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Im Pensionsfonds der Wohlfahrtseinrichtungen der Architekten und Ingenieurskonsulenten erworbene Versicherungszeiten sind bei Nichterfüllung der Wartezeit nicht auf das Pensionskonto gutzuschreiben

WERNERPLETZENAUER
§ 15 APG; Pensionsfonds-Überleitungsgesetz; §§ 20d und 33 FSVG

Im Zeitraum von 1.4.1991 bis 30.6.1998 erwarb der Kl aufgrund einer Beitragsverpflichtung als Architekt 87 Versicherungsmonate im „Altersklassensystem“ in den Wohlfahrtseinrichtungen der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurskonsulenten (in der Folge: WE). Dafür leistete er € 27.055,44 an Beitragszahlungen.

Vom Kl wurde nicht in Frage gestellt, dass die bei den WE zurückgelegten Zeiten 120 Monate nicht erreichten, sodass die Wartezeit für eine Leistung des Pensionsfonds der WE nicht erfüllt sei.

Gegenstand des Rechtsstreits ist die vom Kl begehrte Berücksichtigung dieser Zeiten und der von ihm dafür geleisteten Beiträge bei der Bemessung der Kontoerstgutschrift durch die Bekl (Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft) zum 1.1.2014.

Die Bekl sowie die Unterinstanzen lehnten die Berücksichtigung dieser Zeiten und der von ihm dafür geleisteten Beiträge bei der Bemessung der Kontoerstgutschrift ab.

Das Berufungsgericht ließ die Revision an den OGH mit der Begründung zu, dass Rsp zur Frage fehle, ob bei den WE der Ziviltechniker erworbene Beitragszeiten bei der Kontoerstgutschrift gem § 15 APG zu berücksichtigen seien.

Die Revision wurde als zulässig erachtet, sie ist jedoch nicht berechtigt.

Der Kl argumentierte in seiner Revision, dass die von ihm an die WE entrichteten Beiträge nicht verloren gehen könnten, ohne dass er eine Leistung dafür erhalte. Die Regelungen der §§ 20d und 33 Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetz (FSVG) seien unzureichend, verfassungswidrig und unionsrechtswidrig. Dass eine Auszahlung bereits erworbener Anwartschaften nur bei Vorliegen entsprechender Versicherungszeiten möglich sei, stelle einen unzulässigen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrecht auf Eigentum dar. Er könne keine weiteren Zeiten im Pensionskontensystem der WE erwerben, weil er pensioniert sei. Auch der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz sei verletzt, weil eine vollständige Harmonisierung der Pensionssysteme, wie sie der Gesetzgeber anstrebe, mit den Überleitungsregelungen im vorliegenden Fall nicht erreicht werde. Der Kl beantragte daher die verfassungsrechtliche Überprüfung insb der §§ 20 ff FSVG. Der Umstand, dass die Kammer vom „Opting-out“ aus dem GSVG Gebrauch gemacht habe, binde den Kl, der eine solche Erklärung nicht abgegeben habe, nicht.

Der OGH folgte diesen Argumenten nicht.

Mit dem Pensionsfonds-Überleitungsgesetz, BGBl I 2013/4 (PF-ÜG), wurden die WE der Ziviltechniker in das Sozialversicherungssystem der freiberuflich selbständig Erwerbstätigen mit dem Ziel einer weiteren Harmonisierung des Pensionsversicherungssystems übergeführt.

Seit 1.1.2013 sind Ziviltechniker grundsätzlich in der PV nach dem FSVG pflichtversichert. Der Pensionsfonds der Ziviltechniker wurde nach vollständiger Realisierung und Übertragung seines Vermögens an die Bekl zum 31.12.2013 aufgelöst. Mit der Abwicklung endete die Leistungspflicht des Pensionsfonds für die entstandenen Leistungsansprüche und Anwartschaften.

Zur Überleitung des Pensionsfonds in das FSVG wurde eine Änderung des Statuts-WE beschlossen. Gem § 33 Abs 1 Statut-WE hat das Kuratorium mittels Bescheids mit Stichtag 31.12.2012 die erworbenen Anwartschaften festzustellen. Das im Bescheid gem § 33 Statut-WE festgestellte Bestehen einer Anwartschaft auf eine Leistung aus dem Pensionsfonds der WE ist wiederum gem § 20d Z 1 FSVG Voraussetzung für eine Überleitung dieser Anwartschaft auf die Bekl.

Nach den Verfahrensergebnissen hat der Kl im Rahmen des Feststellungsverfahrens gem § 33 Statut-WE keine Anwartschaften auf eine Leistung aus dem Pensionsfonds der WE erworben, weil er nicht die erforderliche Mindestanzahl von 120 Versicherungsmonaten im Altersklassensystem bis zum 1.1.2000 erworben hatte; daran hat die Überführung der Wohlfahrtseinrichtungen auch nichts zu Lasten des Kl geändert.135

Die Überleitung und Berücksichtigung der in § 31 Statut-WE geregelten Versicherungszeiten regelt § 33 Abs 3 FSVG idF PF-ÜG.

Die im Pensionsfonds der WE erworbenen Versicherungszeiten werden nur für die Erfüllung bestimmter in § 33 Abs 3 FSVG taxativ aufgezählter Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen der allgemeinen gesetzlichen PV berücksichtigt (Neumann/Seidenberger, ASoK 2013, 71; Kowaschitz/Wisleitner, ASoK 2013, 135). Zutreffend sind die Vorinstanzen zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Berücksichtigung dieser Zeiten für die Höhe der Leistung bzw die Pensionskontoerstgutschrift gem § 15 APG nach dem Wortlaut dieser Bestimmung nicht vorgesehen ist (Neumann/Seidenberger, ASoK 2013, 71).

Mit Verweis auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts verneinte der OGH auch die vom Kl behauptete Verfassungswidrigkeit der §§ 20d, 33 Abs 3 FSVG.

Zum Argument des Kl, dass die von ihm an die WE entrichteten Beiträge nicht verloren gehen könnten, ohne dass er eine Leistung dafür erhalte, wies der OGH auf die stRsp des VfGH hin. Der zufolge gilt in der gesetzlichen SV innerhalb einer Solidargemeinschaft nicht der Grundsatz der Äquivalenz von Beitragsleistung und Versicherungsleistung, sondern sind die Grundsätze der Einkommens- und Risikosolidarität bestimmend und es daher in manchen Fällen trotz Leistung von (höheren) Pflichtbeiträgen zu keiner (höheren) Versicherungsleistung kommt (VfGH 18.6.2009, B 111/09 mwH; RIS-Justiz RS0116064; RS0102041; OGH10 ObS 69/16v SSV-NF 30/46).

Da dem Anlassfall kein grenzüberschreitender Sachverhalt zugrunde liegt, gelangen weder die Vertragsbestimmungen des Unionsrechts über die Freizügigkeit noch die zu ihrer Durchführung erlassenen Maßnahmen zur Anwendung (OGH 17.4.2018, 10 ObS 164/17s mwH).