Löschnigg/Nogler (Hrsg)Lifelong learning durch berufliche Weiterbildung

Verlag des ÖGB, Wien 2017, 208 Seiten, kartoniert, € 36,–

HANNESSCHNELLER (WIEN)

„Rechtliche Rahmenbedingungen im internationalen Vergleich“ lautet der Untertitel des vorliegenden Buches. Es handelt sich dabei um die Schriftfassungen des VIII. Internationalen arbeitsrechtlichen Dialogs, der im November 2016 in Bozen stattfand. Ein Großteil der Länderberichte und Problemaufrisse dieser Tagung findet sich im vorliegenden Sammelband.

Die beiden Herausgeber, Univ.-Prof. MMag. DDr. Günther Löschnigg (Karl-Franzens-Universität Graz sowie Johannes-Kepler-Universität Linz) und Prof. Dr. Luca Nogler (Professore ordinario der Universitá di Trento, Italien) stellen gleich am Beginn ihres Vorwortes klar: „Berufliche Aus- und Weiterbildung ist Bildung. Sie darf nicht mehr als Bildungsweg zweiter Klasse angesehen werden. Die Berufsausbildung schafft Kompetenzen sowohl für eine lebenslange Beschäftigungsfähigkeit als auch für ein erfülltes Leben.

Betont wird weiters, unter Hinweis auf eine Empfehlung des EU-Rats vom Mai 2017, die Bedeutung der Bildung für Beschäftigungsfähigkeit, Mobilität und soziale Integration sowie die Notwendigkeit, formales, nicht formales und informelles Lernen besser miteinander zu verzahnen.

In diesem Sinn enthält der Sammelband Beiträge von WissenschaftlerInnen aus acht Mitgliedstaaten175 der Europäischen Union (Italien, Frankreich, Slowakei, Österreich, Spanien, Dänemark, Deutschland und Tschechien) sowie aus der Schweiz und der Türkei. Diese zehn Länderberichte zeigen allesamt sowohl die (bildungs)politschen als auch die sozialpolitischen Hintergründe der sehr unterschiedlich in den jeweiligen Berufsausübungsrechten und Arbeitsrechtsordnungen dieser acht Staaten bestehenden Regelungen der arbeitsbezogenen Weiterbildung auf. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass einige Staaten zumindest auf dem Gebiet der beruflichen Aus- und Weiterbildung gewisse sozialpartnerschaftliche Aktivitäten kennen bzw feststellen lassen. So gibt es etwa in Italien einen „interprofessionellen Fonds“ der von den Sozialpartnern gemeinsam in einer paritätischen Art und Weise verwaltet wird, und der eine von zwei Säulen der überbetrieblichen Finanzierung beruflicher Weiterbildung darstellt (ausführliche Darstellung durch Matteo Borzaga). In Frankreich ist ein ähnliches sozialpartnerschaftliches Instrument, nämlich der ANI (Accord national interprofessionel), festzustellen; dieses System wird im vorliegenden Sammelband von Otto Kaufmann (Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik) vorgestellt.

Den österreichischen Länderbericht verfasste der Co-Herausgeber Günther Löschnigg selbst und erörtert dabei nicht nur rechtliche, sondern auch rechtspolitische Ansätze. Insb geht er auf kollektivvertragliche Möglichkeiten der Weiterbildungsregelung oder Weiterbildungsförderung ein, und zeigt exemplarisch an Hand des „Forschungs-KollV“ (KollV für die AN in der außeruniversitären Forschung) eine geradezu vorbildliche, und in dieser „Branche“ wohl unerlässliche, sozialpartnerschaftliche Regelung auf. Das kollektivvertraglich geregelte Bildungszeitkonto wird von Löschnigg näher dargestellt. Der Autor spricht auch an, dass die Verhinderung des Zugangs zu einer betrieblichen Ausbildungsmaßnahme uU erhebliches Diskriminierungspotential aufweisen kann. Umso wichtiger sind daher die einschlägigen Beteiligungsrechte der Belegschaft, insb nach § 94 ArbVG, oder eben (ergänzend) durch KollV.

Neben den drei erwähnten Autoren stammen die Länderberichte verfasst von Thomas Geiser (Schweiz), Alpay Hekimler (Türkei), Viktor Križan (Slowakei), Jesús Martínez-Girón/Alberto Arufe-Varelo (Spanien), Line Olsen-Ring (Dänemark), Gerhard Ring (Deutschland) und Jakub Tomšej (Tschechien).

Einige dieser Länderberichte gehen auch tief ins Arbeitsvertragsrecht hinein und erörtern zB die Frage, ob es nach dem jeweiligen nationalen Recht in bestimmten Branchen eine Weiterbildungsverpflichtung der AN gibt, oder auch eine entsprechende Leistungspflicht finanzieller oder faktischer Natur der AG.

Abschließend ist festzuhalten, dass eine Gemeinsamkeit aller Weiterbildungspolitiken und -regelungen der zehn geschilderten Staaten wohl die folgende ist: Ohne Einbindung der branchenspezifischen oder auch branchenübergreifenden Sozialpartner – egal wie institutionalisiert oder bloß de facto existent diese sein mögen – scheint die praxisbezogene Weiterbildung von AN kaum realisierbar zu sein. Das haben anscheinend auch Regierungen verstanden, denen man „Gewerkschaftsfreundlichkeit“ kaum nachsagen kann.