Anderson/Brodie/RileyThe Common Law Employment Relationship – A Comparative Study

Edward Elgar Publishing Ltd, Cheltenham/UK 2017, XXII, 266 Seiten, € 107,95

MARTINRISAK (WIEN)

Im Arbeitsrecht des anglosächsischen Rechtskreises, der auf dem in England entwickelten Konzept des common law als durch Gerichtsentscheidungen fortentwickeltes Fallrecht basiert, spielten einerseits traditionell Kollektivverträge eine große Rolle und waren aber dafür andererseits die Aktivitäten der Gesetzgebung eher gering ausgeprägt. Durch den auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführenden Rückgang des gewerkschaftlichen Organisationsgrades und der daraus resultierenden schwindenden Kollektivvertragsabdeckung gewann das individuelle Vertragsverhältnis zwischen AG und AN in diesem Rechtsbereich an Bedeutung. Und das nicht mehr nur, wie in der Vergangenheit, betreffend die Frage, ob überhaupt AN-Eigenschaft vorliegt, sondern auch betreffend der einzelnen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Über dieses Phänomen, das auch in Kontinentaleuropa zu beobachten ist, wurde bereits viel geschrieben. Was aber bislang fehlte, ist eine vergleichende Perspektive, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Entwicklung des Arbeitsvertragsrechtes unterschiedlicher common law-Jurisdiktionen herausarbeitet, wo Gerichte mit ähnlicher Rechtstradition, aber zT unterschiedlichen rechtlichen, politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen auf dieselben Probleme reagieren mussten. Das vorliegende Werk von Gordon Anderson (Victoria University of Wellington, Neuseeland), Douglas Brodie (University of Strathclyde, Vereinigtes Königreich) und Joellen Riley (Sydney Law School, Australien) untersucht in diesem Sinne die Rechtsordnungen von Neuseeland, Australien und dem Vereinigten Königreich.

Schon von der Anlage her fällt auf, dass es sich hier um eine aufwändige rechtsvergleichende Studie handelt, die über ein bloßes Nebeneinanderstellen der Rechtslage und der entsprechenden Entwicklung in den behandelten Ländern hinausgeht. Es werden nicht, wie bei ähnlichen Werken teilweise üblich, einzelne Länderberichte aneinander gereiht und dann in einem vergleichenden Kapitel Schlüsse gezogen. Das Werk ist vielmehr thematisch gegliedert und es werden die thematisch zugehörigen Judikaturentwicklungen miteinander in Beziehung gesetzt. Das ist für in diesen Jurisdiktionen tätige JuristInnen zweckmäßig, da dadurch die Unterschiede sowie die Gemeinsamkeiten klar werden und Anregungen für eigene Verfahren gewonnen werden können. Wenngleich die Entscheidungen in anderen Ländern mit common law-Tradition nicht formell bindend sind, können sie aber doch uU argumentative Überzeugungskraft entfalten. Für aus dem civil-law-Rechtskreis kommende rechtsvergleichend Tätige zeigt diese Art der Darstellung klare Trends und Unterschiede auf und bietet einen sehr guten Einstieg in rund 150 Jahre Arbeitsvertragsrechtsenwicklung in den untersuchten Ländern.

Das erste Kapitel setzt sich mit der Entwicklung des Arbeitsvertrages auseinander, die mit den Master and Servant Acts des 18. Jahrhunderts beginnt, die die für die Industrialisierung notwendige Form der Arbeitsorganisation regulierten. Daran schließt dann eine Phase der kollektiven Regelung der Arbeitsbedingungen an, die dann ab den 1980er-Jahren durch die wiedergewonnene Bedeutung des Arbeitsvertrages abgelöst wird. Schon hier wird darauf hingewiesen, dass sich Australien und Neuseeland vom Zugang im Vereinigten Königreich signifikant unterscheiden, insb was die Beendigungsfreiheit und die Mindestrechte der AN betrifft. Das folgende Kapitel ist der Kernfrage des Arbeitsrechts gewidmet, wer denn eigentlich AN ist und damit den Schutz des Arbeitsrechts genießt. Hier wird eine Verschiebung weg von einer Betonung der persönlichen Abhängigkeit (control-based perspective) hin zu einer stärker wirtschaftlich orientierten Betrachtungsweise festgestellt. Diese stellt zB in den Fällen von LKW-FahrerInnen oder Fahrradkurieren die Frage danach, ob es sich um eine Person handelt, die auf eigene Rechnung ein Unternehmen betreibt oder nicht. Am Ende bleibt es aber bei einer Prüfung, die alle Aspekte des Einzelfalls berücksichtigen möchte und eine Gesamtbetrachtung anstellt. Nichtsdestotrotz ist eine Miteinbeziehung weiterer Elemente bei der Prüfung des rechtlichen Status89der Arbeitenden als Fortschritt anzusehen und wäre mE auch in Österreich zu begrüßen.

Das sich mit der überaus aktuellen Problematik alternativer Formen der Arbeitsorganisation beschäftigende Kapitel ist von besonderem Interesse. Hier wird das Phänomen beobachtet, dass es in einigen Fällen zu einer Aufspaltung von AG-Funktionen kommt, was komplexe Probleme aufwirft. Dies ist nicht nur bei der Arbeitskräfteüberlassung der Fall, sondern auch bei gemeinsamer Beschäftigung durch mehrere AG (joint employment). Behandelt werden auch unterschiedliche Formen der Scheinselbständigkeit, wie sie zB zuletzt im Zusammenhang mit dem Vertragsstatus von Uber-FahrerInnen von englischen Gerichten (Aslam v Uber BV) behandelt wurden. Bezeichnend ist, dass die Statusfrage der in diesen Graubereichen Arbeitenden nicht gesetzlich geregelt wurde, womit den Gerichten große Spielräume zukommen. Einen pragmatischen Lösungsweg zeigt hier Australien auf, wo unfaire Vertragspraktiken gegenüber Kleinstselbständigen im Independent Contractors Act 2006 entgegengetreten wird und damit Konflikte um die korrekte rechtliche Einordnung zT vermieden werden können, da diese damit an Bedeutung verliert.

Weitere Kapitel behandeln die Themenbereiche der gesetzlichen und vertraglichen Arbeitsbedingungen, die Ausgewogenheit des Vertrages und die Risikozuordnung, die gegenseitigen Treue- und Fürsorgepflichten, den Schutz der Persönlichkeitssphäre im Arbeitsverhältnis (insb außerdienstliches Verhalten, Drogentests, die Nutzung sozialer Medien) sowie die AN-Mobilität (insb nachvertragliche Wettbewerbsverbote). Eigene Abschnitte sind dem Beendigungsschutz und den gesetzlichen Abhilfemaßnahmen gegen gesetzwidrige Beendigungen (Schadenersatz, Wiedereinstellung) gewidmet. Das abschließende Kapitel zieht Schlüsse aus der vergleichenden Untersuchung und hält zusammenfassend fest, dass die Gemeinsamkeit der aktuellen Herausforderungen und die fortgesetzte Bezugnahme der überwiegend konservativen RichterInnen auf einen gemeinsamen Bestand von Werten und Prinzipien des common law eine weitgehende Kompatibilität der drei untersuchten Rechtsordnungen sichert, wenngleich Unterschiede im Detail bestehen.

Durch den rechtsvergleichenden Zugang, der themenbezogen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der drei unterschiedlichen Rechtsordnungen des Vereinigten Königreiches, Australien und Neuseeland an Hand der Rechtsprechungsentwicklung aufarbeitet, bietet das vorliegende Buch einen wirklich guten Einstieg in das Arbeitsvertragsrecht des common law und kann daher sowohl für die Lehre als auch die Forschung bestens empfohlen werden.