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Zu den Grenzen glaubensbezogener Loyalitätsobliegenheiten in kirchlichen Arbeitsverhältnissen

WALTERBERKA (SALZBURG)
Art 4 Abs 2 RL 2000/78/EG; Art 17 AEUV; Art 10, 21, 47 ECG
EuGH 11.9.2018 (Große Kammer) C-68/17IR/JQ
  1. Eine Kirche oder eine andere öffentliche oder private Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, darf bei der Anforderung, sich loyal und aufrichtig iS dieses Ethos zu verhalten, ihre Beschäftigten in leitender Stellung nur dann je nach deren Zugehörigkeit zur Religion bzw deren Bekenntnis zur Weltanschauung unterschiedlich behandeln, wenn die Religion oder die Weltanschauung im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeiten oder die Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung ist.

  2. Die Kündigung eines in einer kirchlichen Einrichtung in leitender Funktion tätigen Arztes scheint nicht iSd Anforderungen von Art 4 Abs 2 Unterabs 1 der RL 2000/78 gerechtfertigt zu sein, wobei allerdings das vorlegende Gericht zu prüfen hat, ob in Anbetracht der Umstände des Ausgangsverfahrens von der kirchlichen Einrichtung dargetan wurde, dass die Gefahr einer Beeinträchtigung ihres Ethos oder ihres Rechts auf Autonomie wahrscheinlich und erheblich ist.

  3. Um den dem Einzelnen den aus den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts wie insb dem in Art 21 der Charta niedergelegten Verbot der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung erwachsenden Rechtsschutz zu gewährleisten und für die volle Wirksamkeit der sich daraus ergebenden Rechte zu sorgen, hat das mit einem Rechtsstreit zwischen zwei Privatpersonen befasste nationale Gericht erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Vorschrift unangewendet zu lassen, wenn es diesem nicht möglich ist, das einschlägige nationale Recht im Einklang mit Art 4 Abs 2 der RL 2000/78 auszulegen.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

23 IR ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach deutschem Recht. Ihr Gesellschaftszweck ist die Verwirklichung von Aufgaben der Caritas (der internationalen Wohlfahrtsorganisation der katholischen Kirche) als Lebens- und Wesensäußerung der römisch-katholischen Kirche durch ua den Betrieb von Krankenhäusern. [...]

24 JQ ist katholischer Konfession. Er ist ausgebildeter Arzt und arbeitet seit 2000 als Chefarzt der Abteilung „Innere Medizin“ eines Krankenhauses der IR [...].

25 JQ war nach katholischem Ritus verheiratet. Im Jahr 2005 trennte sich seine erste Ehefrau von ihm, und im März 2008 wurde die Ehe geschieden. Im August 2008 heiratete JQ seine neue Lebensgefährtin standesamtlich, ohne dass seine erste Ehe für nichtig erklärt worden war.

26 Nachdem IR durch ein Schreiben vom 30.3.2009 von der erneuten Heirat Kenntnis erlangt hatte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis gegenüber JQ zum 30.9.2009.

27 – 30 JQ erhob hiergegen beim Arbeitsgericht (Deutschland) Kündigungsschutzklage und machte geltend, dass seine erneute Eheschließung kein gültiger Kündigungsgrund sei. [...] IR trug vor, die Kündigung gegenüber JQ sei sozial gerechtfertigt gewesen. Da JQ ein leitend tätiger Mitarbeiter [...] gewesen sei, habe er durch Eingehung einer nach kanonischem Recht ungültigen Ehe in erheblicher Weise gegen seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis mit IR verstoßen. Das Arbeitsgericht gab der Klage von JQ statt. Die von IR dagegen eingelegte Berufung wurde vom Landesarbeitsgericht (Deutschland) zurückgewiesen, worauf IR Revision beim Bundesarbeitsgericht (Deutschland) einlegte, die mit Urteil vom 8.9.2011 im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen wurde, dass die gegenüber JQ ausgesprochene Kündigung nicht gerechtfertigt sei, da IR nicht katholischen AN, die dieselbe Art von Dienstposten wie JQ innehätten, bei Wiederheirat nicht kündige. IR erhob Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (Deutschland), das [...] das Urteil des Bundesarbeitsgerichts aufhob und die Sache an dieses zurückverwies. [...]

37 Unter diesen Umständen hat das Bundesarbeitsgericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist Art 4 Abs 2 Unterabs 2 der RL 2000/78 dahin auszulegen, dass die Kirche für eine Organisation wie die Bekl des vorliegenden Rechtsstreits verbindlich bestimmen kann, bei einem an AN in leitender Stellung gerichteten Verlangen nach loyalem und aufrichtigem Verhalten zwischen AN zu unterscheiden, die der Kirche angehören, und solchen, die einer anderen oder keiner Kirche angehören?

2. Sofern die erste Frage verneint wird:

  1. Muss die Bestimmung des nationalen Rechts, wie hier § 9 Abs 2 AGG, wonach eine solche Ungleichbehandlung aufgrund der Konfessionszugehörigkeit der AN entsprechend dem jeweiligen Selbstverständnis der Kirche gerechtfertigt ist, im vorliegenden Rechtsstreit unangewendet bleiben?

  2. Welche Anforderungen gelten gem Art 4 Abs 2 Unterabs 2 der RL 2000/78 für ein an die AN einer Kirche oder einer der dort genannten anderen Organisationen gerichtetes Verlangen nach einem loyalen und aufrichtigen Verhalten iSd Ethos der Organisation?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage und zum zweiten Teil der zweiten Frage318

38 Mit seiner ersten Frage und dem zweiten Teil seiner zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art 4 Abs 2 Unterabs 2 der RL 2000/78 dahin auszulegen ist, dass eine Kirche oder eine andere Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht und die eine Klinik in Form einer privatrechtlichen Kapitalgesellschaft betreibt, verbindlich bestimmen kann, an ihre leitend tätigen Beschäftigten je nach deren Konfession oder Konfessionslosigkeit unterschiedliche Anforderungen hinsichtlich der Loyalität und Aufrichtigkeit zu stellen, und, falls nicht, anhand welcher Kriterien im Einzelfall zu prüfen ist, ob solche Anforderungen mit dieser Vorschrift vereinbar sind. [...]

40 Insoweit ist festzustellen, dass angesichts des allgemeinen Charakters der in Art 4 Abs 2 Unterabs 2 der RL 2000/78 zur Festlegung des persönlichen Anwendungsbereichs verwendeten Begriffe, nämlich „Kirchen und andere öffentliche oder private Organisationen“, Erwägungen zur Rechtsnatur und zur Rechtsform der betreffenden Körperschaft keine Auswirkungen auf die Frage haben können, ob diese Vorschrift auf einen Sachverhalt wie den des Ausgangsverfahrens anwendbar ist. [...]

43 Was zweitens die Frage der Kontrolle der Anwendung von Art 4 Abs 2 Unterabs 2 der RL 2000/78 durch die nationalen Gerichte anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Rahmen einer Rechtssache, die die Auslegung von Art 4 Abs 2 Unterabs 1 der Richtlinie betraf, entschieden hat, dass die letztgenannte Vorschrift dahin auszulegen ist, dass für den Fall, dass eine Kirche oder eine andere Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, zur Begründung einer Entscheidung oder Handlung wie der Ablehnung einer Bewerbung auf eine bei ihr zu besetzende Stelle geltend macht, die Religion sei nach der Art der betreffenden Tätigkeiten oder den vorgesehenen Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos dieser Kirche oder Organisation, ein solches Vorbringen gegebenenfalls Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sein können muss, damit sichergestellt wird, dass die in der Vorschrift genannten Kriterien im konkreten Fall erfüllt sind (Urteil vom 17.4.2018, Egenberger, C-414/16, EU:C:2018:257, Rn 59).

44 Zudem darf der Umstand, dass Art 4 Abs 2 Unterabs 1 der RL 2000/78 auf die zum Zeitpunkt von deren Annahme geltenden nationalen Rechtsvorschriften sowie auf die zu diesem Zeitpunkt bestehenden einzelstaatlichen Gepflogenheiten Bezug nimmt, nicht dahin gehend verstanden werden, dass er den Mitgliedstaaten gestattet, die Einhaltung der in dieser Bestimmung genannten Kriterien einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle zu entziehen (vgl in diesem Sinne Urteil vom 17.4.2018, Egenberger, C-414/16, EU:C:2018:257, Rn 54).

45 Die Ausführungen des Gerichtshofs zu diesem Erfordernis einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle [...] gelten in gleicher Weise für einen Sachverhalt wie den des Ausgangsverfahrens [...].

46 Art 4 Abs 2 Unterabs 2 der RL 2000/78 enthält nämlich gegenüber Unterabs 1 dieser Vorschrift die ergänzende Angabe, dass zu den beruflichen Anforderungen, die eine Kirche oder eine andere öffentliche oder private Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, von den für sie arbeitenden Personen verlangen kann, die Anforderung gehört, dass sich diese Personen loyal und aufrichtig iSd Ethos der Kirche oder Organisation verhalten. Wie sich insb aus dem Satzteil „[s]ofern die Bestimmungen dieser Richtlinie im Übrigen eingehalten werden“ ergibt, muss diese Befugnis jedoch unter Beachtung der übrigen Bestimmungen der RL 2000/78 und insb der in ihrem Art 4 Abs 2 Unterabs 1 genannten Kriterien ausgeübt werden, die gegebenenfalls einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle unterliegen können müssen, wie in Rn 43 des vorliegenden Urteils ausgeführt.

47 Entgegen dem Vorbringen insb von IR und der deutschen Regierung kann die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer von einer Kirche oder einer anderen Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, gestellten Anforderung, sich loyal und aufrichtig zu verhalten, somit nicht ausschließlich anhand des nationalen Rechts vorgenommen werden, sondern muss auch die Bestimmungen von Art 4 Abs 2 der RL 2000/78 und die dort genannten Kriterien berücksichtigen, deren Einhaltung einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle nicht entzogen sein darf.

48 Art 17 AEUV vermag diese Schlussfolgerung nicht in Frage zu stellen. [...]

49 Was drittens die Voraussetzungen für die Anwendung von Art 4 Abs 2 Unterabs 2 der RL 2000/78 anbelangt, ist in Anbetracht des in Rn 46 des vorliegenden Urteils Ausgeführten hervorzuheben, dass eine Ungleichbehandlung bei der Anforderung eines loyalen und aufrichtigen Verhaltens iSd Ethos des AG wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, hinsichtlich deren nicht bestritten wird, dass sie sich ausschließlich auf die Konfession der Beschäftigten stützt, ua die in Art 4 Abs 2 Unterabs 1 der Richtlinie genannten Kriterien einzuhalten hat.

50 Der Gerichtshof hat insoweit entschieden, dass aus dieser Vorschrift ausdrücklich hervorgeht, dass es von der „Art“ der fraglichen Tätigkeiten oder den „Umständen“ ihrer Ausübung abhängt, ob die Religion oder Weltanschauung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der betreffenden Kirche oder Organisation iS dieser Vorschrift darstellen kann. Die Rechtmäßigkeit einer Ungleichbehandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung nach Maßgabe dieser Vorschrift hängt also vom objektiv überprüfbaren Vorliegen eines direkten Zusammenhangs zwischen der vom AG aufgestellten beruflichen Anforderung und der fraglichen Tätigkeit ab. Ein solcher Zusammenhang kann sich entweder aus der Art dieser Tätigkeit ergeben – zB wenn sie mit der Mitwirkung an der Bestimmung des Ethos der betreffenden Kirche oder Organisation oder einem Beitrag zu deren Verkündigungsauftrag verbunden ist – oder aus319 den Umständen ihrer Ausübung, zB der Notwendigkeit, für eine glaubwürdige Vertretung der Kirche oder Organisation nach außen zu sorgen (vgl in diesem Sinne Urteil vom 17.4.2018, Egenberger, C-414/16, EU:C:2018:257, Rn 62 und 63). [...]

55 Aus den Ausführungen in den Rn 49 bis 54 des vorliegenden Urteils geht hervor, dass eine Kirche oder eine andere öffentliche oder private Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, bei der Anforderung, sich loyal und aufrichtig iS dieses Ethos zu verhalten, ihre Beschäftigten in leitender Stellung nur dann je nach deren Zugehörigkeit zur Religion bzw deren Bekenntnis zur Weltanschauung dieser Kirche oder dieser anderen Organisation unterschiedlich behandeln darf, wenn die Religion oder die Weltanschauung im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeiten oder die Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts dieses Ethos ist.

56 Insoweit ist es zwar letztlich Sache des nationalen Gerichts, das allein für die Beurteilung des Sachverhalts zuständig ist, zu bestimmen, ob eine Anforderung, sich loyal und aufrichtig zu verhalten, die nur an diejenigen Beschäftigten in leitender Stellung gestellt wird, die derselben Religion oder Weltanschauung angehören, auf der das Ethos der betreffenden Kirche oder Organisation beruht, einer wesentlichen, rechtmäßigen und gerechtfertigten beruflichen Anforderung iS von Art 4 Abs 2 Unterabs 1 der RL 2000/78 entspricht. Gleichwohl ist der Gerichtshof befugt, auf der Grundlage der Akten des Ausgangsverfahrens und der vor ihm abgegebenen schriftlichen und mündlichen Erklärungen Hinweise zu geben, die diesem Gericht eine Entscheidung über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit ermöglichen. [...]

58 Unter Berücksichtigung der von JQ ausgeübten beruflichen Tätigkeiten, nämlich Beratung und medizinische Pflege in einem Krankenhaus und Leitung der Abteilung „Innere Medizin“ als Chefarzt, erscheint die Akzeptanz dieses Eheverständnisses für die Bekundung des Ethos von IR jedoch nicht notwendig. Sie scheint somit nicht iS von Art 4 Abs 2 Unterabs 1 der RL 2000/78 eine wesentliche Voraussetzung der beruflichen Tätigkeit zu sein, was jedoch das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

59 Die Feststellung, dass die Akzeptanz dieses Bestandteils des Ethos der betroffenen Organisation im vorliegenden Fall keine wesentliche Anforderung sein kann, wird durch den von IR in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof bestätigten und vom Generalanwalt in Nr 67 seiner Schlussanträge genannten Umstand bekräftigt, dass Stellen, die medizinische Verantwortung und Leitungsaufgaben umfassen und der mit JQ besetzten Stelle ähneln, Beschäftigten von IR anvertraut wurden, die nicht katholischer Konfession sind und folglich nicht derselben Anforderung, sich loyal und aufrichtig iSd Ethos von IR zu verhalten, unterworfen waren.

60 Sodann ist festzustellen, dass in Anbetracht der dem Gerichtshof vorgelegten Akte die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Anforderung nicht als iS von Art 4 Abs 2 Unterabs 1 der RL 2000/78 gerechtfertigt scheint. Das vorlegende Gericht hat jedoch zu prüfen, ob in Anbetracht der Umstände des Ausgangsverfahrens IR dargetan hat, dass die Gefahr einer Beeinträchtigung ihres Ethos oder ihres Rechts auf Autonomie wahrscheinlich und erheblich ist (vgl in diesem Sinne Urteil vom 17.4.2018, Egenberger, C-414/16, EU:C:2018:257, Rn 67).

61 Nach alledem ist auf die erste Frage und den zweiten Teil der zweiten Frage zu antworten, dass Art 4 Abs 2 Unterabs 2 der RL 2000/78 dahin auszulegen ist, dass

– zum einen eine Kirche oder eine andere Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht und die eine in Form einer privatrechtlichen Kapitalgesellschaft gegründete Klinik betreibt, nicht beschließen kann, an ihre leitend tätigen Beschäftigten je nach deren Konfession oder Konfessionslosigkeit unterschiedliche Anforderungen an das loyale und aufrichtige Verhalten iS dieses Ethos zu stellen, ohne dass dieser Beschluss gegebenenfalls Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sein kann, damit sichergestellt wird, dass die in Art 4 Abs 2 der Richtlinie genannten Kriterien erfüllt sind, und

– zum anderen bei Anforderungen an das loyale und aufrichtige Verhalten iSd genannten Ethos eine Ungleichbehandlung zwischen Beschäftigten in leitender Stellung je nach deren Konfession oder Konfessionslosigkeit nur dann mit der Richtlinie im Einklang steht, wenn die Religion oder die Weltanschauung im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeiten oder die Umstände ihrer Ausübung eine berufliche Anforderung ist, die angesichts des Ethos der in Rede stehenden Kirche oder Organisation wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, was das nationale Gericht zu prüfen hat.

Zum ersten Teil der zweiten Frage

62 Mit dem ersten Teil seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein nationales Gericht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Privatpersonen nach dem Unionsrecht verpflichtet ist, eine nationale Rechtsvorschrift, die nicht im Einklang mit Art 4 Abs 2 Unterabs 2 der RL 2000/78 ausgelegt werden kann, unangewendet zu lassen.

63 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es den nationalen Gerichten obliegt, unter Berücksichtigung sämtlicher nationaler Rechtsnormen und der im nationalen Recht anerkannten Auslegungsmethoden zu entscheiden, ob und inwieweit eine nationale Rechtsvorschrift wie § 9 Abs 2 AGG im Einklang mit Art 4 Abs 2 der RL 2000/78 ausgelegt werden kann, ohne dass sie contra legem ausgelegt wird (vgl in diesem Sinne Urteil vom 17.4.2018, Egenberger, C-414/16, EU:C:2018:257, Rn 71 und die dort angeführte Rsp). [...]

67 Für den Fall, dass ihm eine solche richtlinienkonforme Auslegung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Vorschrift nicht möglich sein sollte, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die RL 2000/78 den Grundsatz der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, der seinen Ursprung in verschiedenen völkerrechtlichen Ver-320trägen und den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten hat, nicht selbst aufstellt, sondern in diesem Bereich lediglich einen allgemeinen Rahmen zur Bekämpfung verschiedener Formen der Diskriminierung – darunter die Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung – schaffen soll, wie aus ihrem Titel und ihrem Art 1 hervorgeht (Urteil vom 17.4.2018, Egenberger, C-414/16, EU:C:2018:257, Rn 75 und die dort angeführte Rsp).

68 Zum anderen ist ein nationales Gericht, das sich in der in der vorstehenden Randnummer geschilderten Situation befindet, verpflichtet, im Rahmen seiner Zuständigkeiten den rechtlichen Schutz, der sich für den Einzelnen aus dem Unionsrecht ergibt, sicherzustellen und die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten, indem es erforderlichenfalls jede dem Verbot der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung zuwiderlaufende Vorschrift der nationalen Regelung unangewendet lässt (vgl zum Verbot der Diskriminierung wegen des Alters Urteil vom 19.4.2016, DI, C-441/14, EU:C:2016:278, Rn 35).

70 Folglich obliegt es im Ausgangsverfahren dem vorlegenden Gericht, die in Rede stehende nationale Vorschrift unangewendet zu lassen, sofern es sich nicht in der Lage sehen sollte, sie unionsrechtskonform auszulegen.

71 Nach alledem ist auf den ersten Teil der zweiten Frage zu antworten, dass ein mit einem Rechtsstreit zwischen zwei Privatpersonen befasstes nationales Gericht, wenn es ihm nicht möglich ist, das einschlägige nationale Recht im Einklang mit Art 4 Abs 2 der RL 2000/78 auszulegen, verpflichtet ist, im Rahmen seiner Befugnisse den dem Einzelnen aus den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts wie insb dem nunmehr in Art 21 der Charta niedergelegten Verbot der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung erwachsenden Rechtsschutz zu gewährleisten und für die volle Wirksamkeit der sich daraus ergebenden Rechte zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Vorschrift unangewendet lässt. [...]

ANMERKUNG
1.
Die Loyalitätsobliegenheiten kirchlicher AN

Die Zahl der in kirchlichen Arbeitsverhältnissen unselbständig Beschäftigten ist seit Jahrzehnten kontinuierlich und erheblich gestiegen, wobei dies vor allem auf die vielen Dienstverhältnisse in den karitativ-sozialen Tätigkeitsfeldern der Kirchen zurückzuführen ist. Dieses Engagement wird organisatorisch überwiegend von eigenständigen, privatrechtlich organisierten Einrichtungen wie der Caritas oder der Diakonie wahrgenommen. Um den steigenden Bedarf an professionellen Arbeitskräften zu decken, werden dabei auch konfessionell ungebundene oder anderen Religionsgemeinschaften angehörige AN beschäftigt. Gestützt auf das eigene glaubensbezogene Selbstverständnis nehmen die kirchlichen AG freilich in Anspruch, an die der eigenen Glaubensgemeinschaft angehörigen AN besondere einzelvertraglich bzw durch innerkirchliches Satzungsrecht geregelte Loyalitätsanforderungen zu stellen.

In dem der vorliegenden E einer Großen Kammer des EuGH zugrunde liegenden Ausgangsfall war das die allen katholischen Angestellten auferlegte Obliegenheit, ihr persönliches Lebenszeugnis iSd Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre zu gestalten, was auch für leitende Angestellte gelten sollte, die außerhalb des eigentlichen Verkündigungsauftrags der Kirche tätig sind. Darauf gestützt wurde ein Arzt, der als Chefarzt und Abteilungsleiter in einem Krankenhaus der Caritas tätig war, gekündigt, weil er als Geschiedener eine nach katholischem Kirchenrecht ungültige weitere Ehe eingegangen war.

Die Kündigung wurde von den befassten deutschen Arbeitsgerichten aus mehreren Gründen und nach Vornahme einer umfassenden Interessenabwägung als unzulässig aufgehoben, wobei es auch eine Rolle spielte, dass der kirchliche AG auch nichtkatholische AN beschäftigt und bei diesen die Wiederverehelichung akzeptiert hatte. Die letztinstanzlich vom Bundesarbeitsgericht getroffene Entscheidung wurde allerdings durch das Bundesverfassungsgericht aufgehoben, weil das Gericht die verfassungsrechtlich vorgegebenen Maßstäbe verfehlt hatte (BVerfGE 137, 273). Nach der Zurückverweisung befasste das Bundesarbeitsgericht den EuGH mit dem gegenständlichen Vorlageantrag.

Die E des EuGH ist angesichts seiner Vorjudikatur zu arbeitsbezogenen Diskriminierungsfällen nicht überraschend. Sie gibt trotzdem Anlass zu einigen kritischen Anmerkungen.

2.
Zur Reichweite und den Beurteilungskriterien des Ausnahmetatbestands nach Art 4 Abs 2 der RL

Die erste Antwort auf die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen betrifft die Auslegung der Gleichbehandlungs-RahmenRL 2000/78/EG und die Reich- und Tragweite des im vorliegenden Zusammenhang in Art 4 Abs 2 vorgesehenen „Kirchenprivilegs“.

Dass Körperschaften unabhängig von ihrer Rechtsnatur und Rechtsform unter diesen Ausnahmetatbestand fallen, wenn ihr Träger eine Kirche oder gleichgestellte weltanschauliche Einrichtung ist, bejaht der EuGH mit einer eher lapidaren Begrün-321dung. Das ist bei Organisationen, die wie Krankenanstalten am Wirtschaftsverkehr teilnehmen, nicht selbstverständlich, aber jedenfalls dann zu bejahen, wenn sich die fragliche Einrichtung bei ihrem Wirken an einer Glaubens- oder Sittenlehre orientiert. Dies kann für eine kirchlich getragene und an christlichen Grundsätzen ausgerichtete Krankenpflege bejaht werden.

Bedeutsamer sind die Aussagen des Gerichtshofs zum Verhältnis zwischen den beiden Unterabsätzen des Art 4 Abs 2 der RL 2000/78/EG und den daraus zu ziehenden Konsequenzen. Nach Unterabs 2 dürfen die privilegierten Einrichtungen von ihren AN verlangen, sich „loyal und aufrichtig im Sinne des Ethos der Organisation“ zu verhalten, ohne dass einer solchen Obliegenheit der Vorwurf einer religiösen oder weltanschaulichen Diskriminierung entgegengehalten werden darf. Zurecht liest der EuGH diese an sich weitreichende Ermächtigung im Kontext mit dem vorangehenden ersten Unterabsatz und schränkt daher ein: Die Befugnis des AG, der auf die Einhaltung bestimmter Loyalitätspflichten besteht, darf nur „unter Beachtung der übrigen Bestimmungen der Richtlinie 2000/78 und insbesondere der in ihrem Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 genannten Kriterien ausgeübt werden“. Daher darf eine Kirche bei der Anforderung, sich loyal und aufrichtig iS dieses Ethos zu verhalten, ihre Beschäftigten nur dann anknüpfend an ihr Religionsbekenntnis unterschiedlich behandeln, wenn die Religion „im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeiten oder die Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts dieses Ethos ist“.

Dieser Auslegung der Richtlinie kann man nicht widersprechen. Sie kann sich außerdem auf die kurz zuvor getroffene E des EuGH in der Rs Egenberger (17.4.2018, C-414/16) stützen, die auf ein Vorabentscheidungsverfahren zurückgeht, das mit der vorliegenden Vorlage zeitgleich ebenfalls vom deutschen Bundesarbeitsgericht eingeleitet worden war. Diese E betraf die erfolglose Bewerbung einer konfessionslosen Kandidatin um eine Referentinnenstelle bei der deutschen evangelischen Kirche.

3.
Quis iudicabit?

Mit der gewählten Auslegung stellt der EuGH die Weichen, die zur konfliktgeladenen Frage nach dem Quis iudicabit führt, also zu den zentralen und diskussionswürdigen Aussagen des Gerichtshofs in der vorliegenden Rechtssache. Ist es das glaubensdefinierte Selbstverständnis der Kirche, die über die Loyalitätserwartungen an ihre AN, über allfällige Abstufungen nach der Nähe zum kirchlichen Verkündigungsauftrag, die Stellung des AN in der Einrichtung oder die Schwere vorgeworfener Loyalitätsverstöße entscheidet? Und wenn ja, unterliegen diese Entscheidungen einer Kontrolle durch staatliche Gerichte und in welchem Umfang?

Zunächst lässt der EuGH keine Zweifel, dass die Richtlinie, aber auch die als Grundrecht unionsrechtlich gewährleistete Rechtswegegarantie des Art 47 ECG, einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz verlangen, mithin eine Kontrolle, ob die Loyalitätserwartung eine im dargelegten Sinne „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt“. Auch diese Aussage findet sich bereits in der zitierten E zur Rs Egenberger und sie wird im vorliegenden Fall auf die Loyalitätserfordernisse des zweiten Unterabschnitts des Art 4 Abs 2 der RL übertragen. Daher muss die vom kirchlichen AG ausgesprochene Kündigung wegen eines Loyalitätsverstoßes einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle unterworfen werden. Das ist eine Bedingung, die im Übrigen auch der Straßburger Menschenrechtsgerichtshof aus Art 6 EMRK und den betroffenen Freiheitsrechten ableitet. Dass diese Judikatur nicht zitiert wird, fällt auf, ist aber vielleicht kein Zufall.

Nun ist es zwar nicht zu bezweifeln, dass der religiös neutrale Rechtsstaat das Selbstverständnis einer Kirche oder Weltanschauungsgemeinschaft nicht fraglos und unkontrolliert hinnehmen kann, wenn es um einen wirksamen Schutz der Rechte und Grundrechte von AN geht. Soweit kann dem EuGH gefolgt werden. Freilich ist damit noch nicht entschieden, ob die staatlichen Gerichte sich beim Streit um glaubensbezogene Loyalitätspflichten mit einer Art von Plausibilitätskontrolle begnügen können (oder müssen), ob sie eine Missbrauchskontrolle ausüben sollen oder ob das Erfordernis eines „wirksamen Rechtsschutzes“ eine volle Überprüfung und gegebenenfalls Korrektur der von einer Kirche formulierten und religiös begründeten Loyalitätserwartungen gebietet. Die Judikatur des EGMR fordert zwar eine gerichtliche Überprüfung der kirchlichen Entscheidungen, anerkennt aber zugleich einen aus der Religionsfreiheit des Art 9 EMRK abgeleiteten Bereich autonomer kirchlicher Selbstbestimmung; der Ausgleich im Spannungsverhältnis zwischen den Grundrechten des AN und dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht erfolgt in Abwägungsentscheidungen, in die verschiedene fallbezogene Gesichtspunkte einfließen (vgl zB EGMR [GK], 12.6.2014, Nr 56.030/07 – Fernández Martínez; vgl ferner die ebenda vom EGMR zitierten Vorentscheidungen in den Fällen Siebenhaar, Schüth und Obst).

Auch der EuGH erwähnt die Autonomie der Kirchen, aber eher nur en passant und letztlich ohne erkennbare Konsequenzen. Denn obgleich es „letztlich Sache des nationalen Gerichts“ sein soll zu entscheiden, ob eine Loyalitätsanforderung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung an den AN darstellt, lässt der EuGH kaum einen Spielraum – und zwar weder für ein abweichendes kirchliches Selbstverständnis noch für eine eigenständige Beurteilung durch das nationale Gericht. Denn unter Berücksichtigung der im Anlassfall vom gekündigten Arzt ausgeübten beruflichen Tätigkeiten, nämlich der Beratung und medizinischen Pflege in einem Krankenhaus und der Leitung einer Abteilung, hält der EuGH die Akzeptanz des katholischen Eheverständnisses durch den AN nicht für wesentlich im Hinblick auf die Bekundung des Ethos des kirchlichen AG. Die entsprechenden Loyalitätserwartungen sind folglich nicht gerechtfertigt. Wenn dafür als Argument,322 gestützt auf die Ausführungen des Generalanwalts, auf den Umstand hingewiesen wird, dass die Krankenanstalt auch konfessionell ungebundenen AN Leitungsaufgaben anvertraut habe, die keiner vergleichbaren Loyalitätsbindung unterliegen, ist das wenig überzeugend – immerhin ist es nicht unsachlich, wenn von den eigenen Konfessionsangehörigen eine gesteigerte Identifikation mit der religiösen Sittenlehre erwartet wird.

Freilich: Wieweit das Unionsrecht eine Berücksichtigung der Autonomie der Kirchen und Religionsgemeinschaften gewährleistet oder garantiert, wie sie das deutsche Bundesverfassungsgericht aus dem Verfassungsrecht ableitet und wie sie auch im Verfassungsrecht anderer Mitgliedstaaten anerkannt ist, ist offen. Die E des EuGH in der vorliegenden Rechtssache trägt zu einer Klärung kaum etwas bei, vor allem mit den knappen, wenig aussagekräftigen Ausführungen zu Art 17 AEUV, der immerhin den Status der Kirchen nach dem Recht der Mitgliedstaaten garantiert. Auffällig ist ferner das Fehlen jeder Bezugnahme auf die Religionsfreiheit des Art 10 der Grundrechtecharta, die wortwörtlich übereinstimmend mit Art 8 EMRK (auch) eine kollektive Freiheit der Kirchen gewährleistet. Wenn es richtig sein sollte, dass das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften mit seiner spezifische Tendenzen schützenden Funktion einen gesamteuropäischen Rechtsgrundsatz darstellt (so Schinkele, Öarr 2008, 188 mwN), lässt das die E des EuGH nicht erkennen.

4.
Entfalten die primärrechtlichen Diskriminierungsverbote eine Wirkung inter privatos?

Der EuGH verpflichtet das vorlegende nationale Gericht zu einer den dargelegten Grundsätzen folgenden Auslegung des nationalen Rechts im Ausgangsverfahren. Im Hinblick auf das im deutschen Verfassungsrecht jedenfalls nach der stRsp des Bundesverfassungsgerichts verfassungskräftig garantierte, autonome kirchliche Selbstbestimmungsrecht ist eine solche richtlinienkonforme Interpretation wahrscheinlich nicht möglich. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesarbeitsgericht seine zweite Frage gestellt, mit der es wissen möchte, ob dem primärrechtlich jedenfalls in Art 21 EGC verankerten Diskriminierungsverbot eine „Drittwirkung“ zukomme, mit der Folge, dass das entgegenstehende nationale Recht unangewendet zu bleiben hat.

Der EuGH bejaht diese Frage im Ergebnis eindeutig. Er tut das freilich mit einer etwas kryptischen Formulierung, wenn er den primärrechtlichen Diskriminierungsschutz auf das „in Art 21 der Charta niedergelegte Verbot jeder Art von Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung“ stützt, das „als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts zwingenden Charakter“ hat und „schon für sich allein dem Einzelnen ein Recht [verleiht], das er in einem Rechtsstreit, der einen vom Unionsrecht erfassten Bereich betrifft, als solches geltend machen kann“. Ist das nun eine Rechtswirkung, die unmittelbar aus dem mit Drittwirkung ausgestatteten Grundrecht des Art 21 EGC folgt oder doch aus einem allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts, der in dem Chartagrundrecht nur konkretisiert oder wiederholt wird? In früheren, vergleichbaren Entscheidungen wurden primärrechtliche Diskriminierungsverbote mit ihrer Wirkung zwischen Privaten noch ausschließlich auf allgemeine Grundsätze des Unionsrechts gestützt (EuGH 19.1.2010, C-555/07, Kücükdeveci) oder wurde der Frage nach der maßgeblichen Rechtsgrundlage ausgewichen (EuGH 19.4.2016, C-441/14, Dansk Industri). In dem zeitnahe zur vorliegenden E ergangenen Urteil zur Rs Egenberger (C-414/16) scheint sich der EuGH (jedenfalls in seiner Anfragebeantwortung) dagegen ausschließlich auf Art 21 EGC zu beziehen. Die nunmehr gewählte Formulierung stellt dieses Ergebnis möglicherweise wieder in Frage, freilich ohne etwas am praktischen Ergebnis zu ändern. Es darf somit weiter darüber spekuliert werden, ob den Diskriminierungsverboten des Art 21 EGC ganz allgemein oder jedenfalls in arbeitsrechtlichen Zusammenhängen Drittwirkung zukommt. Zeitlich kurz nach der vorliegenden E ergangene Urteile des EuGH geben dieser kontrovers diskutierten Problematik weitere Nahrung (vgl EuGH 6.11.2018, C-569/16 und C-570/16, Bauer et al; EuGH 6.11.2018, C-684/16, Max-Planck-Gesellschaft und EuGH 22.1.2019, C-193/17, Cresco Investigation GmbH).

5.
Fazit

Die Autonomie der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften ist auch im österreichischen Verfassungsrecht innerhalb der Grenzen der allgemeinen Gesetze anerkannt (Art 15 StGG). Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht wird in der Judikatur der österreichischen Gerichte in einer mit der Rsp des deutschen Bundesverfassungsgerichts vergleichbaren Weise respektiert, auch wenn sich dieses Selbstverständnis einer gerichtlichen Kontrolle nach den Maßstäben der Sachlichkeit und Willkürfreiheit stellen muss (vgl zB OGH 12.4.1995, 9 ObA 31/95). Diese Judikatur und auch die in der Kommentarliteratur zu § 20 GlBG vertretenen gleichgerichteten Auffassungen werden im Lichte der vorliegenden E des EuGH zu überprüfen sein (vgl mwN zur Literatur und Judikatur Windisch-Graetz in Rebhahn [Hrsg], GlBG [2005] § 20 Rn 15 ff).323