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Zum Unfallversicherungsschutz eines selbständig erwerbstätigen Schwarzarbeiters

RUDOLFMÜLLER (WIEN/SALZBURG)
  1. Erleidet eine nach § 2 Abs 1 Z 1 GSVG als Mitglied der Wirtschaftskammer versicherte Person bei einer selbständigen Erwerbstätigkeit, die außerhalb des Umfangs ihrer Gewerbeberechtigung liegt, einen Arbeitsunfall, dann ist zu prüfen, ob die zum Unfall führende Tätigkeit die Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG und damit einen Versicherungsschutz nach § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG begründete.

  2. Ist das Bestehen einer Pflichtversicherung strittig, dann ist die Beurteilung dieser Frage, die im Verwaltungsverfahren gem § 355 ASVG den Gerichten entzogen; das Verfahren ist gem § 74 Abs 1 ASGG zu unterbrechen, und die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens über das Bestehen einer Pflichtversicherung beim zuständigen Träger anzuregen.

Der Kl kippte am 5.10.2015 mit seinem Mini-Bagger bei Planierarbeiten über eine Böschungskante. Er [...] wurde derart schwer verletzt, dass sein rechtes Bein im Bereich des Oberschenkels amputiert werden musste. [...] Für den Zeitraum vom 6.12.2015 bis 1.4.2016 betrug die medizinische Minderung der Erwerbsfähigkeit 100 %. Ab 2.4.2016 liegt medizinisch eine vorläufige Minderung der Erwerbsfähigkeit von 70 % vor. Nach sechs bis zwölf Monaten ab Ende der unfallbedingten Heilbehandlung (1.4.2016) ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eine medizinische Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 % zu erwarten. Die Folgen des Unfalls sind noch nicht endgültig abschätzbar. Der Kl betreibt mit Gewinnabsicht das nicht protokollierte Einzelunternehmen „P*“ in *. Zum Unfallszeitpunkt hatte er eine am 5.11.2005 erteilte Gewerbeberechtigung für das „Baumeistergewerbe, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten, beschränkt auf die Ausführung von Innen- und Außenputz- sowie Vollwärmeschutz-Arbeiten“. Der Kl verfügte zu keinem Zeitpunkt über eine umfassendere Gewerbeberechtigung in Bezug auf das Baumeistergewerbe.

Bereits seit dem Jahr 1997 ist der Kl selbständig tätig (Baugeräteverleih). Über die Homepage „www.*“ bot der Kl neben Verputz- und Sanierungsarbeiten sowie thermischen Sanierungen ua folgende Leistungen an:

  • „–

    Tiefbau

  • Maurer und Maurerarbeiten45

  • Stiegenbau/Gewendelt/Gerade

  • Gewölbebau/Kreuzrippen/Tonnen/Kappen/Spitzgewölbe

  • Brückenbau

  • Straßen und Wegebau

  • Erdbau

  • Hangsanierung

  • Abbrucharbeiten/Rückbau/Recycling [...].“

Der Kl verrichtete seit seiner Selbständigkeit Arbeiten, die er auf seiner Homepage auch anbot. Mit dem Mini-Bagger führt der Kl seit ca 15 Jahren Erdarbeiten aus. [...]

Für die von ihm erbrachten Leistungen legte der Kl auch Rechnung an seine Auftraggeber über 7.425 € (inkl 20 % USt).

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25.11.2015 lehnte die bekl AUVA [Allgemeine Unfallversicherungsanstalt] die Anerkennung des Unfalls des Kl als Arbeitsunfall ab, weil die von ihm durchgeführten Arbeiten in keinem Zusammenhang mit seiner aufrechten Gewerbeberechtigung stünden.

Mit seiner gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Klage begehrte der Kl die Feststellung, dass es sich bei dem Unfall vom 5.10.2015 um einen Arbeitsunfall gem § 175 ASVG handle, sodass die Bekl verpflichtet sei, dem Kl die sich hieraus ergebenden gesetzlichen Leistungen zu gewähren. Bei den vom Kl verrichteten Planierarbeiten handle es sich um Nebenleistungen eines Bauunternehmers, der Unfall habe sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignet. Gem § 175 Abs 6 ASVG schlösse selbst ein verbotswidriges und damit rechtswidriges Handeln die Annahme eines Arbeitsunfalls nicht aus. Die vom Kl verrichteten Arbeiten dienten unmittelbar der Aufrechterhaltung, Förderung und Abwicklung von dessen selbständiger Existenz. Maßgeblich für die Frage, ob ein Versicherungsschutz zu gewähren sei, sei – unabhängig vom Vorliegen einer Gewerbeberechtigung für diesen Bereich – alleine das Verhalten des Kl in Ausübung der Erwerbstätigkeit.

Die Bekl wandte dagegen ein, dass der Kl [...] zu den ihm in Auftrag gegebenen Sanierungsarbeiten mangels entsprechender Gewerbeberechtigung nicht befugt gewesen [sei], weshalb kein Versicherungsschutz aus der gesetzlichen UV bestehe.

Das Erstgericht sprach aus, dass der Anspruch des Kl auf Versehrtenrente von 5.1.2016 bis 1.4.2016 mit 100 vH der Vollrente und auf vorläufige Versehrtenrente ab 2.4.2016 mit 70 vH der Vollrente jeweils samt Zusatzrente in Höhe von 50 vH der Versehrtenrente dem Grunde nach zu Recht bestehe. [...]

Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass der Kl zum Unfallzeitpunkt „neuer“ Selbständiger gem § 2 Abs 1 Z 4 GSVG gewesen und daher gem § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG unfallversichert gewesen sei. Der Kl sei selbständig und nachhaltig mit Gewinnerzielungsabsicht unternehmerisch tätig gewesen. Die von ihm erzielten Einkünfte seien steuerrechtlich als solche aus Gewerbebetrieb gem § 23 EStG 1988 zu werten, dafür komme es auf das Vorliegen einer Gewerbeberechtigung nicht an. Die Arbeiten des Kl an der Sanierung der Mauer hätten der Aufrechterhaltung seiner Existenz gedient, sodass Unfallversicherungsschutz bestehe.

Das Berufungsgericht gab der von der Bekl gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts. [...]

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei, weil die hier zu klärenden Rechtsfragen trotz Fehlens einer Rsp des OGH bereits aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes zu lösen seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Bekl, mit der diese die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt.

In der ihm vom OGH freigestellten Revisionsbeantwortung beantragte der Kl die Zurück-, hilfsweise die Abweisung der Revision.

[Der OGH hat die außerordentliche Revision zugelassen, das Revisionsverfahren unterbrochen „bis über die Vorfrage der Versicherungspflicht des Kl in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG zum Unfallzeitpunkt am 5. Oktober 2015 als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen einschließlich eines allenfalls anhängig gewordenen Verwaltungsgerichtshofverfahrens rechtskräftig entschieden worden ist“ und bei der SVA {Sozialversicherungsanstalt} der gewerblichen Wirtschaft die Einleitung des Verfahrens in Verwaltungssachen angeregt.]

Rechtliche Beurteilung

[...]

1. Gem der nach § 194 GSVG auch für den Bereich dieses Bundesgesetzes anzuwendenden Bestimmung des § 355 Z 1 ASVG gehört ua die Feststellung der Versicherungspflicht zu den Verwaltungssachen. Gem § 74 Abs 1 ASGG ist auch in einer Rechtsstreitigkeit gem § 65 Abs 1 Z 1 ASGG, wie sie hier vorliegt, dann, wenn ua die Versicherungspflicht (§ 355 Z 1 ASVG) als Vorfrage strittig ist, das Verfahren zu unterbrechen, bis über diese Vorfrage als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen rechtskräftig entschieden worden ist, dies einschließlich eines allenfalls anhängig gewordenen Verwaltungsgerichtshofverfahrens. Ist im Zeitpunkt der Unterbrechung des Verfahrens noch kein Verfahren in Verwaltungssachen anhängig, so hat das Gericht die Einleitung des Verfahrens beim zuständigen Versicherungsträger anzuregen. Eine solche Unterbrechung ist auch vom Rechtsmittelgericht anzuordnen (10 ObS 180/08f, SSV-NF 23/16 mwN).

2. Entscheidend für den Versicherungsschutz ist bei selbständig Erwerbstätigen, ob ein Arbeitsunfall im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit einem Verhalten steht, das sich als Ausübung der die Versicherung begründenden Erwerbstätigkeit darstellt (10 ObS 108/08t, SSV-NF 22/59; 10 ObS 178/12t, SSV-NF 27/6; RIS-Justiz RS0084368). Im vorliegenden Fall ist nicht zweifelhaft, dass der Kl zum Unfallzeitpunkt subjektiv und objektiv einer Erwerbstätigkeit nachging. Bei Selbständigen regeln berufsrechtliche Bestimmungen die Erwerbstätigkeit, daneben bleibt ein weiter Bereich, der auf freiem Willensentschluss des Unternehmers beruht. Als Ausübung der Erwerbstätigkeit werden alle jene Tätigkeiten angesehen, die unmittelbar der Aufrechterhaltung, Förderung46und Abwicklung der selbständigen Existenz dienen (10 ObS 3/12g, SSV-NF 26/7 ua). Die nähere Ausgestaltung seiner Erwerbstätigkeit muss dem Selbständigen selbst überlassen bleiben (Tomandl in Tomandl, SV-System [13. ErgLfg], 2.3.2.3.1.2., [280]).

3.1 Der Unfallversicherungsschutz der in der UV teilversicherten selbständig Erwerbstätigen wird nach § 8 Abs 1 Z 3 lit a erster Gedankenstrich ASVG durch die Mitgliedschaft zu einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft erworben. Er erstreckt sich daher auf Tätigkeiten, die in einem inneren Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb stehen, der die Grundlage der Kammermitgliedschaft bildet (9 ObS 8, 9/87, SSV-NF 1/14, RIS-Justiz RS0083633). Die unbefugte Gewerbeausübung oder andere Tätigkeiten eines Gewerbetreibenden, die von der Gewerbeberechtigung nicht umfasst sind, bleiben daher ungeschützt (10 ObS 2111/96f, SSV-NF 10/52; 10 ObS 3/12g; 10 ObS 178/12t; RIS-Justiz RS0083617; Tomandl in Tomandl, SV-System [25. ErgLfg], 2.3.2.3.1.2., [281]).

3.2 Die Bekl weist daher in ihrer Revision zutreffend darauf hin, dass die mit der Erteilung der Gewerbeberechtigung erworbene Kammermitgliedschaft nicht generell für alle gewerblichen Tätigkeiten einen Unfallversicherungsschutz begründet. Eine von seiner Gewerbeberechtigung umfasste Tätigkeit übte der Kl im Unfallzeitpunkt nach den Feststellungen nicht aus. Auf seine – im Verfahren nicht näher präzisierte (vgl § 32 GewO 1994) – Behauptung, die von ihm im Unfallzeitpunkt ausgeübten Tätigkeiten seien als Nebenleistungen eines Bauunternehmers von seiner Gewerbeberechtigung mitumfasst gewesen, kommt der Kl in seiner Revisionsbeantwortung nicht zurück, sondern hält auch dort an seinem bereits im Verfahren erster Instanz eingenommenen Standpunkt fest, dass im vorliegenden Fall Unfallversicherungsschutz unabhängig von einer allfälligen Gewerbeberechtigung vorliege (ON 7).

4.1 Die Beurteilung des vom Kl in diesem Verfahren geltend gemachten Anspruchs hängt entscheidend von der – strittigen – Vorfrage ab, ob für ihn zum Unfallzeitpunkt infolge seiner festgestellten betrieblichen Tätigkeit Versicherungspflicht gem § 2 Abs 1 Z 4 GSVG bestand. Ob der Kl für die von ihm im Unfallzeitpunkt ausgeübte Erwerbstätigkeit eine Gewerbeberechtigung benötigt hätte, kann nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden. Darauf kommt es allerdings nicht an. Denn nach der Rsp kann selbst der ohne Gewerbeschein selbständig erwerbstätige „Schwarzarbeiter“ als sogenannter „neuer Selbständiger“ iSd § 2 Abs 1 Z 4 GSVG nach § 8 Abs 1 Z 3 lit a zweiter Gedankenstrich ASVG unfallversichert sein (10 ObS 11/12h, SSV-NF 26/9 = RIS-Justiz RS0127648; VwGH2005/08/0082; Müller in SV-Komm [162. Lfg] § 176 Rz 132).

4.2 Die Pflichtversicherung als „neuer“ Selbständiger hängt nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG vom Vorliegen einer selbständigen betrieblichen Erwerbstätigkeit ab, aus der Einkünfte iSd § 22 Z 1-3 und 5 und (oder) § 23 EStG 1988 erzielt werden, wenn aufgrund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits die Pflichtversicherung nach dem GSVG oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist. Die Pflichtversicherung als „neuer“ Selbständiger ist daher weitgehend subsidiär sowohl gegenüber einer Pflichtversicherung nach dem ASVG als auch gegenüber einer bereits eingetretenen Pflichtversicherung gem § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 GSVG (vgl die Fallbeispiele bei Teschner, GSVG [79. ErgLfg] § 2 Anm 15a).

4.3 Gem § 2 Abs 1 Z 4 Satz 2 GSVG ist, solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, dass seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach dem GSVG unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (§ 4 Abs 1 Z 5 oder Z 6 GSVG) übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist gem § 2 Abs 1 Z 4 Satz 3 GSVG der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheids (nach Maßgabe des jeweiligen steuerlichen Ergebnisses der Erwerbstätigkeit, VwGH2003/08/0160), aus dem die Versicherungsgrenzen übersteigende Einkünfte der im § 2 Abs 1 Z 4 GSVG genannten Art hervorgehen (VwGH2011/08/0351; VwGH2013/08/0082), im Nachhinein festzustellen. Die UV der nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG pflichtversicherten Personen knüpft an den Beginn der Pflichtversicherung in der KV und PV nach dem GSVG an (§ 10 Abs 2 Satz 1 GSVG; Neumann in SV-Komm [84. Lfg] § 2 GSVG Rz 74; ErläutRV 937 BlgNR 24. GP 4).

4.4 Voraussetzung für eine Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG ist, dass eine betriebliche Tätigkeit aufgenommen wurde und diese im zu beurteilenden Zeitraum (noch) vorliegt (VwGH2013/08/0035 mwH). [...] Für die Frage der Versicherungspflicht kommt es dabei auch auf die Herkunft der Einkünfte eines Unternehmens an: Stammen diese aus einer Tätigkeit des Unternehmens, die im Rahmen einer – wenn auch ruhend gestellten – Gewerbeberechtigung ausgeübt wurde, begründen sie die Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 1 (oder Z 2) GSVG. Stammen sie aus unbefugter Gewerbeausübung, begründen sie die Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG (VwGH2008/08/0134; VwGH2010/08/0145; VwGH2011/08/0339). Nach den bisherigen Verfahrensergebnissen steht nicht fest, ob der Kl eine Versicherungserklärung gem § 2 Abs 1 Z 4 GSVG abgegeben hat. Auch ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid liegt in diesem Verfahren bislang nicht vor. Letztlich kann dies hier zunächst dahingestellt bleiben:

4.5 Die Frage, ob der Kl im Unfallzeitpunkt gem § 2 Abs 1 Z 4 GSVG in der KV und PV pflichtversichert war und daher auch eine UV bestand, ist nicht von den (ordentlichen) Gerichten zu entscheiden, weil sie zu den Verwaltungssachen gehört (vgl §§ 194, 194a GSVG), über die der zuständige Versicherungsträger (§ 194 GSVG iVm § 409 ASVG) mit Bescheid zu entscheiden hat (vgl 10 ObS 132/99f, SSV-NF 13/96 mwN). Da es im Anlassfall zunächst47um diese strittige Vorfrage geht, ist das Verfahren daher nach § 74 Abs 1 ASGG zu unterbrechen. Weil derzeit ein solches Verfahren nach der Aktenlage nicht anhängig ist, hat der OGH die Einleitung des Verfahrens bei der für diese Frage zuständigen SVA der gewerblichen Wirtschaft anzuregen. Nach rechtskräftiger Entscheidung der Vorfrage ist das unterbrochene Revisionsverfahren von Amts wegen aufzunehmen (10 ObS 173/12g, SSV-NF 27/4). [...]

ANMERKUNG
1.
Das Problem

Der OGH hat die „spielentscheidende Frage“, ob der Kl im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls als neuer Selbständiger gem § 2 Abs 1 Z 4 GSVG versichert gewesen ist, dem Verwaltungsverfahren nach § 355 Z 1 ASVG bzw (allenfalls) der Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Entscheidung überlassen müssen. Dazu zwingt ihn § 74 Abs 1 ASGG: Ist in einer Rechtsstreitigkeit nach § 65 Abs 1 Z 1, 4 oder 6 bis 8 ASGG die Versicherungspflicht, die Versicherungsberechtigung, der Beginn oder das Ende der Versicherung (§ 355 Z 1 ASVG), die maßgebende Beitragsgrundlage oder die Angehörigeneigenschaft (§ 410 Abs 1 Z 7 ASVG) als Vorfrage strittig, so ist das Verfahren zu unterbrechen, bis über diese Vorfrage als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen rechtskräftig entschieden worden ist, dies einschließlich eines allenfalls anhängig gewordenen Verwaltungsgerichtshofverfahrens. Einen Streit über die Versicherungszuständigkeit in der UV müsste mangels einer Zuständigkeit des Bundesministers gem § 412 Abs 1 ASVG (vor dem 1.1.2014 des Landeshauptmanns gem § 413 Abs 1 Z 2 ASVG) die Gerichtsbarkeit als bloßes Tatbestandsmoment des Schutzbereichs selbst entscheiden (also etwa die Frage, ob ein gleichgestellter Arbeitsunfall nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG oder ein Arbeitsunfall nach dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG) vorliegt – vgl VwGH 1990/VwSlg 13.327A und VwGH 17.12.1991, 89/08/0100). Dies betrifft aber nur Fälle, in denen strittig ist, ob ein Sachverhalt entweder in eine bestehende Pflichtversicherung fällt oder unter einen Tatbestand, der das Bestehen einer Pflichtversicherung nicht voraussetzt (wie zB jene nach § 176 Abs 1 Z 2-7), denn in all diesen Fällen ist nicht die Versicherungspflicht strittig.

2.
§ 175 Abs 6 ASVG und Schutzbereich

Hier haben wir es hingegen bei unstrittiger Zuständigkeit der AUVA mit der Frage zu tun, ob überhaupt ein Arbeitsunfall in einer selbständigen Erwerbstätigkeit vorliegt. ME haben alle Instanzen zutreffend das Vorliegen eines Arbeitsunfalls als Gewerbetreibender nach § 2 Abs 1 Z 1 GSVG wegen Überschreitung des durch die gewerberechtliche Befugnis abgesteckten Rahmens der versicherten Tätigkeit verneint. Die Argumentation des Kl, verbotswidriges Verhalten (womit hier gemeint ist: gegen das Gewerberecht verstoßendes Verhalten) schlösse gem § 175 Abs 6 ASVG das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nicht aus, liegt neben der Sache, richtet sich doch der Schutzbereich bei selbständigen Erwerbstätigkeiten in erster Linie nach berufsrechtlichen Bestimmungen, hier also nach dem Umfang der Gewerbeberechtigung. Zum Schutzbereich zählen zwar auch noch angelagerte Tätigkeiten, die der „Aufrechterhaltung, Förderung und Abwicklung der selbständigen Existenz“ dienen (vgl etwa OGH10 ObS 79/90 SSV-NF 4/32 uva), also dem Unternehmen dienende Tätigkeiten, wie Werbung, Kundendienst, bestimmte unternehmensnahe Gefälligkeitsdienste oder sonstige Maßnahmen zur Pflege des Ansehens des Unternehmens (vgl R. Müller in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 175 Rz 95 ff). Um all das geht es hier aber nicht: Denn die Berufsberechtigung des Kl war auf die Ausführung von Innen- und Außenputz sowie Vollwärmeschutz-Arbeiten beschränkt, wohingegen er (offenbar seit Jahren) nach den aus der Urteilsbegründung ersichtlichen Feststellungen alle möglichen Arten von Bauarbeiten anbietet und durchführt, vom Tiefbau bis zu Hangsanierungen. Verbotswidriges Verhalten schließt also zwar einen Arbeitsunfall nicht aus, aber es begründet für sich allein auch nicht dessen Vorliegen, wenn die Tätigkeit außerhalb des Schutzbereiches der UV liegt. Da sich der Unfall bei Erdarbeiten mit einem Minibagger ereignet hat, also zweifelsfrei weder bei Verputzarbeiten noch bei damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten, kommt ein Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Z 1 GSVG nicht in Betracht.

3.
Mögliche Versicherungspflicht als Neuer Selbständiger

Für den Kl glücklicherweise hat der Gesetzgeber 1998 im Zuge der Einbeziehung aller Einkunftsarten in die Pflichtversicherung zwecks Lückenschließung bei den selbständigen Erwerbstätigkeiten § 2 Abs 1 Z 4 GSVG eingeführt. Die Besonderheit dieses Pflichtversicherungstatbestandes liegt darin, dass es sich zwar um eine Erwerbstätigkeit (iS einer betrieblichen Tätigkeit) handeln muss, es aber entscheidend nicht auf eine bestimmte Tätigkeit, sondern darauf ankommt, welche Art von Einkünften mit dieser Tätigkeit erzielt wird, nämlich solche gem § 22 Z 1-3 und 5 (Einkünfte aus selbständiger Arbeit, ausgenommen Bezüge und Vorteile aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen) oder solche nach § 23 EStG 1988 (Einkünfte aus Gewerbebetrieb). Da auch Einkünfte, die bei einer gewerblichen Tätigkeit ohne zugrunde liegende gewerberechtliche Befugnis erzielt werden, nach § 23 EStG 1988 zu versteuern sind, führen also auch solche Einkünfte aus verbotenen Tätigkeiten bei Überschreiten der Versicherungsgrenze (hier aufgrund der weiteren pflichtversicherten Tätigkeit der „kleinen Versicherungsgrenze“ iSd § 4 Abs 1 Z 6 GSVG in der der bis 31.12.2015 geltenden Fassung 2015: € 4.871,76) zur Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG, wie der OGH zutreffend ausführt (ebenso Neumann in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 2 GSVG Rz 47).48

Allerdings gilt diese Versicherungsgrenze für „sämtliche der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten“. Die Beitragspflicht nach § 2 Abs 1 Z 1 GSVG hängt zwar bekanntlich nicht davon ab, ob Einkünfte erzielt werden; bei Verlusten oder geringfügigen Einkünften sind Beiträge eben von der Mindestbeitragsgrundlage (§ 25 Abs 4 GSVG) zu entrichten. Bestand aber für 2015 eine Beitragspflicht als Kammermitglied nach § 2 Abs 1 Z 1 GSVG als befugter Gewerbetreibender auf Grundlage einer die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden Beitragsgrundlage, dann kommt es für die Pflichtversicherung in der anderen (gewerbefremden) Tätigkeit nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG nicht mehr darauf an, ob auch in dieser Beschäftigung die Geringfügigkeitsgrenze überschritten wurde. Dann besteht jedenfalls auch Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG und damit Versicherungsschutz in der UV.

4.
Ausschluss des Versicherungsschutzes aus anderen Gründen

Die Verfahrensunterbrechung nach § 74 Abs 1 ASGG wäre freilich entbehrlich gewesen, wenn aus anderen Gründen feststünde, dass am Unfallstag keine Pflichtversicherung bestanden hat, etwa wenn die Pflichtversicherung erst mit der Meldung der versicherten Tätigkeit begänne. Aber auch das ist hier nicht der Fall:

Die nach § 2 GSVG in der KV und PV versicherten Personen sind in die Teilversicherung in der UV gem § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG einbezogen. Die Pflichtversicherung in der UV beginnt für die gem § 2 Abs 1 Z 4 GSVG versicherten Personen gem § 10 Abs 2 erster Satz ASVG mit dem Tag, an dem die Pflichtversicherung in der KV und PV nach dem GSVG beginnt. Das ASVG verweist in dieser Frage also auf das GSVG.

Gemäß dem hier allein einschlägigen § 6 Abs 4 Z 1 GSVG (alle Fassungen des ASVG und des GSVG beziehen sich auf 2015) beginnt bei den nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG versicherten Personen die Pflichtversicherung in der KV und PV „mit dem Tag der Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit; hat jedoch der Versicherte die Meldung nicht innerhalb der Frist gemäß § 18 erstattet, mit Beginn des Kalenderjahres, in dem die Einkünfte die Grenzen des § 25 Abs. 4 übersteigen, es sei denn, der Versicherte macht glaubhaft, daß er die betriebliche Tätigkeit zu einem späteren Zeitpunkt begonnen hat“.

Entsprechende Einkünfte vorausgesetzt, wäre der Kl also für das gesamte Jahr 2015 der Pflichtversicherung auch in der UV unterlegen. Die ursprüngliche in § 54 Abs 2 zweiter Satz GSVG und ohnehin nur für die KV (nicht aber die UV und PV) vorgesehen gewesene Einschränkung des Leistungsanspruchs auf Zeiträume ab Erstattung der Meldung nach § 18 GSVG wurde bekanntlich vom VfGH aufgehoben (VfGH 2005/VfSlg 17.595).

Einen möglichen Einwand gilt es noch abzuarbeiten: Nach § 6 Abs 4 Z 2 GSVG beginnt nämlich bei Personen, bei denen die Ausübung der betrieblichen Tätigkeit von einer berufsrechtlichen Berechtigung abhängt, mit dem Tag der Erlangung der maßgeblichen Berechtigung. Man könnte jetzt auf die Idee kommen, dass bei gewerblicher Schwarzbeschäftigung, dh bei einer gewerblichen Tätigkeit ohne die erforderliche Berufsberechtigung, die Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG nie beginnen kann, weil die erforderliche Berechtigung nicht vorliegt. Dagegen spricht freilich, dass von der Systematik des Gesetzes her zuerst ein Pflichtversicherungstatbestand nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG verwirklicht sein muss (also das Vorliegen einer betrieblichen Tätigkeit mit bestimmten Einkunftsarten) und dass erst auf dieser Grundlage – also gedanklich nachgeschaltet – § 6 Abs 4 GSVG anzuwenden ist. Es geht daher bei Z 2 dieser Bestimmung nur um Berechtigungen, die erforderlich sind, um eine Tätigkeit nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG auszuüben (wie zB Berufsberechtigungen bei Freiberuflern, die dem GSVG, allenfalls auch im Wege des Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetzes [FSVG] unterliegen, wie Ziviltechniker), nicht aber um andere Berechtigungen, deren Vorliegen die Pflichtversicherung nach einer anderen Ziffer des § 2 GSVG auslösen würde. Bei „Winkelschreibern“, also Personen, die – ohne in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen zu sein – Tätigkeiten ausüben, die den Rechtsanwälten vorbehalten sind, könnte diese Einschränkung freilich greifen und den Eintritt des Schutzes der UV gegebenenfalls verhindern.

5.
Ergebnis

Dies bedeutet für unseren Kl also im Ergebnis, dass es ihm beim Versicherungsschutz in der UV nicht schadet, die gewerbefremde Tätigkeit vor 2015 nicht gemeldet zu haben. Er hat nämlich jedenfalls dann einen geschützten Arbeitsunfall erlitten, wenn sich herausstellt, dass sein Einkommensteuerbescheid für 2015 insgesamt (also unter Einschluss der Einkünfte aus der Tätigkeit als Gewerbetreibender) Einkünfte nach § 23 EStG 1988 ausweist, welche die Versicherungsgrenze (€ 4.871,76 im Jahr 2015) überschritten haben.

Der Unterbrechungsbeschluss des OGH ist verfahrensrechtlich daher angezeigt. De lege ferenda wäre freilich zu überlegen, ob man aus Gründen der Verfahrensvereinfachung den Sozialgerichten nicht die Vorfragenbeurteilung in derartigen Fällen getrost überlassen könnte. Komplizierte Abwägungen sind hier kaum erforderlich und in ganz seltenen Fällen, in denen später eine anders lautende Hauptfragenentscheidung über die Versicherungspflicht ergehen mag, böte gegebenenfalls die Wiederaufnahme des Leistungsverfahrens ein ausreichendes Vehikel.49