78

Auch geregelter Lehrgang iSd § 12 Abs 3 lit f AlVG kann Ausbildung im Auftrag des Arbeitsmarktsersvice gemäß § 12 Abs 5 AlVG sein, die Arbeitslosigkeit nicht ausschließt

REGINAZECHNER

In einer Betreuungsvereinbarung wurde festgelegt, dass von der Leistungsbezieherin die Teilnahme am vereinbarten „Kurs“ in der Gesundheits- und Krankenpflegeschule „im Rahmen des Fachkräftestipendiums“ mit Beginn am 2.3.2015 erwartet wird. Auf das Fachkräftestipendium (FKS) gem § 34b Arbeitsmarktservicegesetz (AMSG) ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe anzurechnen, sodass der FKS-Tagsatz um den entsprechenden Leistungstagsatz vermindert wird. Ist der Anspruch gem AlVG größer oder gleich dem FKS-Ausgleichszulagenrichtsatz, wird der Leistungsbezug weitergewährt. Die Leistungsbezieherin erhielt auch nach Beginn der Ausbildung weiter Arbeitslosengeld. Ab Beginn des dritten Ausbildungsjahres erhielt die Leistungsbezieherin ein Ausbildungstaschengeld in Höhe von € 456,50 monatlich. Die Erhöhung des Taschengeldes ab 1.3.2017 hat sie dem AMS nicht gemeldet.

Mit Bescheid vom 21.6.2017 wurde die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes im Zeitraum 1.3. bis 30.4.2017 widerrufen und das zu Unrecht bezogene Arbeitslosengeld mit der Begründung zurückgefordert, dass sie ein Taschengeld über der Geringfügigkeitsgrenze erhalte. Das BVwG folgte der Ansicht des AMS und wies die Beschwerde ab. Gemäß Bundes-RL Fachkräftestipendium sei das Ausbildungstaschengeld als Entgelt anzusehen. Aufgrund des Entgelts über der Geringfügigkeitsgrenze würde kein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehen. Nachdem das Taschengeld den Betrag von € 500,- nicht übersteige, würde jedoch gemäß der RL das Fachkräftestipendium gebühren. Da die Beschwerdeführerin das höhere Taschengeld nicht gemeldet habe, sei das Arbeitslosengeld im gegenständlichen Zeitraum zu widerrufen und das – das FKS übersteigende – Arbeitslosengeld zurückzufordern.

Die Beschwerdeführerin erhob eine außerordentliche Revision und brachte zur Zulässigkeit vor, dass das Ausbildungstaschengeld nicht wie ein Einkommen aus einem Arbeitslosigkeit ausschließenden Dienstverhältnis zu werten sei.

Der VwGH erklärte die Revision für zulässig und stellte zunächst fest, dass die Ausbildung in der Krankenpflegeschule Arbeitslosigkeit gem § 12 Abs 3 AlVG grundsätzlich ausschließt. Da es sich aber offenbar um eine Umschulungsmaßnahme im Auftrag des AMS iSd § 12 Abs 5 AlVG gehandelt hat, galt die Ausbildung nicht als „Beschäftigung iSd [12] Abs 1“ und die Beschwerdeführerin bezog weiter Arbeitslosengeld. Galt der Besuch der Krankenpflegeschule aber gem § 12 Abs 5 AlVG nicht als Beschäftigung – und damit auch nicht als Ausbildung iSd § 12 Abs 3 lit f AlVG –, so war auch nicht maßgeblich, ob dafür eine Geldleistung über der Geringfügigkeitsgrenze bezogen wurde. Vielmehr schließt die Teilnahme an einer Nach- oder Umschulung im Auftrag des AMS gem § 12 Abs 5 AlVG Arbeitslosigkeit von vornherein nicht aus; der Erfüllung eines weiteren Ausnahmetatbestandes (wie etwa jenes nach § 12 Abs 6 lit a AlVG [Entgelt bis zur Geringfügigkeitsgrenze]) bedarf es nicht. Da die Höhe des Taschengeldes keine Auswirkungen auf die Anspruchsvoraussetzungen hat, handelt es sich dabei auch nicht um maßgebende Tatsachen, deren Verschweigen das AMS gem § 25 Abs 1 AlVG zur Rückforderung der Leistung berechtigt.

Zu prüfen sei jedoch, ob der Widerruf der Leistung im Ergebnis deshalb gerechtfertigt sei, weil die Voraussetzungen des § 12 Abs 5 AlVG von Anfang an nicht vorgelegen waren. Zu § 12 Abs 5 AlVG idF vor dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl 201, hat der VwGH ausgesprochen, dass eine Ausbildung nicht zugleich ein „geregelter Lehrgang“ iSd § 12 Abs 3 lit f AlVG und ein „einzelner Lehrkurs zur Erweiterung der fachlichen oder Allgemeinbildung iSd § 12 Abs 5 AlVG sein“ könne. Diese Aussage lässt sich nach Ansicht des VwGH zur geänderten Rechtslage nicht aufrechterhalten. Aus dem Gesetzeswortlaut geht klar hervor, dass die Abgrenzung, ob eine dem Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht entgegenstehende Ausbildung gem § 12 Abs 5 AlVG vorliegt, nunmehr nach dem neu hinzugekommenen Kriterium eines entsprechenden Auftrages des AMS zu erfolgen hat. Trägt das AMS der arbeitslosen Person eine Maßnahme der Nach- oder Umschulung auf, dann soll Arbeitslosengeld (bzw Notstandshilfe) auch dann zustehen, wenn diese Maßnahme in der Absolvierung einer Ausbildung besteht, die in einer Schule oder einem geregelten Lehrgang iSd § 12 Abs 3 lit f AlVG erfolgt. Andernfalls müssten derartige Aufträge als unzulässig angesehen werden, ist es doch einer arbeitslosen Person – unbeschadet allfälliger Förderungen im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung – nicht zumutbar, durch die Erfüllung des Auftrages den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe zu verwirken. Im Ergebnis war daher auch der Widerruf der Leistung unzulässig.132