Weiss/Thurner (Hrsg)Johanna Dohnal und die Frauenpolitik der Zweiten Republik – Dokumente zu einer Pionierin des österreichischen Feminismus

Promedia Verlag, Wien 2019 240 Seiten, gebunden, € 22,–

BARBARATROST (LINZ)

„Ich bin keine Feministin, ich bin keine Feministin ... ich wollte nie eine Feministin sein!“ Dieses – mein eigenes – Lebensprinzip hat mir damals, Anfang der 1980er-Jahre, bei meiner ersten Begegnung anlässlich einer der ersten Frauenenqueten Johanna Dohnal sympathisch gemacht. Vor mir stand nämlich eine Frau, die, wie sie sich uns präsentierte, keine „Feministin“ war, sondern vielmehr eine Sozialdemokratin, die nichts weiter verlangte, als das Selbstverständlichste der Welt: Alle Menschen sind gleich – ob Mann, ob Frau, ob reich, ob arm, ungeachtet ihrer (insb auch sozialen) Herkunft – und es sollen ihnen daher auch allen die gleichen Rechte, Chancen und Möglichkeiten zukommen. Diese Selbstverständlichkeit, verbunden mit Unaufgeregtheit im Vorbringen, war es, die mich damals fasziniert hatte. Im ersten Abschnitt des vorliegenden Buches (Erika Thurner, „Johanna Dohnal – eine Frau, die was in Bewegung bringt!“ Biografisch- gesellschaftspolitische Prägungen und Karriereverlauf 12 ff) darf ich ua die Zeit bis dorthin noch einmal durchleben: Einen Teil meiner eigenen Geschichte; die Geschichte einer Frau aus bildungsfernem und alles andere als vermögendem Umfeld; die Erinnerungen an institutionelle geschlechtsbezogene Unterdrückung, Diskriminierung und gesellschaftlich nicht nur hingenommene, sondern weithin für gut befundene Sexismen der Sechziger- und Siebzigerjahre. In diesem Umfeld war die Prägung von Johanna Dohnal erfolgt.

Bereits im biografischen Teil (S 12-58) zeigt sich, was kommen musste. Noch deutlicher wird dies aber im Herzstück des Buches, dem zweiten Teil, in welchem Johanna Dohnal selbst mit dem Abdruck ihrer „Innsbrucker Vorlesungen“ zu Wort kommt. Was war geschehen? Johanna Dohnal war zur Feministin geworden! Zeile für Zeile und Seite für Seite – die ich übrigens mit Hingabe verschlungen und dabei die Welt um mich vergessen habe – wächst die Wut, und zwar in den handelnden Personen der damaligen Zeit und auch in der Leserin. Unverständnis und Wut sind es, welche die Frauen der ersten Stunden zu „Feministinnen“ gemacht haben, weil nämlich nicht zu verstehen ist, warum Selbstverständliches – etwa gleichen Lohn für gleiche Arbeit, gleiche Erziehung für Buben und Mädchen, Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen, und ähnliches mehr – zu verlangen, Wellen von Verachtung, Verhöhnung, ja sogar Hass nach sich ziehen. Die Medien reagierten auf die Einsetzung von vier Staatssekretärinnen, darunter eben auch Johanna Dohnal als Frauenstaatssekretärin, mit einem Shitstorm: „Kreiskys Xanthippe“ titelte zB das Magazin Profil (Profil 48/1979, 14 f), von der „Roten Riesin“ (mit Anspielung auf ihre Körpergröße) war die Rede (S 48). Karikaturen bekräftigten verbale Untergriffe gegenüber den Staatssekretärinnen, wie „Vier-Mäderl-Haus“, „Gehilfinnen“ oder „Damenquartett“ (S 64), und Kreiskys Regierungspläne wurden als „massierte ‚Harems‘-Pläne“ bezeichnet (S 95). Dass diese printmedialen Verunglimpfungen (weitere Nachweise S 94 f) aber durchaus im Volk Applaus fanden, machte die Situation nicht besser, sondern eher schlechter. Thurner zitiert hierzu (unter Berufung auf die Originalquellen aus 1979 Bruno Kreisky mit der traurigen Erkenntnis: „Bei der Todesstrafe und der Emanzipation der Frau darf man die Basis nicht fragen. Denn die Basis (...) ist primär reaktionär“ (S 46).

Je reaktionärer die Basis und die Politik umso vehementer fordern Frauen, ihnen voran über die Jahrzehnte Johanna Dohnal, das „Selbstverständliche“. Dass dazu auch das radikale Durchsetzen von Frauenquoten gehören sollte, hatte ich früher nie verstanden. Es beruhigt, in diesem Buch zu erfahren, dass auch Johanna Dohnal ganz genau so gedacht hatte: „Lange Zeit war ich selbst, so wie die gesamte sozialistische Frauenorganisation, Gegnerin einer Quotenregelung, auch aus sehr pragmatischen Gründen. Frauen, so haben wir argumentiert, seien ja gleichberechtigt oder müssten es sein. Es stehe ihnen daher die Hälfte aller politischen Funktionen und Mandate zu.“ (Innsbrucker Vorlesung vom 16.12.2006, 181). In derselben Vorlesung aber zitiert Dohnal aus einem Interview eine Politikerin, die wiederum einen ehemaligen SP-Innenminister aus den Siebzigerjahren zitiert, zur Huldigung anlässlich des Abschiedes einer hochqualifizierten Frau aus der Politik: „Wenn diese Frau ein Mann gewesen wäre, dann wäre sie Minister geworden.“ (S 180). Weil man heute weiß, dass sich in den vergangenen 40 Jahren (nicht nur) in dieser Hinsicht kaum etwas geändert hat – siehe dazu vor allem auch die beklemmenden wissenschaftlichen Ausführungen von Alexandra Weiss zur Entwicklung von damals bis heute (S 192 ff) – müssen wir nolens volens auch in der Quotenfrage dem Weg folgen, den Dohnal sodann mit den sie unterstützenden Frauenorganisationen Ende der 1980er-Jahre beschritten hatte, nämlich Frauenquoten zu fordern, um der „Totalquote der Männer“ Herr zu werden (Innsbrucker Vorlesung vom 16.12.2006, Zitat: Marianne Grabrucker, S 185).

Was nachdenklich macht, ist vor allem das Folgende: Johanna Dohnal blickt in ihren Innsbrucker Vorlesungen zuletzt etwa 2006 auf die frühe Zeit der Frauenbewegung zurück und konstatiert, dass trotz aller Bemühungen und Erfolge im Detail die Gleichberechtigung der Geschlechter noch in weiter Ferne liegt. Immerhin sind seither 13 Jahre vergangen und wir sehen heute im Rückblick, dass die Situation nicht besser, eher in sehr vielen Punkten noch schlechter geworden ist (vgl insb auch Weiss, S 192 ff [224 ff]). Das „Unwort Quotenfrau“ (S 188) wird nach wie vor 467 diffamierend verwendet (vgl etwa den Aufruf von Sieglinde Gahleitner anlässlich des Vortrages „40 Jahre Gleichbehandlungsgesetz – Europäische Impulse bei der Gleichbehandlung der Geschlechter“, 54. Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsrecht und Sozialrecht, 11.4.2019, sich von der Abqualifizierung durch das Wort „Quotenfrau“ nicht abschrecken zu lassen). Johanna Dohnal brachte seinerzeit die Qualifikationsdebatte im Nationalrat wie folgt auf den Punkt: „Ihr fordert also nur die Bestqualifizierten in die Parlamente. Wenn ich mich da im Saal umblicke, müsste also mindestens ein Drittel sofort verschwinden.“ (S 189). Übrigens hat 13 Jahre später Gahleitner zum Ende der Diskussion „so viele dumme Frauen in Positionen“ gefordert „als jetzt schon dumme Männer dort sind“ – wie es scheint, gibt es also auch noch viele Jahre nach Johanna Dohnal einiges zu tun!

Als ich dieses Buch aus dem Kuvert nahm, waren einige junge Menschen um mich versammelt. Sie fragten mich unisono: „Wer ist Johanna Dohnal?“ Da wusste ich bereits: Dieses Buch ist wichtig! Nachdem ich es gelesen habe, weiß ich noch mehr: Es ist spannend, beeindruckend, faszinierend, lehrreich ...

Leute – vor allem Männer (!) – lest dieses Buch!