fall infolge der am 27.10.2016 erfolgten Verständigung des BR über die beabsichtigte Kündigung der AN innerhalb einer Woche keine Stellungnahme des BR an die AG dahin erfolgte, dass er der Kündigung der AN zustimmt, hat er sich seines Sperrrechts iSd § 105 Abs 6 ArbVG begeben, weshalb das Anfechtungsrecht der AN wegen Sozialwidrigkeit gewahrt blieb.

ANMERKUNG DES BEARBEITERS:
Aus Sicht der AN kam es hier zu einem positiven Zwischenergebnis. Weniger günstig wäre die Situation, wenn ein BR die Absicht gehabt hätte, der Kündigung zu widersprechen und die Stellungnahmefrist versäumt. Der Verlust der Möglichkeit zur Klagsführung durch den BR sowie zur Durchführung eines Sozialvergleichs gem § 105 Abs 3c ArbVG wäre die Folge. Sollte ein BR die Abgabe einer Stellungnahme zu einer beabsichtigten Kündigung erwägen, so ist die Beachtung der Wochenfrist somit unerlässlich.