Felten/Trost (Hrsg)50 Jahre Institut für Arbeitsrecht und Sozialrecht der Johannes Kepler Universität Linz

Verlag des ÖGB, Wien 2017, 240 Seiten, kartoniert, € 29,90

RUDOLFMÜLLER (WIEN/SALZBURG)

Es war die zweite Hälfte der Sechzigerjahre, in denen sich das Arbeitsrecht und das Sozialrecht als selbständige wissenschaftliche Disziplinen emanzipierten und zu eigenständigen Lehr- und Prüfungsgegenständen an den Universitäten wurden. Diese Emanzipation fand auch in der Gründung von einschlägigen Instituten an den Universitäten ihren Ausdruck: Wien war unter Hans Schmitz schon längere Zeit vorangeschritten, ehe 1968 Theodor Tomandl sein Nachfolger wurde. 1965 hat mit Hans Floretta, der 1954 als erster Österreicher eine Lehrbefugnis für Arbeitsrecht erhalten hatte, drei Jahre nach der Neugründung der Paris-Lodron-Universität die Geschichte des Salzburger Instituts begonnen. Mit dem Namen Rudolf Strasser ist 1967 nicht nur das Linzer Institut, sondern die Gründungsgeschichte der JKU-Linz (ursprünglich noch Hochschule) eng verbunden. Durch Gerhard Schnorr wurde 1967 das Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Innsbruck gegründet, und Walter Schwarz, dessen „Habilitationsvater“ Rudolf Strasser gewesen war, übernahm 1970 das Ordinariat an der Universität Graz. Ein „Fünfgestirn“, das viele Jahre die Lehre und Wissenschaft vom Arbeits- und Sozialrecht in Österreich geprägt hat, und dessen wissenschaftliche Reputation durch umfangreiche Festschriften geehrt worden ist.

Dem Rezensenten sei nachgesehen, dass er sich als einer der Zeitzeugen der Frühzeit des Arbeits- und Sozialrechts an den Universitäten Österreichs dazu veranlasst sieht, bei Gelegenheit der Rezension der vorliegenden Festschrift an diese Anfänge zu erinnern. Denn dieser kurze Rückblick erklärt die besondere Bedeutung des Linzer Instituts: Arbeitsrecht ist wie kaum ein zweites Rechtsgebiet seiner Natur nach an Interessen gebunden und von Interessen gesteuert. Strasser und Floretta waren die ersten Ordinarien, die nach ihrer ursprünglichen Berufstätigkeit aus den Interessenvertretungen der AN und nicht aus der Wirtschaftskammer stammten. Mit ihren Instituten in Salzburg und in Linz erlangte die wissenschaftliche Arbeit am Arbeits- und Sozialrecht erst die ihr zukommende interessenpolitische Balance. Das war damals besonders wichtig, da die Sechzigerjahre des 20. Jahrhunderts noch eine Zeit gewesen sind, in der sozialpolitisch zentrale Teile des Arbeitsrechts im interessenpolitischen Handgemenge um ihre Existenz ringen mussten: Wäre es nach zahlreichen auch namhaften Vertretern, vor allem des öffentlichen Rechts, der damaligen Zeit gegangen, so wäre das herausragende Kennzeichen des KollV seine Verfassungswidrigkeit gewesen. So widmete denn auch das mittlerweile legendär gewordene Symposion „Die kollektiven Mächte im Arbeitsleben“ 1963 in Salzburg (zugleich Geburtsstunde der Zeller Tagung der Gesellschaft für Arbeitsrecht und Sozialrecht) den ersten Vortrag dem Thema „Die kollektiven Mächte im Arbeitsleben und die Bundesverfassung“.

Des Institutsgründers Rudolf Strasser zentrales Interesse galt diesem Zeitgeist entsprechend dem kollektiven Arbeitsrecht und der Weiterentwicklung der Mitbestimmung, also der Betriebsdemokratie. Er schuf als Vorsitzender der Kodifikationskommission für das kollektive Arbeitsrecht, die von 1971 bis 1973 tagte, mit seinem Diskussionsentwurf die wesentlichen Grundlagen des Arbeitsverfassungsgesetzes. Strasser gab dem Linzer Institut für Arbeits- und Sozialrecht aber auch durch seine Verbindung von Wissenschaft und Praxis (für die damals noch die verstaatlichte Industrie gestanden ist) ein besonderes Gepräge, das auch unter seinem Schüler und Nachfolger Peter Jabornegg erhalten blieb. Beide hatten aber neben der Forschung auf dem Gebiet des Arbeitsrechts auch ein starkes wissenschaftliches Interesse am Gesellschaftsrecht, was gerade dem Denken an der Schnittstelle beider Rechtsgebiete im Bereich der Mitbestimmung in Kapitalgesellschaften und im Konzern sehr zugute gekommen ist. Der Rumor rund um die Nachbesetzung nach der Emeritierung Peter Jaborneggs und die hoffentlich nur vorübergehende Fraglichkeit des weiteren Schicksals dieses traditionsreichen Instituts sollten mittlerweile Geschichte sein: Seit dem Vorjahr wird es von Univ.-Prof. Dr. Elias Felten geleitet, womit die JKU einen der Talentiertesten der jungen Generation von Arbeits- und SozialrechtlerInnen gewonnen hat.

Der neue Institutsvorstand bewies sogleich einen starken Sinn für die Tradition: Das Institut feierte sein9150-jähriges Bestehen am 15.5.2017 mit einem Symposion im Beisein zahlreicher Gäste aus Wissenschaft und Praxis, bei dem neben der Geschichte und Entwicklung des Instituts vor allem der zentrale Forschungsschwerpunkt seit seiner Gründung im Mittelpunkt gestanden ist: Die Demokratisierung der Arbeitswelt. Dieses Thema wurde im Festsaal der JKU von den Mitgliedern des Instituts aus unterschiedlichen Blickwinkeln im Rahmen wissenschaftlicher Fachvorträge beleuchtet. Dem Generalthema des Festaktes widmete sich auch die daran anschließende Antrittsvorlesung von Elias Felten.

Die vorliegende, von Elias Felten und Barbara Trost aus diesem Anlass herausgegebene Festschrift macht den Inhalt dieser Vorträge einer breiten Öffentlichkeit zugänglich und damit auf die unverminderte Aktualität der darin behandelten Themen aufmerksam, wie die Rolle des BR nach der österreichischen Betriebsverfassung (Elias Felten), die Geltung von Betriebsvereinbarungen für Nicht-AN (Reinhard Geist), die Behandlung unzulässiger Zuwendungen des Betriebsinhabers an das Betriebsratsmitglied (Thomas Mathy), Genderaspekte im kollektiven Arbeitsrecht (Johanna Naderhirn), die Entgeltkompetenzen der Betriebsvereinbarungsparteien (Elisabeth Rieger) sowie das Problem von Führungskräften im BR (Barbara Trost).

Das Schöne und Bemerkenswerte an dieser kleinen Festschrift scheint mir zu sein, dass sie die Antrittsvorlesung des jungen Institutsvorstandes mit Arbeiten langjähriger, teilweise aus der Zeit seiner Vorgänger, zum Teil noch aus der Zeit Rudolf Strassers stammender Institutsmitglieder kombiniert, womit auch in personeller Hinsicht ein sehr schöner weiter Bogen von Vergangenheit zu Gegenwart und Zukunft des Instituts gespannt wird. Die in dieser Festschrift veröffentlichten Arbeiten aller derzeitigen Mitglieder des Instituts zeigen, dass die „Alten“ und die „Jungen“ nach wie vor bzw schon in der Lage sind, auf einem der traditionsreichen Geschichte des Instituts würdigen, sehr hohen wissenschaftlichen Niveau zu arbeiten. Man muss um die Zukunft des Instituts also auch nach 50 Jahren seines Bestandes keine Sorge haben. Dies wird durch diese Festschrift der interessierten Fachwelt signalisiert. Das Buch sei daher allen am Arbeitsrecht Interessierten zur Lektüre sehr empfohlen. Die Geschichte und historische Bedeutung des Instituts und ihres Gründers kommen in dieser Schrift freilich viel zu kurz; aber wozu gibt es Rezensionen....