40 Jahre Gleichbehandlungsgesetz – Europäische Impulse bei der Gleichstellung der Geschlechter*

SIEGLINDEGAHLEITNER (WIEN)
Robert Rebhahn, dem dieser Beitrag gewidmet ist, hat sich als einer der Ersten in Österreich wissenschaftlich mit dem Gleichbehandlungsrecht beschäftigt und hat auch zu diesem Thema – wie so oft – einen besonders nachhaltigen Input geleistet.* Es ist daher nicht nur wegen „40-Jahre-Gleichbehandlungsgesetz“, sondern auch im Gedenken an Robert Rebhahn angebracht, eine Bestimmung des Status quo des Gleichbehandlungsrechts und der Gleichstellung der Geschlechter in Österreich im Jahr 2019 durchzuführen.
  1. Die Entwicklung des Gleichbehandlungsgesetzes nach Maßgabe europäischer Impulse

  2. Der verfassungsrechtliche Rahmen – insbesondere Art 7 Abs 2 B-VG

  3. Statistische Daten zur faktischen Situation von Männern und Frauen im Erwerbsleben

  4. Überwindung des erklärbaren Teiles des Gender Pay Gap

  5. Überwindung des unerklärbaren Teiles des Gender Pay Gap – Einkommenstransparenz

    1. Kollektivvertragliche Maßnahmen

    2. Strukturell benachteiligende Faktoren bei der Entlohnung von Frauen

    3. Einkommensberichte

    4. Die Mitwirkungsrechte des Betriebsrates bei der Herstellung von Entgeltgleichheit

    5. Vorgaben des Datenschutzrechtes

    6. Offenlegung im Zivilprozess

  6. Quotenregelungen und andere positive Maßnahmen

    1. Das Konzept der positiven Maßnahme im Unionsrecht

    2. Diskriminierung von Männern bei Beförderungen?

    3. Erzwingbare positive Maßnahmen statt individuelle Rechtsverfolgung

    4. Quotenregelungen in Österreich

    5. Faktische Präsenz von Frauen in Führungsfunktionen in Österreich

  7. Recht auf Rückkehr auf den bisherigen Arbeitsplatz nach Karenz

  8. Schadenersatz und immaterieller Schadenersatz

    1. Kein immaterieller Schadenersatz bei Erfüllungsanspruch

    2. Kein immaterieller Schadenersatz bei berechtigtem Austritt

    3. Unlimitierter Vermögensschaden bei diskriminierender Beendigung?

  9. Sexuelle Belästigung

  10. Formelle Gleichbehandlung genügt nicht391

1.
Die Entwicklung des Gleichbehandlungsgesetzes nach Maßgabe europäischer Impulse

Bereits das Gleichbehandlungsgesetz 1979 (GlBG) wäre wohl ohne die Vorarbeiten in der Europäischen Union – damals noch Europäischen Gemeinschaft – gar nicht, sicher jedoch nicht in dieser Form, möglich gewesen. Alle wesentlichen Entwicklungen, auch das GlBG 2004 (BGBl I 2004/66BGBl I 2004/66) und die dazu ergangenen bisher sieben Novellierungen basieren letztlich auf europäischen Impulsen.*

Der EG-Vertrag enthielt schon seit 1956 in Art 119 das Gebot gleichen Entgelts für gleiche Arbeit unabhängig vom Geschlecht. 20 Jahre später erging die erste wichtige E des EuGH zu dieser Bestimmung, welche vor allem die unmittelbare Anwendung des Art 119 bejahte.* 1976 wurde die Gleichbehandlungs-RL 76/2007 EWG erlassen, die den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen nicht nur beim Entgelt, sondern auch bei den sonstigen Arbeitsbedingungen vorschrieb. Die in der Folge dazu ergangene Judikatur des EuGH, die etwa das Verbot der mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Zusammenhang mit der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten entwickelte und vor allem diverse Klarstellungen zum Schutz von Schwangeren mit sich brachte, stieß entsprechende Novellierungen an.

Die Rsp des EuGH und darauf aufbauende Richtlinien- Änderungen waren und sind die maßgeblichen Motoren der Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt.

Ohne die EU und die dort entwickelten Richtlinien und Grundsätze wäre die Gleichbehandlung der Geschlechter in Österreich wohl nicht in gleichem Maße entwickelt. Schon 1979, als das Gleichbehandlungsgesetz in seiner Stammfassung am 1. Juli in Kraft trat und im wesentlichen Einkommensunterschiede aufgrund des Geschlechts untersagte, ging dies auf in der Europäischen Gemeinschaft geltende Rechtsgrundlagen zurück,* auch wenn Österreich damals nicht Mitglied der EG war.

Im Jahr 1990 erfolgte eine weitere wesentliche Novellierung anlässlich derer das Gleichbehandlungsgebot auch auf die Begründung des Arbeitsverhältnisses, den beruflichen Aufstieg und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeweitet wurde und zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung Schadenersatzregelungen sowie eine Beweiserleichterung normiert wurden. Die Novelle berücksichtigte die Lohngleichheits-RL 75/117/EWG ebenso wie die Gleichbehandlungs-RL 76/207/EWG. Ein wesentlicher Entwicklungsschritt war auch die Schaffung der Position einer Anwältin für Gleichbehandlungsfragen nach dem Vorbild skandinavischer Länder. Ohne die Gleichbehandlungsanwaltschaft und die Tätigkeit der Gleichbehandlungskommission wären wesentliche Bewusstseinsprozesse nicht in Gang gekommen.

1993 wurden die Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen nach dem Gleichbehandlungsgesetz verlängert und klargestellt, dass auch mittelbare Diskriminierungen untersagt sind sowie nachgeschärft, dass das Gleichbehandlungsgebot auch gleiche Entlohnung bei gleichwertiger Arbeit nicht nur bei gleicher Tätigkeit umfasst. Schadenersatzansprüche bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz sowie Sanktionen bei Verletzung des Gebotes der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung wurden normiert.

1998 wurde Art 7 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) novelliert und Maßnahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung – und damit explizit auch ungleiche Behandlung zur Herstellung von Gleichheit – formal als zulässig erklärt (vgl Pkt 2).

2004 wurde das Gleichbehandlungsgesetz neu erlassen, dies in Umsetzung der Gleichbehandlungs-Rahmen-RL 2000/78/EG und der Anti-Rassismus-RL 2000/43/EG. Damit wurden die Diskriminierungsverbote auch auf die Diskriminierungsgründe der ethnischen Herkunft, der Religion, Weltanschauung, des Alters und der sexuellen Orientierung ausgeweitet. Das Gleichbehandlungsgebot im Arbeitsleben wurde darüber hinaus auch auf arbeitnehmerInnenähnliche Personen ausgeweitet. In Umsetzung der RL 2004/113/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen wurde 2008 das Gleichbehandlungsgesetz wiederum maßgeblich novelliert.* Anlässlich dieser Novelle wurden die Mindestschadenersatzansprüche bei Belästigung erhöht und klargestellt, dass bei der Bemessung des Schadenersatzes auch eine etwaige Mehrfachdiskriminierung zu berücksichtigen ist. Im Falle der Diskriminierung bei der Beendigung wurde ein Wahlrecht geschaffen zwischen der Geltendmachung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses einerseits und der Geltendmachung des Vermögensschadens samt ideellem Schadenersatz andererseits. 2011* wurden Maßnahmen zur Verbesserung der Einkommenstransparenz getroffen und Einkommensberichte ab einer bestimmten Unternehmensgröße eingeführt. Der immaterielle Schadenersatz bei sexueller Belästigung wurde auf mindestens € 1.000,– angehoben. 2013 wurde die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen wegen sexueller Belästigung auf drei Jahre erhöht.*

2.
Der verfassungsrechtliche Rahmen – insbesondere Art 7 Abs 2 B-VG

Art 7 Abs 1 B-VG bestimmt, dass Vorrechte aufgrund des Geschlechts ausgeschlossen sind.*392

Seit der B-VG-Novelle BGBl I 1998/68 erlaubt Art 7 Abs 2 B-VG ausdrücklich Maßnahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung von Männern und Frauen, insb durch Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten.*

Art 7 Abs 2 B-VG geht maßgeblich auf eine Initiative der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten Johanna Dohnal zurück, die allerdings bereits 1995 eine wesentlich weitgehendere Bestimmung vorgeschlagen hatte und insb eine ausdrückliche Zulässigkeit von Quotenregelungen in der Verfassung verankert wissen wollte. Im Zuge des Frauen- Volksbegehrens 1997 gab es einen weiteren Anlauf zur verfassungsrechtlichen Verankerung und der nunmehrige Verfassungstext stellte den kleinsten, damals herstellbaren gemeinsamen Nenner dar. Letztlich handelt es sich dabei um eine Staatszielbestimmung, die kein subjektives Recht einräumt. Der Gesetzgeber ist aber verpflichtet, Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter zu ergreifen.*

Angesichts der tatsächlichen Schlechterstellung von Frauen sind gem Art 7 Abs 2 B-VG Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung, darunter auch Quotenregelungen (mit Öffnungsklauseln) zulässig. Trotz der Staatszielbestimmung der faktischen Gleichstellung von Männern und Frauen und diesem Bekenntnis der österreichischen Bundesverfassung ist auf dem Gebiet derartiger Maßnahmen zur Gleichstellung bisher wenig vom Gesetzgeber zu hören gewesen.*Der Gesetzgeber ist aufgerufen, im Rahmen einer genderorientierten Politik die tatsächliche faktische Gleichstellung zwischen den Geschlechtern anzustreben, indem er die komplexen Chancenungleichgewichte in den Lebensverhältnissen zwischen den Geschlechtern identifiziert und durch geeignete Maßnahmen diese Ungleichgewichte abbaut und Nachteile kompensatorisch ausgleicht.* Der österreichische Gesetzgeber hat dazu bisher kein ausreichendes Sensorium entwickelt, wenn etwa bei der Einführung des Familienbonus in der Regierungsvorlage ausgeführt wird, dass die Regelung „im Hinblick auf das Gleichstellungsziel insgesamt neutral“ ist.* Es müsste vielmehr im Detail geprüft werden, wie sich die gesetzlichen Regelungen unterschiedlich auf Männer und Frauen auswirken, welche Folgen sie für die Beteiligung von Männern und Frauen in bestimmten Gruppen und in Entscheidungspositionen haben, wie sie auf die Ressourcenverteilung wirken, wie sie die Geschlechterrollen und die Arbeitsteilung nach Geschlecht beeinflussen.*

Der VfGH hat Quotenregelungen bei Wahlvorschlägen zum Senat der Universitäten* sowie die genderspezifische Auswertung universitärer Eingangstests* ebenso für zulässig erklärt, wie eine Bevorzugung von Frauen bei einer Reihungskriterien-Verordnung bei der Vergabe von Gynäkologenkassenplanstellen.*

Nach der Judikatur des VfGH muss geprüft werden, ob besondere Gründe vorliegen, die eine am Geschlecht anknüpfende gesetzliche Differenzierung als sachlich erweisen. Eine solche sachliche Rechtfertigung kann in Maßnahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern, insb durch Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten liegen. Die Maßnahmen müssen in ihrer konkreten Ausgestaltung erforderlich und verhältnismäßig sein. Die Förderung der Repräsentanz von Frauen in Leitungsgremien – wie etwa dem Senat einer Universität – diene dabei nicht zuletzt wegen der Vorbild- und damit verbundenen Identifikationswirkung gerade dem Abbau jener Gründe, die die angesprochene Unterrepräsentanz von Frauen bewirken, so der VfGH.*

Der VfGH hat auch eine genderspezifische Auswertung des Aufnahmetests für das Medizinstudium, welche für einen Übergangszeitraum eingeführt wurde, als zulässig angesehen, da sich herausgestellt hatte, dass Frauen nachweisbar systematisch schlechter abschnitten als Männer und dies ua mit vorausgehender Schulwahl und unterschiedlichen Strategien bei der Lösung von Prüfungsaufgaben zusammenhing, bis ein neuer Aufnahmetest entwickelt werden konnte, der eine Ungleichbehandlung je nach dem Geschlecht ausschließen sollte. Da die genderspezifische Auswertung nur für einen Übergangszeitraum vorgesehen war und andere Maßnahmen nicht zur Folge hatten, dass die Geschlechterunterschiede bei den Testergebnissen beseitigt werden konnten, wurde die Vorgangsweise bis zur Entwicklung eines nicht diskriminierenden Tests als zulässig angesehen.*

Hinsichtlich der Bevorzugung weiblicher Bewerber für Kassenarztstellen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe sah der VfGH ein wichtiges öffentliches Interesse, den bestehenden Mangel im Gesundheitswesen zu beheben, da weibliche Fachärzte für Frauenheilkunde von über 60 % der Frauen nachgefragt werden, während im österreichischen Durchschnitt nur etwa 17,2 % dieser Stellen mit Frauen besetzt waren. Der VfGH hielt auch fest, dass die Vorschriften nur solange sachlich gerechtfertigt werden können, als ein nennenswerter Mangel an weiblichen Fachärzten gemessen am Bedarf fortbesteht, sohin können die Regelungen auch durch Zeitablauf gesetzwidrig werden, wenn der Mangel behoben ist. Im vorliegenden Zusammenhang sah der VfGH das weibliche Geschlecht auch als „unverzichtbare Voraussetzung“ für die berufliche Tätigkeit, soweit im Hinblick auf die Nachfrage ein Mangel bestand.*393

Eine positive Maßnahme zur Beseitigung eines tatsächlichen Ungleichgewichtes stellt auch die Quotenregelung im öffentlichen Dienst dar (vgl § 11c B-GlBG, siehe dazu Pkt 6).

Darüber hinaus gibt es aber insb in der Privatwirtschaft kaum Bevorzugungsregelungen für Frauen. Positive Maßnahmen haben sich bisher meist darin erschöpft, zB Kinderbetreuungsentwicklungen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie zur Verfügung zu stellen. In Anbetracht der verfassungsgesetzlichen Vorgaben wäre der Gesetzgeber aber aufgerufen, klarere Vorgaben zur Beseitigung faktischer Benachteiligungen gerade auch für die Privatwirtschaft zu machen: Aktive Politik statt passiver Verbote.*

3.
Statistische Daten zur faktischen Situation von Männern und Frauen im Erwerbsleben

Der Gender Pay Gap betrug 2017 37,3 % und lag damit bloß einen (!) Prozentpunkt unter dem Wert im Jahr 1997. Bereinigt um den Faktor Teilzeit betrug der Gender Pay Gap 2017 15,6 %. Bereinigt um weitere beobachtbare Faktoren wie Branche, Beruf, Bildungsniveau, Alter, Dauer der Unternehmenszugehörigkeit, Art des Arbeitsvertrags etc verbleibt immer noch ein unerklärter Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern in Höhe von 13,6 %.

Die Teilzeitquote der 25- bis 49-Jährigen mit Kindern unter 15 Jahren betrug 2017 bei Frauen 75,1 %, bei Männern 6,9 %. Die Aufteilung der Erwerbsarbeit zwischen Müttern und Vätern mit Kindern unter 15 Jahren ist in Österreich so gestaltet, dass in 44,9 % dieser Familien der Mann Vollzeit arbeitet, die Frau Teilzeit, in 18,5 % der Familien ist nur der Mann erwerbstätig, in 13,2 % sind beide Eltern Vollzeit tätig und in weniger als 10 % der Familien arbeiten beide Eltern Teilzeit oder ist die Frau haupterwerbstätige Vollzeitbeschäftigte.

Fast 94 % der Alleinerziehenden in Österreich sind Frauen. Der Männeranteil bei den Karenzen lag im Dezember 2017 bei nur 3,8 %: 119.476 Frauen standen 4.773 Männern gegenüber, die Kinderbetreuungsgeld bezogen. Das Erwerbseinkommen von Frauen in Österreich liegt selbst zehn Jahre nach der Geburt des ersten Kindes im Schnitt um 51 % unter dem Wert ein Jahr vor der Geburt des Kindes.

74,2 % der österreichischen Frauen haben bereits sexuelle Belästigung erlebt, fast ein Drittel sogar sexuelle Gewalt. 83 % der gemeldeten Opfer häuslicher Gewalt sind weiblich. Die Gewalt geht in 88 % der Fälle von Männern aus. Im Jahr 2017 endeten aber nur ca 10 % der Fälle, die als sexuelle Belästigung bei der Staatsanwaltschaft angezeigt waren, mit einer Verurteilung. Demgegenüber gaben lediglich 27,2 % der Männer an, schon einmal sexuell belästigt worden zu sein.

Nur 2 % der Frauen schaffen 45 Pensionsbeitragsjahre, bei den Männern sind es rund 52 %. Die Alterspension der Frauen war 2017 um 50,1 % niedriger als die der Männer. Besieht man nur die 2017 neu zuerkannten Alterspensionen, so beträgt der durchschnittliche Rückstand von Frauen (Gender Pension Gap) immer noch 43 %. Die armutsgefährdeten Personen über 65 waren laut Statistik Austria im Jahre 2017 zu fast 70 % weiblich.

Im Nationalrat sind mittlerweile in der jetzigen Legislaturperiode zumindest 68 Frauen unter den 183 Nationalratsabgeordneten zu finden, sohin 37,2 %. Nur 8 % der Bürgermeister sind weiblich. Von neun Landeshauptleuten gibt es nur eine Frau.*

Die Repräsentation von Frauen in Führungspositionen ist minimal (vgl Pkt 6.2. dieses Beitrages).

Die Erwerbsbeteiligung von Frauen in Österreich steigt an, jedoch weit überwiegend in der Form von Teilzeitbeschäftigung. 76,2 % der Frauen im Alter von 25 bis 49 Jahren sind erwerbstätig, 86,9 % der Männer.

Das Bildungsniveau dürfte keine valide Erklärung mehr für den Gender Pay Gap sein: 2016 hatte jede fünfte Frau in Österreich einen Universitäts- bzw Hochschulabschluss, hingegen nur 16,2 % der Männer. Auch bei AHS-Abschlüssen sowie bei berufsbildenden mittleren Schulen führen Mädchen die Statistik an. Allerdings wählen Frauen weiterhin tendenziell Ausbildungen, die schlechter bezahlt sind, insb interessieren sie sich seltener für die sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik).*

4.
Überwindung des erklärbaren Teiles des Gender Pay Gap
4.1.

Der erklärbare Teil des Gender Pay Gap liegt überwiegend an der Teilzeitarbeit der Frauen. Dies deshalb, weil Familienarbeit, insb die Betreuung der Kinder, weit überwiegend nach wie vor Frauensache ist in unserem Land. Frauen leisten Gratisarbeit bei der Kindererziehung, im Haushalt, bei der Pflege naher Angehöriger. Es gibt keine ausreichenden staatlichen Betreuungsangebote für Kinder, keine ausreichenden Pflegeeinrichtungen. In vielen Regionen gibt es überhaupt keine Möglichkeit, Vollzeit zu arbeiten und Kinder fremdbetreuen zu lassen. Männer sind weit überwiegend nicht bereit, den gleichen Anteil an der Kindererziehung oder gar der Pflege von Angehörigen zu übernehmen. Die Mehrheit der Frauen nimmt dies hin. Es gibt derzeit keine politische Mehrheit für eine Veränderung dieser Faktoren.

Steuerungsmaßnahmen des Gesetzgebers könnten etwa in der Zurverfügungstellung von lückenloser Ganztagsbetreuung für Kinder zumindest nach 394 dem ersten Lebensjahr, sowohl im Kindergarten als auch in der Schule liegen. Schon eine Empfehlung des Rates der EU zur Durchführung der Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten aus dem Jahr 2002 konstatiert für Österreich großen Aufholbedarf, insb wegen des großen geschlechtsspezifischen Lohngefälles und dem sehr niedrigen Versorgungsgrad an Kinderbetreuungseinrichtungen.*

Zur gerechteren Aufteilung könnte auch eine Begrenzung möglicher Elternkarenzen auf ein Jahr samt verpflichtender Teilung 50 : 50 zwischen Mann und Frau beitragen. Ebenso würde eine verpflichtende Teilung einer ebenso maximal bis zum dritten Lebensjahr in Anspruch zu nehmenden Elternteilzeit im Ausmaß 50 : 50 eine Umverteilung der Familienlasten zwischen Mann und Frau zwingend mit sich bringen. Während dieser kürzeren Phasen der eingeschränkten Erwerbsarbeit wäre ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld zu gewähren, um den Einkommensausfall bestmöglich auszugleichen. Auch wäre bei ungleicher Verteilung der Familienarbeit ein zwingendes Pensionssplitting anzudenken.

GegnerInnen solcher Maßnahmen argumentieren regelmäßig damit, dass solcherart strenge Regelungen die Frauenerwerbsquote senken würde und Frauen wieder mehr aus dem Erwerbsleben ausscheiden würden. ME würde dies in der Mehrzahl der Fälle nicht zutreffen, da vor allem bei niedrigen Einkommen Familien regelmäßig darauf angewiesen sind, dass beide Elternteile Erwerbsarbeit verrichten. Soweit Frauen höherer Bildungsschichten, deren Partner ebenfalls ein höheres Einkommen aufweist, sich auf solche „Hausfrauen-Modelle“ einlassen und damit massive Nachteile für ihr gesamtes restliches Erwerbsleben in Kauf nehmen, obliegt das ihrer freien Entscheidung.

Der Gesetzgeber sollte jedenfalls die derzeit bestehenden massiven Anreize durch Karenz und Elternteilzeit, die ungleiche Verteilung der Familienarbeit und damit die massive Benachteiligung der Frauen über einen außerordentlich langen Zeitraum aufrecht zu erhalten, stark begrenzen. Während in Europa viele Länder nur kurze Fristen für Mutterschaftsurlaub bzw Reduktion der Arbeitsleistung zur Kindererziehung vorsehen, hat Österreich Anspruch auf Elternteilzeit bis zum Ablauf des siebten Lebensjahres oder bis zum späteren Schuleintritt des Kindes gewährt, dies mit Rechtsanspruch in Betrieben mit mehr als 20 DN, nach ununterbrochener dreijähriger Beschäftigungsdauer, wenn die wöchentliche Normalarbeitszeit um mindestens 20 % reduziert wird und zwölf Stunden nicht unterschreitet. Der damit einhergehende besondere Kündigungsschutz bis vier Wochen nach dem Ablauf des vierten Lebensjahres des Kindes macht dieses Angebot zusätzlich verlockend. In diese vom Gesetzgeber aufgestellte Falle tappen weit überwiegend weiterhin nur Frauen. Der Weg in die (Alters-)Armut ist damit bereits besiegelt.

Hinzu kommt: AG wissen, dass die Last der Kindererziehung und der Familienarbeit nach wie vor weit überwiegend von Frauen getragen wird, dass die Gefahr, dass Elternteilzeit beantragt wird, weit überwiegend bei Mitarbeiterinnen besteht. Das Einstellungs- und Beförderungshindernis „eine Frau zu sein“, wird so lange bestehen, solange die Kindererziehung und damit verbundene Karenz- und Teilzeit nicht annähernd gleichermaßen auch von Männern beantragt wird bzw werden muss. Um diesen Zustand, wenn schon nicht zu erreichen, sondern sich diesem in den nächsten 100 Jahren zumindest anzunähern, ist es erforderlich, den Anspruch auf Elternteilzeit strikt an die Voraussetzung zu knüpfen, dass er gleichteilig von Mutter und Vater in Anspruch genommen wird, gleiches gilt für Karenzzeiten.* Man sollte sich innerhalb der EU an jenen Ländern orientieren, in denen eine hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen bei gleichzeitig geringem Gender Pay Gap besteht.

4.2.

Auch das Verbot der mittelbaren Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten ändert nichts am Gender Pay Gap: Häufig ergaben sich Nachteile für Teilzeitbeschäftigte aufgrund kollektivvertraglicher Regelungen – zB bei Betriebspensionen oder Kündigungsschutzbestimmungen, wie Definitivstellungen oder bestimmten verbesserten Beschäftigungsbedingungen, aber auch bei der Beförderung.*

Es ist längst klargestellt, dass Teilzeitbeschäftigte gegenüber Vollzeitbeschäftigten nicht diskriminiert werden dürfen, es sei denn, es liegt eine sachliche Rechtfertigung vor. Auch bei Berufen, bei denen fachliche Erfahrung und Weiterbildung von wesentlicher Bedeutung sind, dürfen Teilzeitbeschäftigte nicht diskriminiert werden.*

Die umfangreiche Judikatur des EuGH, aber auch des OGH zur mittelbaren Diskriminierung haben jedoch in der Praxis nicht dazu geführt, dass Frauen trotz Teilzeitarbeit vermehrt befördert werden und beruflich aufsteigen können. Letztlich ist in der betrieblichen Praxis zwar mittlerweile anerkannt, dass Teilzeitbeschäftigte nicht von betrieblichen Benefits wie Betriebspensionen oder Jubiläumsgeldern und ähnlichen Leistungen ausgeschlossen werden können, Entgelte müssen aliquotiert werden (auch Kinder- und Sozialzulagen).* Wie sich zeigt, holen Frauen die Nachteile aufgrund der Babypausen bzw der Elternteilzeiten aber nie wieder auf.

Um die Nachteile durch Teilzeitbeschäftigung zu verringern, müsste auch die Relevanz von Dienstzeiten und Vordienstzeiten für gehaltliche Einstufungen und Entwicklungen massiv zurückgedrängt werden. Seniorität ist nur bis zu einem bestimmten Grad tatsächlich ein Faktor für qualifiziertere oder werthaltigere Tätigkeit. Ab einem bestimmten Ausmaß haben zusätzliche Berufsjahre kaum mehr qualifizierenden Wert.395

5.
Überwindung des unerklärbaren Teiles des Gender Pay Gap – Einkommenstransparenz

Mehr als die Hälfte des zu konstatierenden Gender Pay Gap, der sich in den letzten 20 Jahren nur unmaßgeblich verringert hat, ist nicht durch nachvollziehbare Faktoren erklärbar. Dieser Anteil könnte maßgeblich verkleinert werden, wenn das Dogma der Geheimhaltung von Einkommensdaten fallen gelassen wird.

In diesem Zusammenhang spielen Faktoren wie verzögerter Karriereverlauf wegen früherer Kindererziehungszeiten oder Teilzeitzeiten, Verpassen innerbetrieblicher Lohn- und Gehaltsrunden, zögerliche Gehaltsverhandlungen und -forderungen bei Frauen etc immer noch eine Rolle. Um hier gerade solche strukturellen negativen Effekte hintanhalten zu können, müssen alle Einkommen transparent gemacht werden. Zwar hat eine Studie der Harvard Universität* ergeben, dass Transparenz die Gehälter tendenziell insgesamt drückt, da Einkommensdifferenzen dann argumentiert werden müssen und auch WunschkandidatInnen nicht mehr unverhältnismäßig mehr bekommen als ihre KollegInnen. Es gibt diesfalls also auch weniger Ausnahmen nach oben hin. Allerdings können auch nicht einzelne AN gegeneinander ausgespielt werden und unsachliche Gehaltsdifferenzen werden zugunsten von Frauen vermieden.

Es zeigt sich auch, dass für die Beseitigung der strukturellen Nachteile, die Frauen bei der Bezahlung ihrer Arbeit erleben, die Durchsetzung von Ansprüchen auf individualrechtlicher Basis außerordentlich schwerfällig bis unmöglich ist. Es gibt – mit Ausnahme der Frage der unmittelbaren Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten – nur spärliche Judikatur des OGH zur Durchsetzung der Beseitigung von Entgeltdiskriminierungen.*

5.1.
Kollektivvertragliche Maßnahmen

Zur Überwindung des Gender Pay Gap wäre es ua hilfreich, wenn die Kollektivvertragsparteien bei der Definition der Entlohnungskriterien und der Abstufung der einzelnen Verwendungsgruppen spezifischere und detailliertere Regelungen treffen würden: Je genauer die Einstufungskriterien definiert sind, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit unsachlicher Entlohnungsunterschiede, da weniger Spielraum für die Bewertung bleibt. Es zeigt sich auch, dass in Bereichen, in denen gesetzlich vorgegebene Gehaltsschemata zwingend einzuhalten sind oder konkrete innerbetriebliche Gehaltsschemata einen klaren Rahmen für die Entlohnung vorgeben, die Entlohnungsunterschiede zwischen Männern und Frauen am geringsten sind (so etwa im öffentlichen Dienst).

Auch sollten Kollektivvertragsparteien bewusst darauf achten, ob Tätigkeiten, in denen überwiegend Frauen arbeiten, allein deshalb innerhalb einer Branche schlechter bezahlt werden, etwa trotz der Tatsache, dass eine ähnliche Ausbildung zu absolvieren ist wie bei überwiegend von Männern ausgeübten Tätigkeiten – sie müssen auf die Beseitigung von sogenannten „Leichtlohngruppen“ hinwirken.

Auch können die Kollektivvertragsparteien über den gesetzlichen Rahmen hinaus die Anrechnung von Karenzzeiten und Elternteilzeiten für alle Ansprüche aus dem Dienstverhältnis in voller Höhe regeln, auch für Vorrückungen. Diese Senioritätsbezogenheit der Gehaltsregelungen sollte eingedämmt werden, insb muss anerkannt werden, dass höhere Gehälter aufgrund von Seniorität häufig Betriebstreue abgelten und nicht steigende Qualifizierung durch längere Beschäftigung. Die Betriebstreue wird aber auch durch eine Unterbrechung aufgrund Kindererziehung nicht geschmälert.

5.2.
Strukturell benachteiligende Faktoren bei der Entlohnung von Frauen

Nicht nur bei der Festlegung genereller Lohnschemata in Kollektivverträgen, sondern auch bei der Bewertung von Arbeitsleistungen einzelner Personen durch AG sind strukturell benachteiligende Faktoren außer Acht zu lassen.

Zur Feststellung, ob gleiche oder gleichwertige Arbeit vorliegt, sind nach der Rsp des EuGH insb die Art der Arbeit, Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen zu prüfen.* Bei sehr vielen Bewertungsmerkmalen, die für die Bezahlung, aber etwa auch für Karrierechancen bei Beförderungen oder auch bei der Einstellung herangezogen werden, spielen Faktoren eine Rolle, die typischerweise für Frauen benachteiligend wirken:

Frauen haben tendenziell weniger Vordienstzeiten als Männer, tendenziell weniger Seminare oder Zusatzausbildungen besucht, weniger Überstunden geleistet, sind weniger flexibel bei kurzfristig angeordneten Überstunden – das alles typischerweise, weil sie die Hauptlast bei der Kindererziehung und Familienarbeit tragen. Derartige strukturell benachteiligende Faktoren müssen daher zur Gewährleistung einer materiellen Gleichbehandlung soweit wie möglich außer Betracht bleiben: Die Bereitschaft zur Überstundenleistung wird ohnedies durch das Überstundenentgelt entlohnt und muss nicht durch ein höheres Grundgehalt entlohnt werden. Hier verschwimmen vor allem bei All-In-Entgelten die Grenzen. Auch in diesen Fällen besteht ein Transparenzdefizit, das Frauen benachteiligt.

Berufserfahrungen iS von Vordienstzeiten mögen relevant sein, es ist aber häufig völlig irrelevant, ob man fünf oder 15 Jahre eine bestimmte Vortätigkeit ausgeübt hat. Zur Berücksichtigung 396 beruflicher Vorerfahrung hat der EuGH schon klare Regeln aufgestellt: Dienstalter ist zwar grundsätzlich ein zulässiger Rechtfertigungsgrund, da mit der Berufserfahrung auch eine bessere Arbeitsverrichtung einhergeht.* Wenn eine AN allerdings glaubhaft macht, dass durch das höhere Dienstalter keine bessere Arbeitsverrichtung mehr erreicht wird, dann muss der AG den Beweis dafür antreten, dass dies doch der Fall ist.* Grundsätzlich ist auch keine längere Bewährungszeit für Teilzeitkräfte zulässig, wenn bloß die Annahme zugrunde liegt, dass Vollzeitkräfte schneller Fähigkeiten für eine Tätigkeit hinzugewinnen.*

Darüber hinaus weiß man bereits, dass der beste Fachexperte nicht immer die beste Führungskraft ist, dass also für Beförderungen auch andere Fähigkeiten außer der fachlichen Expertise entscheidend sein sollten. So sind etwa Teamfähigkeit, soziale Kompetenz und emotionale Intelligenz genauso entscheidend. Auch kommt hinzu, dass Diversität in Gruppen sehr förderlich für ein positives Arbeitsergebnis sein kann. All diese Erkenntnisse zeigen, dass die Bewertung von AN bei einer Bewerbung von vielen Faktoren abhängt und es äußerst schwierig ist, im Einzelfall die Objektivität einer Bewertung nachzuvollziehen.

Hinzu kommt bei der Beurteilung, ob eine nichtdiskriminierende Entlohnung vorliegt, dass unterschiedliche Leistungen vergleichbarer AN klarerweise auch eine unterschiedliche Entlohnung erlauben. Weitere Gründe für gerechtfertigte unterschiedliche Entlohnungen können etwa darin liegen, dass im Zuge von Umstrukturierungen verschiedene Mitarbeitergruppen zusammengeführt wurden oder nach dem Stichtagsprinzip ab einem bestimmten Zeitpunkt andere Entlohnungskriterien eingeführt wurden oder sich etwa die Marktsituation massiv geändert hat und man aufgrund eines Arbeitskräftemangels oder anderer Umstände für einen bestimmten Zeitraum höhere Entgelte bieten muss, um geeignete Fachkräfte zu bekommen etc. Die Gründe für eine unterschiedliche Entlohnung vergleichbarer AN können daher in der Praxis vielfältig sein und es ist im Einzelfall außerordentlich schwierig, glaubhaft zu machen, dass eine konkrete Gehaltsdifferenz zu einem konkreten Kollegen aufgrund des Geschlechts besteht.

Eine messbare Verbesserung des Gender Pay Gap kann nur erzielt werden, wenn eine flächendeckende Transparenz der Einkommen innerhalb eines Unternehmens gewährleistet ist und AG verpflichtet sind, nachvollziehbar darzulegen, aus welchen Gründen bei gleicher Arbeit unterschiedlich entlohnt wird.

5.3.
Einkommensberichte

Die gem § 11a GlBG für Unternehmen mit mehr als 150 AN zu erstellenden Einkommensberichte sind kein taugliches Mittel der Rechtsdurchsetzung.

Durch Anonymisierung und strenge Verschwiegenheitsverpflichtungen, ebenso wie durch die bloße Darstellung des Anteils der Frauen und der Männer in den jeweiligen Verwendungsgruppen und der Durchschnitts- oder Median-Arbeitsentgelte von Frauen und Männern bezogen auf Verwendungsgruppen und – wenn verfügbar – Verwendungsgruppenjahre, können regelmäßig keinerlei Aussagen über Entlohnungsstrukturen innerhalb einer Abteilung bzw innerhalb vergleichbarer Tätigkeiten gezogen werden. Felten hat jüngst umfassend dargestellt, dass die derzeitige Regelung zu den Einkommensberichten nicht tauglich ist, um Entgelttransparenz und Gleichstellung von Männern und Frauen beim Entgelt zu bewirken.* Die Erfahrung in Gerichtsprozessen zeigt, dass ein abstrakter, bloß auf Verwendungsgruppen bezogener Einkommensbericht auch nicht tauglich ist, in einem konkreten Streit über eine diskriminierende Entlohnung als Beweismittel zu dienen.

Hinzu kommt, dass Unternehmen nach wie vor bei Einstufungen oft nicht richtig vorgehen: Häufig werden in Unternehmen, in denen eine Überzahlung der kollektivvertraglichen Mindestgehälter üblich ist, Einstufungen eher beliebig vorgenommen und versucht, bei der Einstufung eine Nähe zum Ist-Gehalt herzustellen, anstatt streng nach den Beschreibungen im KollV vorzugehen. Gehen AG bei der Einstufung selbst nicht systematisch vor, weil sie diese angesichts der Überzahlung nicht für besonders relevant halten, so ergeben sich beim Einkommensbericht völlig verzerrte Ergebnisse.

Explizit legt § 11a Abs 2 GlBG darauf wert, dass der Bericht in anonymisierter Form zu erstellen ist und keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen zulassen darf. Damit verliert er jede Aussagekraft in einem konkreten Rechtsstreit. Es mag zwar bei der Glaubhaftmachung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts eine gewisse Rolle spielen, wenn aus dem Einkommensbericht eine ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen in bestimmten Verwendungsgruppen hervorgeht, eine wirkliche Hilfestellung zur Durchsetzung von Ansprüchen ist das aber nicht.

Die umfassende Regelung von Verschwiegenheitspflichten und damit verbundene Verwaltungsstrafdrohungen sind überhaupt gänzlich unverständlich:

Warum soll man nicht öffentlich darüber berichten dürfen, wenn ein Unternehmen Frauen niedriger entlohnt als Männer? Diskriminierende Entlohnungen selbst stehen nicht unter Verwaltungsstrafandrohung – der Bericht über diskriminierende Entlohnungen aber schon? Bedenkt man, dass der Gesetzgeber sowohl aufgrund Art 7 Abs 2 B-VG als auch gem Art 157 AEUV (ex Art 141 EGV) verpflichtet ist, die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicherzustellen, so fehlt jede Begründung dafür, die Ergebnisse eines Einkommensberichtes nicht veröffentlichen zu dürfen.

Da die Einkommensberichte darüber hinaus nur Unternehmen mit mehr als 150 AN überhaupt betreffen (vgl § 63 Abs 6 GlBG), gelten die 397 Vorschriften für die Mehrzahl der österreichischen Unternehmen gar nicht.

Will man wirksam gegen den unerklärten Teil des Gender Pay Gap vorgehen, so muss vollständige Einkommenstransparenz innerhalb des Unternehmens gewährleistet werden. Das österreichische Dogma, dass es kaum etwas Geheimhaltungswürdigeres gibt, als die Gehaltshöhe, muss überwunden werden. Es gibt schließlich eine Vielzahl von Berufsgruppen, die sehr gut damit leben können, dass man ihr Einkommen aus dem Gesetz ablesen kann (insb BeamtInnen, RichterInnen, PolizistInnen, PolitikerInnen, etc), wieso soll dies für in der Privatwirtschaft Tätige anders sein?

5.4.
Die Mitwirkungsrechte des Betriebsrates bei der Herstellung von Entgeltgleichheit

Der OGH hat noch 2001 die Weitergabe von Gehaltsdaten durch einen BR an AN als Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses qualifiziert und die Entlassung des Betriebsratsmitgliedes als gerechtfertigt angesehen.* Der OGH verwies damals darauf, dass Grundsätze der Entlohnung, soweit es sich nicht um leistungsbezogene Entgelte handelt, nicht der Mitbestimmung des BR unterliegen würden. Der BR sei nicht im Rahmen einer zulässigen Intervention gem § 90 ArbVG oder in Ausübung der Beratung nach § 92 ArbVG tätig geworden. Im dortigen Fall war allerdings die Weitergabe der Gehaltsdaten auch nicht im Zusammenhang mit einer behaupteten Diskriminierung erfolgt. Der OGH sah insb die Tatsache als verpönt an, dass Gehaltsdaten ganzer Abteilungen und Bereiche weitergegeben worden waren. Interessant ist insb, dass der OGH nicht so sehr den Datenschutz der einzelnen AN im Blick hatte, sondern vielmehr besonders betonte, dass AG ein objektives Interesse daran hätten, dass kein Einblick in die Gehaltspolitik einzelner Betriebsbereiche ermöglicht werde, da ansonsten die geschäftliche Position des Unternehmens im wirtschaftlichen Wettbewerb beeinflusst werden könnte. Auch bestehe ein Geheimhaltungsinteresse innerhalb des Betriebes, um Unruhe und Unzufriedenheit der Belegschaft zu verhindern und die Arbeitsmotivation der AN nicht zu beeinträchtigen. Ein solches Geheimhaltungsinteresse kann aber nicht als berechtigt angesehen werden: AG haben kein Recht darauf, ungerechtfertigte, unsachliche und diskriminierende Entlohnungen vor der Belegschaft zu verschweigen. Das Gegenteil ist richtig: AG müssen ihre Entgeltpolitik offenlegen, damit ungerechtfertigte Differenzierungen von AN aufgegriffen werden können und insb die Diskriminierung von Frauen bekämpft werden kann.

In einer neueren E hat der OGH nunmehr 2015 anerkannt, dass der BR in Ausübung des Mandates Gehaltsdaten anderer AN an AN weitergeben darf, die eine Diskriminierung vermuteten.* Allerdings stand jedenfalls bei der E des OLG, die der OGH-E voranging, immer noch im Raum, dass es sich um einen Geheimnisverrat gehandelt hätte, dieser werde jedoch durch die Mandatsschutzklausel des § 120 Abs 1 letzter Satz ArbVG gerechtfertigt. Der BR hatte der die AN vertretenden Arbeiterkammer Listen mit AN-Daten übermittelt, damit die AN ihre Diskriminierung entsprechend belegen konnten. Klargestellt hat der OGH in diesem Zusammenhang, dass die Vertretung der Interessen der AN in Entgeltfragen „zum Kernbereich der Vertretungsaufgaben des Betriebsrates“ gehört. Der OGH vermeint, dass eine Überschreitung der Kompetenzen und Befugnisse des Betriebsratsmitgliedes objektiv vorliegen könne, jedoch wenn das Betriebsratsmitglied der Meinung sein konnte, dass es im Rahmen seines Mandates tätig wurde, dies entschuldbar sei. Kritikabel ist im vorliegenden Zusammenhang nur, dass von einer Überschreitung der Befugnisse ausgegangen wird. Eine solche ist schlicht nicht gegeben: Wenn der BR das Recht hat, die ordnungsgemäße Entlohnung der MitarbeiterInnen sicherzustellen und dafür zu intervenieren und die AN dabei zu unterstützen, dann ist nicht einsichtig, warum er nicht die Gehaltsunterlagen zur Verfolgung dieses berechtigten Interesses weitergeben können soll.

Mittlerweile hat der OGH klargestellt, dass der BR im Rahmen seiner Überwachungs- und Interventionsrechte auch das Recht hat, die richtige Anrechnung von Vordienstzeiten ebenso wie die Einhaltung der Gleichbehandlungsvorschriften zu prüfen. Leitet ein BR Unterlagen zur Verfolgung von Rechtsansprüchen in diesem Zusammenhang an Interessenvertretungen weiter, so ist dies aber nicht als entschuldbare Fehlleistung im Rahmen der Mandatsausübung zu sehen, sondern als Ausübung eines Rechtes.*

Eine wirkliche Fortentwicklung und Beschleunigung der Überwindung des Gender Pay Gap könnte erreicht werden, wenn man neben der Gewährleistung der Einkommenstransparenz auch einen Tatbestand für eine erzwingbare BV in § 97 ArbVG aufnehmen würde, der den BR berechtigt, eine BV über Maßnahmen zum Abbau geschlechtsspezifischer Gehaltsunterschiede zu erzwingen. § 97 Abs 1 Z 25 ArbVG ermöglicht bereits jetzt, allerdings nur im Rahmen einer freiwilligen BV, Maßnahmen der betrieblichen Frauenförderung und Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Betreuungspflichten und Beruf zu regeln. Bei einem weiten Verständnis dieser Bestimmung zu Frauenförderplänen wären im Rahmen einer freiwilligen BV wohl auch derzeit bereits Maßnahmen zum Abbau geschlechtsspezifischer Gehaltsunterschiede durch BV regelbar, jedoch nur, wenn der AG sich freiwillig dazu bereit erklärt. Wirklichen Druck auf solche Maßnahmen kann der BR allerdings nur ausüben, wenn eine BV erzwingbar ist. Mit einer solchen Maßnahme wäre der BR in die Lage versetzt, nachhaltig im Unternehmen für Gleichbehandlung zu sorgen. Der Einführung eines solchen erzwingbaren Betriebsvereinbarungstatbestandes kann nicht entgegengehalten werden, dass damit 398 in die Kompetenz der Kollektivvertragsparteien zur Lohnpolitik eingegriffen würde oder ein Paradigmenwechsel in der Aufgabenverteilung zwischen Kollektivvertragsparteien und Betriebspartnern eintreten würde: Die Gleichbehandlung von Mann und Frau innerhalb eines Betriebes kann nicht auf Kollektivvertragsebene wirksam durchgesetzt werden. Ein entsprechendes Mitwirkungsrecht des BR würde nichts an der grundlegenden Kompetenz der Kollektivvertragsparteien zur Entgeltregelung ändern.

5.5.
Vorgaben des Datenschutzrechtes

Im Gegensatz zur Einhaltung der Gleichbehandlung wird die Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen nunmehr aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben stark durch Androhung von Verwaltungsstrafen bei Verletzungen sanktioniert. Im Hinblick auf massive Strafandrohungen ist ein gewisser „Hype“ um das Datenschutzrecht entstanden und man kann sich teilweise des Eindruckes nicht erwehren, dass der Datenschutz zum höchsten Gut der Rechtsordnung geworden ist. Dies zeigt zum einen, dass Verwaltungsstrafdrohungen durchaus etwas in der Wahrnehmung eines Rechts bewirken, zum anderen ist festzustellen, dass die bloße Tatsache, dass die Einhaltung einer Vorschrift mit einer Verwaltungsstrafe bedroht ist, diese Vorschrift nicht zum höherrangigen Recht qualifiziert. Gerade im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Gleichbehandlungsansprüchen ist es unbedingt erforderlich, Daten wie Gehaltshöhen, aber auch Karriereverläufe vergleichbarer AN offenzulegen. Der Datenschutz steht dem entgegen anderslautenden Gerüchten nicht entgegen: So hat der OGH bereits klargelegt, dass der BR die gesetzliche Befugnis hat, auch ohne Zustimmung einzelner AN Einsicht in deren Gehaltsunterlagen zu nehmen.*

Besteht ein entsprechendes Mitwirkungsrecht, so kann die einzelne AN sich nicht auf ein Datenschutzrecht zu ihren Gunsten berufen. Das DSG 2000 wurde vom OGH nicht als Beschränkung der Befugnisse des BR interpretiert. An diesem Befund hat auch die DSG-VO nichts geändert. Die Weiterleitung von Daten zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung ist zulässig (vgl Art 6 Abs 1 lit c DSG-VO). Wie oben bereits dargelegt, gibt es kein berechtigtes Interesse der AG auf Geheimhaltung von Gehaltsdaten,* aber auch Rechte einzelner Vergleichspersonen auf Geheimhaltung ihrer Entgelt- oder Erwerbsverlaufsdaten können die Durchsetzung von Gleichbehandlungsansprüchen nicht behindern:

Der BR ist dazu berufen, AN bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche auf gleiches Entgelt zu unterstützen und diskriminierungsfreie Entlohnung im Betrieb zu überwachen und dafür zu intervenieren. Nach der Judikatur des OGH zum DSG 2000 zählen Gehaltsdaten zu den nicht sensiblen Daten, mit dem Inkrafttreten der DSG-VO sind sie als bloß „personenbezogene“ Daten anzusehen.*

Gem Art 6 Abs 1 lit f DSG-VO dürfen Daten auch ohne Einwilligung des Betroffenen verarbeitet werden, wenn dies zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.

Die Weitergabe von Gehaltsdaten durch den BR ist daher sowohl aufgrund der gesetzlichen Verpflichtungen nach Art 6 Abs 1 lit c DSG-VO gerechtfertigt, als auch gem Art 6 Abs 1 lit f DSG-VO zur Durchsetzung von Gleichbehandlungsansprüchen zulässig.*

Gleiches muss auch für AG gelten: Auch AG dürfen Gehaltsdaten von Vergleichspersonen im Rahmen von Verfahren wegen Entgeltdiskriminierung ebenso wie Erwerbsverläufe offenlegen, um nachzuweisen, dass sie nicht aufgrund des Geschlechtes diskriminiert haben. Auch sie haben ein berechtigtes Interesse an der Abwehr solcher Ansprüche und daher das gleiche Recht zur Offenlegung von Gehaltsdaten und Erwerbsverläufen.

5.6.
Offenlegung im Zivilprozess

Aufgrund einer strengen Judikatur des OGH, der etwa die Tatsache, dass im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens Patientendaten offengelegt wurden, als Grund für eine berechtigte fristlose Entlassung anerkannt hat,* wird immer öfter von ProzessanwältInnen in arbeitsgerichtlichen Verfahren der Ausschluss der Öffentlichkeit beantragt bzw mit entsprechenden nachteiligen rechtlichen Folgen gedroht, wenn der Ausschluss der Öffentlichkeit nicht rechtzeitig vom jeweiligen Kl beantragt wird. In diesem Zusammenhang muss massiv davor gewarnt werden, den Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens leichtfertig auf dem Altar des Datenschutzes zu opfern:

Verhandlungen in Zivilrechtssachen sind grundsätzlich volksöffentlich – dies ist verfassungsrechtlich sowohl durch Art 90 B-VG als auch durch Art 6 EMRK gewährleistet. Die Öffentlichkeit des Verfahrens ermöglicht die Aufrechterhaltung des Vertrauens in die Rsp und die Durchführung eines fairen Verfahrens. Dieses klare Bekenntnis zu einer öffentlichen Kontrolle und weg von einer „Geheimjustiz“ darf nicht leichtfertig geopfert werden. Die österreichische Zivilprozessordnung (ZPO) sieht den Ausschluss der Öffentlichkeit nur vor, wenn die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährdet erschiene oder wenn begründete Besorgnis besteht, dass die Öffentlichkeit der Verhandlung zum Zwecke der Störung der Verhandlung oder der Erschwerung der Sachverhaltsfeststellung missbraucht werden würde (vgl § 172 ZPO). Darüber hinaus kann über Antrag auch nur einer der Parteien die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, wenn Tatsachen des Familienlebens erörtert oder bewiesen werden 399 müssen. Ein Ausschluss der Öffentlichkeit bloß zum Schutz von Daten oder von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen ist in der österreichischen ZPO nicht vorgesehen.* Keinesfalls ist der Ausschluss der Öffentlichkeit angebracht, bloß weil es um Gehaltsdaten einzelner MitarbeiterInnen oder auch Vergleichspersonen im Rahmen eines Diskriminierungsprozesses geht. Die verfassungsrechtlichen Garantien eines fairen Verfahrens dürfen nicht auf diesem Weg ausgehebelt werden.

6.
Quotenregelungen und andere positive Maßnahmen

Wie die Statistiken zeigen, können auch noch so gute Gesetze, die eine Gleichbehandlung verpflichtend vorschreiben, nicht zur faktischen Gleichbehandlung führen, es ist vielmehr unabdingbar, aktiv positive Maßnahmen zu setzen, dazu gehören insb Quotenregelungen.

6.1.
Das Konzept der positiven Maßnahme im Unionsrecht

Neben § 8 GlBG, der positive Maßnahmen zur Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten explizit zulässt, wurde etwa auch in § 92b ArbVG vorgesehen, dass der Betriebsinhaber mit dem BR in regelmäßigen Abständen Maßnahmen der betrieblichen Frauenförderung bzw zur Vereinbarkeit von Betreuungspflichten und Beruf zu beraten hat. Darüber hinaus können Maßnahmen der betrieblichen Frauenförderung und zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Betreuungspflichten und Beruf in einer BV gem § 97 Abs 1 Z 25 ArbVG geregelt werden (freiwillige BV). Die Bestimmungen ergingen in Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben (vgl Art 2 Abs 4 RL 76/207/EWG).

Das Konzept der positiven Maßnahme im EU-Recht und die dazu erfolgte innerstaatliche Umsetzung greift jedoch nicht: Nur unter äußerst strengen Voraussetzungen dürfen Förderungsmaßnahmen für Frauen zulässigerweise ergriffen werden. Weiblichen Bewerbern darf kein absoluter Vorrang eingeräumt werden, jede Vorrangregel muss eine Öffnungsklausel enthalten, die männlichen Bewerbern, die die gleiche Qualifikation wie die weiblichen Bewerber besitzen, in jedem Einzelfall garantiert, dass die Bewerbung Gegenstand einer objektiven Beurteilung ist, bei der alle die Person der BewerberInnen betreffenden Kriterien berücksichtigt werden und der den weiblichen Bewerbern eingeräumte Vorrang entfällt, wenn eines oder mehrere dieser Kriterien zugunsten des männlichen Bewerbers überwiegen. Die Auswahl einer AN mit einer für die Stelle ausreichenden Qualifikation anstelle eines (etwas) besser qualifizierten männlichen Bewerbers steht dem EU-Recht entgegen (Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – Leistungsprinzip geht vor).*

Die Judikatur des EuGH zu Frauenförderungsmaßnahmen ist so restriktiv, dass Art 2 Abs 4 RL 76/207/ EWG letztlich wirkungslos bleibt. Der Wortlaut der Richtlinie würde dies nicht zwingend voraussetzen: Dort ist ein Erfordernis einer „Öffnungsklausel“ nicht erwähnt. Der Ausgleich von faktischen Benachteiligungen kann letztlich nur durch eine Bevorzugung erfolgen. Wenn jedoch im Einzelfall jede Maßnahme individuell abzuwägen ist, dann können begünstigende Vorschriften letztlich nicht wirksam umgesetzt werden. Auch wenn positive Maßnahmen dem Grunde nach eine Ungleichbehandlung von Männern und Frauen notwendig mit sich bringen, so muss berücksichtigt werden, dass dies erforderlich ist, um faktische strukturelle Benachteiligungen, die in der Wirklichkeit verfestigt sind, zu beseitigen oder zumindest teilweise auszugleichen. Positive Maßnahmen müssen ohnedies dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.* Dh sie müssen zur Erreichung des verfolgten Ziels angemessen und auch erforderlich sein. Diese Abwägungskriterien genügen völlig, um einer überbordenden Bevorzugung von Frauen Einhalt zu gebieten. Die vom EuGH geforderte „Öffnungsklausel“, die letztlich von männlichen Bewerbern immer wieder dazu benutzt werden kann, zu argumentieren, dass irgendein Kriterium bei ihnen besser erfüllt wäre, entwertet die Möglichkeit einer positiven Maßnahme massiv.* Eine positive Maßnahme kann nach der Judikatur des EuGH schon dann hinterfragt werden, wenn sie etwa zur Verfestigung bestehender Rollenverteilungen führt. So soll etwa die bevorzugte Zurverfügungstellung subventionierter Kindertagesstättenplätze an Beamtinnen nur zulässig sein, wenn auch gewährleistet ist, dass ein männlicher Alleinerzieher ebenfalls Vorrechte genießt.*

Schwierig wird es insb, wenn man bei der Bevorzugung von Frauen bei der Einstellung oder Beförderung jedes Mal nachweisen können soll, dass die Bevorzugung nicht zur Benachteiligung eines einzelnen männlichen Bewerbers geführt hat.

6.2.
Diskriminierung von Männern bei Beförderungen?

Den größten mir bekannten Schadenersatzbeitrag wegen Diskriminierung hat 2017 ein Mann erfolgreich durchgesetzt: Er erhielt mehr als € 300.000,– zugesprochen, weil nicht er, sondern eine Frau zur Sektionschefin im Verkehrsministerium bestellt wurde.* Der Mann hat sich erfolgreich gegen die Bestellung der Mitbewerberin gewehrt und für fünf Jahre Schadenersatz zugesprochen erhalten, weil nicht er, sondern die Mitbewerberin von 400 der Begutachtungskommission ausgewählt wurde. Dabei wurden formale Kriterien, wie die Dauer der bisher innegehabten Führungsfunktion und die Anzahl der geführten MitarbeiterInnen als Entscheidungskriterien in den Vordergrund gestellt. Geht man in dieser Weise formal vor, so haben strukturell Männer schon deshalb die besseren Karten, weil sie keine Erwerbsunterbrechungen durch die Kindererziehung oder sonstige Familienarbeit haben, weniger Teilzeit arbeiten, mehr Überstunden machen können, usw. Es ist nicht nachvollziehbar, dass ein AG grundsätzlich volle Auswahlfreiheit hat, welchen von verschiedenen geeigneten BewerberInnen er für eine Führungsfunktion bestellt, kaum bewirbt sich allerdings eine Frau, so muss er minutiös jedes einzelne Detail in die Waagschale werfen und plötzlich anhand von Formalkriterien denjenigen Bewerber zum Zug kommen lassen, der schon länger in einer Führungsfunktion ist oder mehr MitarbeiterInnen bisher geführt hat. Dies stellt keine sachliche Vorgangsweise dar und verunmöglicht strukturell die vermehrte Förderung von Frauen in Führungspositionen.

Auch bei geringerer Qualifikation müsste – anders als vom EuGH in der Rs Abrahamsson entschieden – eine Bevorzugung von Frauen bis zur Erreichung einer bestimmten Quote bei Führungspositionen zulässig sein, da AG auch sonst bei BewerberInnen des gleichen Geschlechtes nicht verpflichtet sind, den besten Kandidaten zu nehmen. Es darf kein höherer Maßstab angelegt werden, bloß weil sich auch eine Frau bewirbt. Dabei nützt es auch zu wenig, wenn der EuGH in der Rs Abrahamsson zumindest eine (fast) gleichwertige Qualifikation genügen lässt.*

Eine bessere Beteiligung von Frauen in technischen Berufen oder auch in Führungspositionen kann nur erreicht werden, wenn für einen bestimmten Zeitraum Bewerberinnen bevorzugt werden. Dies sollte auch rechtlich nicht problematisch sein, wenn klar auf der Hand liegt, dass Frauen strukturell ständig benachteiligt werden: Es reicht schon die Tatsache, dass sie Kinder bekommen könnten, um sie bei Einstellung und Beförderung hinten anzureihen.

6.3.
Erzwingbare positive Maßnahmen statt individuelle Rechtsverfolgung

Auch im vorliegenden Zusammenhang wäre es hilfreich, wenn eine erzwingbare BV geschaffen würde, mit der positive Maßnahmen in einzelnen Unternehmen durchsetzbar würden, um einen verbindlichen Rahmen zu schaffen und auf kollektiver Ebene Maßnahmen setzen zu können.

Es zeigt sich in der Praxis, dass proaktive, kollektive Gleichstellungsinstrumente zur Bekämpfung von systematischer und struktureller Diskriminierung geschaffen werden müssen, da das Abarbeiten anhand juristischer Einzelfälle nicht zu einer zeitnahen Gleichstellung der Frauen führt.

Beispiele für mögliche positive Maßnahmen wären etwa:

  • Anwerbungs- und Informationskampagnen für spezifische Positionen;

  • Durchleuchtung der Organisationsstrukturen auf Diskriminierungspotenziale;

  • Verbesserung der Arbeitszeitflexibilität/Ansetzen von betriebsinternen Besprechungen zu familienfreundlichen Zeiten;

  • Spezifische Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten;

  • Mentoring-Programme;

  • erzwingbare Einkommenstransparenz;

  • Einrichtung von Gleichbehandlungsbeauftragten;

  • Diversity-Trainings.*

Solche Maßnahmen können ein verstärktes Bewusstsein für strukturelle Benachteiligungen schaffen und Diskriminierungssachverhalte aufzeigen helfen sowie eine verbesserte Teilhabe von Frauen an Karrieremodellen ermöglichen. Solange aber bei Beförderungen von Frauen weiterhin anders als bei der Entscheidung zwischen Bewerbern des gleichen Geschlechts eine minutiöse Einzelfallprüfung erforderlich ist und schon geringfügige Vorzüge im Erwerbsverlauf eines Mannes dazu führen, dass der Mann bestellt werden muss, wird auf diesem Wege die strukturelle Benachteiligung von Frauen im Erwerbsleben nicht aus der Welt geschafft werden, ja nicht einmal nachhaltig zurückgedrängt werden können.

6.4.
Quotenregelungen in Österreich

Die mit 1.1.2018 in Kraft getretene Regelung des Gleichstellungsgesetzes von Frauen und Männern im Aufsichtsrat (BGBl I 2017/104BGBl I 2017/104) ist ein erster Schritt, mehr aber auch nicht: Die Regelung gilt nicht für Geschäftsführungsorgane bzw Vorstände und greift daher schon deshalb viel zu kurz. Weiters ist sie nur für börsennotierte Gesellschaften oder nicht börsennotierte Gesellschaften, die dauernd mehr als 1.000 MitarbeiterInnen haben, anwendbar. Darüber hinaus muss für die Gesellschaften das Kriterium erfüllt sein, dass mindestens 20 % der Gesamtbelegschaft weiblich sind und der Aufsichtsrat aus mindestens sechs KapitalvertreterInnen besteht. Ist auch nur eine der Voraussetzungen nicht gegeben, entfällt die Pflicht zur Erfüllung der Quote. Fachkundigen Schätzungen zufolge sind lediglich 70 bis 80 Gesellschaften von der Regelung betroffen.*

Auch bei der Entsendung der AN-Vertreter in den Aufsichtsrat ist seit 1.1.2018 die 30 %-ige Frauenquote zu beachten. Von der AN-Seite ist die Quote nur dann zu erfüllen, wenn mindestens drei ANVertreter in den Aufsichtsrat zu entsenden sind und das unterrepräsentierte Geschlecht in der Belegschaft zumindest 20 % stellt. Die Regelung ist daher gleichartig wie bei der Entsendung der Kapitalvertreter ausgestaltet.401

Will man rascher zu einer relevanten Beteiligung von Frauen in Führungsfunktionen, insb auch in Organen, kommen, so müsste wesentlich tiefgreifender zur Quote gegriffen werden:

So hat etwa Frankreich bereits 2011 ein Gesetz zur schrittweisen Einführung von Frauenquoten in den Führungsetagen von Unternehmen mit über 500 MitarbeiterInnen sowie in der öffentlichen Verwaltung in Kraft gesetzt. Drei Jahre nach Inkrafttreten musste der Frauenanteil mindestens 20 % betragen, weitere drei Jahre später mindestens 40 %. Darüber hinaus hat Frankreich bereits seit dem Jahr 2000 ein Gesetz über den gleichen Zugang von Frauen und Männern zu Wahlmandaten und auf Wahl beruhenden Ämtern. Das Gesetz gilt sowohl für Europawahlen, nationale Parlamentswahlen, Regionalwahlen als auch Kommunalwahlen, jedenfalls für Gemeinden ab 3.500 EinwohnerInnen. Auch die Parteien-Finanzierung wurde in Frankreich im Jahr 2000 maßgeblich geändert. Ein Teil der staatlichen Wahlkampfförderung wird nur mehr dann ausgezahlt, wenn eine gleichberechtigte Aufstellung von weiblichen und männlichen Kandidaten eingehalten wird.*

Da die faktische Gleichstellung von Mann und Frau im Erwerbsleben in weiter Ferne liegt und auch 40 Jahre Gleichbehandlungsgesetz und laufende Ergänzung und Detaillierung von Gleichbehandlungsvorschriften die faktische Gleichstellung von Mann und Frau nicht maßgeblich befördert haben, sind verpflichtende Quoten unbedingt zu begrüßen. Auch wenn GegnerInnen der Quote beklagen, man wisse nicht, woher man so viele „in Unternehmensführung praktisch erfahrene Frauen“ nehmen solle, um die Aufsichtsratsquote zu erfüllen, so ist dies einerseits ohnedies falsch und andererseits die Frage berechtigt, wieso die Geltung des Gleichbehandlungsgesetzes und entsprechender gesetzlicher Aufträge, bei Beförderung und Auswahl von Führungskräften nicht diskriminierend vorzugehen, in den letzten 40 Jahren nicht bewirkt haben, dass genügend Frauen zu Führungskräften befördert wurden.* Auf Ebene der EU gibt es eine Fülle von Bemühungen, weitere Aktivitäten zur Durchbrechung der gläsernen Decke zu setzen,* bisher aber ohne entsprechende verbindliche Verankerung. Quoten führen dazu, dass Unternehmen bisher ungenützte Potentiale von Frauen endlich erkennen und auch nutzen. Frauen werden dadurch auch für andere Positionen sichtbar.*

Auch wenn man der Quote entgegenhalten kann, dass sich damit bestimmte Gruppenmerkmale als Stigma erweisen, sodass eine „Frauenquote“ problematisch ist, weil sie Alltags-Stereotype bestätige und suggeriere, diese Gruppe brauche Förderung, weil sie es sonst nicht schaffen würde und Quoten Menschen auf ein bestimmtes Merkmal reduzieren und andere Aspekte von Individualität ignorieren, gibt es dennoch einfach keine wirksame Alternative dazu.*

6.5.
Faktische Präsenz von Frauen in Führungsfunktionen in Österreich

In den 200 umsatzstärksten Unternehmen Österreichs gibt es bei 616 Geschäftsführer-Positionen lediglich 52 Frauen (8,4 %). 155 der 200 Unternehmen haben keine einzige weibliche Geschäftsführerin, nur drei dieser Unternehmen werden ausschließlich von Frauen geführt, nur 13 Gesellschaften (6,5 %) haben ein ausgewogenes Verhältnis von Männern und Frauen in der Geschäftsführung, dies obwohl Frauen bei Hochschulabschlüssen bereits vorne liegen. Von 195 Vorstandspositionen in sämtlichen börsennotierten Unternehmen Österreichs sind nur zehn und damit 5,1 % mit Frauen besetzt.*

Auch dieser faktische Befund zeigt, dass es keine Alternative zur Einführung von flächendeckenden Quotenregelungen gibt – ein anschaulicherer Beweis dafür, dass 40 Jahre gesetzliche Bestimmungen zur zwingenden Gleichbehandlung der Geschlechter nicht gewirkt haben, ist kaum vorstellbar.

7.
Recht auf Rückkehr auf den bisherigen Arbeitsplatz nach Karenz

Ein wesentliches Hemmnis für einen gleichberechtigten Karriereverlauf sind regelmäßig Absenzen von Frauen nach der Geburt von Kindern. Besonders wichtig ist es daher, dass Frauen das Recht haben, nach der Karenz tatsächlich wieder auf ihren bisherigen Arbeitsplatz zurückzukehren.

In einer E aus 2014 bejahte der OGH das Recht auf Rückkehr in die Position vor der Karenz – es ging um eine Hoteldirektorin, die von der AG nach der Karenz nur mehr als „Director of Training“ mit gleichen Bezügen beschäftigt werden sollte, da in der Zwischenzeit zwei Hotels zusammengelegt worden waren und die ehemalige Stellvertreterin die Position der Direktorin übernommen hatte. Der OGH kam zum Ergebnis, die AG sei verpflichtet, die AN in der seinerzeit vertraglich vereinbarten Verwendung zu beschäftigen, auch dass der Aufgabenbereich in der Zwischenzeit vergrößert worden sei, ändere nichts daran, dass er weiter zur Verfügung stehe und nicht weggefallen sei.*

Diese begrüßenswerte Aussage wurde nunmehr stark relativiert in einer neuen E des OGH vom 27.2.2018:* Die Zuweisung einer mit der früheren Tätigkeit identen Beschäftigung sei nicht erforderlich. Am vertraglich vereinbarten Direktionsrecht des AG ändere sich nichts. Aus der bloßen 402 Tatsache einer längeren Verwendung eines/einer AN an einem bestimmten Arbeitsplatz könne für sich allein noch nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass sich der auf diese Weise als vereinbart anzusehende Aufgabenkreis der AN auf diese zuletzt ausgeübte Tätigkeit beschränkt habe. Der OGH hat in der zitierten E gutgeheißen, dass eine AN, die zunächst als Verkäuferin in einer Filiale tätig gewesen war und sodann drei Jahre lang im Büro für den Einkauf im Onlineshop zuständig war, nach der Karenz im Rahmen der Elternteilzeit wieder als Verkäuferin in eine Filiale zurückversetzt wurde. Mit dieser E hat der OGH den Rückzug angetreten: Es gibt bei Rückkehr aus der Karenz nun offenkundig keine von der sonstigen arbeitsrechtlichen Situation abweichende, besondere sachliche Bedingung für die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes, sondern kann das Versetzungsrecht im Rahmen einer eher weit definierten arbeitsvertraglichen Verwendung voll vom AG ausgeübt werden. Hatte es in der E aus dem Jahr 2014 noch so ausgesehen, als würde der OGH eine besondere sachliche Begründung verlangen, etwa in dem Sinn, dass die frühere Tätigkeit weggefallen sein müsste, um nach einer Karenzierung eine andere Tätigkeit zuzuweisen, so ist nunmehr Ernüchterung zu konstatieren: Aus der 2018 ergangenen E ergibt sich überhaupt keine besondere Begründungs- oder Fürsorgepflicht in der besonderen Situation der Rückkehr aus der Karenz.

Der EuGH hat allerdings in einer E vom 7.9.2017* eine strengere Sicht eingenommen: Die überarbeitete Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub, die im Anhang der RL 2010/18/EU wiedergegeben ist, ist demnach dahin auszulegen, dass ihr eine nationale Regelung entgegensteht, wonach die endgültige Beförderung in eine leitende Funktion im öffentlichen Dienst voraussetzt, dass der ausgewählte Bewerber zuvor eine zweijährige Probezeit im übertragenen Amt erfolgreich absolviert, und wonach die Probezeit, wenn sich ein solcher Bewerber während des überwiegenden Teils davon in Elternurlaub befand und weiterhin befindet, kraft Gesetzes und unter Ausschluss der Möglichkeit einer Verlängerung nach diesen zwei Jahren endet, sodass dem Bewerber bei der Rückkehr aus dem Elternurlaub wieder der (besoldungsrechtlich niedrigere) Status des davor ausgeübten Amtes übertragen wird. Die Verletzung dieser Vorschrift könne auch nicht mit der Zielsetzung der Probezeit gerechtfertigt werden, die darin bestehe, die Bewährung für das zu übertragende Amt mit leitender Funktion feststellen zu können. Der EuGH trug dem vorlegenden Gericht auf, erforderlichenfalls unter Außerachtlassung der im Ausgangsverfahren anwendbaren nationalen Regelung zu prüfen, ob es der betreffenden AG objektiv unmöglich war, der Betroffenen im Anschluss an ihren Elternurlaub die Rückkehr an ihren früheren Arbeitsplatz zu ermöglichen und wenn dies der Fall sei, darüber zu wachen, dass der Betroffenen ein gleichwertiger oder ähnlicher Arbeitsplatz zugewiesen wird, ohne ein neues Auswahlverfahren durchführen zu müssen. Das vorlegende Gericht habe darüber zu wachen, dass die Betroffene im Anschluss an ihren Elternurlaub an dem Arbeitsplatz, an den sie zurückkehrt, oder an einem neu zugewiesenen Arbeitsplatz die begonnene Probezeit entsprechend fortsetzen kann.

ME ist sohin bei unionsrechtskonformer Auslegung weiterhin das Recht nach einem Elternurlaub an den früheren Arbeitsplatz zurückzukehren oder, wenn das nicht möglich ist, eine entsprechend dem Arbeitsvertrag oder Beschäftigungsverhältnis gleichwertige oder ähnliche Arbeit zugewiesen zu bekommen, materiell dahingehend auszulegen, dass ein begonnener Karriereverlauf nahtlos fortgesetzt werden kann und die AG beweisen müsste, dass es geradezu unmöglich ist, der Karenzrückkehrerin die bisherige Position zu übertragen. Ein solcher Beweis dürfte nur in den seltensten Fällen gelingen. Selbst wenn er gelingen sollte, so kann die AG nicht einfach irgendeine im Rahmen des Arbeitsvertrages früher irgendwann einmal ausgeübte Position anbieten, sondern muss tatsächlich eine dem Karriereverlauf vor der Karenz entsprechende Position zur Verfügung stellen. § 5 Nr 2 Satz 1 der überarbeiteten Rahmenvereinbarung zum Elternurlaub stellt auch klar, dass aus dem Beschäftigungsverhältnis abgeleitete Rechte, die die AN zu Beginn des Elternurlaubs erworben hatte oder dabei war zu erwerben, nicht verloren gehen oder beschnitten werden dürfen. Also auch ein noch nicht rechtswirksamer, aber gerade bevorstehender Erwerb von Rechten ist geschützt. Der EuGH betonte dieses Recht im Übrigen im Anlassfall, obwohl die betreffende AN das Amt, das sie auf Probe verliehen erhalten hatte, krankheitsbedingt wegen der Schwangerschaft gar nie ausgeübt hatte, sie hatte lediglich bereits die höhere Bezahlung während des Krankenstandes erhalten. Auch das Recht, eine bestimmte Probezeit zur Erlangung einer unbefristeten Führungsposition eingeräumt zu bekommen, ist daher vom Unionsrecht geschützt.

8.
Schadenersatz und immaterieller Schadenersatz
8.1.
Kein immaterieller Schadenersatz bei Erfüllungsanspruch

Der OGH sieht aufgrund des Wortlautes des § 12 Abs 7 GlBG keine Möglichkeit, den ideellen Schadenersatz auch dann zu gewähren, wenn eine diskriminierte AN im Falle einer Beendigungsdiskriminierung den Fortbestand des Dienstverhältnisses wählt und daher mit Anfechtungsklage gegen eine diskriminierende Kündigung vorgeht. Es ist in keiner Weise einsichtig, dass eine AN, die sich etwa nach einer diskriminierenden Kündigung ins Dienstverhältnis zurückkämpft, keinen Anspruch auf Ersatz des ideellen Schadens haben soll. Gerade im Hinblick darauf, dass der OGH auch angedeutet hat, dass der Vermögensschaden im Fall einer diskriminierenden Beendigung möglicherweise ohne 403 zeitliche Begrenzung zusteht, ist die Sachlichkeit dieser Regelung in Frage zu stellen:

Besteht die AN auf die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses und ficht eine diskriminierende Beendigung an, so kann sie lediglich erzielen, dass sie weiter zu beschäftigen ist. Ficht sie die Kündigung nicht an und macht sie Vermögensschaden geltend, so kann sie unter Umständen über einen mehrjährigen Zeitraum Schadenersatz und zusätzlich auch ideellen Schadenersatz erhalten.* Damit hat der Gesetzgeber eine eindeutige Präferierung der Variante des Vermögensschadenersatzes getroffen und man muss AN empfehlen, Vermögensschaden und ideellen Schaden geltend zu machen, anstatt sich in ein Arbeitsverhältnis zurück zu klagen, in dem man schon einmal diskriminiert wurde.

8.2.
Kein immaterieller Schadenersatz bei berechtigtem Austritt

Eine weitere restriktive E des OGH zur Frage des immateriellen Schadenersatzes betrifft den Austritt nach sexueller Belästigung: Der OGH kam zur Auffassung, dass der eindeutige Wortlaut des § 12 Abs 7 GlBG keine Ausweitung des Anspruchs auf immateriellen Schadenersatz auf Fälle eines berechtigten Austrittes nach einer sexuellen Belästigung zulasse.* Wie Risak zutreffend kritisiert, wird mit dem immateriellen Schadenersatz nicht bloß die persönliche Beeinträchtigung durch die Diskriminierung ausgeglichen, sondern auch der Verlust des Arbeitsplatzes. Bei einem Austritt wegen sexueller Belästigung tritt dieser Verlust ebenso ein wie bei einer diskriminierenden Kündigung. Entgegen der Annahme des OGH ist daher von einer planwidrigen Lücke auszugehen und wäre der immaterielle Schadenersatz auch bei einem berechtigten Austritt wegen sexueller Belästigung zuzusprechen gewesen.* Interessant ist im vorliegenden Zusammenhang, dass der OGH etwa bei einem berechtigten Austritt, im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Gewährung einer Administrativpension nach dem KollV PR 61 bei Banken sehr wohl eine planwidrige Lücke angenommen und auch bei Austritt den Anspruch auf Administrativpension bejaht hat: Obwohl die kollektivvertragliche Bestimmung ausschließlich auf AG-Kündigung oder auf einvernehmliche Auflösungen mit einer spezifischen Zusicherung als Anspruchsvoraussetzung abstellte, sah der OGH eine planwidrige Lücke und selbst bei (vom DG nicht verschuldetem) gesundheitsbedingtem vorzeitigen berechtigten Austritt wurde der Anspruch auf Gewährung einer solchen Dauerleistung bejaht.* Der OGH argumentierte, dass den Kollektivvertragsparteien zu unterstellen sei, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und einen gerechten Ausgleich der sozialen Interessen herbeiführende Regelung treffen wollten und daher die Bestimmung, die nur die AG-Kündigung und eine spezifische einvernehmliche Auflösung genannt hat, so auszulegen sei, dass auch im Falle eines krankheitsbedingten vorzeitigen Austrittes der Anspruch zustehe. Eine in gleicher Weise sachgerechte Regelung unterstellt der OGH dem Gesetzgeber des Gleichbehandlungsgesetzes offenkundig nicht. Nach der hier vertretenen Auffassung ist aber auch dem Gesetzgeber zu unterstellen, dass er bei einem Austritt wegen sexueller Belästigung jedenfalls auch immateriellen Schadenersatz gewähren hätte wollen. Dies ergibt sich schon aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass bei einem berechtigten Austritt der Betreffende so zu stellen ist, als wäre er ordnungsgemäß von der AG gekündigt worden. Entscheidet sich die belästigte Person damit für den Vermögensschaden, so steht entgegen der Auffassung des OGH auch der immaterielle Schadenersatz jedenfalls zu.*

8.3.
Unlimitierter Vermögensschaden bei diskriminierender Beendigung?

Übt eine von einer Diskriminierung betroffene AN das Wahlrecht dahingehend aus, diese Beendigung nicht anzufechten, sondern Vermögensschaden und immateriellen Schadenersatz geltend zu machen, so stellt sich die Frage, ob dieser Vermögensschaden zeitlich unlimitiert zusteht oder aber, ob er zeitlich begrenzt ist. Der OGH hat im Falle einer diskriminierenden Auflösung eines Lehrverhältnisses innerhalb der Probezeit als Vermögensschaden den Verdienstentgang bis zur nächsten regulären Möglichkeit der Beendigung des Lehrverhältnisses zugesprochen, im konkreten Fall waren dies fünf Monatsentgelte.* In der E führt der OGH aus, dass die zeitliche Begrenzung der Ersatzpflicht mit dem nächsten regulären Kündigungstermin problematisch sei, weil es im Widerspruch zu Art 18 RL 2006/54/EG stehe, wenn eine diskriminierte AN im Falle einer fristgerechten, wenngleich diskriminierenden Kündigung oder bei Beendigung in der Probezeit diesfalls keinen Vermögensschadenersatz erhielte. Die naheliegende Handlungsalternative der AG sei in einer diskriminierungsfreien Weiterbeschäftigung zu sehen und nicht in einer Beendigung. Es sei zu hinterfragen, ob in einer bereits diskriminierungsbelasteten Fallkonstellation realistischerweise so bald mit einer diskriminierungsfreien AG-Kündigung gerechnet werden könne. Die Behauptung und der Beweis bliebe dem AG allerdings unbenommen. Auch verweist der OGH darauf, dass eine nur geringe Kündigungsentschädigung keine effektive Maßnahme iSd Art 18 der RL 2006/54/EG darstelle. Der OGH argumentiert also einerseits, dass die diskriminierte AN so gestellt werden müsse wie bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, andererseits könne die AG beweisen, dass sie das Arbeitsverhältnis ohnedies kurze Zeit nach der Diskriminierung aus anderen Gründen gelöst hätte. Die bisherige EuGH-Judikatur spricht 404 dafür, dass die Rechtsfolgen einer diskriminierenden Kündigung nach dem GlBG jedenfalls nicht schlechter geregelt werden können als die Rechtsfolgen einer rechtswidrigen Beendigung bei einem nach dem Mutterschutzgesetz bestandgeschützten Arbeitsverhältnis. Mayr geht daher davon aus, dass der Vermögensschaden jedenfalls auch die kündigungsgeschützten Zeiträume des § 10 Abs 1 MSchG oder § 15 Abs 4 MSchG umfassen müsse, um angemessen und effektiv zu sein.*

Die diskriminierende Beendigung des Arbeitsverhältnisses scheint sohin eine der wenigen Gelegenheiten zu sein, bei denen möglicherweise ein abschreckender Vermögensschadenersatz gewährt werden muss. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob der OGH trotz der Richtung, die er in der E zu 9 ObA 87/15g vom 27.8.2015 eingeschlagen hat, in der Zukunft die Beweisführung der AG verstärkt zulässt, dass ohnedies eine – diskriminierungsfreie – Kündigung ausgesprochen hätte werden können.

9.
Sexuelle Belästigung

Die Schadenersatzbeträge, die bei sexueller Belästigung zugesprochen werden, sind kein wirksamer und tatsächlicher Ausgleich für die Diskriminierung. Die Beträge bewegen sich zwischen € 500,-* und ein paar tausend Euro.* In bereits strafrechtlich relevanten Fällen kann vielleicht im Ausnahmefall im außergerichtlichen Wege einmal ein Betrag von € 20.000,– erkämpft werden. Die regelmäßig bei Gericht zugesprochenen Beträge sind keinesfalls abschreckend und können daher auch keine Präventionswirkung entfalten.

Den geringen zu erzielenden Schadenersatzbeträgen steht ein nicht unbeträchtliches Risiko entgegen, als Belästigte selbst Opfer einer Strafanzeige zu werden:

Häufig wird Frauen, die eine Belästigung behaupten, mit einer Anzeige wegen Nötigung oder Verleumdung gedroht und auch solche Anzeigen erhoben. In einem besonders krassen Fall wurden zwei Frauen aufgrund eines Aufforderungsschreibens der AK und der Geltendmachung von Ansprüchen nach einer behaupteten sexuellen Belästigung von der Staatsanwaltschaft Wien angeklagt und vom Landesgericht für Strafsachen Wien zunächst tatsächlich wegen des Vorwurfs der versuchten Erpressung und der behaupteten falschen Beweisaussage zu 15 Monaten (bedingter) Freiheitsstrafe verurteilt. Erst das OLG Wien hat diesem Schrecken ein Ende gesetzt, das Urteil aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Schließlich erfolgte ein Freispruch. Das OLG Wien zeigte klar auf, dass bei der Beweiswürdigung massive Mängel vorlagen, Küsse des AG sowie Textnachrichten, in denen er zugab, die AN zu begehren, wurden nicht als Belästigung gewertet. Auch hat das OLG Wien deutlich klargestellt, dass ein Aufforderungsschreiben der Arbeiterkammer, Schadenersatz wegen sexueller Belästigung zu leisten, keine Androhung des Ergreifens strafrechtlicher Schritte darstellt.*

Bedrückend sind solche Vorgänge vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass belästigte Frauen ohnedies schon in der Beweisführung beim Zivilgericht enorme Schwierigkeiten haben, insb weil das Phänomen der sexuellen Belästigung von manchen nicht ausreichend verstanden wird und auch bei Arbeitsgerichten wenig nachvollziehbare Beweiswürdigungen vorkommen, in denen etwa insb ein langes Zuwarten mit der Geltendmachung als unglaubwürdig gewertet wird, obwohl man weiß, dass Opfer von sexueller Belästigung stark traumatisiert sein können und oft erst Jahre nach der Tat darüber sprechen können. Weiters wird sexuelle Belästigung auch dahingehend missverstanden, dass dies mit Attraktivität zu tun habe und etwa Beweiswürdigungen vorkommen, die Belästigung werde nicht geglaubt, weil die Frau nicht attraktiv genug sei oder der Belästiger selbst ausreichend attraktiv sei, um es nicht notwendig zu haben, zu belästigen. Hier liegt ein grundlegendes Missverständnis vor: Sexuelle Belästigung ist ein Phänomen perverser Machtausübung und Demütigung und kein missglückter Flirtversuch, vielmehr werden Machtverhältnisse einseitig sexualisiert.

Eine wirksame Bekämpfung sexueller Belästigung kann nur erreicht werden, wenn deutlich höhere, existenziell bedrohliche Schadenersatzbeträge gefordert werden können und wenn in die Beweiswürdigung ein besseres Verständnis für das Phänomen der sexuellen Belästigung einfließt.

Um einen wirksamen Schadenersatz zu gewährleisten, wäre insb etwa daran zu denken, eine Art Tagsatzsystem einzuführen, bei dem einkommensabhängig und je nach der Schwere der Belästigungshandlung ein Mindestschadenersatz festzulegen wäre. Dabei wäre danach zu trachten, dass der Schadenersatz keinesfalls unter 30 Tagsätzen liegen kann und damit gewährleistet ist, dass jedwede Art der Belästigung zumindest ein Monatsgehalt kostet. Bedenkt man etwa, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Vorschriften zum Lohn- und Sozialdumping schon das Nichtbereithalten von Lohnunterlagen pro AN mit einer Geldstrafe von € 1.000,– bis € 10.000,–, im Wiederholungsfall von € 2.000,– bis € 20.000,– bestraft – dies selbst dann, wenn gar keine Unterentlohnung vorliegt und lediglich die Lohnunterlagen nicht korrekt bereitgehalten werden und damit die Kontrolle erschwert wird –, so erscheinen diese Rechtsfolgen, vergleicht man den Handlungsunwert, in keinem angemessenen Verhältnis zu stehen. Dabei darf nicht übersehen werden, dass das Fehlverhalten verwaltungsstrafrechtlich geahndet ist und die sexuelle Belästigung – sofern kein strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegt – nur zu zivilrechtlichen Schadenersatzansprüchen führt. Auch in der Wahl der unterschiedlichen Sanktionen zeigt sich eine Wertung des Gesetzgebers, die nicht nachvollziehbar ist.*405

10.
Formelle Gleichbehandlung genügt nicht

Der vorliegende Beitrag soll – ohne Anspruch auf Vollständigkeit* – anhand in der Praxis relevanter Themen zeigen, dass trotz formeller Gleichbehandlung und trotz entsprechender gesetzlicher Regelungen, die seit 40 Jahren eine Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Arbeitswelt zwingend vorschreiben, die österreichischen Frauen weit von diesem Ziel entfernt leben und arbeiten. Es genügt daher nicht, ein formelles Gleichheitskonzept zu verfolgen, wenn die tatsächlichen Verhältnisse nach wie vor massive Ungleichgewichte in den Lebensverhältnissen aufzeigen.

Chancengleichheit kann nicht nur mit Hilfe der Nichtdiskriminierung allein erreicht werden. Gesellschaftlich über Generationen hinweg gewachsene und in den Strukturen der Gesellschaft tief verankerte Benachteiligungen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen werden durch ein Verbot der Diskriminierung im Einzelfall nicht aufgebrochen. Durch das Nichtdiskriminieren, also eine „Unterlassung“, können bestehende Ungleichgewichte nicht ausreichend positiv verändert werden.*

Gleichstellungspolitik unter dem Dogma der Symmetrie, also dem Zugang, dass Menschen grundsätzlich gleichberechtigt sind und nur ausnahmsweise diskriminiert werden, dh also einmal werden die einen und einmal die anderen diskriminiert, ist völlig verfehlt. Diskriminierungen passieren gerade nicht symmetrisch allen beteiligten Gruppen und daher auch nicht symmetrisch Männern und Frauen. Mit Susanne Baer muss man es als eine „blinde, unhistorische Vorstellung“ qualifizieren, wenn man davon ausgeht, dass Geschlechtsdiskriminierung einmal Frauen und einmal Männer treffe – genauso wenig trifft Rassismus einmal Schwarze und einmal Weiße. Es geht um tradierte, verfestigte, in Strukturen manifeste Benachteiligungen, die nicht automatisch oder immer, aber im Regelfall die anderen treffen, also vorliegend: die Frauen. Frauen werden wie sonst nur Minderheiten diskriminiert und wehren sich dagegen nicht als Kollektiv. Frauen sind gegenüber Männern noch lange nicht „in einer vergleichbaren Lage“. Die Förderung der Gleichstellung muss daher bei allen Entscheidungen zwischen Bewerbern verschiedenen Geschlechts als maßgeblicher sachlicher Grund für eine Auswahlentscheidung anerkannt werden. Die symmetrische oder formale Vorstellung vom Gleichstellungsrecht geht demgegenüber davon aus, dass eigentlich alle die gleichen Chancen haben und nur ausnahmsweise benachteiligt werden bzw nur ausnahmsweise andere bevorzugt werden. Dies entspricht nicht den Realitäten und ignoriert den Kern von Diskriminierung, nämlich die ungleiche Verteilung von Chancen.406