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Für den Erwerb eines Schwerarbeitsmonats sind nur jene Tätigkeiten zu berücksichtigen, die für sich genommen besonders belastend sind

FLORIANBURGER
§ 607 Abs 14 ASVG; § 1 Abs 1 Z 1, 2 und 4 SchwerarbeitsV

Am 3.8.2018 beantragte der am 18.1.1958 geborene Kl die Feststellung von Versicherungs- und Schwerarbeitszeiten. Mit Bescheid vom 8.6.2018 stellte die bekl Pensionsversicherungsanstalt 512 Versicherungsmonate fest. Sie lehnte die Anerkennung von Schwerarbeitszeiten zwischen 1998 und 2016 jedoch ab, weil die Tätigkeit als Bäcker keine Schwerarbeit darstelle. Dagegen erhob der Kl Klage und begehrte die Feststellung von Schwerarbeit aus seiner Tätigkeit als Bäcker und ergänzend aus einer zusätzlichen Tätigkeit als gewerblicher Lebensmittelhändler und Taxifahrer. Die Bekl wandte dagegen ein, dass die Tätigkeit als Bäcker keine Schwerarbeit darstelle, die selbstständige Tätigkeit sei nicht zu berücksichtigen.

Das Erstgericht stellte den Erwerb von Schwerarbeitszeiten fest, indem es zwar die Tätigkeit als Bäcker alleine noch nicht als Schwerarbeit qualifizierte (1.900 Arbeitskilokalorien), jedoch in Zusammenschau mit der selbstständigen Tätigkeit insgesamt mehr als die erforderlichen 2.000 Arbeitskalorien vorlägen (§ 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV). Zudem sei durch die Tätigkeit als Bäcker in der Nacht und als selbstständiger Einzelunternehmer am Tag auch Tag-/Nacht-Wechseldienst geleistet worden (§ 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV) sei.

Das Berufungsgericht gab der dagegen gerichteten Berufung der Bekl nicht Folge. Die Revision an den OGH wurde zugelassen, da Rsp dazu bisher fehle.

Der OGH entschied im Ergebnis, dass eine einfache Zusammenrechnung von Tätigkeiten zum Erreichen der Schwerarbeit (Kalorien, Arbeitszeit) unzulässig ist. Zwar können auch mehrere Tätigkeiten Schwerarbeit begründen, jedoch sind damit die Arten von Tätigkeiten in § 1 Abs 1 Z 1 bis 6 SchwerarbeitsV gemeint, die gleich zu behandeln sind (beispielsweise fünf Tage Arbeit bei Hitze und zusätzlich elf Tage körperliche Schwerarbeit).

Auch der Erwerb von Schwerarbeitszeiten durch die Ausübung mehrerer, zeitlich hintereinander oder gleichzeitig ausgeübter Tätigkeiten iSd § 1 Abs 1 der VO ist denkbar, sonst wären Teilzeitkräfte von vornherein vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen, was das Höchstgericht bereits zu Gunsten der Teilzeitkräfte entschieden hat (ua OGH 13.4.2016, 10 ObS 23/16d). Daher sind im Ergebnis bei überschneidender Ausübung mehrerer selbstständiger oder unselbstständiger Tätigkeiten für den Erwerb eines Schwerarbeitsmonats nur jene Tätigkeiten zu berücksichtigen, die für sich genommen besonders belastend sind. Eine „Zusammensicht“ der in der Nacht als Bäcker und während des Tages als Selbstständiger ausgeübten Tätigkeiten gem § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV (unregelmäßige Nachtarbeit) kommt daher nicht in Frage.

Zur weiteren Tatsachenfeststellung wurde das Verfahren an das Erstgericht zurückverwiesen, weil zu den selbstständigen Tätigkeiten Feststellungen fehlen, die eine Beurteilung erlauben, ob jede dieser Nebentätigkeit für sich betrachtet Schwerarbeit (zB Arbeitskalorienverbrauch) darstellt.144