155Unberechtigter Austritt wegen offener Überstunden mangels Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung
Unberechtigter Austritt wegen offener Überstunden mangels Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung
Eine AN hatte unter Berufung auf § 26 Z 2 AngG (ungebührliches Vorenthalten des Entgelts) aufgrund nicht bezahlter Überstunden ihren vorzeitigen Austritt erklärt. Es waren keine Arbeitszeitaufzeichnungen geführt worden. Der Grund dafür lag darin, dass die Geschäftsführerin des bekl Unternehmens die kl AN, die bereits 28 Jahre im Betrieb arbeitete, als „gleichsam zur Familie gehörend“ be-289trachtete, weshalb ein großes Vertrauen bestand, sodass nicht genau darauf geachtet wurde, wann die AN kam und ging. Zudem hatte diese bislang die Gehaltsabrechnungen unbeanstandet unterfertigt. Erstmals mit dem (unter der Bedingung der Nichtbegleichung der Forderung binnen zehn Tagen erklärten) Austritt konfrontierte die AN die Bekl damit, sie hätte während der letzten drei Jahre Überstunden geleistet. Im erstinstanzlichen Verfahren stellte sich heraus, dass von den im Austrittsschreiben behaupteten 1.962,50 Überstunden letztlich nur 28 zu entlohnen waren.
Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass der vorzeitige Austritt nicht berechtigt sei, da kein ungebührliches Vorenthalten von Entgelt vorliege, hält sich nach Auffassung des OGH im Rahmen seiner Rsp. Daher wurde die außerordentliche Revision der AN zurückgewiesen.
Von einem „ungebührlichen Vorenthalten“ des Entgelts iSd § 26 Z 2 AngG spricht man regelmäßig dann, wenn der Anspruch weder bestritten noch bezweifelt, das Entgelt jedoch bei Eintritt des Fälligkeitstermins nicht oder nicht zur Gänze geleistet wird. Durch eine bloß objektive Rechtswidrigkeit, insb also, wenn über das Bestehen des Anspruchs verschiedene Rechtsmeinungen vertreten werden können und daher der Ausgang eines diesbezüglichen Rechtsstreits nicht abzusehen ist, wird der Tatbestand des § 26 Z 2 AngG (oder § 82a Abs 1 lit d GewO 1859) nicht erfüllt. Entscheidend ist, ob der AG wusste oder infolge der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht hätte wissen müssen, dass seine Vorgangsweise unrechtmäßig ist.
Nur eine wesentliche Vertragsverletzung berechtigt zum vorzeitigen Austritt. Wesentlich ist eine Vertragsverletzung nur, wenn dem AN die weitere Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses nicht einmal mehr für die Kündigungsfrist objektiv zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung bildet auch im Bereich des vorzeitigen Austritts eine unabdingbare Voraussetzung des Beendigungsrechts. Im vorliegenden Fall hielt es der OGH – unter Beachtung der geringen Höhe der letztlich als berechtigt erachteten Überstundenforderung – jedenfalls für vertretbar, wenn die Vorinstanzen die Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses verneinten.