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Zuweisung zu Wiedereingliederungsmaßnahme bedarf vorheriger Konkretisierung der Defizite gegenüber der arbeitslosen Person

REGINAZECHNER

Eine arbeitslose Person bezog ab 13.1.2017 Arbeitslosengeld. In der Betreuungsvereinbarung vom 17.5.2017 wurde die Teilnahme an der vermittlungsunterstützenden Maßnahme „Chancen im Beruf“ mit Kursbeginn am 26.6.2017 vorgesehen. Dazu wurde ausgeführt, dass der spätere Beschwerdeführer seit längerem arbeitslos sei und weder die Vermittlungsversuche durch das Arbeitsmarktservice (AMS) noch die Eigeninitiative erfolgreich gewesen seien. Daher unterstütze das AMS den Leistungsbezieher bei der Überwindung ermittlungserschwerender Hindernisse bzw Defizite. Aus dem Einladungsschreiben und einem Informationsblatt vom 17.5.2017 geht hervor, dass sich die gegenständliche Maßnahme an Personen mit ärztlich attestierten Einschränkungen sowie an seit längerer Zeit arbeitslos vorgemerkte KundInnen, die bereits Unterstützungsangebote des AMS erfolglos besucht haben, richtet. Der Beschwerdeführer lehnte die Teilnahme an der Maßnahme ab, da er Angst vor Menschenansammlung hat und den Kurs außerdem für sinnlos hielt. Das AMS sprach daraufhin den Verlust des Leistungsanspruchs gem § 10 AlVG im Zeitraum 27.6. bis 7.8.2017 aus.

In seiner Beschwerde brachte der Beschwerdeführer vor, dass ihm die Teilnahme an der Maßnahme aufgrund von psychischen und physischen Erkrankungen/Einschränkungen nicht möglich sei. Da diese die Zumutbarkeit der Maßnahme aus Sicht des AMS nicht einschränken würden, wurde die Beschwerde abgewiesen. Der Beschwerdeführer beantragte die Vorlage seiner Beschwerde an das BVwG.

Nach der Rsp des VwGH setzt die Zulässigkeit einer Zuweisung zu einer Wiedereingliederungsmaßnahme voraus, dass das AMS davor seiner Verpflichtung nachgekommen ist, dem Arbeitslosen die Gründe, aus denen das AMS eine solche Maßnahme für erforderlich erachtet, zu eröffnen, ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und den Arbeitslosen über die Rechtsfolgen einer Weigerung, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, zu belehren. Von einer ungerechtfertigten Weigerung des Arbeitslosen, an Maßnahmen teilzunehmen, kann nur dann gesprochen werden, wenn sich die Zuweisung auf eine zulässige Maßnahme bezieht und die Weigerung in objektiver Kenntnis des Inhaltes, der Zumutbarkeit und der Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme erfolgt. Diesbezügliche Versäumnisse anlässlich der Zuweisung des Arbeitslosen zur Maßnahme können im Rechtsmittelverfahren nicht nachgeholt werden (VwGH 19.9.2007, 2006/08/0159).

Das BVwG stellte fest, dass dem Beschwerdeführer vor der Zuweisung seine konkreten Defizite, die durch die Maßnahme behoben werden sollten, nicht mitgeteilt wurden. Es wurde anlässlich der Niederschrift vom 17.5.2017 im Rahmen der Betreuungsvereinbarung zwar darauf hingewiesen, dass die Vermittlungsversuche des AMS und die Eigeninitiative des Beschwerdeführers – bedingt durch fehlende bzw nicht ausreichende Kenntnisse und Nichterkennen der realen Bedingungen am Arbeitsmarkt – erfolglos geblieben seien, er wurde jedoch nicht darüber aufgeklärt, welche konkreten Fähigkeiten und Kenntnisse dem Beschwerdeführer fehlen, die durch die Maßnahme verbessert werden sollen. Das BVwG gab der Beschwerde daher statt.

Dabei wurde auch nicht außer Acht gelassen, dass es laut VwGH notorisch ist und keiner längeren Begründung bedarf, dass eine langjährige Absenz vom Arbeitsmarkt den arbeitsplatzbezogenen Einordnungs- und Kommunikationsfähigkeiten eines potentiellen Mitarbeiters in der Regel nicht förderlich ist, was wiederum in den Augen von AG einen Bewerbungsnachteil bei sonst durchaus gleicher Qualifikation darstellen kann (VwGH 14.1.2013, 2010/08/0177). Eine langjährige Absenz vom Arbeitsmarkt war im gegenständlichen Fall zum Zeitpunkt der Zuweisung zur Wiedereingliederungsmaßnahme bzw der Erstellung der Betreuungsvereinbarung aber nicht gegeben, da der Beschwerdeführer „erst“ seit 3.1.2017 arbeitslos gemeldet war und davor vom 1.10.2012 bis zum 31.12.2016 beschäftigt war.131