7Überstundenpauschale und Nachtbereitschaftsstunden bei ÄrztInnen
Überstundenpauschale und Nachtbereitschaftsstunden bei ÄrztInnen
Dem DN steht eine Überstundenpauschale auch dann zu, wenn die Zahl der tatsächlich geleisteten Überstunden in einzelnen Verrechnungsperioden geringer ist oder er in einzelnen Verrechnungsperioden gar keine Überstundenleistung erbringt.
Die Dienstordnung B für die Ärzte bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.B) ist ein KollV.
Nach § 50 Abs 1 DO.B gebührt den in Krankenanstalten beschäftigten Ärzten für eine außerhalb der Normalarbeitszeit gelegene Arbeitszeit bei nicht durchgehender Inanspruchnahme als Überstundenentschädigung eine besondere Abgeltung (bloße Arbeitsbereitschaft). Die verbindlichen Erläuterungen zur DO.B (einvernehmliche Auslegungen durch die Kollektivvertragspartner) sprechen in diesem Zusammenhang ebenso wie die Betriebsvereinbarungsparteien von einer „gesonderten“ Abgeltung. Die Vorgangsweise, die geleisteten, aber entgegen § 50 Abs 1 DO.B nicht gesondert entlohnten Arbeitsbereitschaftsstunden teilweise zur Auffüllung der nicht vollständig abgerufenen Arbeitsverpflichtung zu verwenden, ist daher schon im Ansatz verfehlt.
Die Kl ist seit 1.11.1993 bei der Bekl als Ärztin beschäftigt und seit 3.6.2004 der R* Gesellschaft mbH überlassen. Auf das Dienstverhältnis ist die DO.B anzuwenden.
Die – unstrittig – für das Dienstverhältnis der Kl geltende BV vom 7.4.1999 (Blg ./F; ./1 Pkt II) enthält ua nachstehende Bestimmungen:
„III. Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Vereinbarung ist
(1) Arbeitszeit: die Zeit vom Dienstantritt bis zum Dienstende ohne die Ruhepausen;
(2) Grundarbeitszeit: Montag 07:00 Uhr bis 15:00 Uhr
Dienstag 07:00 Uhr bis 15:00 Uhr
Mittwoch 07:00 Uhr bis 16:00 Uhr
Donnerstag 07:00 Uhr bis 15:00 Uhr
Freitag 07:00 Uhr bis 13:00 Uhr
(3) Tagesarbeitszeit: die Arbeitszeit innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraumes von 24 Stunden.
(4) Wochenarbeitszeit: die Arbeitszeit innerhalb eines Zeitraumes von Montag bis einschließlich Sonntag.
IV. Diensteinteilung
Die Einteilung der Dienste des ärztlichen Personals, jede Änderung der getroffenen Diensteinteilung sowie jeder Diensttausch hat in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des KA-AZG, des ARG, der DO.B und den im Rahmen dieser Betriebsvereinbarung getroffenen Regelungen unter der Verantwortung des ärztlichen Leiters zu erfolgen.
V. Verlängerte Dienste
(1) Zur Sicherstellung einer kontinuierlichen ärztlichen Betreuung werden gemäß § 4 Abs 1 KA-AZG und § 9b DO.B verlängerte Dienste zugelassen.
(2) Die durchgehende Arbeitszeit eines verlängerten Dienstes wird mit höchstens 32 Stunden festgelegt. 7:00-0:00/0:00-15:00.
(3) Verlängerte Dienste, die an einem Samstag Vormittag beginnen, dürfen höchstens 49 Stunden dauern. Sa 12:00-Mo 13:00.65
VI. Wöchentliche Arbeitszeit
Es wird vereinbart, dass innerhalb des Durchrechnungszeitraumes, der mit 8 Wochen festgelegt wird, die Wochenarbeitszeit 60 Stunden betragen darf; in einzelnen Wochen des Durchrechnungszeitraumes darf eine Wochenarbeitszeit von 72 Stunden nicht überschritten werden.
VIII. Arbeitsbereitschaft
Zeiten im Rahmen einer Diensteinteilung von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr gelten als Zeiten der Arbeitsbereitschaft. Diese Zeiten werden mit der gesonderten Abgeltung gemäß § 50 Abs 1 DO.B entlohnt. (Anmerkung des Senats: Unstrittig war dieser Zeitraum zuletzt auf 23:00 Uhr bis 6:00 Uhr verkürzt worden)
IX. Überstunden
Überstundenarbeit liegt dann vor, wenn unter Beachtung der Bestimmung des § 9a DO.B und unter Berücksichtigung einer allfälligen Pauschalabgeltung regelmäßiger Mehrarbeit gemäß § 9d Abs 2 DO.B die in der bestehenden Diensteinteilung festgelegten Arbeitszeiten überschritten werden.
XI. Diensteinteilung
Die Diensteinteilung wird in Form von Dienstplänen, die für einen Kalendermonat ausgelegt werden, festgehalten. Die Dienstpläne werden der Direktion vorgelegt. Für die Erstellung der Dienstpläne ist der ärztliche Leiter verantwortlich.“
Die Arbeitsverpflichtung der Kl beträgt 46 Wochenstunden. Mit dem Grundgehalt der Kl wird eine Arbeitszeit von 40 Wochenstunden abgegolten. Zur Abgeltung der festgesetzten regelmäßigen Mehrarbeitszeit von sechs Stunden durchschnittlich pro Woche gewährt die Bekl der Kl anstelle einer Überstundenentschädigung eine Pauschalabgeltung gem § 45 DO.B. Bei dieser Pauschalabgeltung ist ein Überstundenzuschlag von rund 50 % berücksichtigt. Für eine pauschal abgegoltene Überstunde erhält die Kl rund 65 € brutto.
Die Normalarbeitszeit der Kl betrug von September 2015 bis Februar 2016 insgesamt 1176 Stunden. Tatsächlich verrichtete die Kl in diesem Zeitraum 1062,5 Arbeitsstunden am Tag und 140 Arbeitsbereitschaftsstunden in der Nacht. Als Vergütung für die geleisteten Arbeitsbereitschaftsstunden erhielt die Kl für 4,5 Stunden im September 2015 111,29 € brutto, für 12,1 Stunden im Jänner 2016 300,46 € brutto und für zehn Stunden im Februar 2016 250,40 € brutto. Die weiteren von der Kl im Zeitraum September 2015 bis Februar 2016 geleisteten 113,5 (richtig wohl 113,4, aber nicht bekämpft) Arbeitsbereitschaftsstunden wurden von der Bekl nicht mit der Arbeitsbereitschaftsvergütung nach § 50 Abs 1 DO.B entlohnt.
Die Kl leistete alle Dienste, die für sie im Dienstplan vorgesehen waren. Seit 1.4.2015, nach dem Auslaufen des befristeten „Opt-Out“, durfte die Kl nicht mehr durchschnittlich 60 Stunden, sondern nur mehr durchschnittlich 48 Stunden pro Woche beschäftigt werden. In der Folge kam weder eine neue BV noch eine einzelvertragliche Vereinbarung zustande, wonach von der Kl geleistete Arbeitsbereitschaftsstunden in ihre Wochenarbeitszeit eingerechnet werden dürfen.
Die Kl begehrt 2.813 € brutto sA an gesonderter Abgeltung gem § 50 Abs 1 DO.B für von ihr im Zeitraum September 2015 bis Februar 2016 geleisteten, aber von der Bekl nicht bezahlten 113,5 Nachtarbeitsbereitschaftsstunden.
Die Bekl bestritt das Klagebegehren dem Grunde nach, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass sie alle von der Kl geleisteten Arbeitsstunden bezahlt habe. Dadurch, dass sie der Kl Arbeitsbereitschaftsstunden, die gem DO.B geringer zu entlohnen seien, teilweise als Arbeitszeit bezahlt habe, also Arbeitsbereitschaftsstunden teilweise zur Auffüllung der von der Kl nicht geleisteten Arbeitszeit verwendet habe, könne sich die Kl nicht beschwert erachten. Es stehe der Bekl frei, Nachtarbeitsbereitschaft wie Arbeitszeit zu bezahlen und auf die bezahlte Arbeitszeit anzurechnen, sohin die Kl besser zu stellen, als es ihr vertraglich zustehe. Es wäre der Bekl jederzeit möglich, die Kl nur mehr zu einem Nachtdienst pro Monat einzuteilen, sodass die Kl 46 Stunden arbeiten könnte und die Nachtarbeitsbereitschaft in den restlichen 2 Stunden Deckung finden würde. Nur aus Rücksicht gegenüber der Kl und den anderen Ärzten habe die Bekl bisher davon Abstand genommen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Kl habe im streitgegenständlichen Zeitraum 140 Arbeitsbereitschaftsstunden geleistet, von denen 26,6 Stunden durch Zahlungen sowie die klagsgegenständlichen 113,5 Stunden mit der Pauschalabgeltung gem § 45 DO.B abgegolten worden seien. Letzteres deshalb, weil die Kl in diesem Zeitraum an Tagesarbeitszeit um diese 113,5 Stunden weniger geleistet habe, sodass diese zur Auffüllung der Nachtarbeitszeit verwendet worden seien. Die Kl könne sich durch diese Vorgangsweise nicht beschwert erachten, weil die Überstundenabgeltung in Höhe von 65 € brutto jedenfalls über die vorgesehene Vergütung für eine Arbeitsbereitschaftsstunde von 24,73 € brutto im Jahr 2015 und von 25,04 € brutto im Jahr 2016 liege.
Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Kl erhobenen Berufung Folge [...]. Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richten sich die Rekurse beider Parteien. [...]
Rechtliche Beurteilung
[...] Die Bekl hält in ihrem Rekurs den Standpunkt aufrecht, dass durch die laufende Zahlung des Entgelts durch die Bekl an die Kl sowohl die Normalarbeitszeit von durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich als auch eine Überstundenleistung von durchschnittlich 6 Stunden wöchentlich abgegolten sei. Ab 1.4.2015 sei es ihr nicht mehr möglich gewesen, die Kl im Durchschnitt zu 46 Stunden Tagesarbeit und zusätzlich zu verlängerten Diensten einzuteilen. Die dafür zur Verfügung gestandene Arbeitszeit von durchschnittlich 2 Stunden wöchentlich habe nicht einmal für einen einzigen verlängerten Dienst pro Woche gereicht. Da bei verlängerten Diensten eine Normalarbeitszeit von mehr als 13 Stunden anfallen könne, sei ihre Vorgangsweise der Gesamtberechnung, wie sie auch das Erstgericht für rechtsrichtig erachtet habe, nicht zu beanstanden.
Der Rekurs der Kl argumentiert primär mit der wörtlichen Auslegung des § 50 DO.B. Diese Rege-66lung sei aber auch vernünftig, zweckentsprechend und praktisch durchführbar, weil durch die gesonderte Entlohnung von Nachtarbeitsbereitschaft ein Anreiz zur Leistung von nächtlichen Bereitschaftsstunden geschaffen worden sei und diese Art der gesonderten Entlohnung auch wesentlich leichter handhabbar sei, als die Aufrechnung mit allfälligen nicht geleisteten, von der Mehrarbeitspauschale abgedeckten Stunden. Letztlich würde aber auch die die einseitige Heranziehung der durch die Überstundenpauschale abgegoltenen sechs Stunden zur Abdeckung der geleisteten Nachtarbeitsbereitschaftsstunden eine einseitige und damit unzulässige Verlegung der Tagesarbeitszeit in die Nachtstunden darstellen.
Der Senat hat dazu erwogen:
1. Die Dienstordnung B für die Ärzte bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs ist ein KollV (RIS-Justiz RS0054394 [T8]).
2. Zwischen den Parteien ist nicht strittig, dass die Wochenarbeitszeit der Kl seit 1.4.2015 – mangels ihrer Zustimmung (§ 4 Abs 4b iVm § 11b Abs 1 KA-AZG) – im Rahmen der nach § 4 KA-AZG iVm § 9b DO.B und Pkt V der BV zugelassenen verlängerten Dienste innerhalb eines Durchrechnungszeitraums von 8 Wochen im Durchschnitt 48 Stunden nicht überschreiten darf.
Gem § 9a Abs 1 Z 2 DO.B beträgt die wöchentliche Normalarbeitszeit für die dem KA-AZG unterliegende Kl 40 Stunden, wobei die Tagesarbeitszeit 13 und die Wochenarbeitszeit in den einzelnen Wochen des Durchrechnungszeitraums von 17 Wochen bzw vier Monaten 60 Stunden nicht überschreiten darf. Durch BV kann der Durchrechnungszeitraum auf bis zu sechs Monate verlängert werden. Die betriebliche (generelle) Arbeitszeiteinteilung und -verteilung wird durch eine BV festgesetzt (§ 9a Abs 3 DO.B).
§ 9b Abs 1 DO.B erlaubt nach Maßgabe des § 4 KA-AZG für die in Krankenanstalten gem § 1 Abs 6 Z 1 und 2 beschäftigten Ärzte – wie hier die Kl – die Zulassung verlängerter Dienste durch eine BV.
Nach § 9d Abs 2 DO.B kann für die in Krankenanstalten gem § 1 Abs 6 beschäftigten Ärzte im Rahmen des zulässigen Überstundenausmaßes eine regelmäßige Mehrarbeitszeit von bis zu acht Stunden im Durchschnitt des gem § 9 Abs 1 Z 2, § 9a Abs 1 oder § 9b Abs 1 geltenden bzw vereinbarten Durchrechnungszeitraums festgesetzt werden. Zur Abgeltung der gem § 9d Abs 2 DO.B festgesetzten regelmäßigen Mehrarbeitszeit gebührt gem § 45 DO.B anstelle einer Überstundenentschädigung eine Pauschalabgeltung; diese beträgt pro Stunde der regelmäßigen Mehrarbeit 0,9 % der jeweiligen ständigen Bezüge gem § 35 Abs 2 Z 1 und 9 DO.B.
§ 50 DO.B bestimmt die Abgeltung der Arbeitszeit bei nicht durchgehender Inanspruchnahme des Arztes, also im Falle einer (bloßen) Arbeitsbereitschaft. Nach dessen Abs 1 gebührt den in Krankenanstalten (§ 1 Abs 6) beschäftigten Ärzten für eine außerhalb der Normalarbeitszeit gelegene Arbeitszeit bei nicht durchgehender Inanspruchnahme als Überstundenentschädigung eine besondere Abgeltung. Diese beträgt für jede Stunde bei Nacht (20:00 Uhr bis 6:00 Uhr), je nach der Tätigkeit des Arztes in einer bestimmten Krankenanstalt zwischen 0,70 % und 0,30 % der Zulagenbemessungsgrundlage (Z 1) und für jede Stunde der Arbeitszeit bei nicht durchgehender Inanspruchnahme bei Tag 50 % des nach Z 1 jeweils in Betracht kommenden Prozentsatzes (Z 2). Die verbindlichen (vgl RIS-Justiz RS0054448) Erläuterungen zur DO.B (einvernehmliche Auslegungen durch die Kollektivvertragspartner) sprechen in diesem Zusammenhang ebenso wie die Betriebsvereinbarungsparteien (Pkt VIII der BV) von einer „gesonderten“ Abgeltung.
3. Nach Rsp und Lehre steht dem DN eine Überstundenpauschale auch dann zu, wenn die Zahl der tatsächlich geleisteten Überstunden in einzelnen Verrechnungsperioden geringer ist oder er in einzelnen Verrechnungsperioden gar keine Überstundenleistung erbringt (9 ObA 30/15z; vgl RIS-Justiz RS0051648; Windisch-Graetz, Arbeitsrecht II10 [2017] 185). Die Überstundenpauschale soll nämlich allenfalls zu leistende Überstundenarbeit unabhängig von deren Menge abgelten. Leistet der AN daher weniger Überstunden, als rechnerisch durch die Überstundenpauschale abgegolten werden könnte, ändert das nichts an dem dem AN zugesagten Entgeltanspruch (Klein in Heilegger/Klein, AZG4 § 10 Rz 17; Marhold/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht3 115). Sein Anspruch auf die Überstundenpauschale bleibt dennoch in voller Höhe aufrecht.
Die Vorgangsweise der Bekl, die von der Kl geleisteten, aber entgegen § 50 Abs 1 DO.B nicht gesondert entlohnten Arbeitsbereitschaftsstunden teilweise zur Auffüllung der gegenüber der Kl nicht vollständig abgerufenen Arbeitsverpflichtung von 46 Wochenstunden zu verwenden, ist daher schon im Ansatz verfehlt.
4. Im Übrigen spricht auch der Wortlaut (RIS-Justiz RS0010088; RS0010089) des § 50 Abs 1 DO.B für die Rechtsauffassung der Kl, also den Anspruch auf Abgeltung der von ihr geleisteten Arbeitsbereitschaftsstunden unabhängig davon, ob sie von der Bekl im Vergleichszeitraum nur für eine geringere als die vereinbarte Arbeitszeit von 46 Stunden zum Dienst eingeteilt wurde. Auch die Unterscheidung der Dienstbezüge in § 35 DO.B stützt dieses vom Wortlaut getragene Verständnis. Während ua das monatliche Gehalt nach dem Gehaltsschema B (§ 35 Abs 2 Z 1 lit b DO.B) und die Pauschalabgeltung regelmäßiger Mehrarbeit iSd § 45 DO.B (§ 35 Abs 2 Z 7 DO.B) als ständige Bezüge gelten, gilt neben verschiedenen Zulagen ua auch die Abgeltung der Arbeitszeit bei nicht durchgehender Inanspruchnahme iSd § 50 DO.B als nicht ständiger Bezug. Diese getrennt voneinander zu behandelnden Bezüge werden vom DG auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausbezahlt, und zwar die ständigen Bezüge (mit Ausnahme der Sonderzahlungen) im Voraus am Ersten eines jeden Monats und die nicht ständigen Bezüge (an unbefristete angestellte Ärzte) spätestens am Ersten des zweitfolgenden Kalendermonats (§ 54 Abs 1 DO.B).
5. Das insb durch die Novellierung des KA-AZG, BGBl 2014/76BGBl 2014/76, seit 1.1.2015 bestehende und durch67die mangelnde Zustimmung der Kl zu einer längeren Dienstzeit („Opt-out“-Regelung des § 4 Abs 4b KA-AZG) seit 1.5.2015 verschärfte Problem, die Kl im Rahmen ihrer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von höchstens 48 Stunden neben ihrer regelmäßigen Tagesarbeitszeit von 46 Stunden auch für (Nacht-)Arbeitsbereitschaftsstunden im Dienstplan einzuteilen, wird nicht verkannt. Weder im Gesetz noch im KollV oder in der BV findet sich aber eine Anspruchsgrundlage, die es der Bekl ermöglichen würde, das der Kl gem § 50 Abs 1 DO.B gebührende gesonderte Entgelt für die von ihr geleisteten Nachtarbeitsbereitschaftsstunden mit einem anderen Teil des der Kl jedenfalls zustehenden Gehalts oder der gem § 45 DO.B jedenfalls auszuzahlenden Pauschalabgeltung regelmäßiger Mehrarbeit gegenzuverrechnen. Sowohl das Monatsgehalt für die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden als auch die Pauschalabgeltung für die vereinbarte Mehrarbeit (Überstundenarbeit) von 6 Stunden wöchentlich gebühren der Kl unabhängig davon, ob sie von der Bekl in diesem Ausmaß im Dienstplan auch zur Arbeitsleistung eingeteilt und verpflichtet wird.
Dem Argument der Bekl, beim verlängerten Dienst handle es sich um eine (bloße) Verlängerung der Normalarbeitszeit, widerspricht schon der Wortlaut des § 50 Abs 1 DO.B, wonach die besondere Abgeltung für eine „außerhalb der Normalarbeitszeit gelegene Arbeitszeit bei nicht durchgehender Inanspruchnahme“ gebührt (vgl Erl zu § 50 DO.B).
Dem Rekurs der Kl war daher Folge zu geben, der berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschluss aufzuheben und zufolge Spruchreife in der Sache selbst iS einer Klagsstattgabe zu entscheiden. [...]
Schwierige wirtschaftliche Zeiten bzw der Sparzwang und Einsparungsdruck machen auch und insb nicht vor dem öffentlichen Dienst Halt. Wie in der Privatwirtschaft wird nach Mitteln und Wegen gesucht, Einsparungsziele zu erreichen. Diese betreffen längst nicht mehr nur „Ergebniskosmetik“ (wie etwa die Verlagerung des Personal- in den Sachaufwand, vgl dazu etwa Ziehensack, VBG Praxiskommentar Vor § 1 Rz 35 ff), sondern gehen ins „Eingemachte“, betreffen also materielle Anspruchsinhalte der AN. So wurde etwa in einigen Ressortbereichen des Bundes iSd Anspannungsprinzips – rechtlich durchaus zweifelhaft – angeordnet, dass bei BezieherInnen von All-in-Bezügen (Arbeitsplätzen mit Wertigkeit ab A1/5) wegen gesetzlich vorgesehener „Überstundenabdeckungskomponente“ der Bezüge nach diversen Gleitzeiterlässen nicht die üblichen 40, sondern 45 Wochenstunden geleistet werden müssen. Dies widerspricht einerseits dem Charakter von Überstundenpauschalen, welche ja der DN-Seite unabhängig davon gebühren, ob nun Überstunden tatsächlich geleistet werden (müssen) oder nicht, und andererseits der verpflichtenden Anordnungsmöglichkeit von Überstunden im Einzelfall im öffentlichen Dienst, welche allerdings stets an konkrete Anlassfälle anknüpfen muss und nicht generell undifferenziert angeordnet werden darf. Im vorliegenden Fall versuchte der AG eine – wie sich nach der Rsp der Arbeitsgerichte zeigen sollte: unzulässige! – Anspannung zulasten der AN zu erreichen. Es ging dabei um das Anstellen einer Gesamtbetrachtung, um so zulasten der ÄrztInnen eine höhere Auslastung der Überstundenpauschale zu erreichen und der AG-Seite im Ergebnis die Bezahlung von Arbeitsbereitschaft während der Nachtstunden zu ersparen. Diesem Ansatz erteilte der OGH allerdings eine Absage, wobei die angeführten Gründe vollinhaltlich zu überzeugen vermögen:
Zunächst verwies der OGH überzeugend auf die Rsp, wonach das Wesen der Überstundenpauschale eben gerade darin besteht, dass diese zur Auszahlung zu gelangen hat, einerlei, ob nun von AN-Seite tatsächlich in einem bestimmten Monat Überstunden geleistet wurden oder nicht (OGH 6.6.1995, 9 ObA 98/95; vgl RIS-Justiz RS0051648: Überstundenpauschale auch dann, wenn die Zahl der tatsächlich geleisteten Überstunden in einzelnen Verrechnungsperioden geringer ist oder in einzelnen Verrechnungsperioden gar keine Überstundenleistungen anfallen). Wurde eine Pauschalentlohnung von Überstunden ohne Vorbehalt des Widerrufs vereinbart, ist es fester Entgeltbestandteil geworden und kann auch bei Verringerung der Überstundenleistung des AN unter das seinerzeit zugrunde gelegte Ausmaß vom AG nicht einseitig widerrufen werden (RS0051648; OGH 24.6.2015, 9 ObA 30/15z; OGH 30.1.2018, 9 ObA 131/17f). Bei einem wirksam vereinbarten Überstundenpauschale besteht aber die Möglichkeit zu vereinbaren, dass dieses vom AG widerrufen oder unter bestimmten Umständen auf Einzelverrechnung übergegangen werden kann (RS0051758).
Der Charakter der Überstundenpauschale besteht in einer Abrechnungserleichterung. Damit sich sowohl AG wie auch AN die mühsame Einzelabrechnung von Überstunden monatlich ersparen, gelangt eben eine Überstundenpauschale zur Auszahlung. Diese hat jedoch die Überstunden jedenfalls abzudecken. Die Vereinbarung einer Überstundenpauschale enthebt den AG allerdings nicht der Verpflichtung zur Arbeitszeitaufzeichnung. Werden von AN-Seite mehr Überstunden geleistet als durch die Überstundenpauschale abgedeckt, schuldet der AG dennoch den Mehrbetrag (RS0051519; OGH 29.3.2012, 9 ObA 160/11m; OGH 27.6.2013, 8 ObA 32/13h; OGH 29.1.2014, 9 ObA 166/13x; OGH 28.6.2017, 9 ObA 12/17f).
Damit dient die Überstundenpauschale also zwar der Abrechnungserleichterung, nicht aber der einseitigen Ausbeutung des AN. Vgl ebenso auch der VwGH 21.12.2005, 2004/08/0228, anknüpfend an diese Rsp für das Beamtenrecht (Hervorhebungen vom Autor): „Nach der Rsp gebührt eine vereinbarte Überstundenpauschale auch dann, wenn die pauschalierte Anzahl von Überstunden im „Deckungsprüfungszeitraum“ (in der Regel
68ein Kalenderjahr) nicht geleistet wurde, dh die Anzahl der Überstunden, zu deren Erbringung der Arbeitnehmer bereit gewesen ist (und zu deren Erbringung er sich im Rahmen des gesetzlich Zulässigen durch die Vereinbarung der Pauschale auch verpflichtet hat), vom Arbeitgeber nicht abgerufen wurde (Hinweis OGH 1. Juli 1987, 9 ObA 36/87). Der Anspruch auf die Überstundenpauschale besteht grundsätzlich unabhängig von der Entwicklung des Überstundenanfalls auch für die Zukunft, soweit sich der Arbeitgeber einen Widerruf der Pauschale nicht vorbehalten hat (Hinweis OGH 6. Juni 1995, 9 ObA 98/95). Überschreitet hingegen die Anzahl der geleisteten Überstunden im „Deckungsprüfungszeitraum“ die Zahl der pauschalierten, dann ist die Differenz im Rahmen normaler Überstundenentlohnung zusätzlich zu entgelten. Insoweit kann ein Arbeitnehmer durch eine Überstundenpauschalierung immer nur besser gestellt sein, nie aber schlechter, als er bei Einzelverrechnung von Überstunden gestellt wäre.
“
Im vorliegenden Fall entsprang die Überstundenpauschale nicht einer individuellen rechtsgeschäftlichen Vereinbarung, sondern der kollektivvertraglichen Regelung: Zur Abgeltung der gem § 9d Abs 2 DO.B festgesetzten regelmäßigen Mehrarbeitszeit gebührt gem § 45 DO.B anstelle einer Überstundenentschädigung eine Pauschalabgeltung.
Durch das KA-AZG (siehe etwa § 4) wurde auch für Krankenanstalten ein gesetzlicher Rahmen geschaffen und durch KollV ergänzt (vgl Anordnung wöchentlicher Normalarbeitszeit von 40 Stunden nach § 9a Abs 1 Z 2 DO.B mit Tagesarbeitszeit von 13 und Wochenarbeitszeit von 60 Stunden), um die dort tätigen AN vor einer gesundheitsschädigenden Überbeanspruchung zu schützen. Auch wenn gerade im Gesundheitsbereich besonderer Bedarf für Flexibilität besteht, darf diese nicht einseitig zulasten der DN gehen. Die Tätigkeit im Kranken- bzw Gesundheitswesen kann und soll bzw darf nicht dazu führen, dass die dortigen DN selbst auf kurz oder lang zu PatientInnen (etwa wegen zeitlichen „Ausbrennens“ in ihren eigenen Arbeitsverhältnissen) werden. Wie auch im allgemeinen Arbeitsrecht gilt der zwingende Grundsatz, dass Urlaubsansprüche grundsätzlich in natura verbraucht und nicht in Geld abgelöst werden, da andernfalls der Erholungszweck nicht gewahrt wäre.
Durch das KA-AZG (siehe etwa § 4) wurde auch für Krankenanstalten ein gesetzlicher Rahmen geschaffen und durch KollV ergänzt (vgl Anordnung wöchentlicher Normalarbeitszeit von 40 Stunden nach § 9a Abs 1 Z 2 DO.B mit Tagesarbeitszeit von 13 und Wochenarbeitszeit von 60 Stunden), um die dort tätigen AN vor einer gesundheitsschädigenden Überbeanspruchung zu schützen. Auch wenn gerade im Gesundheitsbereich besonderer Bedarf für Flexibilität besteht, darf diese nicht einseitig zulasten der DN gehen. Die Tätigkeit im Kranken- bzw Gesundheitswesen kann und soll bzw darf nicht dazu führen, dass die dortigen DN selbst auf kurz oder lang zu PatientInnen (etwa wegen zeitlichen „Ausbrennens“ in ihren eigenen Arbeitsverhältnissen) werden. Wie auch im allgemeinen Arbeitsrecht gilt der zwingende Grundsatz, dass Urlaubsansprüche grundsätzlich in natura verbraucht und nicht in Geld abgelöst werden, da andernfalls der Erholungszweck nicht gewahrt wäre.
Als zentrales Begründungselement der E knüpfte der OGH an die verbindlichen Erläuterungen zur69DO.B, nämlich die einvernehmlichen Auslegungen durch die Kollektivvertragspartner an. Dies überrascht auf den ersten Blick ein wenig, da „Materialien“ sowohl bei Gesetzen als auch bei Kollektivverträgen keine so dominierende Rolle zukommt, dass sie den Gesetzes- oder Kollektivvertragstext „overrulen“ könnten. Die Rsp (OGH9 ObA 50/93 wbl 1993, 29; RS0010089) stellt bei der Auslegung eines KollV zunächst auf den Wortsinn – auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen – ab und berücksichtigt weiters auch die sich aus dem Text des KollV ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien. Der normative Teil von Kollektivverträgen wird ausgehend vom Text wie bei einem Gesetz nach §§ 6 und 7 ABGB ausgelegt (OGH 15.3.2007, 8 ObA 56/06b): Dabei ist subsidiär aber auch auf frühere Texte zurückzugreifen und immer zu unterstellen, dass die Kollektivvertragsparteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung anstreben, die einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen herbeiführen will. Auf die Verhandlungsprotokolle der Kollektivvertragsparteien kann aber, soweit sie im Vertragstext nicht ihren Niederschlag gefunden haben, nicht Bedacht genommen werden (OGH 12.7.1995, 9 ObA 62/95).
Die Anknüpfung an die verbindlichen Erläuterungen zur DO.B erfolgte deshalb konsequent, da es sich dabei nicht um bloße „Gesetzesmaterialien“ handelt, welchen keine Bindungswirkung zukommt, sondern um Gesetzes- bzw Kollektivvertragstext. Sie folgen nämlich im verlautbarten Kollektivvertragstext ähnlich wie die diversen Anlagen zur DO.B und weisen als Bestandteil hiervon daher gleichen Rechtscharakter auf wie der KollV selbst (vgl die ähnliche Situation bei Anlagen zu Gesetzestexten wie etwa Anlage 1 zum BDG, welchen ebenfalls Gesetzesstatus zukommt und nicht die bloße Einordnung als „unverbindliche Gesetzesmaterialien“, welche bei der Auslegung zwar weiter helfen können, aber eben nicht auf der gleichen autoritativen Stufe wie die Gesetzestexte selbst stehen). Die Erläuterungen (einvernehmliche Auslegung durch die Kollektivvertragsparteien) zu § 49a DO.B lauten (Hervorhebungen vom Autor): „Während die Nachtdienstzulage für innerhalb der Normalarbeitszeit gelegene Dienstleistungen gebührt, ist nunmehr für die vom Arzt geleisteten, außerhalb der Normalarbeitszeit gelegenen Zeiten einer Arbeitszeit bei nicht durchgehender Inanspruchnahme anstelle einer Überstundenentschädigung eine gesonderte Abgeltung vorgesehen; Dienstleistungen innerhalb dieser Zeiten sind mit den nach Abs 1 gebührenden Beträgen abgegolten.
“ Ähnlich formulieren die Erläuterungen zu § 50 DO.B (Hervorhebungen vom Autor): „2. Während die Nachtdienstzulage (§ 49a) für innerhalb der Normalarbeitszeit gelegene Dienstleistungen gebührt, ist nunmehr für die vom Arzt geleisteten, außerhalb der Normalarbeitszeit gelegenen Zeiten einer Arbeitszeit bei nicht durchgehender Inanspruchnahme anstelle einer Überstundenentschädigung eine gesonderte Abgeltung vorgesehen; Dienstleistungen innerhalb dieser Zeiten sind mit den nach Abs 1 gebührenden Beträgen abgegolten.
“
Es muss beruhigen, dass seitens des OGH den ansteigenden Bemühungen von AG-Seite, durch dynamische Auslegung vertraglicher und Kollektivvertragsbestimmungen vermeintliche Schlupflöcher zu schließen und eine noch höhere Anspannung von Arbeitskräften zu erreichen sowie deren Entgeltansprüche zu reduzieren, auf dem Boden der Kollektivverträge und deren verbindlicher einvernehmlicher Auslegung durch die Kollektivvertragsparteien eine Absage erteilt wird. Hierbei erscheint insb begrüßenswert, dass gerade bei der Kollektivvertragsauslegung Rechtsmittel vom OGH gerade wegen ihrer Nicht-Einzelfallbezogenheit nicht nach § 502 ZPO zurückgewiesen, sondern inhaltlich behandelt werden, zumal dadurch wichtige Richtlinien für zahlreiche andere Arbeitsrechtsfälle geschaffen werden.70