Ristic (Hrsg)Festschrift. Zwanzig Jahre ISA – Insolvenzschutzverband für ArbeitnehmerInnen

Verlag des ÖGB, Wien 2017, 136 Seiten, € 24,90

VERENAVINZENZ (INNSBRUCK)

Die vorliegende Festschrift zum 20-jährigen Bestand des ISA als gemeinsamer Verein von Arbeiterkammern und Gewerkschaft besteht aus einer Reihe von Aufsätzen, allesamt verfasst von Expertinnen und Experten zum Thema Arbeitsrecht und Insolvenz, die im Rahmen des ISA tätig sind. Inhaltlich geht es in den Beiträgen naturgemäß ebenfalls um den Schutz von AN bei Insolvenz.

Der erste Beitrag zu Entstehung und Geschichte des ISA stammt von Karin Ristic. Bruno Sundl schreibt über Insolvenz-Entgelt für Rücktrittschaden und vorvertraglichen Schadenersatz. Der dritte Aufsatz von Margit Mader ist der aktuellen und vielbeachteten E des OGH vom 25.11.2016, 8 ObA 10/16b, zu Betriebsübergang und Insolvenz gewidmet. Es folgen Beiträge zum Gläubigerausschuss von Jutta Angeler-Maca und zur AN-Vertretung bei grenzüberschreitenden Insolvenzen (Ristic). Der sechste Aufsatz von Wolfgang Schieler beschäftigt sich mit der Ablehnung von Insolvenz-Entgelt bei unterbliebener Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren. Markus Rogner schreibt über die Anfechtung von AN-Ansprüchen in der Insolvenz und Prozesskostenrisiko, Margit Göbl beleuchtet die Rolle des Insolvenzverwalters und dessen Aufgaben, Gerhard Höbert die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 25 IO. Die Festschrift wird abgerundet durch einen Beitrag über DN-Forderungen im Baugewerbe (Cornelia Thell) sowie über das Verhältnis von Mutterschutz/Karenz und Insolvenz von Margarete Kaffenda.

Wie aus der Themenwahl ersichtlich, gehen die elf Beiträge von eher deskriptiven Themen, denen man wohl auch als Laie bzw Einsteiger im Insolvenzrecht gut folgen kann, bis zu sehr speziellen Rechtsproblemen, die bereits ausgeprägte Vorkenntnisse erfordern und zT in der Praxis auch nicht besonders häufig vorkommen dürften. Formal sind die einzelnen Beiträge recht unterschiedlich gestaltet – zT wird im Text zitiert, manchmal in Fußnoten, einmal findet sich am Ende eines Beitrages einfach ein (recht kurzes) Judikaturverzeichnis. Hier wäre eine einheitlichere formale Gestaltung der Festschrift wünschenswert gewesen.

Gerade für den aktuellen arbeitsrechtlichen Diskurs besonders relevant ist der Beitrag von Mader zur E des OGH8 ObA 10/16b. Hier wurde die Anmeldung einer Insolvenzforderung vom Höchstgericht als gleichzeitige Ausübung des Wahlrechts nach verpönter Kündigung wegen Betriebsübergang qualifiziert. Mader analysiert diese E und kommt zu dem – mE völlig richtigen – Ergebnis, dass eine derartige Vorgehensweise nicht nur zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führt, sondern auch inhaltlich falsch ist. Allerdings qualifiziert Mader, wie auch schon der OGH, die Forderungsanmeldung der AN als Willenserklärung. In einem nächsten Argumentationsschritt bestreitet sie, dass diese Erklärung auf die Ausübung eines Wahlrechts gerichtet war. Viel unproblematischer (und dogmatisch überzeugender) ist hier jedoch der Rückgriff auf eine Lehrmeinung von F. Bydlinski (Willens- und Wissenserklärungen im Arbeitsrecht, ZAS 1976, 94). Dieser geht nämlich davon aus, dass man Äußerungen des AN in Zusammenhang mit unwirksamen Beendigungserklärungen gerade nicht als Willenserklärungen qualifizieren darf. Im Regelfall ist dem AN nämlich überhaupt nicht bewusst, dass die Auflösung unwirksam und das Arbeitsverhältnis aufrecht ist. Macht dieser AN nun Beendigungsansprüche geltend, klagt er zB auf die Auszahlung der Abfertigung alt, so tut er dies im Vertrauen auf eine gültige Beendigungserklärung durch den AG. Hätte er hingegen gewusst, dass die Beendigung unwirksam ist, hätte er uU gerade nicht die Abfertigung eingefordert. Aus diesem Grund handelt es sich bei derartigen Äußerungen eben nicht um Willens-, sondern um Wissenserklärungen. Deshalb kann die Forderungsanmeldung der AN in der besprochenen Ausgangsentscheidung nicht als eine Ausübung des Wahlrechts qualifiziert werden, da diese in Unkenntnis vom Betriebsübergang und damit der unwirksamen Beendigungserklärung ergangen ist.

An dieser Stelle ebenfalls hervorgehoben werden soll der Beitrag von Sundl. Dieser beschäftigt sich auf den ersten Blick mit zwei bereits „angejahrten“ Entscheidungen des OGH aus 1991 bzw 2001. Die im Rahmen des Aufsatzes angestellten grundlegenden Überlegungen zur Frage, ob bzw welche Schadenersatzansprüche des AN auch Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis iSd § 1 Abs 2 Z 2 IESG darstellen können, beschäftigen das Höchstgericht jedoch auch in jüngster Zeit (vgl zB OGH 20.12.2017, 8 ObS 12/17y). Schon aus diesem Grund lohnt sich die Lektüre dieses Beitrags, lehnt Sundl doch die Ansicht des OGH ab, wonach § 1 Abs 2 Z 2 IESG Ansprüche vor dem vorgesehenen Arbeitsbeginn dezidiert ausschließe, weil diese keine „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ seien. Hier weist Sundl mE richtigerweise darauf hin, dass sich die Frage, ob eine Schadenersatzleistung als „in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis“ stehend zu qualifizieren ist oder nicht, wohl nicht ausschließlich mit dem erfolgten oder eben noch nicht erfolgten Arbeitsantritt des AN beantworten lässt. Vielmehr sei der Zweck der Leistung zu eruieren und zu bewerten. Wenn der OGH nun beispielsweise die Kündigungsentschädigung als zu sichernde Forderung nach § 1 Abs 2 Z 2 IESG qualifiziert, so muss der Scha-96denersatz bei Rücktritt vom Arbeitsvertrag, der ja den gleichen Zweck verfolgt und methodisch sehr ähnlich gestaltet ist, ebenfalls gesichert sein.

Alles in allem kann die Festschrift für Personen, die am arbeitsrechtsbezogenen Insolvenzrecht interessiert sind bzw dieses auch für ihre tägliche Arbeit benötigen, diverse interessante Einblicke bieten, werden doch viele verschiedene Aspekte desselben beleuchtet.