Resch (Hrsg)ArbeitnehmerInnen 50+ – Handbuch
Manz Verlag, Wien 2018, XXVI, 268 Seiten, gebunden, € 58,–
Resch (Hrsg)ArbeitnehmerInnen 50+ – Handbuch
Der demografische Wandel hin zu einer alternden Gesellschaft in den Mitgliedstaaten der EU ist nicht aufzuhalten. Bessere Gesundheitsstandards und längere Lebenserwartungen sind zwar erfreuliche Tendenzen, die Alterung der erwerbsfähigen Bevölkerung bringt aber neue Herausforderungen für die etablierten Sozial- und Rechtssysteme mit sich. Gleichzeitig fordert der rasche technologische Fortschritt viel Flexibilität, lebenslanges Lernen sowie die Aneignung immer wieder neuer Fertigkeiten; allesamt Kompetenzen, die älteren AN von der Öffentlichkeit häufig nicht zugeschrieben werden.
Die Beschäftigung von AN über 50 und die damit zusammenhängenden Fragen und Schwierigkeiten sind so vielfältig, dass sie den Zugang von ExpertInnen verschiedener Fachgebiete verlangen. Diesem Anspruch wird das von Resch herausgegebene Handbuch gerecht, es umfasst Abhandlungen von MedizinerInnen, PsychologInnen, Wirtschafts- und RechtswissenschaftlerInnen, wobei die Lehre genauso zu Wort kommt wie die Praxis. Die Interdisziplinarität ist auch die große Stärke dieses Buches. Die Beiträge präsentieren ein Gleichgewicht zwischen dogmatischen und praktischen Fragestellungen. Die Hälfte der Abhandlungen wurde von erfahrenen PraktikerInnen verfasst, alle ausgewiesene KennerInnen ihres Fachgebiets, während die restlichen Beiträge WissenschaftlerInnen verschiedener Fachgebiete geschrieben haben.
Betrachtet man das Thema dieses Buches aus einer internationalen Perspektive, fällt positiv auf, dass es dem internationalen Trend folgend interdisziplinär an die Problemstellung herangeht. In den letzten Jahren sind auch in Europa das Thema alternde Gesellschaft und die damit zusammenhängenden legistischen Herausforderungen in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen und rechtswissenschaftlichen Diskussion geraten. Was in einem internationalen Vergleich thematisch etwas zu kurz kommt, ist die Analyse der Altersdiskriminierung. Melzer-Azodanloo (114-119) und Resch (138-140) schneiden zwar das Problem an, aufgrund seiner Bedeutung wäre es aber durchaus einer eigenständigen Abhandlung würdig.
Der Aufbau des Handbuchs folgt einer logischen Struktur: Nach der Darstellung der Implikationen des demografischen Wandels auf den Arbeitsmarkt werden in den folgenden vier Beiträgen die neurologischen, medizinischen und psychologischen Aspekte der Erwerbstätigkeit von älteren Menschen geschildert. Die AutorInnen erörtern, mit welchen körperlichen und psychischen Veränderungen bei älteren AN zu rechnen ist und inwiefern diese ihre Erwerbstätigkeit beeinflussen. Die Kapitel 7 und 8 fokussieren auf betriebsorganisatorische Maßnahmen und ihren Einfluss auf das Verhalten von älteren AN. Dabei wird untersucht, wie die Unternehmen das Frühpensionsverhalten mit ihren Lohnstrukturen beeinflussen und mit welchen Strategien und konkreten Maßnahmen die Aktualität und Entwicklung der Kompetenzen der AN fördern können. Die arbeitsrechtlichen Bezüge der Beschäftigung von älteren AN werden von Melzer-Azodanloo und Resch in den Kapiteln 9 und 10 abgehandelt. Die folgenden zwei Beiträge widmen sich der Frage, wie die Beschäftigung von älteren AN gefördert werden kann. Anschließend werden die arbeitsrechtlichen Ansprüche bei der Erkrankung von AN mit besonderer Rücksicht auf die Wiedereingliederung aufgearbeitet. Abgerundet wird dieses Handbuch durch die letzten zwei Kapitel mit der Aufarbeitung der sozialrechtlichen Ansprüche zur Wiederherstellung der Beschäftigung und bei ihrem Scheitern, wobei die Leistungen aus der AlV und PV behandelt werden. Da eine detaillierte Beschreibung aller Beiträge den Rahmen einer Buchbesprechung sprengen würde, soll im Folgenden lediglich auf drei Beiträge näher eingegangen werden.
Der Aufsatz von Melzer-Azodanloo fokussiert auf die AG-Pflichten gegenüber älteren AN. Die Abhandlung umfasst vier Schwerpunkte, nämlich die Fürsorgepflicht, den AN-Schutz ieS, die Gleichbehandlungspflichten und das allgemeine Kündigungsschutzrecht. Die ausgewählten Bereiche decken die wichtigsten Themen, bei denen ältere AN Schwierigkeiten haben könnten, wodurch dem AG besondere Pflichten auferlegt werden. Positiv hervorzuheben ist, dass die theoretischen Ausführungen mit zahlreichen Beispielen leb-173haft gemacht werden, wie beispielsweise beim Thema Gleichbehandlung. Der Beitrag stellt eine äußerst fundierte Aufarbeitung der Materie dar. Besonders interessant ist zB die Untersuchung der Judikatur zur Frage, inwiefern das höhere Alter bei der Beurteilung der Beeinträchtigung wesentlicher Interessen und der Rechtfertigungsgründe eine Rolle spielt (124 ff).
Resch untersucht im zehnten Kapitel die arbeitsrechtlichen Pflichten von älteren AN, wobei er das Thema unter den drei großen Überschriften Treuepflicht, Rücksichtnahmepflichten und Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung abhandelt. Der Beitrag vermittelt den Eindruck, dass ältere AN allenfalls nur geringfügig andere Pflichten haben als ihre jüngeren KollegInnen. Äußerst wenige Sachverhalte werden erwähnt, bei denen die Treue- oder Rücksichtnahmepflichten eine spezielle Verhaltensweise von älteren AN verlangen. Das Alter spielt bei den meisten arbeitsrechtlichen Regelungen nur eine geringe Rolle und teilweise fehlt auch die diesbezügliche Rsp, wie Resch bspw im Zusammenhang mit Belästigungen aufgrund des Alters anmerkt (139). Interessant ist die separate Untersuchung einer von der Treuepflicht losgelösten Rücksichtnahmepflicht, wobei er darunter AN-Schutzrecht und Antidiskriminierungsrecht versteht. Abschließend stellt Resch auch die Frage, ob eine allgemeine (originäre) Rücksichtnahmepflicht überhaupt besteht. Er bejaht diese Frage mit der Begründung, dass eine Pflicht des AN zur kooperativen Zusammenarbeit mit anderen AN des Betriebs eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht des AN, als Ausfluss der Treuepflicht, darstellt (144 f).
Straßer bietet im zwölften Kapitel eine Darstellung über die in Österreich zur Verfügung stehenden aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zur Förderung von älteren AN. Da der Verfasser gleichzeitig Landesgeschäftsführer des Arbeitsmarktservice (AMS) Oberösterreich ist, konnte er seine Ausführungen mit Statistiken aus diesem Bundesland belegen. Er macht darauf aufmerksam, dass die gesetzlichen Grundlagen der österreichischen Arbeitsmarktpolitik nur vereinzelt auf ältere Arbeitskräfte verweisen und somit die meisten Leistungen und Förderungen des AMS nicht auf bestimmte Altersgruppen beschränkt sind. Ausnahmen bilden insb die Altersteilzeit, die Teilpension, der Kombilohn und die Qualifizierungsförderung. Der Großteil der Abhandlung fokussiert auf die AMS-Angebote, die (auch) von Älteren in Anspruch genommen werden können. Diese Ausführungen geben einen guten und leicht verständlichen Überblick über die bestehenden Förderungsmöglichkeiten, behandeln diese aber lediglich beschreibend. Was dem Leser fehlt, ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem Förderangebot im Hinblick auf die Frage, mit welchen speziellen Maßnahmen die Arbeitsmarktsituation von Älteren noch effizienter gestaltet werden könnte. Allerdings sind aufgrund der Position des Verfassers naturgemäß keine allzu kritischen Anmerkungen hinsichtlich des vorzufindenden Systems zu erwarten. Eine kompakte und kompetente Beschreibung der existierenden aktiven Arbeitsmarktpolitik bekommt der Leser allemal.
Das Handbuch eignet sich somit sowohl für JuristInnen und VertreterInnen anderer Berufe in der Wissenschaft als auch für PraktikerInnen sehr gut. Erfreulich ist die ideale Zusammenstellung von praxisorientierten, betriebsbezogenen und wissenschaftlich anspruchsvollen Beiträgen. WissenschaftlerInnen finden darin interessante Fakten, Überlegungen und Argumente zur Situation und Regelung der Arbeitswelt von älteren AN. PraktikerInnen erhalten einen verständlichen und aufschlussreichen Überblick über die mit der Beschäftigung dieser Personengruppe zusammenhängenden Herausforderungen, aber gleichzeitig auch Anregungen für eine bessere und altersgerechte Beschäftigung.