Arbeiterkammer Salzburg/Zentrum für Ethik und Armutsforschung (Hrsg)Lesebuch soziale Ausgrenzung III – Arbeitswelten

Mandelbaum Verlag, Wien 2017, 152 Seiten, € 9,90

RUDOLFMÜLLER (WIEN/SALZBURG)

Das zu rezensierende Buch entstand in einer Kooperation der AK Salzburg mit dem Zentrum für Ethik und Armutsforschung der Universität Salzburg und folgt auf zwei bereits in früheren Jahren im selben Verlag erschienenen Lesebuch-Bänden zu „Armut und Ausgrenzung in wohlhabenden Gesellschaften“ (2014) sowie zu „Alltagserfahrungen der Armut und Exklusion“ (2015). Im nun vorliegenden Lesebuch III geht es hauptsächlich um Arbeitslosigkeit, und hier wieder unter besonderer Betonung der Perspektive der von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen. Es enthält neben dem ausführlichen Vorwort 27 Beiträge und führt 24 AutorInnen in seinem Register, woraus schon zu entnehmen ist, dass es weder möglich ist, alle Beiträge, noch alle AutorInnen im Einzelnen anzuführen. „Was ist Arbeit? – Was ist arbeitslos?“ Diese Fragestellung zieht sich als roter Faden durch die Beiträge, die zum Teil auch von Betroffenen verfasst worden sind. Arbeitslosigkeit versus Arbeiten als „nichts tun, soziale Hängematte, nicht mehr dazu gehören“ versus „im Leben stehen, anpacken, dazugehören“. Das ist die klischeehafte Außensicht, gegen die in diesem Buch angeschrieben wird.

Die Texte beschäftigen sich mit der speziellen Situation psychisch Erkrankter, mit dem Alltag Arbeitsloser, insb auch mit der Schimäre der Überwindung von Arbeitslosigkeit, wenn man sich bloß „anstrengt und durch Weiterbildung erneuert“. Die Perspektive wechselt aber auch zu den betreuenden Personen des Arbeitsmarktservice (AMS) und informiert über Erfahrungen, Rahmenbedingungen und begrenzte Handlungsspielräume ebenso wie über die „asymmetrischen Beziehungen“ zwischen Beratenden und Beratenen. Das Sitzen zwischen den Stühlen „überqualifiziert“ und „nicht ausreichend qualifiziert“ und das „ausgesetzt sein“ in einem Klima der geringen Wertschätzung bei dutzenden erfolglosen Vorstellungsterminen. Einen teils beklemmenden Eindruck verschaffen aber auch die im Projekt „Schreibwerkstatt“ entstandenen Texte der von Arbeitslosigkeit Betroffenen, die vom Absturz aus einem als erfüllend und identitätsstiftend empfundenen Arbeitsleben ebenso handeln, wie von einem Aufbruch aus einer als wenig schön und gedeihlich empfundenen Arbeitswelt. Es wird aber auch die Janusköpfigkeit des technischen Fortschritts ebenso beleuchtet wie der Stellenwert der Solidarität abseits des arbeitsrechtlichen Schutzes als zusätzlich wirksames Schutznetz im Betrieb.

Digitalisierung – bringt sie mehr Einengung oder mehr Selbstbestimmung? Was bedeuten diese Entwicklungen für Pflege und Gesundheitsvorsorge, aber auch für Hausarbeit und Bildung? In den Blick genommen wird auch die Realität der Artikulierung und Rechtsdurchsetzung ausländischer ErntearbeiterInnen. Nicht zu kurz kommt Arbeit, die außerhalb oder am Rande der allgemeinen Wahrnehmung verrichtet wird, wobei die Bandbreite von Reproduktionsarbeiten, Reinigung, 24-Stunden-Pflege, die zum Teil um den Preis der Vernachlässigung der eigenen Familie erfolgen muss, bis hin zum „Au Pair-Wesen“ reicht. Der letzte Beitrag im Buch schildert schließlich anhand von fünf eher optimistisch gehaltenen Beispielen, was es für das eigene „Leben vor dem Tode“ bedeuten kann, in Pension zu gehen. Ein Epilog in zwei Teilen „Was ist arbeitslos?“ und „Was ist Arbeit?“ resümiert noch einmal die Ambivalenz der versuchten Antworten.

Ein Buch, das trotz des überschaubaren Umfangs im Westentaschenformat inhaltlich reichhaltig ist und das jemanden, wie dem Rezensenten, der von der in diesem Buch geschilderten Arbeitswelt so gut wie nicht bzw von Arbeitslosigkeit in seinem Berufsleben nie betroffen war, sehr nachdenklich zurücklässt. Das Buch vermittelt aber mehr Hoffnung als Hoffnungslosigkeit – ein gutes Beispiel ist die Eroberung der Schreibwerkstatt als neues Tätigkeitsfeld, das aber nicht jedem und jeder gegeben sein wird. Es kann dank seiner relativ kurz gehaltenen Beiträge vor dem Einschlafen ebenso gelesen werden wie auf Zugfahrten. Es sollte aber jedenfalls gelesen werden. Von am Gesellschaftlichen interessierten Menschen. Von jeder Person, die sich publizistisch oder auch in jeglicher anderen Form mit der Arbeitswelt und ihren AkteurInnen beschäftigen will oder zu beschäftigen hat. Es ist wie geschenkt.180