176Zeitlich begrenzter Anspruch auf Rehabilitationsgeld bei Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit vor Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz
Zeitlich begrenzter Anspruch auf Rehabilitationsgeld bei Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit vor Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz
Der Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der KV besteht nur für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu Recht.
Mit Bescheid vom 25.2.2016 lehnte die Bekl den Antrag des 1970 geborenen Kl auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension ab und sprach aus, dass vorübergehende Berufsunfähigkeit im Ausmaß von mindestens sechs Monaten nicht vorliege, ein Anspruch auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation nicht bestehe und Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nicht zweckmäßig seien. Gegen diesen Bescheid erhob der Kl Klage beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Gewährung der Berufsunfähigkeit ab, stellte fest, dass vorübergehende Berufsunfähigkeit ab 6.8.2015 bis 31.3.2017 vorgelegen sei, Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nicht zweckmäßig gewesen seien und der Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der KV im Zeitraum vom 6.8.2015 bis 31.3.2017 zu Recht bestehe. Das darüberhinausgehende Mehrbegehren wurde abgewiesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl nicht Folge und ließ die Revision nicht zu. Rechtlich ging es davon aus, das Rehabilitationsgeld stelle zwar eine unbefristete Leistung dar. Dies bedeute aber nicht, dass diese Leistung bei Wegfall der Voraussetzungen vor Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz unbefristet zustehe. […] Dies entspreche der Rsp zu § 256 ASVG aF, nach der eine Befristung der Invaliditätspension für die Vergangenheit zulässig und geboten gewesen sei, wenn die Anspruchsvoraussetzungen bereits in der Vergangenheit weggefallen gewesen seien.
Der OGH wies die außerordentliche Revision des Kl mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurück.
„1.1 Für diejenigen Versicherten, die – wie der Kl – am 1.1.2014 das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, wurde mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2012 (SRÄG 2012, BGBl I 2013/3) die befristete Invaliditätspension (Berufsunfähigkeitspension) abgeschafft, aber ein Rechtsanspruch auf medizinische Rehabilitation bei vorübergehender Invalidität/Berufsunfähigkeit sowie die neuen Leistungen des Rehabilitations- und des Umschulungsgeldes eingeführt (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 2, 24). […]
2.1 Mit der Schaffung des Rehabilitationsgeldes wurde vom Konzept der grundsätzlichen Befristung von Leistungen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit wieder abgegangen, indem das Rehabilitationsgeld als de facto unbefristete Dauerleistung ausgestaltet wurde (ErläutRV 321 BlgNR 25. GP 4).
2.2 Aus dem Charakter als Dauerleistung folgt, dass das Rehabilitationsgeld bei Wegfall der Leistungsvoraussetzungen durch Bescheid des Pensionsversicherungsträgers zu entziehen ist (§ 99310Abs 1 und 1a ASVG, § 143a Abs 1 ASVG), wenn eine ursprünglich vorhandene Leistungsvoraussetzung weggefallen ist. Das Rehabilitationsgeld kann daher nur entzogen werden, wenn eine wesentliche, entscheidende Änderung der Verhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt der ursprünglichen Zuerkennung eingetreten ist (RIS-Justiz RS0106704).
3.1 Mit dem Revisionsvorbringen, aus der in § 99 ASVG angeordneten Entziehung mittels Bescheid des Pensionsversicherungsträgers folge, dass das Gericht dem Kl das Rehabilitationsgeld nicht nur für die Dauer der vorübergehenden geminderten Arbeitsfähigkeit, sondern ungeachtet der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit auch über den 31.3.2017 hinaus (unbefristet) zuzusprechen gehabt hätte, wird keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt:
3.2 Liegt – wie hier – dauernde Berufsunfähigkeit nicht vor, hat das Gericht gemäß § 367 Abs 4 Z 4 ASVG von Amts wegen festzustellen, ob Anspruch auf Rehabilitationsgeld besteht.
3.3 Entsprechend dem Grundsatz der sukzessiven Kompetenz hat das Gericht […] vollkommen neu zu entscheiden, wobei sich das Verfahren auf den gesamten Zeitraum bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz zu erstrecken hat und bis zu diesem Zeitpunkt eingetretene Sachverhalts- und Rechtsänderungen zu berücksichtigen sind (RIS-Justiz RS0053868, RS0106394). […] Entscheidend ist der Gesundheitszustand des Versicherten im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung in erster Instanz (vgl RIS-Justiz RS0085994).
4.1 Im vorliegenden Fall trat durch die Einbringung der Klage der Bescheid der beklagten Partei vom 25.2.2016 außer Kraft; es war vom Gericht […] die Entscheidung aufgrund der Sachlage zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz (2.5.2017) zu treffen. Dieses Verfahren hat erbracht, dass der Kl ab Antragstellung aufgrund seiner leidensbedingten Einschränkungen nicht in der Lage war, einer geregelten Arbeit nachzugehen, aber noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz eine wesentliche Verbesserung seines Gesundheitszustands dahingehend eintrat, dass er ab 18.3.2017 ihm zumutbare Berufstätigkeiten wieder ausüben konnte.
4.2 In der ebenfalls einen Wegfall der Arbeitsunfähigkeit vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz betreffenden Entscheidung 10 ObS 160/16a, DRdA 2018/6, 48 (Schrattbauer) wurde bereits ausgesprochen, dass der Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung nur für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu Recht besteht und das Klagebegehren auf Feststellung des Anspruchs auf Rehabilitationsgeld über diesen Zeitraum hinaus abzuweisen ist.
5. Mit dieser Entscheidung steht die Rechtsansicht der Vorinstanzen in Einklang. Der vom Revisionswerber vertretene Standpunkt, das Rehabilitationsgeld sei dennoch unbefristet zu gewähren, steht in Widerspruch zu § 143a Abs 1 ASVG, nach dem das Rehabilitationsgeld nur für die Dauer des Vorliegens der vorübergehenden Invalidität/Berufsunfähigkeit zusteht (siehe oben Pkt 1.1). Wäre das Rehabilitationsgeld auch für einen Zeitraum zuzusprechen, in dem die Voraussetzung der vorübergehend geminderten Berufsunfähigkeit nachweislich nicht mehr vorlag, entstünde zudem die Gefahr, dass das Rehabilitationsgeld mangels einer entscheidenden Änderung der Verhältnisse zur nicht mehr entziehbaren „Dauerleistung“ wird (10 ObS 50/15y, SSV-NF 29/48; 10 ObS 131/16m).
6. Die Ansicht der Vorinstanzen, aufgrund der vor dem Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz erfolgten Wiederherstellung der (zuvor vorübergehend geminderten) Arbeitsfähigkeit sei die Zuerkennung des Rehabilitationsgeldes mit Ablauf des Monats März 2017 zu begrenzen, ist daher nicht korrekturbedürftig. Insbesondere liegt auch kein Fall einer bescheidmäßig unwiderruflich anerkannten Leistungsverpflichtung des Versicherungsträgers (§ 71 Abs 2 ASGG) vor, zumal im angefochtenen Bescheid keine Leistung zugesprochen worden war.
Mit der vorliegenden E lässt der OGH eine befristete Zuerkennung von Rehabilitationsgeld zu, wenn vor dem Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz eine zuvor vorübergehend geminderte Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt ist.
§ 256 ASVG normiert, dass die Invaliditätspension, wenn nicht dauernde Invalidität anzunehmen ist, längstens für die Dauer von 24 Monaten zu gewähren ist. Mit dem SRÄG 2012 wurde für ab 1955 Geborene die befristeten Pensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit abgeschafft. Als Ersatz für die befristeten Pensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit wird nunmehr Rehabilitationsgeld gewährt. Eine mit § 256 Abs 1 ASVG vergleichbare Verpflichtung zur Befristung von Rehabilitationsgeld wurde vom Gesetzgeber jedoch nicht geschaffen.
Nach § 143a Abs 1 erster Satz ASVG besteht ab Vorliegen der vorübergehenden Invalidität (Berufsunfähigkeit) für deren Dauer Anspruch auf Rehabilitationsgeld. Eine gesetzliche Regelung, nach der das Rehabilitationsgeld in jedem Fall unbefristet zuzuerkennen ist, findet sich nicht.
Wenn, wie im vorliegenden Fall, vor dem Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz eine vorübergehende geminderte Arbeitsfähigkeit mit Ablauf des 31.3.2017 wiederhergestellt ist, steht das Ende der Dauer der vorübergehenden geminderten Arbeitsunfähigkeit fest. Eine Verpflichtung zur Zuerkennung von Re-311habilitationsgeld über die Dauer der geminderten Arbeitsfähigkeit hinaus, also für einen Zeitraum, an dem die geminderte Arbeitsfähigkeit nicht mehr vorliegt, würde zu sachlich nicht vertretbaren Leistungsgewährungen führen.
Zutreffend hat der OGH darauf hingewiesen, dass bei Zuerkennung von Rehabilitationsgeld über die Dauer der geminderten Arbeitsfähigkeit hinaus, die Gefahr entstünde, dass das Rehabilitationsgeld mangels einer entscheidenden Änderung der Verhältnisse zur nicht mehr entziehbaren Dauerleistung wird.
Darüber hinaus wäre es ein verfahrensökonomischer Unsinn, wenn der Pensionsversicherungsträger eine Leistung, deren Anspruchsvoraussetzungen zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz nachweislich nicht mehr vorliegen, in einem gesonderten Verfahren entziehen müsste und dabei, wie der OGH zutreffend angeführt hat, der Gefahr unterliegt, dass das Rehabilitationsgeld mangels einer entscheidenden Änderung der Verhältnisse zur nicht mehr entziehbaren Dauerleistung wird.