Schrammel/Windisch-GraetzEuropäisches Arbeits- und Sozialrecht

2. Auflage, UTB-Facultas Verlag, Wien 2018, 312 Seiten, € 24,70

RUDOLFMÜLLER (WIEN/SALZBURG)

Die erste Auflage des von Walter Schrammel und Gottfried Winkler begründeten Lehrbuchs ist seit 16 Jahren auf dem Markt – jeder, der mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaften auch nur am Rande befasst ist, weiß, dass sich in dieser Zeit das Europäische Arbeits- und Sozialrecht sowohl durch Normsetzung als auch durch die Rsp des EuGH enorm weiterentwickelt hat. Die zweite Auflage schließt also eine durch Zeitablauf erneut entstandene Lücke auf dem juristischen Lehrbüchermarkt. Das handliche Werk ist in der utb-Reihe erschienen, die von einer Arbeitsgemeinschaft angesehener österreichischer, deutscher und Schweizer Verlage herausgegeben wird. Es ist für Lehr- und Studienzwecke, aber auch für jeden Praktiker nicht nur aufgrund seiner Handlichkeit, sondern auch aufgrund seiner inhaltlichen Gestaltung sehr gut geeignet.

Das Konzept des Buches ist kein wissenschaftlichkritisches. Wie in Vorwort und Einleitung exponiert wird, bewegt sich die Darstellung dessen, was das europäische Arbeits- und Sozialrecht ausmacht, entlang der Rsp des EuGH und verarbeitet die Regelungen, die im AEUV, in der Charta der Grundrechte sowie in den sekundären, teils harmonisierenden, teils nur koordinierenden Unionsrechtsnormen enthalten sind.

Teil I behandelt die „Freiheiten“, die sich aus Unionsbürgerschaft, Personenfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit (mit ausführlicher Behandlung der Entsende-RL) ergeben, sowie die sich aus der Rom I-VO ergebenden Kollisionsregeln. Das Individualarbeitsrecht in Teil II wird in den Kapiteln zur Begründung und Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, über Gleichbehandlung im Arbeitsverhältnis, über Betriebsübergang, zu Massenentlassungen und über den Entgeltschutz in der Insolvenz des AG abgehandelt. Der III. Teil behandelt den persönlichen und den technischen AN-Schutz, der IV. Teil das kollektive Arbeitsrecht, dh im Wesentlichen den Europäischen BR und die Mitbestimmung in der Europäischen Aktiengesellschaft sowie die Regelungen des AEUV über die Europäische Sozialpartnerschaft. Mit179 Arbeitsmarkt und Ausbildung im Teil V behandelt das Werk ua den Europäischen Sozialfonds und erschließt damit auch Wissensnischen abseits der „Hauptachsen“. Über 60 Seiten umfasst die Darstellung der Koordination der Sozialen Sicherheit im Teil VI aber auch deren, die Regelungsbefugnis der Mitgliedstaaten beschränkenden, Berührungspunkte mit primärrechtlichen und sekundärrechtlichen Diskriminierungsverboten. Die ausführlichen Ausführungen zur Entsendung beleuchten die möglichen Missbrauchsmöglichkeiten und die dagegen an sich errichteten normativen Schranken, aber in diesen Grauzonen der Theorie gilt für die Praxis natürlich auch der ungeschriebene Grundsatz, wonach die Unionsbehörden und -gerichte keinen hängen, es sei denn, sie hätten ihn.

Der Autorin und dem Autor gelingt es vorbildlich, dem Leser nicht nur das mal feinere, mal gröbere Gewebe des Europäischen Arbeits- und Sozialrechts deutlich zu machen, sondern auch die Rsp des EuGH in ihren Entwicklungslinien folgerichtig darzustellen. Eine Auswahl wichtiger Kommentare und ebensolcher monographischer Literatur, ein sehr gutes Stichwortregister und die den einzelnen Kapiteln vorangestellte Übersicht über die jeweiligen Rechtsquellen des europäischen Sekundärrechts sind die Sahnehäubchen auf einer ruhig fließenden Darstellung, die sich aus der Quelle der breiten unionsrechtlichen Erfahrungen der Autorin und des Autors speist. Das handliche und überaus wohlfeile Buch bereitete dem Rezensenten beim Lesen ein uneingeschränktes Vergnügen, was nicht von allzu vielen juristischen Werken dieses Zuschnitts gesagt werden kann. Es erschließt und vermittelt fundierte Allgemeinbildung auf diesem Rechtsgebiet und sollte daher nicht nur Studierenden, sondern auch PraktikerInnen gute Dienste leisten.