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Taggeld gemäß KVAÜ gebührt auch für den letzten Tag der Arbeitswoche für die Heimfahrt nach Ungarn

RICHARDHALWAX
Abschnitt VIII Kapitel B KVAÜ

Der Kl war bei der Bekl, einem in Oberösterreich ansässigen Arbeitskräfteüberlasser, von 9.11.2016 bis 29.9.2017 beschäftigt und während des Arbeitsverhältnisses bei einer GmbH in Oberösterreich eingesetzt. Zwischen dem Überlasserbetrieb und dem Beschäftigerbetrieb liegt eine Wegstrecke von rund 55 km. Der in Ungarn wohnhafte Kl bezog unter der Woche in Oberösterreich Quartier. Am letzten Arbeitstag der Woche – für gewöhnlich einen Freitag – reiste er nach Arbeits-128schluss jeweils nach Hause, mehrere hundert Kilometer sowohl vom Betrieb des Beschäftigers als auch jenem des Überlassers entfernt. Für den letzten Arbeitstag der Woche wurde dem Kl jeweils kein Taggeld bezahlt.

Auf das Arbeitsverhältnis sind die Bestimmungen des KollV für ArbeiterInnen im Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung (KVAÜ) anzuwenden.

Der Kl begehrte mit seiner Klage jeweils für den letzten Arbeitstag der Woche das Taggeld. Die Bestimmung Abschnitt VIII Kapitel B Pkt 12 des KollV stelle ausschließlich darauf ab, dass der Wohnort des AN mehr als 120 km vom Beschäftigerbetrieb entfernt ist, in dem der AN überlassen wird, nicht hingegen auf die Erforderlichkeit einer Nächtigung außer Haus.

Die Bekl bestritt das Klagebegehren dem Grunde nach. Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im klagsstattgebenden Sinne ab. Mangels Rsp des OGH zur Frage, ob ein AN Anspruch auf Taggeld nach Abschnitt VIII Kapitel B Pkt 12 KVAÜ für den letzten Tag einer Arbeitswoche, an dem die Heimreise erfolgt, habe, ließ es die ordentliche Revision gem § 502 Abs 1 ZPO zu.

Der OGH gab der Revision nicht Folge.

Sowohl der das Vorliegen einer „Dienstreise“ regelnde Pkt 11 des Kapitels B als auch der die Ansprüche auf Tag- und Nächtigungsgeld regelnde Pkt 12 des Kapitels B stellen grundsätzlich auf die Entfernung des Wohnorts des AN vom Beschäftigerbetrieb ab, wobei es für Pkt 11 auf ein Überschreiten von 60 km, für Punkt 12 auf ein Überschreiten von 120 km ankommt. Entgegen der Ansicht der Bekl waren die Entfernungsvoraussetzungen von Abschnitt VIII Kapitel B Pkt 12 des KollV unabhängig von der Entfernung zwischen dem Beschäftigerbetrieb und dem Überlassungsbetrieb erfüllt.

Der OGH erwog, dass es sich beim in Abschnitt VIII KVAÜ für auswärtige Arbeiten geregelten Taggeld um eine Aufwandsentschädigung handelt (OGH 29.3.2016, 8 ObA 44/15a [in Pkt 3.]; VwGH2013/08/0103 ARD 6507/9/2016). Als solche dient es der pauschalen Abdeckung des finanziellen Aufwands des AN, den dieser dadurch hat, dass er den Tag auswärts verbringen muss, so insb auch, dass er gezwungen ist, sich auswärts – und damit typischerweise teurer als in seinem gewöhnlichen Umfeld – zu verpflegen. Dem Telos des Taggelds würde daher allein eine Lesart der Bestimmung Abschnitt VIII Kapitel B Pkt 12 KVAÜ entsprechen, nach der dem AN auch für den letzten Tag der Arbeitswoche Taggeld gebührt.

Satz 1 des Abschnitt VIII Kapitel B Pkt 12 KVAÜ verlangt nicht, dass sich die Anordnung der Nächtigung auf die kommende Nacht bezieht. Aus der Verwendung der Worte „pro Arbeitstag“ bzw „täglich“ in Abschnitt VIII Kapitel A Pkt 2 KVAÜ kann nicht geschlossen werden, dass einem vom Überlasser entsendeten AN für den letzten Arbeitstag der Woche kein Taggeld zustehe.