11Interessenabwägung bei der Beurteilung der Mitbestimmungspflicht nach § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG geboten?
Interessenabwägung bei der Beurteilung der Mitbestimmungspflicht nach § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG geboten?
Bei der Beurteilung der Mitbestimmungspflicht nach § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG ist ein Interessenvergleich zwischen Persönlichkeitsrecht des AN einerseits und konkreten betrieblichen Interessen andererseits vorzunehmen. Diese Abwägung ist grundsätzlich eine solche der konkreten Umstände des Einzelfalls und mit formalen Ansätzen allein nicht zu lösen.
Das gegenständliche Bewertungsverfahren, bei dem ausschließlich „soft skills“ wie Neigungen, Interessen und andere Persönlichkeitsmerkmale wie Belastbarkeit, Frustrationstoleranz und höchstpersönliche „Werte“, nicht aber „hard skills“, also die Fachkompetenz, abgefragt werden, berührt massiv die Persönlichkeit der getesteten Personen und ist nicht durch überwiegende berufliche (richtig wohl: „betriebliche“) Interessen gerechtfertigt.
Auf die im Einzelfall freiwillige Teilnahme an den Tests durch die AN kommt es nicht an.
1. In der Revision wird nicht bestritten, dass es sich bei dem von der Bekl verwendeten Testverfahren grundsätzlich um ein § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG unterliegendes System zur Beurteilung von AN handelt. Die Bekl wendet sich nur gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Erhebung dieser Daten nicht durch die betriebliche Verwendung gerechtfertigt ist.
2. In der E 9 ObA 95/08y schloss sich der OGH nach ausführlicher Darstellung der in der Literatur zu § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG vertretenen Meinungen den Erwägungen an, wonach ein Interessensvergleich zwischen Persönlichkeitsrecht des AN einerseits und konkreten betrieblichen Interessen andererseits vorzunehmen ist. Diese Abwägung sei grundsätzlich eine solche der konkreten Umstände des Einzelfalls und mit formalen Ansätzen allein nicht zu lösen.
3. Das zu beurteilende Testverfahren wird von der Bekl im Rahmen von Verkaufsschulungen und zur Rekrutierung von Führungskräften verwendet. Nach der Definition der Betreiber handelt es sich um ein werteorientiertes Verfahren, das in die Tiefe der Persönlichkeit geht und nicht das Verhalten misst, sondern an der wesentlich stabileren, persönlichen Wertehaltung ansetzt, Schicksalsschläge und all das, was die getestete Person in den letzten 12 Monaten bewegt hat, abbildet und nicht nur die Berufswelt, sondern auch das berufliche Selbst, alle Aspekte der Welt und das gesamthafte Selbst über alle Lebensbereiche anschaut, die Wertedimension (des Getesteten) gut erkennen lässt und sodann computerunterstützt Abweichungen zu einer mathematischlogischen Grundeinstellung ermittelt.
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass dieses Bewertungsverfahren, bei dem ausschließlich „soft skills“ wie Neigungen, Interessen und andere Persönlichkeitsmerkmale wie Belastbarkeit, Frustrationstoleranz und höchstpersönliche „Werte“, nicht aber „hard skills“, also die Fachkompetenz, abgefragt werden, massiv die Persönlichkeit der getesteten Personen berührt und nicht durch überwiegende berufliche Interessen gerechtfertigt ist.
Die Revision zeigt nicht auf, weshalb diese Beurteilung korrekturbedürftig sein soll. Auch wenn die der Beurteilung zugrundeliegenden Testergebnisse dem AG nicht bekannt werden, enthält die ihm zugehende Auswertung, von deren Validität die Bekl offenbar ausgeht, eine umfassende Beurteilung der Persönlichkeit des AN, wobei auch in der Revision offen bleibt, welche Bedeutung den erhobenen Kriterien für die betriebliche Verwendung überhaupt zukommt.
Die Auswertung mag zwar nicht zum Personalakt gegeben werden, kommt dem AG aber zu und ist weitere fünf Jahre lang beim extern beauftragten Unternehmen abrufbar. Da sie nach Angaben der Bekl zu 15-20 % für die Auswahl von Führungskräften relevant ist, stellt sie zwar nicht das ausschließliche, aber ein jedenfalls gewichtiges Beurteilungskriterium dar. Im Übrigen ließe sich bei einem bloß unbedeutenden Hilfsmittel – mit dem die Revision argumentiert – eine betriebliche Relevanz noch weniger rechtfertigen.
Ebenfalls vertretbar hat das Berufungsgericht auch darauf verwiesen, dass aufgrund der großflächigen Verwendung der Tests von einem generellen Verfahren auszugehen ist, nicht bloß von individuellen Maßnahmen. Derartige Systeme zur Beurteilung von AN des Betriebs, die nicht durch die betriebliche Verwendung gerechtfertigt sind, bedürfen aber nach § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG der Zustimmung des BR (in Form einer BV). Auf die im Einzelfall freiwillige Teilnahme an den Tests durch die AN kommt es dabei nicht an. [...]
5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen. [...]
In der vorliegenden E hatte der OGH über die Mitbestimmung des BR in Bezug auf ein Personalbeurteilungssystem zu entscheiden. Der BR klagte auf Unterlassung. Für eine Mitbestimmungsunterworfenheit sind gem § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG zwei Voraussetzungen zu erfüllen: Es muss sich um ein System zur Beurteilung von AN des Betriebes handeln und mit diesem System müssen Daten erhoben werden, die nicht durch die betriebliche Verwendung gerechtfertigt sind. Im Verfahren war nicht strittig, dass es sich bei dem in Rede stehenden System um ein Personalbeurteilungssystem iSd133 zitierten Gesetzesstelle handelt. Der AG wendete sich allerdings gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Erhebung der konkreten Daten nicht durch die betriebliche Verwendung gerechtfertigt ist. Wie die weiteren Ausführungen zeigen werden, handelt es sich hier um eine wichtige E, die Fragen der Zuständigkeiten der Gerichte einerseits und der Schlichtungsstellen andererseits berührt.
Auch in dieser E wird deutlich, dass die Klärung der Frage, ob es sich im Einzelfall um ein Personalbeurteilungssystem handelt oder nicht, idR unproblematisch ist. Nach der Lehre ist unerheblich, ob es sich um eine reine Leistungsbeurteilung oder um eine persönliche Beurteilung handelt (vgl die Nachweise bei Naderhirn in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 96a Rz 41). In der Tat differenziert der Gesetzeswortlaut diesbezüglich nicht. Auch wenn – wie hier – „nur“ soft skills abgefragt werden und nicht die Fachkompetenz, handelt es sich um ein Personalbeurteilungssystem.
Die vorliegende E weist die Besonderheit auf, dass beim AG als solchem kein Personalbeurteilungssystem „eingeführt“ wurde. Vielmehr existierte dieses bereits bei einem externen Betreiber, der AG bediente sich mittelbar dieses Systems für die Personalbeurteilung, indem er die Beurteilung durch den externen Anbieter durchführen ließ, der ihm die Auswertung übermittelte. In der Literatur wird angenommen, dass der in § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG verwendete Begriff „Einführung“ auch die Anwendung bereits bestehender Systeme erfasst (vgl die Nachweise bei Naderhirn in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 96a Rz 6; Felten/Preiss in Gahleitner/Mosler, ArbVR Bd 35 § 96a Rz 9, 24). Der OGH hat die Frage der „Auslagerung der Personalbeurteilung“ in der vorliegenden E gar nicht thematisiert, sondern ist zu Recht selbstverständlich davon ausgegangen, dass § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG auch dann zur Anwendung kommt, wenn der AG die Personalbeurteilung von einem externen Anbieter durchführen lässt. Auch in solchen Fällen muss zur Vermeidung sonst leicht möglicher Umgehungen § 96a ArbVG zum Tragen kommen. Der Wortlaut des § 96a ArbVG steht dem nicht entgegen. § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG enthält keinen Hinweis darauf, dass nur Systeme erfasst sein sollen, die im Betrieb des AG eingeführt bzw betrieben werden bzw bei denen der AG selbst die Beurteilung durchführt. Das Durchführen-Lassen einer externen Personalbeurteilung muss als Maßnahme des Betriebsinhabers (BI) iSd § 96a Abs 1 1. Halbsatz ArbVG angesehen werden. Außerdem ist wohl davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei Einführung des § 96a ArbVG im Jahre 1986 angesichts der damals noch beschränkteren technischen Möglichkeiten an den Fall gar nicht gedacht hat, dass der AG sich zur Durchführung der Personalbeurteilung eines professionellen externen Anbieters bedient. Nach dem Zweck des § 96a (Schutz der Persönlichkeitsrechte der AN, vgl Felten/Preiss in Gahleitner/Mosler, ArbVR Bd 35 § 96a Rz 28; Binder/Mair in Tomandl, ArbVG § 96a Rz 1) muss sich die Mitbestimmung unter den sonstigen Voraussetzungen auch auf solche Fälle beziehen.
Richtig ist auch der Hinweis des OGH, dass eine freiwillige Teilnahme an den Tests nichts an der Mitbestimmungspflicht zu ändern vermag. Der Wortlaut der Z 2 differenziert nicht nach der Freiwilligkeit oder Unfreiwilligkeit der Teilnahme an der Personalbeurteilung. Dies zu Recht, da die Freiwilligkeit im Arbeitsrecht idR eine relative ist („verdünnte Willensfreiheit“ des AN, vgl zB OGH8 ObA 129/02gDRdA 2004, 145 [Kerschner] = ZAS 2004, 136 [Gerlach]). Wenn zB infolge der Bewerbung um einen höheren Posten die Teilnahme am Personalbeurteilungsverfahren Voraussetzung ist, wird der AN vielleicht zur Teilnahme nicht gezwungen, bei Verweigerung derselben wird er aber auch die Stelle nicht erhalten, sodass von Freiwilligkeit nicht gesprochen werden kann.
Der OGH hat in der E vom 20.8.2008, 9 ObA 95/08y, im Anschluss an Reissner erstmals ausgesprochen, dass bei der Beurteilung der Mitbestimmungspflicht nach § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG ein Interessenvergleich zwischen Persönlichkeitsrecht des AN einerseits und konkreten betrieblichen Interessen andererseits vorzunehmen ist. In der genannten E hat der OGH diese Interessenabwägung zugunsten des BI ausschlagen lassen und eine Mitbestimmungspflicht verneint. In der Lehre ist diese E auf Zustimmung, aber auch auf Kritik gestoßen (vgl die Nachweise bei Naderhirn in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 96a Rz 50 f und die dort von der Rezensentin geäußerten Vorbehalte). Vor allem Jabornegg (DRdA 2010, 126; DRdA 2012, 311 f) hat diese E kritisch gesehen (Jabornegg folgend ebenfalls kritisch Felten/Preiss in Gahleitner/Mosler, ArbVR Bd 35 § 96a Rz 32 sowie Felten, Kooperatives Management oder Opposition im Betrieb? – Zur Rolle des Betriebsrates nach der österreichischen Betriebsverfassung, in Felten/Trost [Hrsg], 50 Jahre Institut für Arbeitsrecht und Sozialrecht der Johannes Kepler Universität Linz [2017] 28 f; ders in Reissner/Neumayr [Hrsg], ZellHB BV Rz 6.09; Grünanger, Die Betriebsvereinbarungstatbestände nach § 96a ArbVG – Personaldatensysteme und Personalbeurteilung, in Körber-Risak/Wolf [Hrsg], Die Betriebsvereinbarung vor der Schlichtungsstelle2 [2016] 154). Nach Ansicht von Jabornegg führt die vom OGH vertretene Beurteilung der Mitbestimmungsunterworfenheit auf Grund einer am konkreten Einzelfall ausgerichte-134ten umfassenden Interessenabwägung im Ergebnis zu einer weitestgehenden Ersetzung des nach § 96a Abs 1 Z 2 und Abs 2 ArbVG an sich vorgesehenen Regelungsstreits vor der Schlichtungsstelle durch einen vor dem Arbeits- und Sozialgericht (ASG) geführten Rechtsstreit. Dadurch werde der Zwangsschlichtung kein Raum mehr gegeben.
Reissner (in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 96a ArbVG Rz 30) sieht hier dagegen keine Beschneidung der Schlichtungsstelle. Der BR könne beim ASG auf Unterlassung bzw Beseitigung klagen, er könne aber auch einen Antrag auf Einsetzung einer Schlichtungsstelle stellen. Die Schlichtungsstelle habe dann unabhängig von einer allfälligen Entscheidung des ASG zu beurteilen, ob der Mitbestimmungstatbestand vorliegt und auf dieser Basis eine Regelung zu schaffen. Vgl im vorliegenden Zusammenhang auch Stella/Strass, Zwei Fragen zum Schlichtungsverfahren nach § 96a ArbVG, ecolex 2013, 818 ff, die mögliche Kriterien aufzeigen, die für eine Abwägung durch die Schlichtungsstelle auch dann verbleiben, wenn man der Ansicht des OGH folgt. So komme etwa eine Abwägung des Ziels der Datenerhebung gegen Art bzw Details ihrer Durchführung in Betracht.
Zunächst ist vorauszuschicken, dass dem Ergebnis der vorliegenden E, nämlich dass die konkrete Personalbeurteilung mitbestimmungspflichtig ist, unbedingt zugestimmt werden muss. Das Einigungsamt (EA) Wien hatte – verfehlt und von der Lehre zu Recht kritisiert (vgl nur die Nachweise bei Naderhirn in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 96a Rz 47 sowie Felten, Kooperatives Management, in Felten/Trost [Hrsg], 50 Jahre Institut für Arbeitsrecht und Sozialrecht der Johannes Kepler Universität Linz 28) – Leistungsbeurteilungsbögen für Lehrlinge als nicht zustimmungsunterworfen angesehen, obwohl dabei sogar das optische Erscheinungsbild beurteilt wurde (EA Wien V Re 290/86 Arb 10.593). Den Umstand, dass dann auch der OGH in der E vom 20.8.2008, 9 ObA 95/08y, bezüglich der Führungskraft-Beurteilungsbögen keine Mitbestimmungspflicht angenommen hat, obwohl die erhobenen Kriterien tief in die Persönlichkeitssphäre der AN hineinreichten, nahm Felten zum Anlass, darauf hinzuweisen, dass die vom OGH vorgenommene Interessenabwägung – die sE contra legem erfolgt – dazu führt, dass für das Mitbestimmungsrecht des BR kein Anwendungsbereich mehr bleibt (Felten, Kooperatives Management, in Felten/Trost [Hrsg], 50 Jahre Institut für Arbeitsrecht und Sozialrecht der Johannes Kepler Universität Linz 28 f). In der nun ergangenen E hat der OGH zwar an der Interessenabwägung festgehalten, jedoch eine Mitbestimmungspflicht diesmal bejaht, was zeigt, dass es doch Fälle geben kann, in denen die Judikatur auch bei Durchführung einer Interessenabwägung dem § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG einen Anwendungsbereich zugesteht. Grund zum „Aufatmen“ für die Betriebsräte ist dies jedoch nicht. Die in der E vorhandenen Angaben zu den erhobenen Daten lassen den Schluss zu, dass es sich hier um außergewöhnlich tiefgreifende Persönlichkeitsbeurteilung handelte (persönliche Werthaltung, Schicksalsschläge). Zudem kann der E entnommen werden, dass die Bedeutung der erhobenen Kriterien für die betriebliche Verwendung im Verfahren offensichtlich unklar blieb. Wenn hier der OGH keine Mitbestimmungspflicht angenommen hätte, wäre § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG seines Anwendungsbereichs tatsächlich gänzlich beraubt und könnte – überspitzt formuliert – gleich gestrichen werden.
ME verbietet sich bei der Beurteilung, ob der Mitbestimmungstatbestand des § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG gegeben ist, die Vornahme einer umfassenden Interessenabwägung. Das Kernargument dafür hängt in der Tat mit der Schlichtungsstelle zusammen und zwar geht es konkret um die Regelung des § 146 Abs 2 ArbVG. § 146 Abs 2 Satz 1 ArbVG normiert, dass die Schlichtungsstelle die Entscheidung möglichst rasch innerhalb der durch die Anträge der Parteien bestimmten Grenzen und unter Abwägung der Interessen des Betriebes einerseits und der Belegschaft andererseits zu fällen hat. Bei der Prüfung der Belegschaftsinteressen wird es im Zusammenhang mit Personalbeurteilungssystemen wiederum vor allem um das Persönlichkeitsrecht der AN gehen. Der Gesetzgeber trägt also explizit der Schlichtungsstelle die Durchführung einer Interessenabwägung auf, die weitgehend jener entsprechen wird, die der OGH bereits bei der Beurteilung des Vorliegens des Mitbestimmungstatbestands für erforderlich erachtet. Der VfGH (B 1414/04 ZAS-Judikatur 2005/128) hat ausgesprochen, dass die Schlichtungsstelle ihre Aufgabe der Schlichtung eines Regelungsstreits iSd § 146 Abs 2 ArbVG nur dann erfüllen kann, wenn sie die Interessen beider Teile tatsächlich ermittelt, im Einzelnen darstellt und bewertend gegeneinander abwägt. Unterlässt die Schlichtungsstelle dies, ist nach Ansicht des VfGH der Bescheid der Schlichtungsstelle wegen Verletzung des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes aufzuheben. Diese Regelung des § 146 Abs 2 war bereits in der Stammfassung des ArbVG enthalten, muss aber mangels Differenzierung auch für aufgrund § 96a Abs 2 eingeleitete Schlichtungsverfahren gelten (vgl auch Felten/Preiss in Gahleitner/Mosler, ArbVR Bd 35 § 96a Rz 40; Binder/Mair in Tomandl, ArbVG § 96a Rz 12). Auch wenn man davon ausgeht, dass in den Angelegenheiten des § 96a ArbVG die Entscheidung der Schlichtungsstelle nur in der Ersetzung oder Nicht-Ersetzung der Zustimmung des BR bestehen kann (vgl Weiß, Das Verfahren bei den Schlichtungsstellen, in Körber-Risak/Wolf [Hrsg], Die Betriebsvereinbarung vor der Schlichtungsstelle2 146 mwN; vgl in diesem Zusammenhang Trost, Die Antragslegitimation bei der Schlichtungsstelle gem § 96a Abs 2 ArbVG,
; dies, Ausgewählte Strukturprobleme der Mitwirkung nach der Arbeitsverfassungsgesetz-Novelle 1986, ), hat die Schlichtungsstelle bei der Prüfung dieser Frage die entsprechende Interessenabwägung durchzuführen. Es ist davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber bei Einführung des § 96a ArbVG (also auch der in Abs 2 vorgesehenen Anrufungsmöglichkeit der Schlichtungsstelle) die der Schlichtungsstelle in § 146 Abs 2 ArbVG135 auferlegte Verpflichtung zur Interessenabwägung bekannt war. Wenn dem Gesetzgeber bekannt war, dass die Schlichtungsstelle bei ihrer Entscheidung zwingend eine Interessenabwägung durchzuführen hat, ist nicht anzunehmen, dass es seinem Willen entspricht, dass eine solche Interessenabwägung bereits vom Gericht bei der Klärung der Frage vorzunehmen ist, ob überhaupt Mitbestimmungspflicht nach § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG gegeben ist. Auch Felten/Preiss (in Gahleitner/Mosler, ArbVR Bd 35 § 96a Rz 32) weisen darauf hin, dass es gerade Aufgabe der Schlichtungsstelle ist, zu entscheiden, welche Interessen im Einzelfall schwerer wiegen.Bei Betrachtung der Regelung des § 146 Abs 2 ArbVG (vor allem der Anordnung, dass die Entscheidung der Schlichtungsstelle als BV gilt) ergibt sich, dass der Gesetzgeber mit dieser auf die Sachentscheidung der Schlichtungsstelle abstellt, dh die Interessenabwägung auch bei der Sachentscheidung durchgeführt haben möchte (vgl idS auch Weiß, Das Verfahren bei den Schlichtungsstellen, in Körber-Risak/Wolf [Hrsg], Die Betriebsvereinbarung vor der Schlichtungsstelle2 145 f; Ritzberger-Moser in Jabornegg/Resch, ArbVG § 146 Rz 6; Brodil in Tomandl, ArbVG § 146 Rz 7 f). Wenn man nun der Ansicht des OGH folgt, dass bei der Beurteilung des Vorliegens der Mitbestimmungspflicht nach § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG eine Interessenabwägung durchzuführen ist, muss man in der Folge konsequenterweise unterstellen, dass auch die Schlichtungsstelle dies so sieht. Dann würde die Schlichtungsstelle bei Zweifeln über das Vorliegen des Mitbestimmungstatbestandes, also bei Zweifeln über ihre sachliche Zuständigkeit, diese Frage unter Vornahme einer Interessenabwägung klären. Die Interessenabwägung würde daher bereits an dieser Stelle erfolgen und nicht dem gesetzgeberischen Willen entsprechend (erst) bei der Sachentscheidung. Hinzuweisen ist darauf, dass das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt ist, wenn die Schlichtungsstelle eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (vgl VfGHB 1338/10 ZAS 2012, 266 [Gerlach]). Vgl zur sachlichen Zuständigkeit der Schlichtungsstelle die Nachweise bei Weiß, Das Verfahren bei den Schlichtungsstellen, in Körber-Risak/Wolf (Hrsg), Die Betriebsvereinbarung vor der Schlichtungsstelle2 145 FN 200 sowie die E der Schlichtungsstelle beim ASG Wien 27.1.2009 Schl 1/08, abgedruckt bei Körber-Risak, Entscheidungen der Schlichtungsstellen, in Körber-Risak/Wolf, aaO 2 f, bei der die Schlichtungsstelle den Antrag auf Abschluss einer BV gem § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG wegen sachlicher Unzuständigkeit mit der Begründung zurückgewiesen hat, es lägen keine personenbezogenen Daten vor.
Das gegenständliche Problem könnte uU auch damit zusammenhängen, dass man bei der Einführung der Mitbestimmungsart nach § 96a ArbVG möglicherweise die Konzeption des § 87 dBetrVG zum Vorbild genommen hat (vgl Cerny, Die „ersetzbare Zustimmung“ als neue Form der Mitwirkung des Betriebsrates, in FS Schnorr [1988] 23, FN 8; Trost,
), demgemäß in diversen Angelegenheiten der BR zwingend zu beteiligen ist, allerdings bei Nichteinigung die Einigungsstelle angerufen werden kann. Betrachtet man die Tatbestände des § 87 dBetrVG, zeigt sich, dass hier bei keinem eine Interessenabwägung zur Beurteilung der Frage, ob der Mitbestimmungstatbestand vorliegt oder nicht, in Betracht kommt. Dies ist im Übrigen auch bei den Tatbeständen der erzwingbaren Betriebsvereinbarungen nach § 97 ArbVG der Fall, welche zT auch den Tatbeständen nach § 87 dBetrVG ähnlich sind (vgl zB § 87 Abs 1 Z 1 dBetrVG/§ 97 Abs 1 Z 1 ArbVG; § 87 Abs 1 Z 2 dBetrVG/§ 97 Abs 1 Z 2 ArbVG). Im vorliegenden Zusammenhang hinzuweisen ist auf die bereits seit der Stammfassung des dBetrVG bestehende Z 6 des Abs 1: „Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen“ (vgl auch Strasser, Zur Mitbestimmung bei Kontrolleinrichtungen nach österreichischem und deutschem Recht, in FS G. Müller [1981] 609 ff). Der zweite Tatbestand der Z 6 ist noch am ehesten mit § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG vergleichbar. Es handelt sich hier um einen objektiv zu beurteilenden Tatbestand. Nach deutscher Literatur sichert Z 6 dem BR ein Mitbeurteilungsrecht bei der oft schwierigen Ermittlung der Grenze zwischen zulässigen und unzulässigen Eingriffen in den Persönlichkeitsbereich des AN. Sie gewährleistet auch eine Mitgestaltung im Rahmen rechtlich zulässiger Eingriffe, die auf das durch die betrieblichen Notwendigkeiten unabdingbar gebotene Maß beschränkt werden. Die in einer BV nach Z 6 geregelten Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der AN müssen durch überwiegende schützenswerte Interessen des AG gerechtfertigt sein und dürfen nicht unangemessen sein (Fitting, Betriebsverfassungsgesetz28 [2016] § 87 Rz 216 mwN). § 76 Abs 5 Satz 3 dBetrVG normiert, dass die Einigungsstelle ihre Beschlüsse unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der betroffenen AN nach billigem Ermessen fasst. Dazu wird in der deutschen Literatur darauf hingewiesen, dass die Einigungsstelle bei ihrer Entscheidung stets eine Interessenabwägung vornehmen muss (Fitting, BetrVG28 § 76 Rz 124).
Im Gegensatz zu § 146 Abs 2 ArbVG, der ausdrücklich die Vornahme einer Interessenabwägung anordnet, lässt die Wendung „nicht durch die betriebliche Verwendung gerechtfertigt“ verschiedene Deutungsmöglichkeiten zu. Wie von mir bereits an anderer Stelle ausgeführt wurde, bezieht sich „betriebliche Verwendung“ nicht auf die betriebliche Verwendung des AN, sondern auf die betriebliche Verwendung der mit dem Personalbeurteilungssystem erhobenen Daten (näher Naderhirn in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 96a Rz 42). Man könnte durchaus das Wort „gerechtfertigt“ als Hinweis auf das Erfordernis einer Interessenabwägung deuten. In diesem Zusammenhang soll allerdings angemerkt werden, dass nach der Lehre der Notwehrtatbestand des § 3 StGB in seinem Kernbereich keine Güterabwägung und damit keine Interessenabwägung kennt (vgl Reischauer in Rummel, ABGB3 Vor §§ 1293 ABGB Rz 5). Dadurch wird deutlich, dass ein Rechtfertigungsgrund nicht automatisch das Erfordernis136 einer Interessenabwägung nach sich zieht. Man könnte diese Wendung aber zB auch so verstehen, dass jede Personalbeurteilung, die irgendwie durch eine betriebliche Verwendung gerechtfertigt werden kann, von der Mitbestimmung ausgenommen ist. Beide Auslegungsvarianten sind abzulehnen. Letztere würde den Mitbestimmungstatbestand ad absurdum führen, erstere verbietet sich aus den oben ausgeführten Gründen und ist auch vom Wortlaut her nicht zwingend (vgl Felten, Kooperatives Management, in Felten/Trost [Hrsg], 50 Jahre Institut für Arbeitsrecht und Sozialrecht der Johannes Kepler Universität Linz 29, der darauf hinweist, dass der Gesetzgeber nicht darauf abgestellt hat, ob ein betriebliches Interesse an der Beurteilung besteht). In der Lehre gibt es diverse Ansätze zur Interpretation dieser Wendung (vgl die Nachweise bei Naderhirn in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 96a Rz 45 ff sowie bei Felten in Reissner/Neumayr [Hrsg], ZellHB BV Rz 6.06 ff). Auch die Rezensentin hat an anderer Stelle Kriterien für die Beurteilung des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Mitbestimmungspflicht aufgezeigt (vgl zusammenfassend in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 96a Rz 53), bei denen keine Interessenabwägung notwendig ist.
Anhand dieser Kriterien lässt sich die Mitbestimmungspflicht klären. Bei Bejahung derselben liegt es am BI, eine Einigung mit dem BR zu finden, bei Nichteinigung kann die Schlichtungsstelle angerufen werden, welche dann ihre Aufgabe wahrzunehmen hat, zwischen den Parteien zu vermitteln und bei Scheitern der Vermittlungsbemühungen unter Durchführung einer Interessenabwägung eine Entscheidung zu treffen.
Dem Ergebnis der vorliegenden E ist vollinhaltlich zuzustimmen, nicht aber der vom OGH auch hier wieder postulierten Interessenabwägung. Aus der Regelung des § 146 Abs 2 ArbVG lässt sich ableiten, dass die Vornahme einer Interessenabwägung bei der Rechtsfrage des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Mitbestimmungspflicht nicht den Intentionen des Gesetzgebers entspricht, sondern eine solche vielmehr im Zuge des Regelungsstreits durch die Schlichtungsstelle bei deren Sachentscheidung durchzuführen ist.