Die historische Entwicklung des Mutterschutzrechts bis zum MSchG 1957 und die mutterschutzrechtlichen Regelungen des Angestelltengesetzes im Kontext der aktuellen Bestrebungen zur Rechtsbereinigung

 JOHANNANADERHIRN (LINZ)
1.
Vorbemerkung

Das Regierungsprogramm 2017-2022 sieht eine „Deregulierung und Rechtsbereinigung“ vor. In den Materialien zum Zweiten Bundesrechtsbereinigungsgesetz (2. BRBG) ist ausgeführt, dass der Abbau überflüssig gewordener, veralteter Rechtsvorschriften die notwendige Grundlage für eine zielführende Bereinigung der Rechtsordnung ist.* Tatsächlich finden sich auch im Arbeitsrecht einige mittlerweile überflüssig gewordene gesetzliche Bestimmungen.* Wie von Geist und mir nachgewiesen wurde, ist zB die Mehrzahl der noch im AngG enthaltenen mutterschutzrechtlichen Regelungen gegenstandslos.* Mutterschutzrechtliche Regelungen enthält das AngG in § 8 Abs 4 bis 6 und § 9 Abs 2, gegenstandslos sind spätestens seit dem MSchG 1957 alle, ausgenommen § 8 Abs 4. Durch die Novelle BGBl I 2015/152BGBl I 2015/152 wurde nämlich § 8 Abs 4 AngG neu gefasst. Bei dieser Gelegenheit wurde auch der frühere 2. HS des ersten Satzes des § 8 Abs 4 AngG, welcher normierte, dass die Angestellte während der sechs Wochen nach der Niederkunft nicht beschäftigt werden durfte, mit der Begründung gestrichen, dass für weibliche Angestellte ohnehin das MSchG und daher auch dessen Bestimmungen über das Beschäftigungsverbot nach der Entbindung gelten.* Die Novellierung des § 8 Abs 4 AngG hätte eine Gelegenheit dazu geboten, auch die übrigen überflüssigen mutterschutzrechtlichen Normen des AngG zu streichen. Dies ist jedoch nicht erfolgt.*

Die erwähnten Umstände sollen zum Anlass dafür genommen werden, die historische Entwicklung des Mutterschutzrechts zu beleuchten, und zwar für die Zeit bis zum Inkrafttreten des MSchG 1957.* Im Mittelpunkt stehen dabei jene Regelungen in den einschlägigen Gesetzen, die mit den mutterschutzrechtlichen Regelungen des AngG korrespondierten. Dabei wird punktuell die Frage angesprochen, ob mutterschutzrechtlichen Regelungen des AngG möglicherweise schon vor dem MSchG 1957 derogiert worden ist.

2.
Die Entwicklung des österreichischen Mutterschutzrechts bis zum Inkrafttreten des AngG und die mutterschutzrechtlichen Regelungen des AngG

Bis Ende der 1870er-Jahre war die österreichische Arbeitsgesetzgebung weitgehend an den Bestimmungen des Norddeutschen Bundes bzw des Deutschen Reiches orientiert und hielt an den wirtschaftspolitischen Grundsätzen des Liberalismus, der uneingeschränkten Entwicklung der Industrie und der Gleichbehandlung der Geschlechter als Lohnarbeitskräfte fest. Zu einem Wandel und einer Ausrichtung an der schweizerischen Fabrikgesetzgebung kam es erst mit dem Wechsel von einer 460 liberalen zu einer konservativ-klerikalen Regierung im Jahre 1879, wobei die österreichische Politik primär auf den Schutz des Kleingewerbes und der Familie zielte.*

Die Ursprünge des Mutterschutzrechts in Österreich liegen im Gesetz vom 21.6.1884, RGBl Nr 115 über die Beschäftigung von jugendlichen Arbeitern und Frauenspersonen, dann über die tägliche Arbeitsdauer und die Sonntagsruhe beim Bergbau. Im Zuge des Gesetzes vom 8.3.1885, RGBl Nr 22, betreffend die Abänderung und Ergänzung der Gewerbeordnung wurde in § 94 letzter Satz GewO bestimmt, dass Wöchnerinnen erst nach Ablauf von vier Wochen nach ihrer Niederkunft zu regelmäßigen gewerblichen Beschäftigungen verwendet werden durften. Im Jahre 1888 wurde das Gesetz über die KV der Arbeiter erlassen. Dieses Gesetz galt für Arbeiter und Betriebsbeamte, wobei letzterer Begriff Teile der heutigen Angestellten erfasste.* In der Folge wurden dort bereits Ansprüche auf finanzielle Leistungen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft vorgesehen.* Der Umstand, dass es für bestimmte Arbeiterinnengruppen jedoch nach wie vor keinen Wöchnerinnenschutz gab, war für die sich zu Beginn der 1890er-Jahre konstituierende sozialdemokratische Arbeiterinnenbewegung Anlass, Forderungen nach einem Ausbau des Mutterschutzes aufzustellen. Die von den sozialdemokratischen Abgeordneten im Reichsrat eingebrachten Anträge auf Ausdehnung des Mutterschutzes fanden aber keine Mehrheit. Es gab nur bescheidene Verbesserungen.* Allerdings zwangen gegen Ende des Ersten Weltkrieges ua die nach 1914 rapide gesunkenen Geburtenraten und die Zunahme der Früh- und Fehlgeburten und der Säuglingssterblichkeit die Regierung zu Maßnahmen. Eine solche Maßnahme war etwa die am 3.12.1917 erlassene Gewerbeordnungsnovelle 1917, die für Wöchnerinnen eine sechswöchige Schutzfrist nach der Entbindung vorsah.* Nach der Gründung der Republik forderte 1919 die Konstituierende Nationalversammlung auf Antrag der christlich-sozialen Abgeordneten Hildegard Burian einen Ausbau des Mutter- und Säuglingsschutzes. Der Mutterschutz wurde erst spät behandelt, zu einer Zeit, in der sich die Republik bereits in einer wirtschaftlichen und budgetären Krise befand (1920-1927).*t

Das Allgemeine Handelsgesetzbuch (AHGB) und das Handlungsgehilfengesetz (RGBl 1910/20) enthielten keine Bestimmungen über den Mutterschutz. Mutterschutzrechtliche Regelungen für Angestellte wurden in der Folge im AngG 1921 geschaffen (BGBl 1921/292), wobei § 8 Abs 5 und 6 sowie § 9 Abs 2 bis heute unverändert im AngG enthalten sind. Geändert wurde – wie bereits erwähnt – lediglich § 8 Abs 4. Da im Folgenden immer wieder auf die Stammfassung des § 8 Abs 4 Bezug genommen wird, soll diese nachstehend im Wortlaut angeführt werden:

§ 8 Abs 4 AngG Stammfassung: „Weibliche Angestellte behalten den Anspruch auf das Entgelt während sechs Wochen nach ihrer Niederkunft; während dieser Zeit dürfen sie zur Arbeit nicht zugelassen werden. Erkranken sie, so gelten vom Zeitpunkte der Niederkunft die Bestimmungen des Abs 1.

3.
Die Entwicklung des Mutterschutzrechts in Deutschland bis zum Gesetz über die Beschäftigung vor und nach der Niederkunft 1927

Das deutsche Recht erlangte im Laufe der Zeit immer wieder Einfluss auf das österreichische Mutterschutzrecht. Aus diesem Grund soll auch auf die Entwicklung des deutschen Mutterschutzrechts eingegangen werden, zunächst von den Anfängen bis zum Gesetz über die Beschäftigung vor und nach der Niederkunft 1927.

Während in der Schweiz und in Österreich die ersten Forderungen nach Arbeitsschutzbestimmungen für Frauen vor allem von Ärzten und Arbeitern erhoben wurden, kam es in Deutschland auch zur Bildung einer Allianz aus Wissenschaftlern, die sich in dem 1872 gegründeten „Verein für Socialpolitik“ für die Einführung von Schutzbestimmungen für die in Fabriken beschäftigten Frauen und Minderjährigen einsetzten. In der Folge wurde 1878 eine Gewerbeordnungsnovelle verabschiedet, welche für Wöchnerinnen ein dreiwöchiges Beschäftigungsverbot nach der Niederkunft festlegte. Das Krankenversicherungsgesetz 1883 schuf für versicherte Wöchnerinnen für die Zeit des Beschäftigungsverbotes einen Anspruch auf Wochengeld in der Höhe von 50 % des Taglohns.* Initiativen zur Ausdehnung des Wöchnerinnenschutzes scheiterten zunächst am Widerstand Bismarcks, der staatliche Eingriffe in die freie Verfügung des Arbeiters über seine Arbeitskraft und die seiner Familienmitglieder ablehnte. Erst nach seiner Entlassung erweiterte die Gewerbeordnungsnovelle 1891 das Beschäftigungsverbot für Wöchnerinnen auf vier Wochen. Ein Schutz für schwangere Frauen wurde erstmals durch die Gewerbeordnungsnovelle 1908, die 1910 in Kraft trat, eingeführt. Wie nach dem eidgenössischen Fabrikgesetz 1877 durften ab 1910 auch in Deutschland Arbeiterinnen vor und nach ihrer Niederkunft insgesamt für acht Wochen nicht beschäftigt werden. Die Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit war an den Nachweis geknüpft, dass seit der Niederkunft mindestens sechs Wochen vergangen waren.*

Die Debatte um den gesetzlichen Mutterschutz und seine Finanzierung war in Deutschland seit der 461 Jahrhundertwende vor allem von den Frauenbewegungen getragen worden. Anders als in Österreich bildeten Mutterschutz und Mutterschaftsversicherung auch zentrale Forderungen der bürgerlichen Frauenbewegung. Trotz entsprechender Forderungen nach einem Ausbau des Mutterschutzes von Seiten der Gewerkschaften, der Frauenverbände und sozialreformerischer Kreise verbesserte sich dieser bis Mitte der 20er-Jahre kaum. Erst 1926 erfolgte eine Entschließung des Reichstages, die deutsche Gesetzeslage an das „Washingtoner Übereinkommen über die Beschäftigung von Frauen vor und nach ihrer Niederkunft“ anzupassen. Diese brachte dann auch die Verhandlungen in Gang. Obwohl die Industrie versuchte, den Gesetzentwurf zu Fall zu bringen, wurde das Mutterschutzgesetz 1927 beschlossen.*

4.
Die Entwicklung des Mutterschutzrechts in Österreich nach 1921 mit Blickwinkel auf die im AngG enthaltenen mutterschutzrechtlichen Regelungen

1926 wurde das Angestelltenversicherungsgesetz (AngVersG) erlassen. Nach diesem Gesetz waren ua jene Personen krankenversichert, deren Dienstverhältnis durch das AngG geregelt war. In § 13 AngVersG waren Ansprüche auf Wochenhilfe ua für einen Zeitraum von sechs Wochen nach der Niederkunft vorgesehen. Bezüglich des Verhältnisses dieser Geldansprüche zu jenen nach § 8 AngG wird § 8 Abs 7 AngG maßgeblich gewesen sein. Die Kollisionsregel des § 45 AngVersG war hier nicht einschlägig.*

Im autoritären Ständestaat (1933/34-1938) wurden die Mutterschutzregelungen nicht erweitert.*

In der Folge erlangte das reichsdeutsche Recht Einfluss auf das österreichische Mutterschutzrecht. In Art II des Gesetzes über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich (RGBl I 1938/21) war geregelt, dass das in Österreich geltende Recht bis auf Weiteres in Kraft blieb und die Einführung des Reichsrechts in Österreich dem Führer und Reichskanzler oder dem von ihm hierzu ermächtigten Reichsminister oblag. Aufgrund dessen erging die Dritte Verordnung zur Einführung von Arbeitszeitvorschriften in der Ostmark vom 23.1.1940, mit welcher mit Wirkung 1.2.1940 in der Ostmark das bereits erwähnte Gesetz über die Beschäftigung vor und nach der Niederkunft vom 16.7./29.10.1927 (RGBl I S 184, 325) in Geltung gesetzt wurde (im Folgenden: Gesetz aus 1927). § 2 der erwähnten VO enthielt die Regelung, dass landesrechtliche Vorschriften, die dem Gesetz aus 1927 entgegenstehen oder durch dieses überholt sind, außer Kraft treten. Sie sollten jedoch ihre Gültigkeit behalten, soweit sie für die weiblichen Beschäftigten eine günstigere Regelung des Mutterschutzes vorsahen. Kanler/Pigler führen aus, dass diese Außerkraftsetzung die in diesem Zeitpunkt bestehenden mutterschutzrechtlichen Regelungen ua des AngG betraf, soweit die dort enthaltenen Regelungen nicht günstiger waren.* Es handelte sich hier um eine besondere Derogationsvorschrift, wie sie etwa auch in Art VII Z 1 AngG vorgesehen ist.

Fraglich ist, wie die Wendung „eine günstigere Regelung des Mutterschutzes vorsahen“ genau zu verstehen war. Der Wortlaut spricht dafür, dass es auf den Inhalt der jeweiligen mutterschutzrechtlichen Norm ankam. Es waren die einzelnen mutterschutzrechtlichen Regelungen (hier konkret die des AngG) mit jenen des Gesetzes aus 1927 zu vergleichen.

§ 2 Abs 1 des Gesetzes aus 1927 regelte, dass Schwangere berechtigt waren, die ihnen aus dem Arbeitsvertrag obliegende Arbeitsleistung zu verweigern, wenn sie durch ärztliches Zeugnis nachwiesen, dass sie voraussichtlich binnen sechs Wochen niederkommen.

Wöchnerinnen durften während der sechs Wochen nach der Niederkunft nicht beschäftigt werden. Während weiterer sechs Wochen waren sie berechtigt, die ihnen aus dem Arbeitsvertrag obliegende Arbeitsleistung zu verweigern, wenn sie durch ein ärztliches Zeugnis nachwiesen, dass sie wegen einer Krankheit, die eine Folge ihrer Schwangerschaft oder Niederkunft ist, oder die dadurch eine wesentliche Verschlechterung erfahren hat, an der Arbeit verhindert sind (§ 2 Abs 2).

Der AG war zur Gewährung des Entgelts für die Zeit, in der Arbeit nicht geleistet wurde, nur verpflichtet, soweit dies ausdrücklich vereinbart war (§ 2 Abs 3), wobei sich die Bereitschaft der AG zu einer Entgeltleistung offenbar in Grenzen hielt.*

Hinzuweisen ist darauf, dass die Dienstnehmerinnen während des Beschäftigungsverbotes Anspruch auf Wochenhilfe nach der Reichsversicherungsordnung (RVO) hatten.* Durch die VO über die Einführung der SV im Lande Österreich vom 22.12.1938 wurde mit 1.1.1939 in Österreich ua die RVO in Geltung gesetzt (vgl aber auch § 2 dieser VO).

ZB wird bezüglich § 8 Abs 5 Satz 1 AngG davon auszugehen sein, dass diesem durch § 2 Abs 1 des Gesetzes aus 1927 iVm der VO aus 1940 derogiert wurde, da die Regelung des § 8 Abs 5 Satz 1 AngG dadurch überholt und auch nicht günstiger war. Zu den Stillpausen enthielt § 3 des Gesetzes aus 1927 eine Regelung, ein Beendigungsschutz wurde in § 4 normiert.

5.
Das reichsdeutsche Mutterschutzgesetz 1942 und die weitere Entwicklung

Seit Mitte der 1930er-Jahre wirkte die Deutsche Arbeitsfront auf den Ausbau des Mutterschutzes hin.462 Da man jedoch nicht den Widerstand der Industrie provozieren wollte, versuchte die Deutsche Arbeitsfront, auf einzelbetrieblicher Ebene Verbesserungen zu erreichen. Man setzte sich bei den Firmen dafür ein, zusätzliche, über das MSchG 1927 hinausgehende Maßnahmen in den Betriebsordnungen zu verankern. In der Folge gab es in vielen Betrieben entsprechende, von der Deutschen Arbeitsfront propagierte Richtlinien, die die meisten Regelungen des MSchG 1942 vorwegnahmen.* Ein typischer Machtkonflikt des NS-Regimes ist ein Grund dafür, dass es letztlich trotz der einzelbetrieblichen Regelungen zu einer gesetzlichen Fixierung des Mutterschutzes kam. Für das Reichsarbeitsministerium ging es darum, das von der Deutschen Arbeitsfront besetzte Terrain des Mutterschutzes zurückzuerobern. Infolge des erwarteten Anstiegs der Frauenarbeit in der Rüstungsindustrie hegte man die Befürchtung, dass sich wiederholen könnte, was im Ersten Weltkrieg der Fall war, nämlich dass der unvorbereitete, gesundheitsschädigende Einsatz von Frauen in der Rüstungsindustrie ua Fehlgeburten und Sterilität eintreten ließ. Diese Befürchtungen sollten durch eine gesetzliche Regelung des Mutterschutzes gebannt werden.* Man maß dem Gesetz auch große propagandistische Bedeutung zu, da angenommen wurde, dass die Frauen wegen des verbesserten Arbeitsschutzes eine positive Einstellung zur Rüstungsarbeit gewinnen würden.* Hatte man vorher versucht, Frauen aus dem Erwerbsleben zu drängen,* war es ab 1935 durch den Rüstungsboom zu einer Verknappung der Arbeitskräfte gekommen. Auf die Frauen wurde immer stärkerer Druck ausgeübt, in die Betriebe (zurück) zu gehen.* In den Diskussionen um den Mutterschutz zeigte sich, dass die Erwerbstätigkeit der Frau nur geduldet war, solange sie volkswirtschaftlich erforderlich schien. Ley als Führer der Deutschen Arbeitsfront trat etwa für einen Schutz aller (werdenden) Mütter ein, nicht nur der berufstätigen: „... es bleibe doch Hausfrau, Ehefrau und Mutter der wahre, hohe Beruf der Frau, auch wenn in der Gegenwart die Erwerbstätigkeit der Frau volkswirtschaftlich unentbehrlich sei“.* Diese Denkweise kommt auch in der Begründung des MSchG 1942 zum Ausdruck, wo ausgeführt ist, dass die Beschränkung dieses Gesetzes auf die erwerbstätige Mutter ua aus folgenden Gründen notwendig war: „Im Laufe des Krieges mussten in erheblichem Umfange Männer durch Frauen ersetzt werden. Die steigenden Anforderungen der Kriegswirtschaft haben zu immer größerer Beanspruchung der arbeitenden Frauen geführt. Der erwerbstätigen Mutter mussten daher noch während des Krieges weitgehende Erleichterungen verschafft werden. Das Gesetz stellt somit nicht den Abschluss, sondern den Anfang eines Mutterschutzes dar, der sich auf alle Mütter erstrecken und weiter ausgebaut werden soll. Ziel wird dabei sein, die während des Krieges ausgeweitete Berufstätigkeit der Ehefrau wieder einzuschränken und die Frauen, die jetzt ihre volle Arbeitskraft für die Sicherung der Freiheit des deutschen Volkes einsetzen, wieder ganz ihrer Familie zuzuführen“.* Die Geburtenzahl sollte möglichst hochgehalten werden.*

Am 17.5.1942* wurde das Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter erlassen (Mutterschutzgesetz), RGBl I 1942/53. Dieses Gesetz trat mit 1.7.1942 in Kraft und löste nach Ansicht des Reichsarbeitsministeriums „alle Probleme in großzügiger und vorbildlicher Weise“.* Am Beginn dieses Gesetzes ist ausgeführt, dass „die deutsche Frau ihre größte Leistung für die Volksgemeinschaft, die Geburt gesunder Kinder, nur vollbringen kann, wenn sie vor allen Schäden und Nachteilen vor und nach der Niederkunft behütet wird. Vordringlich ist ein besonderer Schutz für die im Erwerbsleben stehende Mutter, die trotz erschwerter Lebensbedingungen dem Vaterlande Kinder schenkt“. Dagegen stand in der 5. Ausgabe der Zeitschrift „Die Genossin“ von 1949 Folgendes,* das wohl der Wahrheit näher kam: „Das MSchG 1942 wurde natürlich damals nicht aus Sorge für die Frauen geschaffen, sondern um recht viele Kinder in die Welt zu setzen. Um den Bedarf an Kanonenfutter für spätere Zeiten nicht in Gefahr zu bringen, mussten Bestimmungen geschaffen werden, die angeblich die werdenden Mütter schützen sollten.“ In § 1 MSchG 1942 war unter der Rubrik „Geltungsbereich“ nur geregelt, dass dieses Gesetz für alle weiblichen Gefolgschaftsmitglieder, die in Betrieben und Verwaltungen jeder Art beschäftigt sind, gilt. § 1 Abs 1 enthielt die Ermächtigung des Reichsarbeitsministers, einzelne Vorschriften dieses Gesetzes auf andere Gruppen von Frauen auszudehnen. Ebenfalls am 17.5.1942 (RGBl I S 324) erging die entsprechende Ausführungsverordnung zum Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter. Gem Pkt 1 dieser VO galt der Vollschutz des MSchG 1942 (konkret die §§ 2 bis 10) nur für deutsche Staatsangehörige (ausgenommen Juden), deutsche Volkszugehörige und bestimmte andere Personengruppen. Für nicht in Pkt 1 genannte Frauen sah der 9. Abschnitt dieser VO nur einen äußerst eingeschränkten Schutz vor. In dieser unterschiedlichen Behandlung der seit 1940 immer zahlreicher zum Arbeitseinsatz nach Deutschland 463 deportierten Frauen, für die nur ein Mindestschutz galt und der ausgegrenzten deutschen Frauen aus ethnischen und kulturellen Minderheiten, für die keinerlei Schutzbestimmungen mehr galten, kommt nach Sachse zum Ausdruck, dass das MSchG 1942 eine spezifisch nationalsozialistische Rationalisierungsstrategie war.* Es kam zu einer rassenpolitischen Selektion der Frauen nach ethnischer, kultureller oder nationaler Zugehörigkeit.*Bajohr drückt dies dahingehend aus, dass die neuen Mutterschutzbestimmungen nur ein weiteres Glied in der Kette von Maßnahmen waren, durch die versucht wurde, eine Kluft zwischen „arischen Herrenmenschen“ und „minderwertigen Rassen“ zu schaffen, damit ein Solidaritätsgefühl nicht entstehen konnte.* Nach Pkt 36 der VO waren werdende Mütter, die nur den Mindestschutz „genossen“, zur Verweigerung der Arbeitsleistung berechtigt, wenn sie nachwiesen, dass sie voraussichtlich in den nächsten zwei Wochen niederkommen. Wöchnerinnen durften bis zum Ablauf von sechs Wochen nach ihrer Niederkunft nicht beschäftigt werden. Wer nun glaubt, dass man mit diesem Mindestschutz den davon betroffenen Frauen etwas Gutes tun wollte, geht fehl. In Pkt 34 der VO war zuallererst die Verpflichtung der Schwangeren verankert, dem Betriebsführer ihre Schwangerschaft und den mutmaßlichen Tag der Niederkunft mitzuteilen, sobald ihnen dies bekannt war. Der Betriebsführer hatte dem Arbeitsamt von der Schwangerschaft unverzüglich Anzeige zu erstatten. Das Ganze hatte den Zweck, schwangere Ausländerinnen in ihre Herkunftsländer abzuschieben, bevor ihr Zustand Arbeitseinbußen zur Folge hatte oder Kosten verursachte.* Später wurde allen schwangeren ausländischen Arbeiterinnen die Rückkehr verboten. Sie wurden einer rassischen Prüfung unterzogen, deren Ausgang über das weitere Schicksal von Müttern und Kindern entschied.*

Nunmehr sollen die Bestimmungen des MSchG 1942 dargestellt werden, die für jene Frauen galten, die dem Vollschutz unterlagen und die im Hinblick auf die mutterschutzrechtlichen Regelungen des AngG Bedeutung hatten.

Gem § 2 Abs 3 MSchG 1942 waren werdende Mütter auf ihr Verlangen in den letzten sechs Wochen vor der Niederkunft von jeder Arbeit zu befreien. Zu Mitteilungspflichten vgl § 8 leg cit. Gem § 3 Abs 1 MSchG 1942 durften Wöchnerinnen bis zum Ablauf von sechs Wochen nach der Niederkunft nicht beschäftigt werden. Für stillende Mütter verlängerte sich diese Frist auf acht Wochen, für stillende Mütter nach Frühgeburten auf zwölf Wochen.

In der gesetzlichen KV versicherte Frauen erhielten für die Zeit der Schutzfristen vor und nach der Geburt ein Wochengeld (§ 7 Abs 1 erster Satz MSchG 1942). Nach § 7 Abs 1 letzter Satz MSchG 1942 war Frauen, die nicht krankenversichert waren, während der Schutzfristen das regelmäßige Arbeitsentgelt weiterzuzahlen.

In § 5 MSchG 1942 war der Anspruch auf Stillzeit bereits ähnlich wie in § 9 MSchG 1957 bzw 1979 geregelt. Ausdrücklich wurde angeordnet, dass durch die Gewährung der Stillzeit kein Lohnausfall eintreten durfte.

Ein Beendigungsschutz war in § 6 MSchG 1942 enthalten. Frauen durften aus Anlass ihrer Schwangerschaft nicht gegen ihren Willen entlassen werden. Während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Niederkunft waren Kündigungen auch aus sonstigem Anlass unwirksam, wenn dem Betriebsführer zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft oder Niederkunft bekannt war oder unverzüglich mitgeteilt wurde. Dies galt nicht, wenn die Frau sich mit der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses einverstanden erklärte. Der Reichstreuhänder der Arbeit konnte Ausnahmen zulassen, wenn ein wichtiger Grund die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses erforderte.

Die Frage, ob und inwieweit das MSchG 1942 geeignet war, den mutterschutzrechtlichen Regelungen des AngG zu derogieren,* ist diffizil. Zu erwähnen ist der Umstand, dass in § 14 Abs 1 MSchG 1942 das Gesetz über die Beschäftigung vor und nach der Niederkunft aus dem Jahre 1927 sowie § 17 Abs 1 AZO* ausdrücklich außer Kraft gesetzt wurden. In Pkt 42 der VO war angeordnet, dass Vorschriften, die dem MSchG und dieser VO entgegenstehen, außer Kraft treten. In einem Kommentar zum MSchG 1942 von F. H. Schmidt*und M. Bauer,* welche beide im Reichsarbeitsministerium tätig waren, wird – wenngleich dies in Pkt 42 der VO so nicht zum Ausdruck kommt – ausgeführt, dass Vorschriften dann als entgegenstehend gelten, wenn sie den Schutz der Mütter nicht mindestens ebenso günstig wie das MSchG regeln. Angegeben wird weiters, dass die österreichischen Vorschriften über den Mutterschutz durch das MSchG 1942 im Allgemeinen ihre Gültigkeit verloren haben. Als überholt werden ausdrücklich genannt: § 8 Abs 5 Satz 1 AngG; § 8 Abs 4 Satz 1 2. HS AngG; § 8 Abs 6 AngG; § 9 Abs 2 AngG (hier wird zwar darauf hingewiesen, dass die österreichischen Vorschriften keine Ausnahmebestimmung enthalten; in dem Umstand, dass der Reichstreuhänder der Arbeit in Sonderfällen aus wichtigem Grund Ausnahmen nach § 6 MSchG zulassen kann, sei jedoch in Anbetracht der Erweiterung des Schutzes auf jede Kündigung während der Schwangerschaft und in den ersten vier Monaten nach der Niederkunft keine ungünstigere Regelung für erwerbstätige Frauen zu erblicken).464

Zum Verhältnis zu § 8 Abs 4 Satz 1 1. HS und Abs 4 Satz 2 AngG und Abs 5 Satz 2 AngG wird ausgeführt, dass nach dem MSchG alle Frauen ihr volles Arbeitseinkommen während der Schutzfristen behalten, also idR für zwölf oder vierzehn Wochen. Gehören sie der gesetzlichen KV an, werde ihnen das regelmäßige Arbeitsentgelt als Wochengeld von der Krankenkasse, sonst vom Unternehmer gezahlt. Soweit die Krankenkasse zur Zahlung verpflichtet ist, brauche der Unternehmer ein Entgelt nach dem AngG nicht zu gewähren, da die neuen reichsgesetzlichen Vorschriften gegenüber der früheren österreichischen Regelung den Vorrang hätten (vgl auch den Erlass des GBA [Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz] vom 14.12.1942, RABl 1942 Teil III 365 f). Nur in den seltenen Fällen, in denen ein weitergehender Gehaltsanspruch auf die Vorschriften des AngG gestützt werden könne, hätten diese Vorschriften noch praktische Bedeutung. Weitergehend sei der Anspruch nur, wenn er für eine Zeit außerhalb der gesetzlichen Schutzfristen geltend gemacht werden könne, zB bei längerer Erkrankung einer weiblichen Angestellten nach der Niederkunft.*

Unabhängig von den zitierten Ausführungen in diesem Kommentar stellt sich aus rechtlicher Sicht die Frage, ob der eingeschränkte Geltungsbereich des MSchG 1942 bedeutet, dass deshalb dieses Gesetz von vornherein nicht geeignet war, den mutterschutzrechtlichen Regelungen des AngG zu derogieren. ME ist dies zu verneinen.* Zu beachten ist, dass sich ganz klar der Wille des nationalsozialistischen Rechtssetzers zeigt, zwischen den diversen Gruppen von Frauen zu differenzieren und unterschiedliche Schutzstandards zu gewähren. Bei der Frage der Derogation ist auch der Wille des Gesetzgebers im Hinblick auf das spätere Gesetz zu beachten. Frauen, denen nur der Mindestschutz zukam, hatten nach dem MSchG 1942 keinen Anspruch auf entgeltmäßige Absicherung und keinen Kündigungs- und Entlassungsschutz. Da diese Differenzierungen – wie dargestellt – auf einer bewussten Entscheidung des nationalsozialistischen Rechtssetzers beruhten, ist keinesfalls anzunehmen, dass er jenen Gruppen von Frauen, die nicht unter den Vollschutz des MSchG 1942 fielen, sondern denen nur der Mindestschutz oder gar kein Schutz zukommen sollte, eine Berufung auf zB den Entgelt- oder Kündigungsschutz des AngG ermöglichen wollte. Wenn der OGH nunmehr ausführt, dass das Verhältnis des sozialversicherungsrechtlichen Anspruchs auf Wochengeld und des Entgeltfortzahlungsanspruchs nach § 8 Abs 4 AngG keinen Grund zur Annahme gibt, dass dieser Bestimmung auch in jenen Fällen derogiert wurde, in denen kein Anspruch auf Wochengeld besteht,* ist dies nachvollziehbar. Man wird nicht davon auszugehen haben, dass der Gesetzgeber dadurch, dass er für geringfügig Beschäftigte keinen Anspruch auf Wochengeld vorsieht, diese Personengruppe dann automatisch auch von finanziellen Ansprüchen im Zusammenhang mit Mutterschaft nach anderen Gesetzen ausschließen wollte. Dies gilt unter Zugrundelegung der heutigen Maßstäbe. Die Wertordnung im Jahre 1942 war aber – wie auch aus den obigen Ausführungen deutlich wird – eine andere als heute.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das MSchG 1942 und die Ausführungs-VO in der Folge aufgrund des Rechts-Überleitungsgesetzes (R-ÜG, StGBl 1945/6) in Österreich noch bis zum Inkrafttreten des MSchG 1957 galten. Allerdings war in § 1 Abs 1 R-ÜG angeordnet, dass ua einzelne Bestimmungen in Gesetzen und Verordnungen, die typisches Gedankengut des Nationalsozialismus enthielten, aufgehoben werden.* Zumindest die generelle Ausnahme der Jüdinnen aus dem Geltungsbereich des MSchG war damit als beseitigt anzusehen.*

Am 13.3.1957 wurde schließlich das MSchG erlassen.* In § 39 MSchG 1957 Stammfassung wurde insb die Außerkraftsetzung des MSchG 1942 und der entsprechenden Ausführungsverordnung angeordnet. Durch das MSchG 1957 sollte ausweislich der Materialien der Schutz der unselbständig beschäftigten Frauen vor und nach der Entbindung auf eine österreichische Rechtsgrundlage gestellt werden. Teile des geltenden Rechts wurden jedoch übernommen.*

6.
Ausblick

Aus dem Ausgeführten ergibt sich, dass zumindest einigen der mutterschutzrechtlichen Regelungen des AngG wohl schon weit vor 1957 derogiert wurde.* Versteht man unter „Rechtsbereinigung“ tatsächlich die Eliminierung überflüssig gewordener Normen aus dem Rechtsbestand, wird deutlich, dass es sich dabei um einen langwierigen und komplexen Prozess handelt, der eine genaue Überprüfung der einzelnen Normen nach wissenschaftlichen Kriterien erfordert. Zu hoffen wäre, dass das Projekt „Rechtsbereinigung“ in einem solchen Sinne fortgeführt wird.465