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Kein Unfallversicherungsschutz bei Sturz über Treppe zur Eingangstür aus ungeklärter Ursache

CHRISTAMARISCHKA

Der Kl war als Monteur beschäftigt, Dienstbeginn an diesem Tag war um 6 Uhr. Den Weg zur Arbeit kann er in etwa zehn Minuten mit dem PKW zurücklegen. Er lebte in einem Einfamilienhaus, dessen Eingangstür über sechs Stufen erreichbar war.

Der Kl wurde um 6:44 Uhr von einem zufällig vorbeikommenden Radfahrer bewusstlos am Fuß der Stufen aufgefunden, bekleidet mit einem T-Shirt, Jeans (nur bis zur Hälfte der Oberschenkel angezogen) und Socken. Die Haustür war weit geöffnet und die Schuhe des Kl standen im Hausinneren ca 1,5 Meter von der Tür entfernt. Er hat durch den Sturz ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten und keinerlei Erinnerung an das Geschehen.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass er zum Unfallzeitpunkt die Absicht gehabt hätte, zur Arbeitsstätte zu fahren. Den Vorabend hat er mit Freunden in einem Lokal verbracht.

Die Vorinstanzen verneinten das Vorliegen eines Wegunfalls; aufgrund der Feststellungen bestehe die Möglichkeit, dass sich der Kl noch nicht auf dem Weg zur Arbeit befunden habe.

Der OGH weist die außerordentliche Revision des Kl zurück und führt dazu aus, dass es bei der Feststellung einer sachlichen Verknüpfung zwischen einem zum Unfall führenden Verhalten und der versicherten Tätigkeit um die Ermittlung der Grenzen geht, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen UV reicht. Es sind sämtliche Gesichtspunkte und Überlegungen miteinzubeziehen und diese sowohl einzeln als auch in ihrer Gesamtheit zu bewerten. Erst daraus erfolgt entweder das Vorhandensein eines versicherten Verhaltens oder das Vorliegen privatwirtschaftlicher Verrichtungen.

Der Unfallversicherungsschutz gem § 175 Abs 2 Z 1 ASVG setzt voraus, dass das unfallbringende Verhalten dem Weg zur Arbeitsstätte sachlich zugerechnet werden kann. Vorbereitungshandlungen (wie etwa das Auftanken eines Fahrzeugs) stehen im Allgemeinen der Betriebstätigkeit zu fern, als dass sie schon dem persönlichen Lebensbereich entzogen und der unter Versicherungsschutz stehenden betrieblichen Sphäre zuzurechnen wären. Dies gilt auch für vorbereitende Verrichtungen, durch die das Zurücklegen eines Arbeitswegs und damit die Wahrnehmung der aus dem Beschäftigungsverhältnis folgenden313Pflichten ermöglicht wird. Entscheidend ist in allen solchen Fällen, ob die Gesamtumstände dafür oder dagegen sprechen, das unfallbringende Verhalten dem geschützten Bereich oder der Privatsphäre des Versicherten zuzurechnen. Damit ein vom Unfallversicherungsschutz umfasster Wegunfall vorliegt, ist demnach nicht allein ausreichend, dass sich der Versicherte in geografischer Hinsicht auf dem geschützten Weg befunden hat, sondern auch, dass der Versicherte bereits die Absicht hatte, seinen Arbeitsort aufzusuchen, um dort der versicherten Tätigkeit nachzugehen.

Aufgrund der getroffenen Feststellungen bestand im vorliegenden Fall jedoch auch die Möglichkeit, dass der Kl zum Unfallzeitpunkt noch private Tätigkeiten verrichtete. Obwohl im Verfahren über Ansprüche aus Arbeitsunfällen die Regeln des Anscheinsbeweises modifiziert anzuwenden sind, ist der Anscheinsbeweis dort ausgeschlossen, wo der Kausalablauf von einem individuellen Willensentschluss eines Menschen bestimmt werden kann. Dies trifft hier zu, weil es allein vom Willen des Kl abhing, aus welchem Grund er den zum Unfall führenden Weg zurückgelegt hat, zumal nach den Feststellungen konkret auch die Möglichkeit bestand, dass er noch private Tätigkeiten verrichtete. Der bloße Verdacht eines bestimmten Ablaufes erlaubt die Anwendung des Anscheinsbeweises nicht. Unaufgeklärte Umstände gehen zu Lasten des Geschädigten. Einen Grundsatz, dass im Zweifel zu Gunsten des Versicherten zu entscheiden ist, gibt es nicht.