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Kein Anspruch auf Familienzeitbonus für die Zeit des Krankenhausaufenthalts von Mutter und Kind nach der Geburt

MURATIZGI

Während des Krankenhausaufenthalts von Mutter und Neugeborenem (ohne den Vater) besteht mangels gemeinsamen Haushalts gem § 2 Abs 3 FamZeitbG kein Anspruch auf Familienzeitbonus. Die Tage, in denen sich Mutter und Kind im Krankenhaus befinden und die Pflege und Betreuung des Kindes durch Leistungen der Krankenanstalt abgedeckt wird, tragen nicht dazu bei, den vom Gesetzgeber intendierten Leistungszweck zu erreichen, der darin liegt, dass der Vater die Partnerin bei der Pflege und Betreuung des Säuglings unterstützt und eine frühzeitige emotionale Bindung zwischen Kind und Vater entsteht.

SACHVERHALT

Die Ehefrau des Kl brachte ihr Kind am 11.4.2017 in einem Krankenhaus mit Kaiserschnittentbindung zur Welt. Am 15.4.2017 wurden Mutter und Kind aus der Klinik entlassen und kehrten mit dem Kl an den gemeinsamen Wohnsitz zurück. Die147Wohnsitzmeldung des Kindes erfolgte erst am 28.4.2017. Der Kl, der als selbständiger Rechtsanwalt tätig ist, war von 11.4. bis 8.5.2017 zu Hause. Während des Krankenhausaufenthalts seiner Frau beaufsichtigte er seinen älteren Sohn und besuchte mit diesem gemeinsam seine Frau und das neugeborene Kind im Krankenhaus. Danach kümmerte er sich um seine Familie und besorgte die Verrichtungen des täglichen Lebens. Er arbeitete nicht und bezog keine Einkünfte, (nur) zeitweise war er im Büro, um sich „upzudaten“. Von der Liste der Rechtsanwälte war er während des Anspruchszeitraums nicht gestrichen. Mit der Wiedereintragung nach Streichung von der Rechtsanwaltsliste wären erhebliche Kosten entstanden. Am 11.5.2017 beantragte der Kl die Leistung nach dem Familienzeitbonusgesetz (FamZeitbG) von 11.4. bis 8.5.2017.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Die Bekl lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 1.6.2017 ab. Die Voraussetzungen des FamZeitbG seien nicht erfüllt, weil sich der Kl in dem von ihm gewählten Anspruchszeitraum von 28 Tagen nicht an jedem einzelnen Tag ausschließlich seiner Familie gewidmet und zu diesem Zweck seine Erwerbstätigkeit unterbrochen habe. Außerdem sei die hauptwohnsitzliche Meldung des Kindes verspätet erfolgt.

In seiner gegen den ablehnenden Bescheid gerichteten Klage brachte der Kl zusammengefasst vor, dass er auch während der Dauer des Krankenhausaufenthalts von Mutter und neugeborenem Kind ausschließlich seiner Familie gewidmet habe und sich – mangels anderer Betreuungsmöglichkeiten – um sein älteres Kind habe kümmern müssen. Die Meldung des neugeborenen Kindes sei am 28.4.2017 rechtzeitig erfolgt. Die von der Bekl zum Nachweis der Unterbrechung der Rechtsanwaltstätigkeit geforderte Streichung von der Liste der Rechtsanwälte sei nicht erforderlich. Diese Voraussetzung würde jedes Ansuchen eines Rechtsanwalts auf Gewährung von Familienzeitbonus wirtschaftlich gesehen sinnlos machen, weil die mit der Streichung und der Wiedereintragung verbundenen Gebühren und Beiträge die gesetzlich vorgesehene Höhe des Familienzeitbonus bei weitem überschreiten würde.

Das Erstgericht sprach dem Kl antragsgemäß den Familienzeitbonus ab dem Geburtsdatum zu. Das Berufungsgericht wies die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die sich aus den Gesetzesmaterialien ergebende Voraussetzung der vorübergehenden Einstellung aller Erwerbstätigkeiten für und während der Bezugsdauer des Familienzeitbonus nicht erfolgt sei. Da zu den hier aufgeworfenen Rechtsfragen keine Rsp des OGH vorliege und diesen Fragen jedenfalls Bedeutung über den Einzelfall zukomme, ließ das Berufungsgericht die Revision zu.

Die Revision erachtete der OGH im Hinblick auf das Fehlen von Rsp zum FamZeitbG als zulässig, jedoch nicht als berechtigt.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„[…] 1.2 Wie sich dazu aus den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 1) ergibt, sollen erwerbstätige Väter, die sich direkt nach der Geburt ihres Kindes intensiv und ausschließlich der Familie widmen, eine finanzielle Unterstützung erhalten. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die Familiengründungszeit wichtig ist, damit das Neugeborene rasch eine sehr enge emotionale Bindung (auch) zum Vater aufbauen kann. Der Vater soll seine unter den Auswirkungen der gerade erfolgten Geburt stehende Partnerin bei der Pflege und Betreuung des Säuglings, bei den Behördenwegen, bei Haushaltsarbeiten etc bestmöglich unterstützen, um den Zusammenhalt in der Familie von Anfang an zu stärken.

2.1 Im Hinblick auf diesen Gesetzeszweck ist der Anspruch auf Familienzeitbonus eines Vaters für sein Kind (ua) an die Voraussetzung geknüpft, dass der Vater, das Kind und der andere Elternteil im gemeinsamen Haushalt leben (§ 2 Abs 1 Z 4 FamZeitbG) und sich der Vater im gesamten von ihm gewählten Anspruchszeitraum in Familienzeit befindet (§ 2 Abs 1 Z 3 FamZeitbG).

2.2 Ein gemeinsamer Haushalt iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG liegt nur dann vor, wenn der Vater, das Kind und der andere Elternteil in einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und alle drei an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind, wobei eine bis zu zehn Tagen verspätet erfolgte Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an dieser Wohnadresse nicht schadet. […]

2.4 Die Familienzeit und der beantragte Bezugszeitraum müssen sich demnach decken. Die Familienzeit darf nicht kürzer andauern als der gewählte Familienzeitbonus-Anspruchszeitraum […].

Mutter und Kind nach der Geburt ist – wie sich schon aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt – kein gemeinsamer Haushalt iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG gegeben. Die Tage, in denen sich Mutter und Kind im Krankenhaus befinden und die Pflege und Betreuung des Kindes durch Leistungen der Krankenanstalt abgedeckt wird, tragen nicht dazu bei, den vom Gesetzgeber intendierten Leistungszweck zu erreichen, der darin liegt, dass der Vater die Partnerin bei der Pflege und Betreuung des Säuglings unterstützt und eine frühzeitige emotionale Bindung zwischen Kind und Vater entsteht. Für die Betreuung durch den Krankenhausaufenthalt der Mutter unbetreuten weiteren Kindern des Vaters kann (bei unselbständig Erwerbstätigen) Sonderurlaub oder Pflegefreistellung in Anspruch genommen werden. Nur bei Hausgeburten oder ambulanten Geburten ist der Familienzeitbonus bereits ab dem Tag der Geburt zu beantragen, da148 der gemeinsame Haushalt in diesen Fällen bereits ab der Geburt vorliegt […].

4.2. […] Während die dem § 2 Abs 3 FamZeitbG gleichlautende Bestimmung des § 2 Abs 6 KBGG in ihrem dritten Satz eine Sonderregelung für Krankenhausaufenthalte und kurzfristige Abwesenheiten beinhaltet und unter gewissen Voraussetzungen ausnahmsweise auch Zeiten eines Krankenhausaufenthalts als gemeinsamen Haushalt ansieht, wurde eine derartige Regelung für den – lediglich für einen kurzen Zeitraum gebührenden – Familienzeitbonus nicht geschaffen.

5. Anstatt der von § 3 Abs 2 FamZeitbG geforderten 28 bis 31 Tage verbleiben im vorliegenden Fall somit nur 23 Tage, wodurch der gesetzliche Mindestbezugszeitraum unterschritten ist. Sind im gewählten Anspruchszeitraum die Voraussetzungen für die Tage vom 11.4.2017 bis 15.4.2017 nicht erfüllt, kann der Familienzeitbonus nicht gewährt werden. Eine allenfalls anteilige Auszahlung wurde vom Gesetzgeber ausgeschlossen […]. Auch eine spätere Änderung des Anspruchszeitraums wäre nicht mehr möglich gewesen.“

ERLÄUTERUNG

Mit der vorliegenden E trifft der OGH eine mit Spannung erwartete Klarstellung zur neuen Rechtslage nach dem FamZeitbG (BGBl I 2016/53), da gleichgelagerte Fälle in erheblicher Anzahl gerichtsanhängig gemacht wurden. Im Konkreten haben in der Praxis die Väter überwiegend den Beginn der Familienzeitbonus-Leistung zum (voraussichtlichen) Geburtstermin gekoppelt beantragt, sodass sich die Mutter und das neugeborene Kind in der Regel noch stationär im Spital befanden. In diesen Fällen wurde der Familienzeitbonus von den Krankenversicherungsträgern im Wesentlichen mit der Begründung verweigert, dass die vom Gesetz geforderte Voraussetzung des gemeinsamen Haushalts erst mit der Entlassung aus dem Spital erfüllt sei, was wiederum dazu führte, dass das gesetzliche Erfordernis der Mindestleistungsdauer von 28 Tagen in Frage stand. Der OGH hatte sich daher mit der Rechtsfrage zu befassen, ob ein im Zeitpunkt des Beginns noch bestehender Krankenhausaufenthalt von Mutter und Kind nach der Entbindung dem Erfordernis des gemeinsamen Haushaltes iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG dem Familienzeitbonus entgegensteht.

In seiner streng am Wortlaut des Gesetzes angelehnten Begründung beschäftigt sich der OGH zunächst mit der Begriffsbestimmung „Familienzeit“ und verweist diesbezüglich auf § 2 Abs 4 FamZeitbG. Nach dieser Bestimmung ist unter Familienzeit der Zeitraum zwischen 28 und 31 Tagen zu verstehen, in dem sich ein Vater aufgrund der kürzlich erfolgten Geburt seines Kindes ausschließlich seiner Familie widmet und dazu die Erwerbstätigkeit unterbricht, keine andere Erwerbstätigkeit ausübt, keine Leistungen aus der AlV sowie keine Entgeltfortzahlung aufgrund von oder Leistungen bei Krankheit erhält.

Den Zweck des FamZeitbG leitet der OGH aus den Gesetzesmaterialien ab. Danach sollen erwerbstätige Väter, die sich direkt nach der Geburt ihres Kindes intensiv und ausschließlich der Familie widmen, eine finanzielle Unterstützung erhalten. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die Familiengründungszeit wichtig ist, damit das Neugeborene rasch eine sehr enge emotionale Bindung (auch) zum Vater aufbauen kann. Der Vater soll seine unter den Auswirkungen der gerade erfolgten Geburt stehende Partnerin bei der Pflege und Betreuung des Säuglings, bei den Behördenwegen, bei Haushaltsarbeiten etc bestmöglich unterstützen, um den Zusammenhalt in der Familie von Anfang an zu stärken. Im Hinblick auf diesen Gesetzeszweck sieht der OGH den Anspruch auf Familienzeitbonus eines Vaters für sein Kind (ua) an die Voraussetzung geknüpft, dass der Vater, das Kind und der andere Elternteil im gemeinsamen Haushalt leben (§ 2 Abs 1 Z 4 FamZeitbG) und sich der Vater im gesamten von ihm gewählten Anspruchszeitraum in Familienzeit befindet (§ 2 Abs 1 Z 3 FamZeitbG). Die Familienzeit und der beantragte Bezugszeitraum müssen sich demnach decken. Die Familienzeit darf nicht kürzer andauern als der gewählte Familienzeitbonus-Anspruchszeitraum.

Im nächsten Schritt verweist der OGH auf § 2 Abs 3 FamZeitbG, welcher bestimmt, wann ein „gemeinsamer Haushalt“ vorliegt. Demzufolge liegt dieser nur dann vor, wenn der Vater, das Kind und der andere Elternteil in einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und alle drei an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind, wobei eine bis zu zehn Tagen verspätet erfolgte Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an dieser Wohnadresse nicht schadet. Aus Wortlaut und Zweck der Bestimmung leitet der OGH ab, dass während des Krankenhausaufenthalts von Mutter und Kind nach der Geburt kein gemeinsamer Haushalt gegeben ist.

Schließlich sah der OGH bereits die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Z 3 und 4 FamZeitbG als nicht erfüllt an, weil während des Krankenhausaufenthalts von Mutter und Neugeborenem (ohne den Vater) kein Anspruch auf Familienzeitbonus bestehe und die verbleibenden Tage vom 15.4. bis zum 8.5.2017 die vom Kl gewählte Mindestbezugsdauer von 28 Tagen nicht erreichen. Anstatt der von § 3 Abs 2 FamZeitbG geforderten 28 bis 31 Tage verbleiben im vorliegenden Fall nur 23 Tage, wodurch der gesetzliche Mindestbezugszeitraum unterschritten ist.

Im Ergebnis verneint der OGH daher den Anspruch auf Familienzeitbonus, da er die gesetzlichen Voraussetzungen des gemeinsamen Haushalts wäh-149rend der zumindest 28-tägigen Familienzeit als nicht erfüllt sieht. Darüber hinaus komme eine allenfalls anteilige Auszahlung auch nicht in Betracht, da dies vom Gesetzgeber ausgeschlossen worden sei. Auf die weiteren – nicht mehr entscheidungsrelevanten – Fragen, ob die „hauptwohnsitzliche“ Meldung des Kindes rechtzeitig erfolgt ist und ob eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit als Rechtsanwalt iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG vorliegt, musste der OGH im vorliegenden Fall nicht mehr eingehen.

Jedoch sei an dieser Stelle angemerkt, dass der OGH in seiner jüngsten E zu 10 ObS 111/18y vom 19.12.2018 die im vorliegenden Fall noch nicht aufgegriffene Frage der Erforderlichkeit einer Streichung von der Rechtsanwaltsliste geklärt hat. Aus den in den Gesetzesmaterialien genannten Beispielen (die Unterbrechung der selbständigen Tätigkeit samt Sozialversicherungsabmeldung, die Ruhendmeldung des Gewerbes) und dem Hinweis, dass dem Krankenversicherungsträger entsprechende Nachweise darüber vorzulegen sind, leitet der OGH jedenfalls den (allgemeinen) Grundsatz ab, dass die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit bei allen Berufsgruppen nach außen erkennbar sein muss, um dem Interesse der Bekl an einer möglichst effizienten Administrierbarkeit zu entsprechen. Welche konkreten Nachweise dazu geeignet sind, ist von den Tatsacheninstanzen im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden (zB entsprechende Mitteilungen an Klienten, Substituierung eines anderen Rechtsanwalts). Somit ist ein Rechtsanwalt nicht verpflichtet, auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft zu verzichten (§ 34 Abs 1 Z 3 RAO), um den Familienzeitbonus beanspruchen zu können. Entscheidend ist die nach außen in Erscheinung tretende Nichtausübung der Tätigkeit als Rechtsanwalt.