Wir müssen der Jugend mehr Rechte zusprechen“ – Bemerkungen zur Geschichte der innerbetrieblichen Mitbestimmung von Jugendlichen

 SABINELICHTENBERGER (WIEN)
1.
Ausgangslage

Die Jahre der Gewalt- und Terrorherrschaft der NationalsozialistInnen und der von ihnen ausgelöste Weltkrieg brachte Millionen von Toten. Die im Frühjahr 1945 wiedererstandene Republik Österreich war wie auch der Rest der Welt von Zerstörungen, Not und Elend gekennzeichnet. Lebensmittel waren knapp, Wohnungen, Fabriken und Verkehrsverbindungen zerstört. Tausende KriegsheimkehrerInnen und Flüchtlinge prägten das Alltagsbild. Für die Jugendlichen, oft Waise oder Halbwaise, waren der Hunger und die Wohnungsnot die Hauptprobleme. Gab es bislang nur „Schutzgesetze“ für die jugendlichen AN, so kam es nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zu einem ersten Umdenken betreffend den Umgang mit den Jugendlichen. Gesellschaftlich wurden die „g‘sunde Watschn“ und „autoritärer Drill“ kaum in Frage gestellt, von Mitbestimmung gar nicht zu reden. Dennoch verlangte die Österreichische Gewerkschaftsjugend (ÖGJ), dass Bestimmungen über die betriebliche Mitbestimmung von Jugendlichen in das 1947 beschlossene Betriebsrätegesetz (BRG) oder in das 1948 beschlossene „Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz“ aufgenommen werden sollten. Dies stieß jedoch auf vehementen Widerstand der UnternehmerInnen und musste daher fallen gelassen werden.* Im BRG gab es in Bezug auf die Jugendlichen die Bestimmung, dass DN, die am Tag der Wahlausschreibung das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, vom passiven Wahlrecht und jugendliche DN, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, auch vom aktiven Wahlrecht zum BR ausgeschlossen sind. Damit fehlte den jugendlichen AN de facto die Möglichkeit, auf die Zusammensetzung und damit auf die Tätigkeit der Betriebsvertretung Einfluss zu nehmen, obwohl dieser auch zur Vertretung ihrer Interessen berufen war.*

Die ersten Jugendvertrauensmännerwahlen fanden 1947 meist in Großbetrieben statt, also eher dort, wo es bereits starke Betriebsratsvertretungen gab und waren daher oft vom „guten Willen“ sowohl der BetriebsrätInnen, als auch der UnternehmerInnen abhängig. Waren doch weder die Jugendvertrauensmännerwahlen noch der gesetzliche Schutz der Jugendvertrauensräte gesetzlich verankert. Dieser wurde ab dem Zweiten Jugendkongress 1951 gefordert.* Ein Initiativantrag sozialistischer Abgeordneter 1955 zu den Jugendvertrauensmännerwahlen wurde im Parlament ebenso wenig behandelt wie zwei weitere. Ab 1957 wurde gefordert, das passive Wahlalter für Betriebsräte von 24 auf 21 Jahre zu senken – eine Forderung, die ebenfalls jahrelang wiederholt werden musste.* Auf dem 4. Bundeskongress des ÖGB 1959 fasste dieser den einstimmigen Beschluss über die Forderung nach gesetzlichem Schutz der Jugendvertrauensräte, gegen den sich bislang die christliche Fraktion gestellt hatte.*

Die Novellierung des BRG noch unter der Großen Koalition 1962 brachte die Herabsenkung des Wahlalters auf 21, was zwar seitens des ÖGB als auch der Gewerkschaftsjugend als großer Erfolg betrachtet wurde, der gesetzliche Schutz der JugendvertrauensrätInnen blieb aber weiterhin auf der Agenda, wie auch die Forderung der Herabsetzung des passiven Wahlalters bei Personalvertretungswahlen.*

2.
Geänderte gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen

Erst mit den Änderungen der gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen der 1960er und 1970er-Jahre, nicht zuletzt auch im Rahmen der Jugend- und StudentInnenbewegung, die zum Entstehen und Erstarken einer neuen Jugendkultur führte, kam es auch zu einem Umdenken im Umgang mit den Jugendlichen in der Arbeitswelt.* Als Ende 1970 vom BM für soziale Verwaltung ein Entwurf zur Novellierung des BRG ausgesendet wurde, verlangte die ÖGJ daher zum wiederholten Male die gesetzliche Anerkennung der Jugendvertrauensräte, was zu Stellungnahmen des ÖGB und165 des Österreichischen Arbeiterkammertages (ÖAKT) führte, die diese Forderung unterstützten und ebenfalls vom BM für soziale Verwaltung entsprechende Schritte forderten. Aufwind dazu brachte das sozialpolitische Programm der Regierung Bruno Kreisky ab 1970 mit den Regierungserklärungen vom 27.4.1970 und vom 5.11.1971. Demnach sollte dort, wo sich die Möglichkeit bieten würde, den VertreterInnen der jungen Generation ein „großes Maß an Mitsprachrecht“ eingeräumt werden. Auch in dem vom 27. bis 29.10.1970 stattgefundenen Arbeitsausschuss II, der sich mit der grundsätzlichen Frage beschäftigte, ob in den Betrieben Jugendvertrauensräte auf gesetzlicher Basis eingerichtet werden sollen, wurde diese Frage mit überwiegender Mehrheit bejaht.*

Im Frühjahr 1971 erarbeitete die ÖGJ nach Beratungen im Jugendvorstand und in der Jugendabteilung einen Entwurf zu einem Jugendvertrauensrätegesetz ( JVRG) und übermittelte diesen dem ÖGB und dem BM für soziale Verwaltung unter Ing. Rudolf Häuser. Gleichzeitig starteten FunktionärInnen der ÖGJ eine Unterschriftenaktion für das JVRG, bei der innerhalb von nur drei Monaten 51.243 Unterschriften gesammelt wurden.* Die Forderungen in Kürze: Schaffung eines JVRG, bei dem alle AN unter 18 Jahren JugendvertrauensrätInnen wählen können. Sie sollten einerseits für eine verstärkte Vertretung im Betrieb sorgen, aber auch die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen über den Jugendarbeitsschutz und die Berufsausbildung überwachen. Des Weiteren sollten sie ein Recht auf Bildungsfreistellung und einen Kündigungsschutz haben.*

Schließlich wurde im August 1971 vom BM für soziale Verwaltung ein Entwurf für ein „Bundesgesetz über betriebliche Jugendvertretungen“ zur Begutachtung ausgeschickt. In den erläuternden Bemerkungen zu diesem Entwurf wurde darauf hingewiesen, dass nach den Bestimmungen des BRG* DN, die am Tage der Wahlausschreibung das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, vom passiven Wahlrecht und jugendliche DN, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bislang vom aktiven Wahlrecht zum BR (Vertrauensmänner) ausgeschlossen waren, womit jugendlichen DN im Alter von 14 bis 18 Jahren keine Möglichkeit gegeben war, auf die Zusammensetzung noch auf die Tätigkeit der Betriebsvertretung Einfluss zu nehmen, obwohl diese wie schon betont, auch zur Vertretung ihrer Interessen berufen waren. Es sollte daher ein eigenes „Jugendvertrauensrätegesetz“ zur Vertretung der Interessen der Jugendlichen sowohl in wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Belangen beschlossen werden.* Denn, so heißt es in den Erläuternden Bemerkungen weiter „... in einer Zeit, in der auf wirtschaftlichem, politischem und gesellschaftlichem Gebiet der Jugend immer mehr Rechte eingeräumt werden (es sei nur an die Novellierung der Nationalratswahlordnung hinsichtlich der Herabsetzung des Wahlalters, die beabsichtigte Herabsetzung der Altersgrenze für die Erreichung der Volljährigkeit und die Bemühungen um eine Reform der Hochschulverfassung unter Mitwirkung der Studierenden erinnert), wäre es in der Tat unverständlich, gerade der berufstätigen Jugend im Betrieb jede Mitwirkung an der Gestaltung der Arbeitsbeziehungen zu versagen.*

3.
Die Stellungnahmen zum JVRG-Entwurf

Der JVRG-Entwurf wurde am 26.8.1971 einer Reihe von öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Organisationen, wie etwa dem Bundeskanzleramt, den Bundesministerien, den Landesregierungen, dem ÖAKT, dem ÖGB und dem ÖGB-Jugendreferat, der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, dem Österreichischen Städtebund, den Landwirtschaftskammern, den Österreichischen Apothekerkammern, der Österreichischen Hochschülerschaft, dem Österreichischen Bundesjugendring und anderen zur Begutachtung ausgeschickt; die Stellungnahme sollte bis spätestens 15.10.1971 erfolgen.* In der Stellungnahme des ÖAKT etwa heißt es, dass durch die Beteiligung der jugendlichen AN an der betrieblichen Interessenvertretung einen „notwendigen Schritt zur Vervollständigung einer demokratischen Betriebsverfassung und eine wertvolle Vorbereitung junger Menschen für die spätere Übernahme verantwortlicher Funktionen, insbesondere im Rahmen des Betriebsrates“ gemacht werden würde.*

Zu den BefürworterInnen des Entwurfes zählten die insgesamt 16 Jugendorganisationen, wie etwa die österreichische Gewerkschaftsjugend, der Österreichische Bundesjugendring, die Katholische Arbeiterjugend, der ÖGB und der ÖAKT und auch eine Reihe von Landesregierungen, Bundesministerien und gesetzliche Interessenvertretungen. Bedenken gegen das Gesetz kamen von den Organisationen der DG, die einerseits aus einer konservativen Grundhaltung heraus einem erweiterten Mitspracherecht der Jugendlichen skeptisch gegenüberstanden, aber unter den gegebenen Umständen dafür eintraten, dass Änderungen nur im Rahmen des bestehenden BRG getätigt werden und damit verhindert werden soll, dass mit dem JVRG ein zweites Vertretungsorgan im Betrieb installiert wird, so wie etwa die Ober österreichische und die Tiroler Landesregierung, die sich von der Novellierung des BRG eine weit größere Effektivität versprachen als von einem eigenen Gesetz für die Jugendlichen.* Um keine zweite Vertretungsschiene von AN zu166 ermöglichen, schlug die oberösterreichische Landesregierung daher vor, sowohl das aktive als auch das passive Wahlalter zu senken, vor allem um „... allfällige unerwünschte Begleiterscheinungen eines eigenen Vertretungskörpers für jugendliche Dienstnehmer“ weitgehend zu vermeiden und auch um die „Herbeiführung oder Stärkung von Gegensätzen zwischen jüngeren und älteren Dienstnehmern“ zu vermeiden.*

Von einem Nichtvertretensein der Jugendlichen könne ... gar nicht gesprochen werden“, lautete auch die Antwort der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern. Mit dem bisherigen Status quo wäre man dem allgemeinen Grundsatz, „daß die Interessen der Jugendlichen grundsätzlich von Erwachsenen wahrgenommen werden“, gefolgt und tritt ebenfalls für die Herabsetzung des Wahlalters, etwa auch auf Bundesebene, ein. Durch das JVRG allerdings würde, so lautet die Stellungnahme weiter, innerhalb eines Betriebes eine weitere DN-Organisation geschaffen werden, die zu „widersprüchlichen Ergebnissen“ führen und damit das „Finden eines Gesamtwillens der Belegschaft“ wesentlich komplizierter machen würde.*

Auf eine weitere Konsequenz im Falle der Installierung des JVRG wurde in der Stellungnahme der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern vom 22.10.1971 verwiesen: Demnach würden mit dem JVRG „die Jugendlichen darauf vorbereitet werden ..., in demokratisch errichteten Institutionen tätig zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Sie soll der Kaderheranbildung für den Nachwuchs der Gewerkschaft und Betriebsrates dienen“, obwohl „der Betrieb doch in erster Linie eine Organisationsform der Wirtschaft sei und seine Aufgabenstellung primär und hauptsächlich auf die Erreichung eines wirtschaftliches Erfolges ausgerichtet“ sein müsse.*

Die Stellungnahme der Bundeskammer der Gewerblichen Wirtschaft geht ebenfalls in diese Richtung: „Der historische Gesetzgeber hat die Jugendlichen wohl deswegen, weil sie noch nicht die erforderlichen Voraussetzungen für die Übernahme von Verantwortung im Betrieb erfüllen, vom aktiven und passiven Wahlrecht ausgeschlossen.* Wenn man ihnen mehr Rechte einräumen möchte, dann sollte man das Wahlrecht für das aktive und passive Wahlrecht herabsetzen und sie ihre Vertretungsaufgabe nur in Verbindung mit dem BR und nicht unmittelbar gegenüber dem Betriebsinhaber haben dürfen. Sie warnt in der Folge auch davor, dass nicht nur die „Einheitlichkeit“ der Belegschaftsvertretung gestört werden könnte, sondern eine konkurrierende Zuständigkeit der Jugendvertretung mit dem BR noch weitere „nichtabsehbare Folgewirkungen für andere Sonderinteressen (etwa die der Ausländer) nach sich ziehen, deren analoge Berücksichtigung“ man damit vermeiden könnte.* Daher ersucht die Bundeskammer für gewerbliche Wirtschaft das BM „dringend“ keine vom BR losgelösten Vertretungsbefugnisse für Jugendliche in Erwägung zu ziehen.* Nicht zuletzt wurden auch noch finanzielle Aspekte gegen des JVRG angeführt, wie etwa in der Stellungnahme der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern, die auf „eine zusätzliche Belastung, sowohl finanzieller Natur, als auch hinsichtlich des Arbeitsaufwandes der Betriebsleitung“ hingewiesen haben.* Kritik seitens der GegnerInnen hatte vor allem auch jene Bestimmung im JVRG-Entwurf, wonach unter bestimmten Voraussetzungen die zuständige Gewerkschaft berechtigt sei, eine Betriebsjugendversammlung einzuberufen, und daher die Möglichkeit gegeben sei, das Argument der AG, „die Jugendlichen eines Betriebes von außen her zu manipulieren, ... (und damit) ... eine Initialzündung für ein erfolgreiches Wirken einer Jugendvertretung auszulösen“.*

4.
Die „Aktion M – Wie Mitbestimmung“

Durch die Haltung des Bundesministers für soziale Verwaltung, Rudolf Häuser, zugleich auch Vorsitzender der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) und Vizekanzler, kamen all die Stellungnahmen der AG gegen die Ausweitung der betrieblichen Mitbestimmung von Jugendlichen nicht zum Tragen.* Dazu beigetragen hat die Aktion M (M wie Mitbestimmung) der Gewerkschaftsjugend, die sowohl von FunktionärInnen des Bundesjugendringes, BerufsschülerInnen und Jugendlichen aus Betrieben, aber auch von der Katholischen Arbeiterjugend unterstützt wurde und die innerhalb von wenigen Wochen mehr als 50.000 Unterschriften von Betrieben, auf der Straße, in Jugendklubs und bei verschiedenen Veranstaltungen gesammelt haben. Eine Aktion, die nicht zuletzt auch in der Öffentlichkeit großen Widerhall gefunden hat.*

Am 25.4.1972 verabschiedete schließlich der Ministerrat den Entwurf zum JVRG, womit der Entwurf den Weg ins Parlament gehen konnte. Der vorgelegte JVRG-Entwurf sah vor, dass jugendlichen DN, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und die daher bisher vom Wahlrecht bei der Betriebsratswahl ausgeschlossen waren, dass Recht eingeräumt werden sollte, eine eigene Jugendvertretung zu wählen. Weitere wesentliche Punkte des Gesetzes waren der Anspruch des Jugendvertrauensrates auf Bildungsfreistellung und die Überwachung von Arbeitsschutzbestimmungen.*167

5.
Die Debatte im Nationalrat am 8.7.1972

Die Debatte im Nationalrat am 8.7.1972 spiegelt im Wesentlichen die bereits in den Stellungnahmen vorgebrachten Pro- und Kontraargumente wider. Der Abgeordnete der SPÖ, Sepp Steinhuber, sah im JVRG nicht nur ein wichtiges, sondern „ein sehr bedeutendes Gesetz für die arbeitende Jugend“, weil bisher die Jugendlichen unter 18 Jahren vom aktiven Wahlrecht ausgeschlossen waren und dieser Gruppe daher die Möglichkeit genommen war, auf die Zusammensetzung des BR Einfluss zu nehmen.* Diese Regierungsvorlage sei daher, so Abgeordneter Sepp Steinhuber, „ein echter sozialer Fortschritt, weil hier genauso wie im Betriebsrätegesetz die Vertretung aus zwei Organen, nämlich der Betriebsjugendversammlung und dem Jugendvertrauensrat“ bestehen würde.* Vor allem betont er die Wichtigkeit der Zusammenarbeit zwischen dem BR und dem Jugendvertrauensrat, indem er auf einen Grundsatz des Gesetzes, nämlich der Mediatisierung verweist, also der Vermittlung des Jugendvertrauensrates durch den BR. Die Jugend hätte, so Abgeordneter Steinhuber, abschließend diesen Kampf um Mitbestimmung mit Recht geführt: „Wir müssen der Jugend mehr Rechte zusprechen, weil diese Jugend, unsere heutige Jugend, alles das durchmachen muß, wozu vergangene Generationen viel mehr Zeit hatten. Heute stürmt die Technik mit neuen Erfindungen auf den jugendlichen Dienstnehmer ein. Das Berufsleben ist ganz besonders in den modernen Großbetreiben so stark technisiert, daß der Arbeitsrhythmus des Jugendlichen nicht mehr von ihm selbst und, ich kann auch sagen, nicht mehr vom Meister, sondern einzig und allein von der Maschine bestimmt wird. So gesehen muß sich der jugendliche Arbeitnehmer in zweifacher Hinsicht unterordnen, nämlich der Technik und der Tatsache, daß bisher der berufstätigen Jugend im Betrieb jede Mitwirkung an der Gestaltung der Arbeitsbeziehungen versagt blieb.*

Der „Lobhudelei“ des Abgeordneten Steinhuber von der SPÖ konnte sich der Abgeordnete der ÖVP, Dr. Walter Schwimmer, nicht anschließen und betrachtete die Vorlage des JVRG „als ein markantes Beispiel dafür, wie man in der SPÖ Politik einer sehr guten Sache durch mangelhafte Vorbereitung und durch Unnachgiebigkeit einen schlechten Dienst erweisen kann“.* Er würde sich zwar grundsätzlich zum JVRG – laut Regierungsvorlage sozusagen eine „Schule der Demokratie“ – bekennen, kritisierte allerdings auch jene Passagen der Vorlage, denen zufolge, sofern eine Betriebsvertretung besteht, eine Betriebsjugendversammlung vom BR und jeder zuständigen Gewerkschaft einberufen werden kann.*

Der FPÖ-Abgeordnete Werner Melter kritisierte, dass die Jugendlichen auch durch das JVRG, bei dem es sich lediglich um ein „Scheingesetz“ und eine „Scheinlösung“ handeln würde, nur eine „äußerst beschränkte Möglichkeit der Mitwirkung“ haben würden, vielmehr wären sie durch das Gesetz „praktisch höchstens ein Beratungs-, in manchen Fällen vielleicht sogar ein Störungsorgan des Betriebsrates. Man kann den Jugendvertrauensrat etwa als ‚Beiwagen des Betriebsrates‘ bezeichnen. Dafür ein eigenes Gesetz zu schaffen sei nicht sinnvoll“.* Vor allem auch deshalb, weil der Jugendvertrauensrat „ja praktisch an die Bevormundung des Betriebsrates gebunden“ sei, „wogegen sich nicht nur die freiheitlichen Abgeordneten zur Wehr gesetzt [haben], sondern auch unsere Jugendbewegung“, betont Abgeordneter Melter weiter.*

Bezugnehmend auf eine Resolution, die in Zusammenarbeit mit dem Ring Freiheitlicher Jugend erstellt wurde, kritisierte er weiter, dass mit dem JVRG im Betrieb zwei Institutionen geschaffen würden, die den Generationenkonflikt schüren würden, was sich negativ auf die AN in einem Betrieb auswirken könnte. Daher trat er dafür ein, die Bestimmungen über das aktive und passive Wahlrecht im BRG entsprechend einem Initiativantrag der Freiheitlichen zu ändern, sprich das Alter für das passive Wahlrecht von 21 auf 19 Jahre herabzusenken, das Alter für das aktive Wahlrecht sollte unbeschränkt bleiben.* Eine Forderung, die den jugendlichen AN, wie der Abgeordnete Steinhuber entgegnete, insofern nichts bringen würde, „weil sie ja dann wieder keine direkte Vertretung von Gleichaltrigen hätten“ und damit auch weiterhin die Möglichkeit genommen wäre, auf die „Zusammensetzung des Betriebsrates Einfluß zu nehmen“.*

6.
Das JVRG-Gesetz – ein Gesetz ohne sachliche Notwendigkeit? ....

Am 9.7.1972* wurde das JVRG mit den Stimmen der SPÖ und ÖVP beschlossen, die FPÖ stimmte im Nationalrat dagegen. Durch das Gesetz wurde das bereits bestehende Betriebsverfassungsrecht erweitert und bot nunmehr jugendlichen AN, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und daher vom Wahlrecht bei der Betriebsratswahl ausgeschlossen sind, das Recht, eine eigene Jugendvertretung zu wählen. Sie hatten damit erstmals die Möglichkeit, die Einhaltung von Vorschriften des Jugendschutzes am Arbeitsplatz selbst168 zu überwachen und über Mängel den BR, die AG und notwendigenfalls auch das Arbeitsinspektorat zu informieren. Das neue Gesetz folgte sowohl im Aufbau als auch in der Struktur weitgehend dem BRG.* Der Geltungsbereich des JVRG sollte sich auf alle Betriebe, die dem BRG unterliegen und in denen dauernd mindestens fünf jugendliche AN unter 18 Jahre sind, erstrecken. Mit Ende 1972 wurde vom BM für soziale Verwaltung auch die Geschäftsordnung und die Wahlordnung erlassen, womit ab dem Jahr 1973 die Jugendvertrauensrätewahlen den Schwerpunkt der Arbeit der Gewerkschaftsjugend bildeten.*

Unter dem Titel „Gesetz ohne sachliche Notwendigkeit“ wurde in der Zeitschrift „Die Wirtschaft“ vom 12.9.1972 die Frage aufgeworfen, ob die „professionellen Jugendfunktionäre nun befriedigt“ sein mögen und ob „die Masse der jugendlichen Arbeitnehmer selbst darauf wirklich Wert legt und ob diese Lösung zweckmäßig“ sei.* Außerdem wurden die BetriebsrätInnen von den UnternehmervertreterInnen insofern bedauert, als ihnen nun „die jungen Revoluzzer ja nun gewaltig auf den Pelz rücken werden“ und daher der „soziale Frieden in den Betrieben in Gefahr sei“. Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft bot sich den BetriebsrätInnen als Unterstützung an.*

7.
... oder „Ein Meilenstein für die Mitbestimmung der Jugendlichen am Arbeitsplatz“

Seit 1.1.1973 ist das JVRG Teil des Arbeitsverfassungsgesetzes und damit anerkannter Teil des österreichischen Arbeitsrechts. In der Folge wurde das JVRG regelmäßig adaptiert, vor allem wenn es um die Erweiterung des Begriffs „jugendliche AN“ ging. Vor 2011 galten als Jugendliche in diesem Kontext AN bis zum 18. Lebensjahr, nun gehören auch alle Lehrlinge bis zum 21. Lebensjahr dazu und sich daher berechtigt den Jugendvertrauensrat zu wählen. Das passive Wahlalter erhöhte sich auf die Vollendung des 23. Lebensjahres. Der Grund für diese Änderungen ist darin zu suchen, dass immer mehr junge Menschen nach dem Abbruch einer weiterführenden Schule oder erst nach Ablegung der Matura eine Lehre beginnen.*

Durch den im Regierungsprogramm 2017-2022 vorgesehenen Vorstoß der schwarz-blauen Regierung, das aktive Wahlalter bei Betriebsratswahlen von 18 auf 16 Jahren zu senken und damit den Jugendvertrauensrat als demokratisch gewähltes Vertretungsorgan der Lehrlinge und jungen AN und damit das JVRG ersatzlos zu streichen,* würde, so Susanne Hofer (seit 2018 geschäftsführende Vorsitzende der Österreichischen Gewerkschaftsjugend), den jungen Menschen nicht nur der Jugendvertrauensrat genommen werden, sondern damit „...auch die Möglichkeit, Mitbestimmung und Demokratie kennenzulernen. Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen sind für Demokratie und Freiheit gestorben, deshalb ist es unsere Aufgabe dafür zu kämpfen, dass diese Demokratie und Mitbestimmung – auch in scheinbar nebensächlichen Bereichen – erhalten bleibt. Als Gewerkschaften müssen wir den Menschen eine Stimme geben. Wir müssen ihnen das Gefühl geben, etwas bewegen zu können. Nur wer die Geschichte kennt, kann die Zukunft beeinflussen!*