Brand/Niedermoser (Hrsg)Gewerkschaften und die Gestaltung einer sozialökologischen Gesellschaft

Verlag des ÖGB, Wien 2017, 204 Seiten, kartoniert, € 19,90

CHRISTIANBERGER (WIEN)

Der vorliegende Band widmet sich vor dem Hintergrund krisenhafter Entwicklungen von Weltwirtschaft und Weltklima dem Spannungsverhältnis zwischen sozial-ökologischen Anforderungen und gewerkschaftlicher Programmatik und Praxis. Im Fokus stehen demnach für etablierte ökologische Diskurse und Politiken eher untypische AkteurInnen, nämlich AN und deren Interessenvertretungen. Da Arbeit indes der zentrale Faktor für die Transformation von materiellen Ressourcen ist, wären Gewerkschaften prädestiniert, eine nachhaltige Neuorganisation von Arbeits- und Produktionsverhältnissen zu fordern, um damit die soziale Frage als sozialökologisch zu redefinieren.

Die gesammelten Beiträge spiegeln wissenschaftliche Erkenntnisse wider, die im mehrjährigen, vom Österreichischen Klima- und Energiefonds geförderten Forschungsprojekt „TRAFO LABOUR“ zu den Fragen, warum Gewerkschaften bisher keine aktivere Rolle in der österreichischen Klimapolitik einnahmen, was für umweltpolitisch relevante gewerkschaftliche Ansätze und Strukturen bestehen sowie wie sich diese ausweiten lassen könnten, entstanden sind.

Niedermoser rekapituliert einleitend den historischen Kontext für den in Österreich vorherrschenden „klimapolitischen Korporatismus“ (Brand/Pawloff), wonach Umweltschutzmaßnahmen aufgrund sozialpolitisch oder wirtschaftlich potentiell nachteiliger Folgen hintangestellt werden. So haben sich die AN- und AG-Interessenvertretungen – unter innergewerkschaftlichem Protest – mit Arbeitsplatz- und Standortargumenten für den Bau des Atomkraftwerks in Zwentendorf (1978), des Wasserkraftwerks in Hainburg (1984) sowie der „3. Piste“ in Wien-Schwechat (2018) stark gemacht.

Mittlerweile gibt es vom ÖGB allerdings ein dezidiertes programmatisches Bekenntnis zu einer „Ökologisierung aller Lebensbereiche“, welches auch Eingang in das Bewusstsein der im Forschungsprojekt involvierten GewerkschafterInnen gefunden hat. Dies wird etwa an den Auswertungen der Interviews zum Themenkreis Energiemarktregulierung begreiflich, in der – wie Soder/Theine/Stagl herausarbeiten – flächendeckende Versorgungssicherheit, demokratische Kontrolle und eine sozial gerechte Aufteilung der Kosten für die als notwendig erachtete Energiewende von den GewerkschafterInnen verbunden werden.172

Die Umverteilung und Reduktion von Arbeitszeit gehört ebenso zum sozial-ökologisch relevanten gewerkschaftlichem Programm. Neben den prominenten Forderungen nach einer generellen Arbeitszeitverkürzung haben die beiden Einzelgewerkschaften GPA-djp und PRO-GE mit der kollektivvertraglichen Innovation „Freizeitoption“ eine branchen- und einkommensspezifische Stundenreduktion implementieren können. Eichmann weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Gewerkschaften politische Pionierarbeit in Debatten um Arbeitszeitverkürzung leisten. Wie in den Bereichen Verkehr und Mobilität – das zeigt der Beitrag von Segert – ist auch in Bezug auf Arbeitszeit eher von einer „impliziten Umweltpolitik“ (Conca) auszugehen, wonach ökologische Implikationen oder Kosten gewerkschaftlich unterthematisiert bleiben.

Auch der Förderung nachhaltiger Konsumpraktiken steht der in Gewerkschaften nach wie vor dominante Wachstumsimperativ entgegen, das Produktivitätssteigerungen mit Lebensqualität und gesellschaftlichen Wohlstand gleichsetzt. Niedermoser weist nach, dass dies aufgrund immer kleiner werdender Verteilungsspielräume und der ökologischen Folgen von wirtschaftlichem Wachstum von GewerkschafterInnen nun immerhin differenzierter und skeptischer eingeschätzt wird.

Abschließend macht Littig noch einmal die Relevanz der Vielfalt von unterschiedlichen gewerkschaftlichen Positionen für einen sozial innovativen, feministischen Ökologiediskurs und eine zukunftsweisende Transformation der Gesellschaft deutlich.

Der Band beinhaltet wesentliche theoretische und empirische Befunde sowohl zur Gewerkschafts- als auch zur Transformationsforschung. Er ist wissenschaftlich dicht, thematisch gehaltvoll und dennoch für eine breitere, interessierte Öffentlichkeit nachvollziehbar aufbereitet. Es bleibt zu hoffen, dass er zur Weiterentwicklung gewerkschaftlicher sozial-ökologischer Politik genutzt wird.