Überlassene Arbeitskräfte beim Betriebsübergang
Überlassene Arbeitskräfte beim Betriebsübergang
Sachverhalt
Die S-AG erhält im Jahr 2008 als Generalunternehmer den Zuschlag für den Bau eines überregionalen Bahnhofes. Das Großprojekt beinhaltet ua das Graben eines 1.400 m langen Tunnels und das Verlegen von 18 km Bahngleisen. Der Tunnel soll von der S-Tiefbau-GmbH gegraben werden, einer Tochtergesellschaft der S-AG. Die S-Tiefbau-GmbH schließt selbst keine Arbeitsverträge ab. Innerhalb des S-Konzerns fungiert die S-Personalverwaltung-GmbH als zentraler AG. Die mit dem Tunnelbau beschäftigten AN haben einen Arbeitsvertrag mit der Personalverwaltung-GmbH geschlossen. Sie werden mit ihrer Zustimmung von der Personalverwaltung- GmbH auf Grundlage eines Dienstverschaffungsvertrages an die Tiefbau-GmbH überlassen. Da bereits mehrfach Jugendliche nachts in die Tunnelbaustelle eingedrungen sind, um dort Partys zu feiern, beschäftigt die S-Tiefbau-GmbH darüber hinaus seit 2015 auch eine geringe Anzahl von Sicherheitskräften, die den Baustellenbereich bewachen. Auch bei den Sicherheitskräften handelt es sich um überlassene AN; diese werden von der Humanpower GmbH gestellt.
Wegen erheblicher Bauverzögerungen wird der Bau des Tunnels im April 2019 an die P-AG übertragen. Die P-AG übernimmt von der S-Tiefbau-GmbH Baumaschinen, Sprengstoff und Baumaterial im Wert von € 800.000,–. Wichtige Mitarbeiter (Baustellenleiter, Sprengmeister, Brandschutzbeauftragter und mehrere Partieführer) werden ebenfalls übernommen.
Auch die Humanpower GmbH ist von einer Umstrukturierung betroffen. Da die Aufträge seit längerer Zeit zurückgehen, erscheint eine Fortführung des Unternehmens zunehmend unwahrscheinlich. Die Geschäftsführerin der GmbH gründet im Mai 2019 die T-KG. Neben der Geschäftsführerin wechseln drei Kundenbetreuerinnen mitsamt ihren Kunden, zwei Sekretärinnen und der Großteil der Leiharbeitskräfte von der Humanpower GmbH zur T-KG; materielle Betriebsmittel werden nicht übernommen. Bei der Humanpower GmbH verbleiben nur eine Sekretärin und vier Leih-AN. Kurze Zeit später wird über das Vermögen der Humanpower GmbH ein Insolvenzverfahren eröffnet.
Antonia (A) war als Statikerin von 2008 bis 2019 für die S-Tiefbau-GmbH tätig. Sie wurde von der P-AG 455 nicht übernommen und befürchtet nun, dass ihr Arbeitsverhältnis zur S-Personalverwaltung-GmbH gekündigt wird, weil es im S-Konzern derzeit keine Einsatzmöglichkeiten für sie gibt.
Bernhard (B) ist AN der Humanpower GmbH und seit 2017 als Sicherheitskraft für die S-Tiefbau- GmbH tätig. Ihm wurde von der T-KG kein Arbeitsvertrag angeboten, obwohl er gerne mit seinen bisherigen Kollegen zu der neu gegründeten Gesellschaft gewechselt wäre.
Wie ist die Rechtslage?
Lösung
Überlassene AN können grundsätzlich auf zwei Wegen von einem Betriebsübergang betroffen sein. Einerseits kann es im Betrieb des Beschäftigers, andererseits im Betrieb des Verleihers zu einem Inhaberwechsel kommen. Für beide Fälle ist zu klären, welche Konsequenzen sich aus dem Betriebsübergang für die Rechtsposition des Leih- AN ergeben. Besonderheiten ergeben sich dabei aus dem Umstand, dass überlassene Arbeitskräfte arbeitsvertraglich nur an den Verleiher gebunden sind. Ihre Leistungen erbringen sie jedoch im Betrieb des Beschäftigers, dem im Hinblick auf Weisungsrecht, AN-Schutz, Fürsorge- und Gleichbehandlungspflichten eine arbeitgeberähnliche Stellung zukommt.
Zunächst ist zu prüfen, ob es zwischen der Tiefbau- GmbH und der P-AG zu einem Betriebs(teil)übergang iSd Betriebsübergangs-RL* bzw iSv §§ 3 ff AVRAG gekommen ist. Der Begriff des Betriebsübergangs wurde in der Rsp des EuGH herausgearbeitet und in weiterer Folge in Art 1 Abs 1 lit a der RL definiert. Ein Betriebs(teil)übergang liegt demnach vor, wenn eine wirtschaftliche Einheit iSe organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Tätigkeit unter Wahrung ihrer Identität auf einen neuen Inhaber übergeht. Der Begriff der Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit wird typologisch gebildet und ist im Rahmen eines beweglichen Systems zu prüfen. Nach der stRsp des EuGH ist dabei vor allem auf folgende Kriterien abzustellen: (i) Identität oder Ähnlichkeit der verfolgten Tätigkeit; (ii) Übernahme von materiellen und/oder immateriellen Betriebsmitteln; (iii) Übernahme von Kunden; (iv) Übernahme von Mitarbeitern; (v) Dauer einer allfälligen Tätigkeitsunterbrechung. Ein Inhaberwechsel erfolgt stets, wenn die rechtliche und tatsächliche Verfügungsmacht über den Betrieb (= die wirtschaftliche Einheit) auf eine andere Person übergeht; insb eine Übertragung des Eigentums an den Betriebsmitteln ist nicht notwendig.*
Im vorliegenden Fall hat zwischen der S-Tiefbau-GmbH und der P-AG ein Betriebsübergang stattgefunden. Dafür spricht zunächst, dass die wirtschaftliche Tätigkeit, die beide Gesellschaften ausüben, ident ist. Im Rahmen des erwähnten beweglichen Systems wird im Baugewerbe darüber hinaus vor allem der Übernahme von materiellen Betriebsmitteln (Baumaschinen udgl) Relevanz zukommen. Die P-AG erwirbt von der S-Tiefbau-GmbH materielle Betriebsmittel im Wert von € 800.000,–, was sehr deutlich für einen Betriebsübergang spricht. Die Übernahme wichtiger Mitarbeiter und die Tätigkeit für denselben Kunden deuten ebenfalls in diese Richtung, sodass der Betriebsübergang im Ergebnis zweifellos bejaht werden kann.
Zentrale Rechtsfolge des Betriebsübergangs ist die Eintrittsautomatik nach § 3 Abs 1 AVRAG (Art 3 Abs 1 Betriebsübergangs-RL). Der Erwerber tritt ex lege in die Arbeitsverhältnisse des Veräußerers ein, die dem übergegangenen Betrieb oder Betriebsteil zuzuordnen sind.* Veräußerer ist im konkreten Fall die S-Tiefbau-GmbH. Diese ist jedoch nicht vertraglicher AG von A, sondern „nur“ Beschäftiger. Fraglich ist daher, inwieweit der Betriebsübergang zwischen S-Tiefbau-GmbH und P-AG rechtliche Folgen für den Arbeitsvertrag zwischen A und S-Personalverwaltung-GmbH und/oder das Rechtsverhältnis zwischen A und S-Tiefbau-GmbH hat. Nach traditionellem (österreichischen) Verständnis ist die Rechtsbeziehung zwischen überlassener Arbeitskraft und Beschäftiger nicht als „Arbeitsverhältnis“ zu qualifizieren. Daher könnte man jedenfalls prima facie annehmen, der Betriebsübergang entfalte für A keine Rechtswirkungen, weil ihr AG von diesem gar nicht betroffen und ihre Rechtsbeziehung zum Veräußerer kein Arbeitsverhältnis ist. Bedenkt man jedoch den im ErwGr 3 der RL angesprochenen Zweck des Betriebsübergangsrechts, die AN bei einem Inhaberwechsel zu schützen und ihre Ansprüche zu wahren, erscheint dieser Schluss etwas vorschnell. Für ein anderes Ergebnis sprechen mehrere Gründe. Wird das Betriebsübergangsrecht im Fall von A nicht angewendet, droht ihr eine betriebsbedingte Kündigung, weil bei 456 ihrem AG keine Beschäftigungsmöglichkeit besteht. Damit würde der Betriebsübergang für A zum Verlust ihres Arbeitsverhältnisses führen, obwohl die wirtschaftliche Einheit, in der sie tätig gewesen ist, weiter besteht. Dazu kommen noch zwei weitere Aspekte. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass es sich im Fall von A um eine konzerninterne Arbeitskräfteüberlassung handelt. Beschränkt man die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs stets nur auf die unmittelbar Beteiligten (Veräußerer und Erwerber des Betrieb[teil]s), so könnten Konzerne das Betriebsübergangsrecht leicht umgehen. Sie bräuchten sich dafür nur einer konzerninternen Personalführungsgesellschaft zu bedienen.* Zum anderen wurde A mehr als zehn Jahre lang von der S-Personalverwaltung-GmbH an die S-Tiefbau- GmbH überlassen.
Die Situation von A unterscheidet sich insgesamt deutlich von einem typischen Fall der (vorübergehenden) Arbeitskräfteüberlassung und ist ähnlich zu jener Konstellation, die der EuGH in der Rs Albron Catering zu beurteilen hatte.* Dabei entschied der EuGH, dass in einem Fall der dauerhaften, konzerninternen Arbeitskräfteüberlassung auch der Beschäftiger (in unserem Fall also die S-Tiefbau- GmbH) als Veräußerer iSd Betriebsübergangs-RL anzusehen ist, unabhängig davon, dass zu diesem gar keine arbeitsvertragliche Bindung besteht. Die Auswirkungen dieses Urteils sind nicht ganz klar.* Unklarheiten bestehen einerseits in Bezug auf die konkreten Rechtsfolgen, die der EuGH vor Augen hatte, und andererseits im Hinblick auf mögliche Anwendungsfälle dieser Judikaturlinie.
Die Rechtsfolge könnte darin bestehen, dass der Erwerber der wirtschaftlichen Einheit (in unserem Fall die P-AG) in die Beschäftigerposition des Veräußerers (S-Tiefbau-GmbH) eintritt. Somit käme es nur zu einem Übergang der Stellung des Beschäftigers und damit zu einer Vertragsübernahme mit Blick auf den Dienstverschaffungsvertrag.
Die Rechtsfolge könnte aber auch darin bestehen, dass sowohl der Verleiher (S-Personalverwaltung- GmbH) als auch der Beschäftiger (S-Tiefbau-GmbH) als Veräußerer iSd Betriebsübergangs-RL zu qualifizieren sind. Somit käme es zu einem Übergang des gesamten Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber und die zuvor aufgespaltenen AG-Funktionen werden in der Person des Erwerbers (P-AG) vereint. Im Schrifttum werden beide Deutungsvarianten vertreten, wobei die Schlussanträge und der Verfahrensgang (Leistungsklage gegen den Ewerber) wohl eher für die zweite Variante sprechen.
Zu potentiellen Anwendungsfällen der Albron-Judikatur ist insb fraglich, ob der Betriebsübergang im Beschäftigerbetrieb nur im Fall der ständigen und konzerninternen Leiharbeit zu einem Übergang der Arbeitsverhältnisse der überlassenen AN auf den Erwerber führt, oder ob auch eines dieser beiden Elemente allein (mit allfälligen Modifikationen) ausreicht. Der OGH hat in einer E vom März 2018 betont, dass dem Konzernverhältnis keine entscheidende Relevanz zukomme, maßgeblich sei vielmehr die Dauer der Überlassung. Im Fall einer zehnmonatigen Überlassung hat der Gerichtshof daher einen Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber des Beschäftigerbetriebes iSd Albron-Urteils abgelehnt.* Vor dem Hintergrund dieser OGH-E vertritt Schindler, dass bei dauerhafter Überlassung der Betriebsübergang im Beschäftigerbetrieb zu einem Übergang des gesamten Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber führe. Nach Schindler liegt eine dauerhafte Überlassung im Zweifel vor, wenn eine Zeitspanne von vier Jahren (vgl § 10 Abs 1a AÜG) überschritten wird.* Im Mai 2018 hat der OGH allerdings eine Revision, in der sich die Revisionswerberin auf die Rs Albron berufen hatte, mit dem knappen Hinweis zurückgewiesen, dass im zu entscheidenden Fall schon gar kein Konzernverhältnis bestanden habe.* Jüngst hat der Gerichtshof seine Ansicht zum potentiellen Anwendungsbereich der Albron-E weiter präzisiert: Es komme nicht nur auf die Dauer der Überlassung an (in concreto immerhin 5,5 Jahre), entscheidend sei etwa auch, ob der bisherige Inhaber des Beschäftigerbetriebes neben den überlassenen Arbeitskräften auch Stammpersonal beschäftigt habe. Das Urteil in der Rs Albron gelte demzufolge primär für den Fall, dass innerhalb eines Konzerns das gesamte Personal bei einer zentralen Personalführungsgesellschaft angestellt sei.* Nach dieser jüngsten E kommt es also neben dem Vorliegen eines Konzernverhältnisses und der langen Dauer der Überlassung auch darauf an, dass der Beschäftigerbetrieb über keine eigene Stammbelegschaft verfügt. Sollte sich dieses weitere Kriterium in der Judikatur verfestigen, dürfte sich die Albron-Judikatur nur in engen Grenzen auswirken. Die oben referierte Ansicht von Schindler wird vom OGH nunmehr ausdrücklich abgelehnt.*
Zusammenfassend lässt sich zu der Frage, wann ein Betriebsübergang beim Beschäftiger zu einem Übergang des gesamten Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber führt, Folgendes festhalten: Jedenfalls muss es sich um eine dauerhafte Überlassung handeln. Inwieweit auch andere Elemente aus 457 dem vom EuGH beurteilten Sachverhalt (Konzernverhältnis; keine Stammbelegschaft im Beschäftigerbetrieb) vorliegen müssen, kann nach dem derzeitigen Stand der Rsp noch nicht abschließend gesagt werden. Da in unserem Fall aber sämtliche der genannten Kriterien erfüllt sind – die S-Tiefbau-GmbH beschäftigt keine eigenen AN und die konzerninterne Überlassung erfolgte mehr als zehn Jahre lang –, steht als Zwischenergebnis fest: Nach dem Betriebsübergang von der S-Tiefbau-GmbH auf die P-AG besteht das Arbeitsverhältnis von A zur P-AG und nicht mehr zur S-Personalverwaltung- GmbH. Die AG-Funktionen, die vor dem Betriebsübergang auf die S-Personalverwaltung-GmbH und die S-Tiefbau-GmbH aufgeteilt waren, werden nunmehr sämtlich von der P-AG wahrgenommen.
Auch B ist im vom Inhaberwechsel betroffenen Betrieb als überlassene Arbeitskraft tätig. Bei ihm handelt es sich aber um einen typischen Leih- AN, der vorübergehend für verschiedene Beschäftiger arbeitet. Für den Fall der typischen Leiharbeit besteht in Judikatur und Schrifttum Einigkeit darüber, dass ein Betriebsübergang beim Beschäftiger den Arbeitsvertrag zum Verleiher unberührt lässt.* Zu erwägen ist aber, ob der Erwerber in die Rechtsposition des Veräußerers als Beschäftiger eintritt.* Dieses Ergebnis entspricht dem Schutzgedanken der Betriebsübergangs-RL. Eine vom Betriebsübergangsrecht nicht intendierte Besserstellung der AN ist damit nicht verbunden. Auch die jüngere Rsp des EuGH zum Betriebsübergangsrecht, in der der Gerichtshof neben dem AN-Schutz auch die Interessen des Erwerbers betont,* spricht wohl nicht gegen diese Auffassung, weil wirtschaftlich erforderliche Rationalisierungen durch den Erwerber nicht verhindert werden.
In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, welche Rechtsgrundlage für den Übergang der Rechtsverhältnisse des Veräußerers zur Leiharbeitskraft sowie zum Verleiher auf den Erwerber in Frage kommt. Für das Verhältnis zwischen Veräußerer und überlassenem AN bildet § 3 AVRAG zweifellos eine taugliche Rechtsgrundlage. Zwar wird das Rechtsverhältnis zwischen Beschäftiger und überlassenem AN nach Lehre und Rsp in Österreich nicht als „Arbeitsverhältnis“ qualifiziert. Das EuGH-Urteil in der Rs Albron, in dem der EuGH strikt zwischen Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis unterscheidet und den Beschäftiger als „nichtvertraglichen AG“ bezeichnet, hat aber bereits gezeigt, dass europarechtlich eine extensive Auslegung von § 3 AVRAG geboten sein kann. Hegt man dennoch Bedenken gegen eine direkte Anwendung von § 3 AVRAG, könnte man immer noch eine analoge Anwendung in Erwägung ziehen. Eine planwidrige Lücke liegt vor, weil der überlassenen Arbeitskraft, deren Überlassungsverhältnis nicht auf den Erwerber übergeht, bei fehlenden anderweitigen Einsatzmöglichkeiten die Kündigung durch den Verleiher droht.* Für den Schluss dieser Lücke bietet sich in erster Linie eine Anwendung der Eintrittsautomatik nach § 3 AVRAG an, bildet die Arbeitskräfteüberlassung doch ein von der Rechtsordnung anerkanntes wirtschaftliches Substitut für ein direktes Arbeitsverhältnis.
Im Hinblick auf den Dienstverschaffungsvertrag scheidet eine direkte Anwendung des § 3 AVRAG wohl aus, weil ein Vertragsverhältnis, an dem die Arbeit leistende Person nicht beteiligt ist, keinesfalls unter den Begriff „Arbeitsverhältnis“ subsumiert werden kann. Gegen eine analoge Anwendung sprechen aber auch hier keine durchschlagenden Argumente. Abseits des Betriebsübergangsrechts und sonstiger arbeitsrechtlicher Normen ist § 38 UGB zu bedenken. Diese Norm führt bei Fortführung des Unternehmens zu einem Eintritt des Erwerbers eines Unternehmens oder Unternehmensteils in die unternehmensbezogenen Geschäfte. Der Dienstverschaffungsvertrag zum Verleiher sowie die Überlassungsvereinbarung zum AN sind zweifellos als unternehmensbezogene Geschäfte anzusehen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass Verleiher bzw AN nach § 38 Abs 2 UGB dem Übergang ihres Vertragsverhältnisses widersprechen können. Für den Fall, dass der Verleiher dem Veräußerer mehr AN zur Verfügung stellt, als vom Betriebs(teil)übergang betroffen sind, müsste der Dienstverschaffungsvertrag aufgespalten werden. In diesem Zusammenhang kann hier nur auf ähnliche Überlegungen zum Pensionskassenvertrag verwiesen werden.*
Aus den vorstehenden Erwägungen folgt als Zwischenergebnis: Unter Abkehr vom bisher herrschenden Verständnis führt ein Betriebsübergang beim Beschäftiger bei typischer (vorübergehender) Arbeitskräfteüberlassung zu einem Eintritt des Erwerbers in die Rechtsposition des Veräußerers in Bezug auf Dienstverschaffungsvertrag und Überlassungsvereinbarung. Durch den Betriebsübergang von der S-Tiefbau-GmbH auf die P-AG kommt es zu einer gesetzlichen Vertragsübernahme. Die P-AG wird zum Beschäftiger von B.
Zu prüfen ist, ob es zwischen der Humanpower GmbH und der T-KG zu einem Betriebsübergang gekommen ist. Im Gegensatz zu der unter 2. erörterten Konstellation stellt sich hier die Frage nach einem Betriebsübergang beim Verleiher. Die wirtschaftliche Tätigkeit des Verleihers besteht darin, anderen Personen Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen. Die AN des Verleihers sind daher zum Großteil nicht im eigenen Betrieb, sondern bei den jeweiligen Kunden eingegliedert und deshalb in organisatorischer Hinsicht nur sehr lose an ihren vertraglichen AG gebunden. Folglich stellt sich die 458 Frage, wann im Fall eines Leiharbeitunternehmens von einer „wirtschaftlichen Einheit“ iSd Betriebsübergangs- RL gesprochen werden kann.
Wie das bewegliche System, in dessen Rahmen das Vorliegen eines Betriebsübergangs zu beurteilen ist, auf Leiharbeitunternehmen anzuwenden ist, hat der EuGH in der Rs Jouini ua erläutert.* Demnach kommt von den oben (2.1.) erwähnten Kriterien vor allem dem Übergang von Kunden und wesentlichen Teilen des Personals entscheidende Bedeutung zu. Eine wirtschaftliche Einheit liegt nach Ansicht des EuGH vor, wenn eine Gesamtheit von Leih-AN und Verwaltungspersonal zu einem neuen Inhaber wechsle, die bei diesem ohne die Inanspruchnahme anderer wichtiger Betriebsmittel oder anderer Unternehmensteile einsatzbereit sei. Der OGH hat vor dem Hintergrund dieser Rsp einen Betriebsübergang für den Fall bejaht, dass zwei „Arbeitspartien“ zu je fünf AN, zwei Kunden, ein Geschäftsführer und weiteres (nicht näher spezifiziertes) Verwaltungspersonal zu einem anderen Unternehmen wechseln.*
Legt man diese Judikatur auf den vorliegenden Fall um, so ist der Betriebsübergang zwischen Humanpower GmbH und T-KG zu bejahen. Der Großteil des Leiharbeits- und Verwaltungspersonal geht auf die T-KG über. Dies gilt auch für den Großteil der Kunden, sodass die T-KG die wirtschaftliche Tätigkeit der Humanpower GmbH in gleicher Weise und ohne Unterbrechung fortführen kann.
Damit stellt sich in weiterer Folge die Frage, ob der gesamte Betrieb der Humanpower GmbH oder nur ein Betriebsteil vom Übergang betroffen ist. Da es entscheidend auf die Übernahme von Personal ankommt, könnte man zu der Annahme gelangen, die Wirkungen des Betriebsübergangs beschränkten sich auf die vom Erwerber ohnehin übernommenen Arbeitskräfte. Dazu wird im Schrifttum die überzeugende Auffassung vertreten, dass danach zu differenzieren sei, ob beim Veräußerer (Humanpower GmbH) noch ein in wirtschaftlicher Hinsicht überlebensfähiger Rest verbleibe.* Kann der Veräußerer maW seine Tätigkeit auch mit den nach dem Betriebsübergang noch vorhandenen Betriebsmitteln weiter ausüben, handle es sich nur um einen Betriebsteilübergang.
Für unseren Fall bedeutet dies, dass der gesamte Betrieb der Humanpower GmbH auf die T-KG übergeht. Mit einer einzelnen Bürokraft und nur vier Leih-AN, also insb ohne Kunden und Kundenbetreuer, wäre die Humanpower GmbH nach dem Betriebsübergang nicht „überlebensfähig“. Folglich sind auch die Arbeitsverhältnisse der genannten Bürokraft und Leih-AN von der Eintrittsautomatik nach § 3 Abs 1 AVRAG erfasst. Das bedeutet im Ergebnis, dass der Arbeitsvertrag von B seit Mai 2019 zur T-KG besteht.