PeyrlZuwanderung und Zugang zum Arbeitsmarkt von Drittstaatsangehörigen in Österreich
Verlag Österreich, Wien 2018, LX, 363 Seiten, gebunden, € 99,–
PeyrlZuwanderung und Zugang zum Arbeitsmarkt von Drittstaatsangehörigen in Österreich
Johannes Peyrl analysiert Zuwanderung und Zugang zum Arbeitsmarkt von Drittstaatsangehörigen in Österreich im Lichte des Völker- und Europarechts. Wie der Autor im Vorwort festhält, ist es im Migrationsrecht nicht immer einfach, die Vielzahl an ineinandergreifenden Normen zu begreifen, die noch dazu ständigen Veränderungen unterworfen sind. Die Komplexität dieser Materie wird schon daraus deutlich, dass es im österreichischen Recht insgesamt 25 Aufenthaltsberechtigungen für Drittstaatsangehörige gibt, und spiegelt sich in der vorliegenden Monographie bereits in der Aufgliederung der verschiedenen Arten der Zuwanderung und des Zugangs zum Arbeitsmarkt auf 13 teils sehr umfassende Kapitel wider. Schon allein dieser sehr übersichtlich gestaltete Überblick erweist sich als äußerst verdienstvoll.
Der Autor setzt sich sehr ausführlich mit der herrschenden Lehre und Judikatur auseinander. So geht er etwa im Kapitel 2. „Kompetenz der EU zur Regelung des Zugangs zum Arbeitsmarkt für Drittstaatsangehörige“ auf die Literaturmeinungen zum Umfang der zentralen Bestimmung des Art 79 AEUV ein. Dabei schließt er sich der einhelligen Lehre an, wonach Regelungen bezüglich Zugang zur Erwerbstätigkeit jedenfalls von dieser Bestimmung umfasst sind. Auch im Rahmen seiner Ausführungen zu den europarechtlichen Lösungsansätzen zur umgekehrten Diskriminierung (Inländerdiskriminierung) stellt Peyrl die in der Lehre vertretenen Auffassungen umfassend dar und schließt sich der von van Elsuwege/Kochenov vertretenen Ansicht an, dass die umgekehrte Diskriminierung gegenüber statischen UnionsbürgerInnen in hohem Maße unfair ist. In dem Zusammenhang geht er auch auf die von Verschuren vorgeschlagenen Lösungsmöglichkeiten zur Beseitigung der umgekehrten Diskriminierung ein, hält es aber in der näheren Zukunft für unwahrscheinlich, dass der EuGH von der eben entwickelten Kernbestandsdoktrin, die dann ja gegenstandslos würde, abrücken wird.
Auf die EuGH-Judikatur wird ua im Kapitel 4. „Zuwanderung und Zugang zum Arbeitsmarkt von Familienangehörigen von EWR-BürgerInnen“ ausführlich eingegangen. So wird etwa anhand der einschlägigen EuGH-Entscheidungen die Frage beantwortet, ob ein vorangegangener rechtmäßiger Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat nötig ist. Eine ausführliche Ausei-178nandersetzung mit der Rsp des EuGH findet sich zB auch im Kapitel 5.3. „Familienangehörige von ÖsterreicherInnen, die von ihrem unionsrechtlichen Aufenthaltsrecht in anderen Mitgliedstaaten Gebrauch gemacht haben“ sowie im Kapitel 5.4. „Die ‚Kernbestandsdoktrin‘: Vorliegen eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ohne grenzüberschreitenden Sachverhalt“. Hervorgehoben sei, dass sich der Autor im Zusammenhang mit der Kernbestandsdoktrin nicht damit begnügt, sehr ausführlich die Entwicklung und vor allem die Präzisierung der EuGH-Judikatur darzustellen, sondern auch auf die Auswirkungen dieser Urteile auf die österreichische Rechtslage sowie auf die Verwaltungspraxis eingeht. Dabei zeigt er auf, dass es unklar ist, welchen Aufenthaltstitel bzw welche Dokumentation gemäß dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) Personen, die aufgrund der Kernbestandsdoktrin ein Aufenthaltsrecht erhalten müssen, bekommen können. Entgegen der Ansicht des VwGH bezeichnet er es als naheliegend, diesen Personen eine Aufenthaltskarte analog zu § 54 NAG zu erteilen und begründet dies damit, dass es sich lediglich um eine Bestätigung eines unionsrechtlich bestehenden Aufenthaltsrechts handelt und ein konstitutiver Aufenthaltstitel daher ausscheidet.
Mit der Spruchpraxis des VfGH setzt sich der Autor im Kapitel über die umgekehrte Diskriminierung mE zu Recht sehr kritisch auseinander. Er führt zum VfGH-Erk 16.12.2009, G 244/09 aus, dass die diesbezügliche Begründung äußerst knapp gehalten und inhaltlich nicht überzeugend ist. Seine Kritik bezieht sich darauf, dass keine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von Angehörigen von ÖsterreicherInnen, die nicht von ihrem unionsrechtlichen Aufenthaltsrecht Gebrauch gemacht haben, und Angehörigen von ÖsterreicherInnen, auf die das schon zutrifft, sowie UnionsbürgerInnen vorliegt.
Die gegenständliche Monographie zeichnet sich aber vor allem auch durch eine sehr problemorientierte Herangehensweise an die Materie aus. Dies zeigt sich etwa in den Ausführungen über die „Blaue Karte EU“, wo in einem Unterkapitel auf ausgesuchte Fragen der Umsetzung eingegangen wird, sowie im Kapitel über die „Rot-Weiß-Rot-Karte“, in dem ausgewählte Rechtsfragen zu dieser Karte erörtert werden. Erwähnt sei auch die Auseinandersetzung mit der Frage, ob Personen, die alle Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Geltungsbereich des AuslBG als besondere Führungskraft gem § 1 Abs 2 lit f iVm § 2 Abs 5a AuslBG erfüllen, eine „Rot-Weiß-Rot-Karte“ gem §§ 12 ff AuslBG iVm § 41 NAG erhalten können. Hier gelangt Peyrl zum Ergebnis, dass die Praxis, wonach Personen, die hinsichtlich ihrer Tätigkeit vom Geltungsbereich des AuslBG ausgenommen sind, ein Wahlrecht eingeräumt bekommen, ob sie eine Niederlassungsbewilligung oder eine „Rot-Weiß-Rot-Karte“ erhalten, vom Gesetz nicht gedeckt ist. Auch ob die für EhegattInnen vorgesehene Altersgrenze von 21 Jahren verfassungs- bzw unionsrechtskonform ist, wird vom Autor im Rahmen der Ausführungen zu Zuwanderung und Zugang zum Arbeitsmarkt von Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen unter Heran ziehung der Literaturmeinungen sowie der EuGH- und VfGH-Judikatur umfassend geprüft.
Auch wenn der Themenkomplex Asyl bzw das auch gemeinsame europäische Asylsystem grundsätzlich nicht Thema dieser Monographie ist, geht Peyrl auch auf den Arbeitsmarktzugang von Flüchtlingen, subsidiär Schutzberechtigten, AsylwerberInnen sowie Personen mit Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen ein, da sich auch bei Personen, die aus Fluchtgründen nach Österreich kommen bzw gekommen sind, die Frage nach dem Zugang zum Arbeitsmarkt stellt. Dabei wird auch ein Erlass des BMASK aus dem Jahr 2004 behandelt, wonach Beschäftigungsbewilligungen für AsylwerberInnen nur im Bereich von Kontingenten für Saisonbeschäftigung (§ 5 AuslBG) ausgestellt werden. Dieser Erlass steht nach Auffassung des Autors in Widerspruch zu § 4 AuslBG.
Insgesamt kann festgehalten werden, dass es Peyrl mit diesem Werk gelungen ist, ein rechtlich sowie politisch sehr herausforderndes Thema umfassend darzustellen und trotz aller Komplexität sehr übersichtlich zu gestalten.