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Beweislast bei Lohnzuschlag nach dem Kollektivvertrag für ArbeiterInnen im Hotel- und Gastgewerbe

KLAUSBACHHOFER
KV Arbeiter Hotel- und Gastgewerbe (idF 1.7.2012) Pkt 2.g.

Auf die Dienstverhältnisse der zwischen 2013 und 2015 bei der Bekl als „Stewards on Train“ mit dem Verkauf von Speisen und Getränken im Zug beschäftigten Kl war der KollV für ArbeiterInnen im Hotel und Gastgewerbe idF 1.7.2012 anzuwenden. Dessen Pkt 2.g. lautete: „Nach Beendigung der Tagesarbeitszeit ist den Arbeitnehmern eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden zu gewähren. Diese kann auf 10 Stunden verkürzt werden, sofern diese Verkürzung innerhalb eines Zeitraums von 10 Kalendertagen durch eine entsprechende Verlängerung einer anderen täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit ausgeglichen wird. Ist die Verkürzung der Arbeitszeit im obigen Sinne nicht möglich, ist ein 100 %iger Lohnzuschlag zu berücksichtigen.

Es kam regelmäßig aufgrund der Diensteinteilung der Bekl zu einer Unterschreitung der täglichen Ruhezeit von elf Stunden, oftmals lag diese auch unter zehn Stunden. Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass irgendeine dieser Unterschreitungen nicht durch eine entsprechende Überschreitung der täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit über elf bzw 36 Stunden innerhalb von zehn Kalendertagen ausgeglichen wurde.

Der OGH bestätigte die Abweisung der auf den 100 %igen Lohnzuschlag gerichteten Klagen durch die Vorinstanzen und wies die außerordentliche Revisionen der Kl zurück.

In seinem Zurückweisungsbeschluss betont der Gerichtshof, dass die eigentliche Anspruchsvoraussetzung des begehrten Zuschlags iSd KollV das Unterbleiben eines rechtzeitigen Ausgleichs der (zweifellos vorliegenden) Ruhezeitverkürzungen war. Die Ansicht der Kl, dass ihnen die Vorinstanzen zu Unrecht die Behauptungs- und Beweislast dafür aufgebürdet hätten, dass es nicht innerhalb von zehn Tagen zu einem Naturalausgleich der verkürzten Ruhezeiten gekommen sei, teilt der OGH nicht. Allgemein treffe jede Partei die Behauptungs- und Beweislast für die Tatsachen, die Voraussetzungen der für sie günstigen Rechtsnorm sind. Der primäre Anspruch auf Naturalausgleich sollte sich nach dem Willen der Kollektivvertragsparteien erst bei Vorliegen der weiteren Voraussetzung, dass der Naturalausgleich nicht innerhalb von zehn Kalendertagen gewährt wird, in einen Geldanspruch umwandeln. Die Kollektivvertragsparteien formulierten es daher als Anspruchsvoraussetzung, dass die Verkürzung der Arbeitszeit binnen zehn Kalendertagen nicht möglich ist.

Eine Beweislastverschiebung ist auf jene (Ausnahme-) Fälle beschränkt, in denen die „Nähe zum Beweis“ den Ausschlag für die Zuteilung der Beweislast gibt, etwa wenn Tatfragen „tief in die Sphäre einer Partei hineinführen“. Die allgemeinen Beweislastregeln finden eine Einschränkung dort, wo eine Beweisführung von der an sich dazu verpflichteten Partei billigerweise nicht erwartet werden kann, weil es sich um Umstände handelt, die allein in der Sphäre der anderen Partei liegen und daher nur ihr bekannt und damit auch nur durch sie beweisbar sind. Dass der Bekl die Auswertung der Arbeitszeitaufzeichnungen leichter fallen mag, bedeutet jedoch noch nicht, dass den Kl ein Beweis dafür, dass sie keinen Ruhezeitausgleich nehmen konnten, nicht möglich gewesen wäre.