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Anforderungen an die Bescheidqualität; Ratenansuchen auch noch nach Rechtskraft des Rückforderungsbescheids zulässig

REGINAZECHNER

Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice (AMS) vom 29.12.2011 wurde die Leistung aus der AlV im Zeitraum Februar bis November 2011 widerrufen und die Leistungsbezieherin zur Rückzahlung der zu Unrecht bezogenen Leistung verpflichtet. Diese stellte daraufhin am 13.3.2014 ein Ratenansuchen, welches mit Schreiben vom 17.3.2014 abgelehnt wurde. Das formlose und nicht als Bescheid bezeichnete Schreiben des AMS Oberösterreich enthielt weder eine Unterschrift noch einen sonstigen Nachweis der Identität des/der Genehmigenden bzw der Authentizität der Erledigung.

Die Leistungsbezieherin beurteilte das Schreiben als Bescheid und brachte dagegen eine Beschwerde ein. Diese wurde mit Beschwerdevorentscheidung des AMS Linz vom 23.4.2014 mangels Vorliegens eines Bescheids zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin beantragte die Vorlage an das BVwG.

Mit Bescheid vom 24.4.2014 wies das AMS Linz den Antrag auf Ratenzahlung vom 13.3.2014 ab und begründete dies damit, dass Ratenzahlungen nur gewährt werden können, wenn diese die Einbringlichkeit der Forderung nicht gefährden. In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte die Beschwerdeführerin vor, dass eine entschiedene Sache vorliege und eine neuerliche Entscheidung daher unzulässig sei.

Das BVwG gab der Beschwerde gegen die Beschwerdevorentscheidung vom 23.4.2014 statt und hob diese mit der Begründung auf, dass die Erledigung vom 17.3.2014 ein Bescheid sei, da diese ihrem Inhalt nach in eindeutiger Weise eine rechtsverbindliche Entscheidung oder Verfügung darstelle, durch die Rechtsverhältnisse begründet oder festgestellt würden (VwGH-Erk zu Ra 2015/08/0047). Der Bescheid vom 17.3.2014 wurde mit Beschluss des BVwG behoben und die Sache an das AMS zurückverwiesen, da die Behörde wesentliche Ermittlungsschritte unterlassen und nur unzureichende Feststellungen getroffen habe. Außerdem wies das BVwG darauf hin, dass die Gewährung von Ratenzahlungen voraussetze, dass aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse die Forderung nicht auf einmal beglichen werden kann. Die Ratenzahlung sei daher jedenfalls zu bewilligen gewesen (VwGH-Erk zu Ra 2015/08/0048).

Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 24.4.2014 wurde stattgegeben und der Bescheid aufgehoben, da aus Sicht des Senats res iudicata vorlag (VwGH-Erk zu Ra 2015/08/0033).

Die Revision wurde jeweils für unzulässig erklärt.

Das AMS erhob gegen alle drei Entscheidungen Revision und führte dazu ua aus, dass Ratenzahlungen305gem § 25 Abs 4 AlVG nur anlässlich der Vorschreibung von Rückforderungen und somit im Rückforderungsbescheid selbst gewährt werden könnten.

Der VwGH hat die Revisionen auf Grund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden. Die vom AMS erhobenen Revisionen sind zulässig und berechtigt. Die Erledigung vom 17.3.2014 erfüllt nach Ansicht des VwGH weder hinsichtlich der Form noch des Inhalts die in stRsp festgelegten Anforderungen an das Vorliegen eines Bescheids. Voraussetzung für die Qualifikation eines Verwaltungsakts als Bescheid ist, dass es im Willen des Organs liegt, den Akt in Ausübung der hoheitlichen Gewalt zu setzen, und das Organ diesen Willen entsprechend zum Ausdruck bringt. Jeder Bescheid ist gem § 58 Abs 1 AVG ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten. Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid kann nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch normativ rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend entschieden hat.

Da es der Erledigung an der für einen Bescheid vorgesehenen Form fehlt, ist entscheidend, ob aus dem Schreiben ersichtlich ist, dass die Behörde den objektiv erkennbaren Willen hatte, mit der Erledigung gegenüber einer individuellen Person die normative Regelung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen (VwGH 19.12.2001, 2001/12/0053). Bei Zweifeln kann dabei beispielsweise auch der Gebrauch von Höflichkeitsfloskeln von Bedeutung sein (VwGH 22.2.2007, 2006/09/0216). Der Rsp des VwGH entsprechend ist die Erledigung vom 17.3.2014 kein Bescheid, da diese nicht als solcher bezeichnet ist und weder einen erkennbaren Spruch noch eine Rechtsmittelbelehrung enthält. Außerdem wurde diese nicht von der zuständigen, regionalen Geschäftsstelle erlassen. Auch die Wortwahl des dritten und vierten Satzes („ersuchen wir Sie, [...] einzuzahlen“; „wenden Sie sich bitte“) sowie die sonstigen Höflichkeitsfloskeln in der Anrede („Sehr geehrte Frau [...]“) und in der Grußformel („Mit freundlichen Grüßen“) sprechen gegen einen normativen Charakter. Das BVwG hätte daher die Beschwerde zurückweisen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigen müssen.

Folglich hat das AMS mit Bescheid vom 24.4.2014 erstmalig über das Ratenansuchen abgesprochen. Das BVwG hätte die dagegen erhobene Beschwerde richtigerweise in der Sache selbst behandeln müssen, anstatt den Bescheid wegen entschiedener Sache zu beheben. Dass das Ratenansuchen erst gestellt wurde, nachdem der Rückforderungsbescheid rechtskräftig wurde, steht dem nach Ansicht des VwGH nicht entgegen, da § 25 Abs 4 zweiter Satz AlVG, wonach Ratenzahlungen „anlässlich“ der Vorschreibung von Rückforderungen gewährt werden können, entgegen der Ansicht des AMS nicht dahingehend auszulegen ist, dass die Möglichkeit zur Ratenzahlung nur im Rückforderungsbescheid selbst eingeräumt und nicht auch später beantragt und bewilligt werden könnte. Die Formulierung drückt in erster Linie einen Kausalzusammenhang aus, wonach die Vorschreibung die Gelegenheit bzw Ursache darstellt, auf Grund derer eine Ratenzahlung erst bewilligt werden kann. Hingegen ist der aufgezeigten Wendung eine zeitliche Determinierung, bis wann eine Ratenzahlung beantragt und bewilligt werden kann – vor allem, ob die Bewilligung zeitgleich mit der Vorschreibung von Nachforderungen erfolgen muss oder ein Antrag und eine Bewilligung auch nachträglich erfolgen kann – nicht zu entnehmen. Auch aus Rechtsschutzerwägungen ist die Bestimmung dahingehend auszulegen, dass einem Schuldner, in dessen wirtschaftlichen Verhältnissen erst nach bereits erfolgter Vorschreibung einer Rückforderung eine erhebliche Veränderung eingetreten ist, ein Anspruch auf Ratenzahlung zustehen soll.

Das BVwG wird – nach Aufhebung des zu Ra 2015/08/0033 angefochtenen Erk durch den VwGH – in diesem Sinne im fortgesetzten Verfahren über die Beschwerde in der Sache selbst zu entscheiden haben.