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Unzulässige Kettendienstverträge eines AMS-Trainers

MARTINACHLESTIL

Schließt die AG mit dem AN, den sie als Trainer in Maßnahmen für das Arbeitsmarktservice (AMS) einsetzt, lauter befristete Arbeitsverträge ab, um ihr wirtschaftliches Risiko dahingehend abzusichern, dass für den Fall, dass der Zuschlag für ein Projekt an ein anderes Unternehmen ging, das Arbeitsverhältnis durch Fristablauf endete, so stellt dies eine unzulässige Überwälzung des Unternehmerrisikos auf den AN dar. Es ist daher von einem durchgehenden unbefristeten Arbeitsverhältnis auszugehen.

SACHVERHALT

Die bekl AG führt arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im Auftrag des AMS durch. Die Maßnahmen werden zeitlich befristet im Wege öffentlicher Ausschreibungen vergeben. Im Rahmen eines Vergabeprozesses können sich die Unternehmen für den entsprechenden Auftrag bewerben. Bis zum jeweiligen Zuschlag war nicht klar, welches Unternehmen den Auftrag erhielt. Die bekl AG sicherte durch befristete Arbeitsverträge mit dem Kl (als Trainer in Maßnahmen für das AMS) ihr wirtschaftliches Risiko dahingehend ab, dass für den Fall, dass der Zuschlag für ein Projekt an ein anderes Unternehmen ging, das Arbeitsverhältnis durch Fristablauf endete, wobei das Ende des Arbeitsverhältnisses mit dem Projektende zusammenfiel. Das erste Angestelltendienstverhältnis des Kl wurde befristet für die Dauer vom 3.8. bis 24.11.2015 abgeschlossen; darauf folgte unmittelbar eine weitere Anstellung bis zum 30.6.2016, die dann aufgrund einer weiteren Einsatzmöglichkeit des Kl in einer AMS-Maßnahme bis 30.12.2016 verlängert wurde. Mit Auslaufen der Befristung endete das Arbeitsverhältnis, nachdem klar war, dass die bekl AG den Zuschlag für eine Maßnahme vom AMS nicht mehr erhalten würde.

Der Kl begehrt nun eine Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 31.12.2016 bis 15.2.2017. Es lägen unrechtmäßige Kettenarbeitsverträge vor, da die Bekl ihr typisches Unternehmerrisiko, nicht mehr vom AMS beauftragt zu werden, auf ihn überwälzt habe. Er habe sich daher in einem durchgehenden unbefristeten Angestelltenverhältnis befunden, welches gem § 20 AngG frühestens zum 15.2.2017 aufkündbar gewesen sei.

Nach Ansicht der Bekl ist die Aneinanderreihung befristeter Arbeitsverträge zulässig, wenn besondere wirtschaftliche und soziale Gründe dafür sprächen. Die Anforderungen an die Rechtfertigung dürften nicht überspannt werden, die vorliegenden Verhältnisse rechtfertigten die Aneinanderreihung der befristeten Arbeitsverträge.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Die Erstinstanz gab dem Klagebegehren statt. Die Bekl habe durch die befristeten Arbeitsverhältnisse mit dem Kl ihr Unternehmerrisiko auf den Kl überwälzt, daher sei von unzulässigen Kettenarbeitsverträgen auszugehen. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im klagsabweisenden Sinne ab. Eine Überwälzung des unternehmerischen Risikos liege im vorliegenden Fall entgegen dem Erstgericht nicht vor; zur Verhinderung der auf externe Gründe zurückzuführenden Uneinsetzbarkeit zahlreicher angestellter Trainer sei es der bekl AG daher zuzubilligen, deren Einsatz im Rahmen einer konkreten arbeitsmarktpolitischen Maßnahme für deren Dauer zu befristen. Der OGH gab der außerordentlichen Revision des Kl Folge und stellte die erstinstanzliche Entscheidung wieder her.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„1. Die Aneinanderreihung befristeter Arbeitsverhältnisse ist mit einer für den Arbeitnehmer nachteiligen Unsicherheit für seine weitere berufliche Zukunft verbunden und birgt in hohem Maß die Gefahr der Umgehung zwingender Rechtsnormen (RIS-Justiz RS0021824 [T7]). […]

Kettenarbeitsverträge sind daher nur dann rechtmäßig, wenn die Aneinanderreihung einzelner auf bestimmte Zeit abgeschlossener Arbeitsverträge im Einzelfall durch besondere soziale oder wirtschaftliche bzw organisatorische oder technische Gründe gerechtfertigt ist (RIS-Justiz RS0028327 [T1]; 9 ObA 118/14i [in Punkt 2.]; Brenn in Reissner, AngG2 § 19 Rz 18 mwN). […]

3. Die Anforderungen an die Rechtfertigung dürfen zwar nicht überspannt werden (RIS-Justiz RS0028327 [T6]) und es können für die sachliche Rechtfertigung einer Verlängerung auch wirtschaftliche Gründe in Frage kommen; diese können sich aber nicht in der bloßen Überwälzung des typischen Unternehmerrisikos erschöpfen (9 ObA 102/12h = RIS-Justiz RS0028327 [T15]; Brenn in Reissner, AngG2 § 19 Rz 18 mwN). […]

4.3. In einem Fall, in dem die Arbeitgeberin die wiederholte Befristung des Arbeitsvertrags damit verteidigte, sie könne die auf Kündigungsentschädigung klagende, als Trainerin im Bereich Bewerbungstraining, Berufsorientierung und Jobcoaching beschäftigte Arbeitnehmerin nur im Rahmen von bei öffentlichen Ausschreibungen erhaltenen Aufträgen beschäftigen, wurde gleichfalls auf das Vorliegen unzulässiger Kettenarbeitsverträge erkannt. Erneut wurde ausgesprochen, dass es nicht zulässig sei, dass sich die von der Arbeitgeberin gewählte Gestaltung des Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmerin ausschließlich am Bedarf der Arbeitgeberin orientiere, zumal damit letztlich das gesamte Beschäftigungsrisiko auf die Arbeitnehmerin überwälzt würde (9 ObA 118/14i).

4.4. Im hier zu entscheidenden Fall liegt – wie schon vom Erstgericht erkannt – die Lage nicht anders. Die Beklagte befristete den Arbeitsvertrag des Klägers wiederholt so, dass das Arbeitsverhältnis immer zu jenem Zeitpunkt endete, zu welchem ein der Beklagten vom AMS erteilter Auftrag, für welchen der Kläger einsetzbar war, auslief. Es ist aber allein der unternehmerischen Sphäre der Beklagten als Arbeitgeberin zuzurechnen und damit ihr Risiko, ob es ihr gelingt, genügend Aufträge zu akquirieren, um ihre bereits vorhandenen Arbeitnehmer – hierunter der Kläger – beschäftigen zu können. Dieses Risiko darf nicht durch eine wiederholte Befristung des Arbeitsvertrags auf Arbeitnehmer überwälzt werden. Entgegen der Ansicht der Beklagten in der Revisionsbeantwortung ist der Erhalt von Aufträgen des AMS kein externer, von ihr völlig unbeeinflussbarer Faktor, vergleich-283bar jenem der ‚toten Saison‘ in diversen Branchen (vgl 9 ObA 167/02w; RIS-Justiz RS0021795; Reissner in ZellKomm2 § 19 AngG Rz 31 mwN). Im Unterschied zur ‚toten Saison‘ kann die Beklagte hier nämlich die Erteilung von Aufträgen an sie durch ihre Anbote an das AMS (oder auch an andere Organisationen und öffentliche Stellen, die Drittfirmen mit Ausbildungsmaßnahmen betrauen) selbst beeinflussen. Gelingt der Beklagten als Arbeitgeberin keine hinreichende Auftragsbeschaffung, stellt ihr die Rechtsordnung das Rechtsinstitut der Kündigung zur Verfügung. Eine – hier vorliegende – Umgehung dessen ist unzulässig.“

ERLÄUTERUNG

Das Wesen befristeter Arbeitsverhältnisse ist, dass sie mit Fristablauf automatisch enden und eine Kündigung nicht ausgesprochen werden muss. Allfällige Regelungen über einen Kündigungsschutz finden auf AN daher keine Anwendung; Nachteile können zudem eintreten, wenn es um die Berechnung von Ansprüchen geht, die von der Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängig sind; für den AN besteht außerdem Unsicherheit über seine weitere berufliche Zukunft (siehe obige Ausführungen des OGH). Befristete Arbeitsverhältnisse dürfen daher nur beschränkt mehrfach hintereinander abgeschlossen werden.

Nach § 879 ABGB ist die mehrmalige Aneinanderreihung befristeter Arbeitsverhältnisse ohne ausreichende sachliche Rechtfertigung unzulässig und führt daher zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Damit soll ausreichender Schutz vor Missbrauch und Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften sichergestellt sein (vgl dazu auch die RL 1999/70/EG des Rates vom 28.6.1999 und die damit verbindlich erklärte EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge). Zu beachten ist allerdings, dass in bestimmten Materiengesetzen Sonderregelungen existieren, wie etwa im Universitätsgesetz 2002, ORF-Gesetz ua, wonach wiederholte Befristungen für zulässig erklärt werden.

Liegt keine Sonderregelung vor, dann gilt, dass die erste Befristung eines Arbeitsverhältnisses idR noch nicht begründet werden muss. Bei der ersten Verlängerung der Befristung aber hat der AG die sachliche Rechtfertigung bereits dazutun (Reissner in ZellKomm3 § 19 AngG Rz 27 ff mwN). Als Rechtfertigungsgründe kommen einerseits soziale Gründe bzw besondere Gründe auf Seiten des AN in Betracht, wie etwa Vereinbarung der Befristung für die Dauer der Vertretung eines abwesenden Mitarbeiters, für die Zeit der Saison, zu Ausbildungszwecken oder wenn die Befristung im überwiegenden Interesse des AN liegt, beispielsweise zur weiteren notwendigen Erprobung ua. Andererseits können auch wirtschaftliche Gründe vom AG angeführt werden. Allerdings kann nicht jede betriebswirtschaftliche Überlegung ein Rechtfertigungsgrund sein und je öfter bereits befristet wurde, desto strenger sind die inhaltlichen Anforderungen an die Rechtfertigungsgründe (Reissner, aaO). Es liegt keine sachliche Rechtfertigung vor, wenn typisches Unternehmerrisiko auf den AN durch eine wiederholte Befristung des Arbeitsvertrags überwälzt wird. So können laut bereits vorliegender Judikatur des OGH Kettenarbeitsverträge nicht damit gerechtfertigt werden, wenn Nachhilfelehrer in einem „Institut für Lernhilfekurse“ Kurse abhielten und hierfür jeweils für die Dauer eines Kurses befristete Arbeitsverträge abschlossen oder wenn etwa eine Trainerin im Bereich Bewerbungstraining und Berufsorientierung sowie Jobcoaching nur im Rahmen von bei öffentlichen Ausschreibungen erhaltenen Aufträgen beschäftigt wird. In diese Beispiele kann auch der gegenständliche Fall eingereiht werden: Das befristete Arbeitsverhältnis des AN endete immer zu jenem Zeitpunkt, zu welchem der der AG vom AMS erteilte Auftrag, für den sie den AN einsetzte, endete. Wie der OGH aber deutlich ausführt, ist es allein der unternehmerischen Sphäre der AG zuzurechnen und damit ihr Risiko, ob es ihr gelingt, genügend Aufträge zu akquirieren, um die vorhandenen AN beschäftigen zu können; dieses Risiko darf nicht durch eine wiederholte Befristung des Arbeitsvertrags auf AN überwälzt werden.

Teilt nun bei einem unzulässigen Kettenarbeitsvertrag der AG dem AN mit, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Erreichen der – vermeintlich wirksamen – Befristung auslaufe, dann hat der AN aufgrund der ungerechtfertigten Auflösungserklärung Anspruch auf Kündigungsentschädigung. Das ist der Entgeltanspruch, der für jenen Zeitraum gebührt, der bei ordnungsgemäßer Kündigung durch den AG bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses hätte verstreichen müssen.