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Anspruch auf Lohnabrechnung: Was heißt vollständig?

ERNSTEYPELTAUER (LINZ)
  1. Keine Änderung durch Einführung des § 2 f AVRAG, dass kein Anspruch der AN auf eine richtige Lohnabrechnung besteht.

  2. Die Lohnabrechnung muss nur formell vollständig sein und nicht jene Ansprüche der AN beinhalten, die nach Ansicht des AG nicht zu Recht bestehen.

  3. Offen lassen, ob nach rechtskräftigem Zuspruch und Auszahlung des Anspruchs eine diesen Anspruch beinhaltende Ergänzung der Lohnabrechnung vom AN verlangt werden kann.

Der Kl war bei der Bekl vom 25.7.2016 bis 28.8.2016 als Koch beschäftigt. Er beendete das Arbeitsverhältnis durch Kündigung. Im September 2016 wurde ihm von der Bekl eine Lohnabrechnung für August 2016 übermittelt, in welcher kein Anspruch auf Urlaubsersatzleistung aufschien. Auf das Arbeitsverhältnis findet der KollV für Arbeiterinnen und Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe Anwendung, dessen § 7 lit b Satz 1 lautet: „Bei der Lohnauszahlung ist jedem Arbeitnehmer eine Lohnabrechnung auszuhändigen, aus der der Bruttolohn, die Lohnsteuer, die Sozialversicherungsbeiträge und alle sonstigen Abzüge ersichtlich sind.

Der Kl begehrte mit seiner Klage – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – den Zuspruch einer Urlaubsersatzleistung in Höhe von 204,22 € samt Zinsen sowie die Bekl für schuldig zu erkennen, ihm „für den Zeitraum vom 1.8.2016 bis zum 28.8.2016 eine Lohnabrechnung gemäß KV Gastgewerbe Arbeiter/Tirol auszuhändigen, in der der anteilige Bruttolohn, die Urlaubsersatzleistung und dazu die Lohnsteuer und die Sozialversicherungsbeiträge ersichtlich sind“. Er habe niemals Urlaub genommen und daher Anspruch auf die begehrte Urlaubsersatzleistung. Die ihm zugegangene Lohnabrechnung sei insoweit unvollständig und unrichtig, als sie die ihm zustehende Urlaubsersatzleistung nicht enthalte. Er habe sowohl nach dem KollV als auch der Bestimmung des § 2f AVRAG einen Anspruch auf eine korrekte, richtige Lohnabrechnung.

Die Bekl bestritt das Zahlungsbegehren mit dem Vorbringen, der Kl habe den Urlaub, für den er die336 Ersatzleistung begehre, konsumiert. Die ihm ausgefolgte Abrechnung entspreche den rechtlichen Anforderungen, weil sie sämtliche tatsächlich zur Abrechnung gebrachten Entgelte nachvollziehbar und vollständig aufschlüssle. Sowohl nach § 2f AVRAG als auch dem KollV seien lediglich die tatsächlich zur Auszahlung gelangten Entgelte und [die] Aufwandsentschädigung in die Abrechnung aufzunehmen, nicht aber zwischen den Arbeitsvertragspartnern strittige Ansprüche.

Das Erstgericht sprach dem Kl – unangefochten geblieben – die begehrte Urlaubsersatzleistung zu. Das Mehrbegehren auf Aushändigung einer (richtigen) Lohnabrechnung wurde abgewiesen. [...]

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl nicht Folge. [...] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mangels höchstgerichtlicher Rsp zur Bestimmung des § 2f AVRAG zu.

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig (§ 502 Abs 1 ZPO); sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. AN haben seit jeher einen individualrechtlichen, oft aber auch in einer BV (§ 97 Abs 1 Z 3 ArbVG) oder einem KollV zusätzlich verankerten Anspruch auf Ausfolgung einer Lohnabrechnung. Zweck eines solchen Anspruchs ist es, dem AN die Überprüfung zu ermöglichen, ob seine Ansprüche richtig und vollständig errechnet und alle Abgaben und Beiträge dem Gesetz entsprechend abgeführt wurden, damit er sich allenfalls gegen eine Verkürzung zur Wehr setzen kann (vgl 9 ObA 225/92; RIS-Justiz RS0064548; RS0035031; Binder/Schindler in Löschnigg, Angestelltengesetz10 § 18 Rz 121; Felten/Preiss in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 § 97 Rz 63; Jabornegg in Jabornegg/Resch, ArbVG § 97 Rz 144). Eine ordnungsgemäße Lohnabrechnung liegt daher vor, wenn aus ihr der Auszahlungsbetrag und dessen Zweckwidmung sowie die vorgenommenen Abzüge einwandfrei erkennbar sind (RIS-Justiz RS0029299; zuletzt 9 ObA 100/14t). Kann der AN der Abrechnung entnehmen, dass bestimmte Positionen (etwa Überstundenentgelte) nicht ausgewiesen sind, weiß er, welche Ansprüche zwischen ihm und dem AG strittig sind (8 ObA 34/07v = DRdA 2008/21 [insofern zust Eypeltauer 430]; 9 ObA 40/15w). Ob der Inhalt der Lohnabrechnung richtig ist, ist – wie ebenso bereits vom Berufungsgericht zutreffend erkannt – für die Frage des Vorliegens einer ordnungsgemäßen Lohnabrechnung ohne Bedeutung (14 Ob 98/86 = RIS-Justiz RS0064422).

Dass im gegenständlichen Fall die Lohnabrechnung diesen allgemeinen, von der stRsp aufgestellten Erfordernissen sowie auch den inhaltlichen Erfordernissen des § 7 lit b Satz 1 des anzuwendenden KollV entsprach, wird in der Revision mit Grund nicht mehr bestritten.

2. Im [...] Rechtsmittel wird demgegenüber die Ansicht vertreten, dass die dargelegte Rsp durch die Einführung des § 2f AVRAG überholt sei und die dem Kl zugegangene Lohnabrechnung den darin angeführten Erfordernissen, konkret jener der Vollständigkeit, aufgrund der Nichtanführung der Urlaubsersatzleistung nicht entsprochen habe.

2.1. Abs 1 des dem Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2015 (BGBl I 2015/152) entstammenden § 2f AVRAG lautet: „Dem/Der Arbeitnehmer/in ist bei Fälligkeit des Entgelts eine schriftliche, übersichtliche, nachvollziehbare und vollständige Abrechnung von Entgelt und Aufwandsentschädigungen zu übermitteln. Die Abrechnung kann dem/der Arbeitnehmer/in auch auf elektronischem Weg zur Verfügung gestellt werden.

2.2. Die Gesetzesmaterialien zu Abs 1 der Vorschrift lauten (ErläutRV 903 BlgNR 25. GP 3 f):

„Das Regierungsprogramm für die XXV. Gesetzgebungsperiode sieht einen zivilrechtlichen „Anspruch auf Lohnabrechnung ... sowie auf Aushändigung der Anmeldung zur Sozialversicherung ...“ vor.

In Umsetzung dessen sieht § 2f Abs. 1 AVRAG vor, dass der/die Arbeitnehmer/in bei Fälligkeit des Entgelts Anspruch auf Übermittlung einer schriftlichen, übersichtlichen, nachvollziehbaren und vollständigen Abrechnung für die in der jeweiligen Lohnzahlungsperiode zustehenden Bezüge (Entgelt und Aufwandsentschädigungen) hat. Die Lohnabrechnung hat daher etwa neben einer Auflistung der für die Lohnzahlungsperiode gebührenden Bruttobezüge (bzw. Nettobezüge, falls eine Nettoentlohnung vereinbart wurde) auch die in diesem Zeitraum für den/die Arbeitnehmer/in nach dem BMSVG an die Betriebliche Mitarbeitervorsorgekasse zu leistenden Beiträge oder allfällige nach dem BPG zu leistenden Beiträge/Prämien zu einer Pensionskassenzusage/Betrieblichen Kollektivversicherung zu enthalten. Weiters sind in der Lohnabrechnung auch die im jeweiligen Abrechnungszeitraum zu leistenden Sachbezüge und Aufwandsentschädigungen darzustellen. Die Lohnabrechnung hat – um dem/der Arbeitnehmer/in den Nachvollzug zu ermöglichen – die jeweilige Bemessungsgrundlage der in der Abrechnung angeführten Bezüge zu enthalten. Soweit die Abgeltung von Ansprüchen zulässigerweise pausch[a]liert vereinbart wurde, ist die Darstellung des Pauschalbetrages samt der zugehörigen Widmung ausreichend, eine betragsmäßige Aufsplittung der Zulage in ihre einzelnen Bestandteile ist nicht erforderlich. Z.B. genügt im Fall der Vereinbarung einer pauschalen Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulage die Angabe der Gesamtsumme samt Ausweisungen als „SEG-Zulage“. Die Lohnabrechnung ist dem/der Arbeitnehmer/in schriftlich zu übermitteln oder elektronisch zur Verfügung zu stellen.

Soweit Kollektivverträge eine Verpflichtung zur Erstellung und Aushändigung einer Lohnabrechnung vorsehen, gehen diese der gesetzlichen Regelung vor.

2.3. Den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass es sich um einen „zivilrechtlichen Anspruch auf Lohnabrechnung“ handelt. Da der AG nach dem Gesetzeswortlaut die Abrechnung „zu übermitteln“ (Abs 1 Satz 1) bzw „zur Verfügung zu stellen“ (Abs 1 Satz 2) hat, ist dem AN eine klageweise Durchsetzung des Anspruchs möglich (Mrvoševič, Die wichtigsten Änderungen im Arbeitsrecht ab 1.1.2016, ecolex 2016, 195 [196]; Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 2f AVRAG Rz 9; Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG3 § 2f Rz 6).337

2.4. Die Aussage in den Gesetzesmaterialien, dass Kollektivverträge der gesetzlichen Regelung des § 2f AVRAG vorangingen, soweit sie eine Verpflichtung zur Erteilung und Aushändigung einer Lohnabrechnung vorsehen, ist dahingehend einschränkend zu verstehen, dass dies nur insoweit der Fall ist, als die kollektivvertragliche Verpflichtung günstiger als die gesetzliche ist. Eine generelle Subsidiarität gegenüber kollektivvertraglichen Lohnabrechnungsverpflichtungen ist § 2f AVRAG nämlich nicht zu entnehmen. Es verbleibt daher bei der auch § 2f AVRAG erfassenden allgemeinen Vorschrift des § 16 AVRAG, wonach die Rechte, die dem AN aufgrund der §§ 2 bis 15a AVRAG zustehen, durch Arbeitsvertrag oder Normen der kollektiven Rechtsgestaltung weder aufgehoben noch beschränkt werden können (Schrank, Neue Grundgehaltsangabe und All-in-Klauseln – nur bessere Transparenz? RdW 2016, 32 [38]; Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG3 § 2f Rz 5; aA Dunst, Die wichtigsten Neuerungen rund um das Arbeitsrechts-Änderungsgesetz [ARÄG] 2015, DRdA-infas 2016, 41 [42]). Auch im Bereich des § 2f AVRAG ist daher eine abweichende Regelung nur zulässig, soweit sie für den AN günstiger als die Anordnung im Gesetz ist (allgemein zB 8 ObA 29/18z; Pfeil in ZellKomm3 §§ 16, 17 AVRAG Rz 3).

Dass der anzuwendende KollV eine (von der Bekl eingehaltene) Verpflichtung zur Aushändigung einer Lohnabrechnung enthält, steht demnach der Berufung des Kl auf § 2f AVRAG nicht entgegen.

2.5. Zweck dieser neuen Bestimmung ist nach den Gesetzesmaterialien, „dem/der Arbeitnehmer/in den Nachvollzug zu ermöglichen“. Die Vorschrift unterscheidet sich von ihrem Telos her somit nicht von den bisherigen, allgemein aus dem Vertragsverhältnis abgeleiteten oder in einer BV oder einem KollV ausdrücklich verankerten Verpflichtungen des AG, dem AN eine Lohnabrechnung zukommen zu lassen. Auch § 2f AVRAG dient der Verwirklichung des Transparenzgebots (Schrank, RdW 2016, 38; Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG3 § 2f Rz 1; Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 2f AVRAG Rz 1, 6). Es soll für die AN transparent sein, welche Ansprüche der AG befriedigt und wie sich daraus der Auszahlungsbetrag bzw die abzuführenden Leistungen ergeben.

2.6. Der Kl will demgegenüber daraus, dass in den Materialien von „zustehenden“ Bezügen, „gebührenden“ Bruttobezügen, „zu leistenden“ Beiträgen/Prämien und „zu leistenden“ Sachbezügen gesprochen wird, ableiten, dass eine Aufgliederung aller AN-Ansprüche, also all dessen, was der DG objektiv betrachtet dem DN schuldet, erforderlich sei. In diesem Sinne müsse das Wort „vollständig“ in § 2f Abs 1 AVRAG ausgelegt werden.

Die am Wort „vollständig“ ansetzende und anhand der Materialien vorgenommene Auslegung des Kl ist methodisch möglich, sie vermag aber nicht zu überzeugen:

2.6.1. Soweit in den Gesetzesmaterialien etwa von „zustehenden Bezügen“ oder „gebührenden Bruttobezügen“ die Rede ist, kann dies den Grund haben, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die zustehenden Bezüge tatsächlich ausgezahlt und daher abgerechnet werden. Die Materialien geben damit keinen eindeutigen Hinweis darauf, ob strittige Ansprüche in die Abrechnung aufzunehmen sind.

2.6.2. Gegen die vom Kl vorgenommene Gesetzesauslegung spricht, dass sie das Wort „vollständig“ mit „richtig“ gleichsetzt. Eine „richtige“ Abrechnung wird vom Wortlaut des § 2f AVRAG nicht verlangt. Zumal nach der referierten Rsp des OGH gerade keine richtige Abrechnung geschuldet ist, hätte der Gesetzgeber, wenn er hiervon wirklich hätte abgehen wollen, wohl in § 2f AVRAG eine entsprechend deutlichere Formulierung gewählt.

2.6.3. Weiters spricht gegen die Auslegung des Kl, dass „vollständig“ im Bereich der (einklagbaren) Verpflichtung zu einer Rechnungslegung oder Abrechnung regelmäßig bloß formell vollständig bedeutet (vgl RIS-Justiz RS0004372; RS0034995; RS0106492; RS0013766; Rubin in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 1012 Rz 24). Es ist daher davon auszugehen, dass auch bei § 2f AVRAG vom Gesetzgeber vollständig nur im formellen Sinn gemeint war.

2.6.4. Weiters ist die Gesetzessystematik zu beachten. Eine Information über die (wesentlichen) Rechte und Pflichten ist bereits im Dienstzettel vorgesehen (§ 2 AVRAG). Dies spricht dafür, dass § 2f AVRAG der Information darüber dient, welche Ansprüche der AG konkret zur Auszahlung bringt bzw bringen will und wie sich der dem AN überwiesene Betrag ergibt bzw errechnet.

2.6.5. Letztlich spricht auch das bereits vom Berufungsgericht angeführte Argument einer zu vermeidenden Doppelgleisigkeit gegen die Auslegung des Kl. Wäre nämlich wie von ihm vertreten der AG nach § 2f AVRAG zu einer vollständigen iSv richtigen Aufgliederung der Ansprüche des AG [richtig: AN] verpflichtet, so wäre bereits im Verfahren über den Abrechnungsanspruch als Vorfrage vom Gericht zu beurteilen, welche Ansprüche der AN bei richtiger rechtlicher Beurteilung hat, obgleich diese Frage ohnehin Hauptfrage eines entsprechenden Leistungsprozesses ist.

2.6.6. Ein aus dem Gesetzestext ableitbares Argument für die Auslegung des Kl könnte sein, dass dort die Übermittlung der Abrechnung „bei Fälligkeit des Entgelts“ (und nicht „bei Auszahlung des Entgelts“) normiert wird. Die Wendung „bei Fälligkeit des Entgelts“ kann aber auch so verstanden werden, dass sie sich – wie die Abrechnung – nur auf die vom AG berücksichtigten (nicht strittigen) Beträge bezieht, also iSv „bei Fälligkeit des abgerechneten Entgelts (und allfälliger Aufwandsentschädigungen)“.

2.6.7. Insgesamt liegen nach Ansicht des erkennenden Senats keine hinreichenden Gründe vor, um § 2f Abs 1 Satz 1 AVRAG in einem Sinne zu verstehen, der mit dem bisherigen allgemeinen Verständnis von Verpflichtungen des AG zur Übermittlung einer Lohnabrechnung in Konflikt stünde.

Als Ergebnis ist daher festzuhalten: Der AG hat seiner Verpflichtung nach § 2f Abs 1 Satz 1 AVRAG zur Übermittlung einer „vollständigen“ Abrechnung von Entgelt und Aufwandsentschädigungen bereits dann entsprochen, wenn die Abrechnung formell338

ANMERKUNG
1.
Zur Bedeutung der Entscheidung

Mit 1.1.2016 ist § 2 f AVRAG in Kraft getreten. Dieser sieht in seinem Abs 1 Satz 1 vor, dass dem AN „bei Fälligkeit des Entgelts eine schriftliche, übersichtliche, nachvollziehbare und vollständige Abrechnung von Entgelt und Aufwandsentschädigungen zu übermitteln ist“. Bereits zuvor war anerkannt, dass AN einen individualrechtlichen Anspruch auf Ausfolgung einer Lohnabrechnung haben, worauf der OGH auch in seiner E hingewiesen hat. Erstmals hatte sich der OGH nunmehr damit auseinanderzusetzen, ob es durch die Regelung in § 2 f Abs 1 Satz 1 AVRAG zu einem Anspruch der AN dahingehend gekommen ist, dass die Lohnabrechnung sämtliche dem AN zustehende Ansprüche beinhalten muss und nicht nur jene, die nach Ansicht des AG bestehen.

Der AN hatte seine Klage auf Zuerkennung der Urlaubsersatzleistung mit dem Begehren auf Ausstellung einer diese Urlaubsersatzleistung beinhaltenden Lohnabrechnung verbunden. Das Erstgericht sprach ihm unangefochten die begehrte Urlaubsersatzleistung zu, nicht jedoch die Aushändigung einer Lohnabrechnung darüber. Berufung und Revision des AN gegen diese Entscheidung blieben erfolglos.

Der OGH hat das Ergebnis seiner ablehnenden Entscheidung wie folgt formuliert:

„Der Arbeitgeber hat seiner Verpflichtung nach § 2 f Abs 1 Satz 1 AVRAG zur Ermittlung einer „vollständigen“ Abrechnung von Entgelt und Aufwandsentschädigungen bereits dann entsprochen, wenn die Abrechnung formell vollständig ist. Eine inhaltliche Unrichtigkeit der Abrechnung – beispielsweise wenn die Abrechnung keine Urlaubsersatzleistung ausweist, weil der Arbeitgeber vom Urlaubsverbrauch ausgeht – schadet bei § 2 f Abs 1 Satz 1 AVRAG daher nicht.Ob nach rechtskräftigem Zuspruch und Auszahlung einer zuvor noch bestrittenen und nicht bezahlten Forderung der AN eine Ergänzung der Lohnabrechnung verlangen kann, um etwa die auf die Forderungen entfallende Lohnsteuer nachvollziehen zu können, ist hier nicht zu entscheiden [...].“
2.
Argumente des OGH

Im Folgenden werden die vom OGH für seine Rechtsansicht ins Treffen geführten Argumente in der vom OGH gewählten Reihenfolge einer kritischen Prüfung unterzogen.

2.1.
Zum vom Gesetzgeber verfolgten Zweck der gesetzlichen Regelung

Der OGH zitiert dazu aus den Gesetzesmaterialien die Passage, dass die Lohnabrechnung dem AN „den Nachvollzug zu ermöglichen“ hat und leitet daraus ab, dass sich die Vorschrift „von ihrem Telos her somit nicht von den bisherigen, allgemein aus dem Vertragsverhältnis abgeleiteten oder in einer Betriebsvereinbarung oder einem Kollektivvertrag ausdrücklich verankerten Verpflichtungen des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer eine Lohnabrechnung zukommen zu lassen, unterscheidet. Auch § 2 f AVRAG dient der Verwirklichung des Transparenzgebotes. Es soll für die AN transparent sein, welche Ansprüche der Arbeitgeber befriedigt und wie sich daraus der Auszahlungsbetrag bzw. die abzuführenden Leistungen ergeben“.

Dass § 2 f Abs 1 Satz 1 AVRAG dem Transparenzgebot dient, worauf in der vom OGH zitierten Literatur auch zutreffend hingewiesen wird, ist ohne Zweifel richtig. Es geht aber um die Frage, ob diese gesetzliche Regelung nicht einen darüber hinausgehenden Zweck verfolgt. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich jedenfalls entgegen dem OGH nicht, dass der Gesetzgeber nicht auch einen anderen Zweck verfolgt hat, nämlich der Richtigkeit der Lohnabrechnung iSd materiellen Vollständigkeit.

Der OGH zitiert nur eine kurze Passage aus den Gesetzesmaterialien, die sich noch dazu nur auf einen Aspekt der Abrechnung bezieht, nämlich das Anführen der jeweiligen Bemessungsgrundlage der in der Abrechnung angeführten Bezüge („die Lohnabrechnung hat – um dem/der Arbeitnehmer/in den Nachvollzug zu ermöglichen – die jeweilige Bemessungsgrundlage der in der Abrechnung angeführten Bezüge zu enthalten“). Die vom Gesetzgeber in den Materialien angesprochene Transparenz soll sohin durch die Verpflichtung des AG gewährleistet sein, die Bemessungsgrundlagen der abgerechneten Ansprüche anzuführen. Daraus kann in keiner Weise abgeleitet werden, dass sich nach dem Willen des Gesetzgebers die Lohnabrechnung in diesem (Transparenz-)Zweck erschöpfen soll. Im Gegenteil legt diese auf das Anführen der Bemessungsgrundlage beschränkte Anführung der Transparenz nahe, dass es dem Gesetzgeber nicht nur um diese gegangen ist.

Der sonstige Wortlaut der Gesetzesmaterialien („vollständigen Abrechnung für die in der jeweiligen Lohnzahlungsperiode zustehenden Bezüge“, „für die Lohnzahlungsperiode gebührenden Bruttobezüge“, „zu leistenden Beiträge“) spricht vielmehr dafür, dass der Gesetzgeber nicht umsonst das Wort „vollständige“ in den Gesetzestext aufgenommen hat.

Der AN hatte sich bereits in der Revision auf diese Ausführungen in den Gesetzesmaterialien bezogen339 und daraus abgeleitet, dass eine Aufgliederung aller AN-Ansprüche erforderlich sei, und dabei auf das Wort „vollständig“ im Gesetzestext verwiesen. Der OGH bezeichnete jedoch diese Argumentation als (bloß) methodisch möglich, ohne dass ihn diese zu überzeugen vermochte. Er führte aus, dass diese Formulierungen deshalb gewählt worden sein könnten, weil der Gesetzgeber davon ausgehe, dass „die zustehenden Bezüge tatsächlich ausgezahlt und daher abrechnet werden“. Die Materialien würden daher „keinen eindeutigen Hinweis darauf geben, ob strittige Ansprüche in die Abrechnung aufzunehmen sind“.

Lässt die Verwendung der Worte „zu leistenden“ noch Spielraum für eine solche Annahme, werden diese Worte doch in den Gesetzesmaterialien im Zusammenhang mit Beiträgen nach dem Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz (BMSVG) oder Betriebspensionsgesetz (BPG) verwendet – allerdings auch im Zusammenhang mit Sachbezügen und Aufwandsentschädigungen, trifft diese keinesfalls mehr für den Anspruch auf (vollständige) Abrechnung für die „in der jeweiligen Lohnzahlungsperiode zustehenden Bezüge“ und den Hinweis darauf, dass die Lohnabrechnung eine Auflistung der „für die Lohnzahlungsperiode gebührenden Bruttobezüge“ zu enthalten hat, zu. Hätte der Gesetzgeber damit nur die vom AG tatsächlich ausbezahlten und daher abgerechneten Bezüge gemeint, wovon der OGH ausgeht, dann hätte es keiner Erwähnung bedurft, dass es sich dabei um „zustehende“ bzw „gebührende“, noch dazu „in der jeweiligen“ bzw „für die Lohnzahlungsperiode“ handelt. Dann hätte der Hinweis auf die Bezüge genügt.

Dass der AN Anspruch auf Übermittlung einer „vollständigen“ Abrechnung für die „in der jeweiligen Lohnzahlungsperiode zustehenden Bezüge“ hat, bringt vielmehr in großer Deutlichkeit zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber dem AN einen Anspruch auf eine auch materiell richtige Lohnabrechnung einräumen wollte, die sämtliche dem AN zustehenden Ansprüche beinhaltet (!). Warum sonst hätte auch der Gesetzgeber einen den AN ohnedies nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen zustehenden Anspruch auf Lohnabrechnung gesetzlich (noch einmal) festlegen sollen, der schon bisher unstrittig gewesen ist? Gerade dieser Umstand spricht doch dafür, dass der Gesetzgeber – darüber hinausgehend – damit nicht nur das Transparenzgebot im Zusammenhang mit Lohnabrechnungen regeln wollte.

2.2.
Bedeutung des Wortes „vollständig“

Nach dem Gesetzeswortlaut hat der AG dem AN eine „vollständige“ Abrechnung zu übermitteln. Der OGH meint im Rahmen der Wortinterpretation, das Wort „vollständig“ sei nicht mit „richtig“ gleichzusetzen. Eine „richtige“ Abrechnung werde vom Wortlaut des § 2 f AVRAG nicht verlangt. Da nach der (bisherigen) Rsp des OGH keine richtige Abrechnung geschuldet sei, hätte der Gesetzgeber, wenn er hiervon wirklich hätte abgehen wollen, wohl in § 2 f AVRAG eine entsprechend deutlichere Formulierung gewählt.

Auch dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Vielmehr ist „vollständig“ eben iS einer Abrechnung zu verstehen, die sämtliche Ansprüche des AN beinhaltet (!). Eine Abrechnung, die nicht alle Ansprüche erfasst, ist unvollständig. Gerade wenn der Gesetzgeber das Wort „richtig“ verwendet hätte, könnte damit eher bloß gemeint sein, dass jene Ansprüche, die in die Abrechnung aufgenommen worden sind, „richtig“ abgerechnet werden müssen. Gerade durch das Erfordernis der Vollständigkeit wird einer solchen Sichtweise der Boden entzogen und klargestellt, dass es nicht (nur) um die Richtigkeit der Abrechnung der abgerechneten Ansprüche geht, sondern (auch) um die Richtigkeit, was die Aufnahme der Ansprüche in die Abrechnung betrifft. Anders kann das sich auch aus dem Wortlaut des § 2 f Abs 1 Satz 1 AVRAG ergebende Erfordernis der Vollständigkeit der Abrechnung wohl nicht interpretiert werden.

Es führt sohin entgegen der Ansicht des OGH die Wortinterpretation zum selben Ergebnis wie die historische Interpretation, nämlich, dass die Lohnabrechnung alle dem AN zustehenden Ansprüche beinhalten muss.

2.3.
Vergleich mit Anspruch auf Rechnungslegung

Der OGH argumentiert auch damit, dass „vollständig im Bereich der (einklagbaren) Verpflichtung zu einer Rechnungslegung oder Abrechnung regelmäßig bloß formell vollständig bedeutet“. Mit dem Verweis auf eine „einklagbare“ Verpflichtung bringt der OGH zutreffend zum Ausdruck, dass die Verpflichtung zur Rechnungslegung alle Geschäfte erfasst, auf welche sich die Rechnungslegung bezieht, dass aber nach seiner Rsp eine vollständige, also alle Geschäfte beinhaltende Rechnungslegungsverpflichtung als nicht klagbar angesehen wird.

Jedenfalls dann, wenn der zur Rechnungslegung Berechtigte einen Anspruch aus einem bestimmten Geschäft dem Grund nach unter Beweis zu stellen vermag und für die Ermittlung der Höhe des Anspruchs der Rechnungslegung durch den Verpflichteten bedarf, wird ihm aber richtigerweise ein klagbarer Anspruch auf Rechnungslegung (hinsichtlich dieses Geschäfts) zustehen: So dient das Recht des provisionsberechtigten AN auf Bucheinsicht (OGH 14.9.1995, 8 ObA 213/95; Mair in Reissner, AngG3 § 10 Rz 34) auch gerade dazu, die Richtigkeit und Vollständigkeit des Buchauszugs überprüfen zu können (siehe Mair in Reissner, AngG3). Mit dieser Bucheinsicht wird es dem AN ermöglicht, seine Provisionsansprüche umfassend geltend zu machen, indem er durch diese die dafür erforderlichen Informationen erhält.

Bei der Lohnabrechnung geht es auch nicht um eine bloße Rechnungslegung, welche die Geltendmachung (und klagsweise Durchsetzung) von Ansprüchen ermöglichen soll. Vielmehr handelt es sich bei dem Anspruch auf Lohnabrechnung gem § 2 f Abs 1 Satz 1 AVRAG um einen Nebenanspruch zu den Entgeltansprüchen. Dieser Nebenanspruch ist nicht etwa dem Entgeltanspruch (zeitlich) vorgelagert, sondern nachgeordnet. Ein Vergleich mit340 dem Rechnungslegungsanspruch ist daher nicht überzeugend. Ein solcher wird auch dem mit der Lohnabrechnung verfolgten Zweck nicht gerecht, wie er oben unter Pkt 2.1. dargelegt worden ist. Bei der gesetzlichen Regelung handelt es sich um eine Sonderbestimmung, für welche aus der allgemeinen Rsp zum Rechnungslegungsanspruch nichts gewonnen werden kann.

2.4.
Gesetzessystematik

Nach dem OGH sei auch die Gesetzessystematik zu beachten. Da bereits im Dienstzettel eine Information über die (wesentlichen) Rechte und Pflichten vorgesehen sei (§ 2 AVRAG), spreche dies dafür, dass § 2 f AVRAGder Information darüber dient, welche Ansprüche der Arbeitgeber konkret zur Auszahlung bringt bzw. bringen will und wie sich der dem Arbeitnehmer überwiesene Betrag ergibt bzw. errechnet“.

Was der Dienstzettel mit der Lohnabrechnung insoweit zu tun haben soll, ist freilich nicht recht verständlich. Dabei handelt es sich um völlig verschiedene arbeitsrechtliche Urkunden und muss gerade auch der Dienstzettel vollständig sein, was die dem AN zustehenden Entgelte betrifft (§ 2 Abs 2 Z 9 AVRAG). Der Dienstzettel muss nicht nur jene Entgelte beinhalten, welche nach Ansicht des AG vereinbart worden sind, sondern der Vereinbarung vollständig entsprechen und alle solche Entgelte anführen. Warum dies bei der Lohnabrechnung anders sein soll, ist nicht ersichtlich. Eine argumentative Verknüpfung der Lohnabrechnung mit dem Dienstzettel führt daher gerade zum gegenteiligen Ergebnis wie das vom OGH vertretene.

2.5.
Doppelgleisigkeit?

Der OGH befürchtet, dass „bereits im Verfahren über den Abrechnungsanspruch als Vorfrage vom Gericht zu beurteilen wäre, welche Ansprüche der Arbeitnehmer bei richtiger rechtlicher Beurteilung hat, obgleich diese Frage ohnehin Hauptfrage eines entsprechenden Leistungsprozesses ist“. So wie der AN im gegenständlichen Verfahren wird aber jeder AN in ein und demselben Verfahren den Entgelt anspruch und den Abrechnungsanspruch geltend machen und keinesfalls zuerst den Abrechnungsanspruch. Es macht für den AN keinen Sinn, ein Urteil allein über den Abrechnungsanspruch zu erwirken, kann er damit doch seinen Entgeltanspruch nicht exekutiv durchsetzen. Zahlt der AG das Entgelt ungeachtet des Urteils über den Abrechnungsanspruch nicht aus, muss der AN eine neue Klage über das Entgelt einbringen. Damit würde er viel Zeit verlieren. Die Bedenken des OGH sind daher nicht berechtigt und auch fern der zu erwartenden Praxis.

Im Gegenteil wäre es unökonomisch, wenn der AN keinen Abrechnungsanspruch hätte, solange ihm der zu Grunde liegende Entgeltanspruch nicht rechtskräftig gerichtlich zuerkannt ist. Gerade dann müsste nämlich der AN nach einem erfolgreichen Verfahren über seinen Entgeltanspruch eine eigene Klage auf Abrechnung desselben durch den AG einbringen. Dass dem AN ein solcher einklagbarer Lohnabrechnungsanspruch zustehen würde, sollte ungeachtet der vom OGH ausdrücklich offen gelassenen diesbezüglichen Frage unzweifelhaft sein. Ansonsten ginge die Bestimmung des § 2 f Abs 1 Satz 1 AVRAGvollständig“ ins Leere.

2.6.
Abrechnung bei Fälligkeit des Entgelts

Schließlich hat der OGH der Argumentation des Kl auch insofern eine Absage erteilt, als sich dieser darauf berufen hatte, dass dem AN nach dem Gesetzeswortlaut die Abrechnung „bei Fälligkeit des Entgelts“ zu übermitteln ist und nicht (erst) bei „Auszahlung“ des Entgelts. Die Wendung „bei Fälligkeit des Entgelts“ könne auch so verstanden werden, dass sie sich „nur auf die vom AG berücksichtigten (nicht strittigen) Beträge bezieht, also iSv „bei Fälligkeit des abrechneten Entgelts“.

Dem ist entgegen zu halten, dass dies eben so nicht im Gesetz steht, obwohl der Gesetzgeber unschwer eine entsprechende Formulierung wählen hätte können. Vielmehr beinhaltet der Gesetzeswortlaut auch insoweit keine Einschränkung auf jene Ansprüche, die der AG zur Abrechnung bringt. Wenn aus dieser Passage im Gesetzestext nichts für die Rechtsposition des AN abgeleitet werden können soll, dann bloß deshalb, weil es bei der „Fälligkeit des Entgelts“ nur um die Festlegung des Übermittlungszeitpunktes gehen könnte, ohne dass damit eine darüber hinausgehende Aussage getroffen wird.

3.
Ergebnis

Die Rechtsansicht des OGH, aus § 2 f Abs 1 Satz 1 AVRAG könne nicht abgeleitet werden, dass dem AN ein durchsetzbarer Anspruch auf eine Lohnabrechnung zusteht, welche alle ihm gebührenden Entgelte beinhaltet, ist vom Ergebnis und von der Begründung her nicht überzeugend. Es wurde in dieser Entscheidungsanmerkung versucht, die Argumentation des OGH im Einzelnen zu widerlegen. Es sprechen nach Ansicht des Autors nicht nur die besseren Gründe für einen alle zustehenden Ansprüche erfassenden Abrechnungsanspruch, sondern ergibt sich dies bei richtiger Interpretation eindeutig.341