KindAuslBG – Ausländerbeschäftigungsgesetz – Kommentar

Verlag Österreich, Wien 2018 895 Seiten, gebunden, € 199,–

KLAUSFIRLEI (SALZBURG)

Die angesehene, bewährte und beliebte Kommentarreihe des Verlags Österreich ist nunmehr um eine 471 umfassende Aufarbeitung des AuslBG bereichert worden. Der Autor, Martin Kind, hat sich ua auch durch (Mit-)Kommentierungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) und des Staatsbürgerschaftsgesetzes (StbG) einen Namen gemacht hat. Die souveräne Beherrschung dieser beiden mit dem AuslBG eng vernetzten Materien kommt der Bearbeitung des AuslG selbstverständlich sehr zugute.

Ganz zu Recht beklagt der Autor im Vorwort die Komplexität des Gesetzes. Damit bestätigt er, dass das AuslBG einen fragmentarischen und von kurzatmigen Initiativen geprägten Charakter aufweist. Der rechtstechnische Charakter des AuslBG macht jede Kommentierung und jede systematische Analyse zu einer herausfordernden, ja letztlich sehr undankbaren Aufgabe. Dieser Kommentar, um es vorweg zu sagen, durchdringt die Materie erstmals in einer ordnenden und systematisierenden Weise und ist daher in gewisser Weise ein Meilenstein in der Wüste des Rechts der Arbeitsmigration.

Die Kommentierung folgt einem klug angelegten Schema, das in der Folge durchgängig eingehalten wird: Dem Gesetzestext folgen jeweils die einschlägigen Erläuternden Bemerkungen. Dabei wird etwas besser deutlich, was sich durch die bloße Lektüre des Gesetzestextes leider nicht immer erschließt, welche rechtpolitischen Absichten hinter den Regelungen stehen. Da nicht wenige Generalklauseln teleologisch korrekt mit Leben zu füllen sind, wird die Beschäftigung mit diesen Motiven geradezu zur Pflicht.

Anschließend finden wir einen kurzen Überblick über die jeweiligen Norminhalte, der für eine kompakte und für den Praktiker nützliche Erstinformation sorgt. Es folgt der solide und ausführliche Kommentar, der systematisch nach Themen gegliedert ist. Die Rsp ist in die Kommentierung eingearbeitet, ein ganz entscheidender Vorzug dieses Werkes. Soweit vorhanden wird auch Literatur in der Kommentierung berücksichtigt. Im Anhang sind die wichtigsten Verordnungen zum AuslBG unkommentiert abgedruckt. Auf den Abdruck weiterer Gesetze und von unionsrechtlichen Regelungen verzichtet der Kommentar.

Ein besonderer Vorteil dieser Kommentierung ist die quasi nahtlose Einarbeitung etwa des NAG mit seinen Aufenthaltstiteln. Ohne die fremdenrechtlichen Vernetzungen hängt das AuslBG (vgl nur § 4 Abs 1 Z 1 AuslBG) ja gleichsam in der Luft. Trotz der formalen Eigenständigkeit des AuslBG bietet das Buch eine konzentrierte Darstellung des Rechts der Arbeitsmigration – unabhängig von den jeweiligen sedes materiae. Vergleichsweise unterbelichtet bleibt das Asylrecht (vor allem mit dem hoch sensiblen Thema der Beschäftigung von Asylwerbern, wobei hier endlich die überfälligen Klarstellungen für die politische Ebene und für die Verwaltungspraxis erfolgen sollten). Auch der Stellung der Familienangehörigen hätte man einen zusammenfassenden Abschnitt – in Form eines Exkurses zu § 4 AuslBG – widmen können. Wie auch in anderen Werken zum AuslBG werden die arbeitsvertraglichen Fragestellungen (Ansprüche des illegal beschäftigten AN, Fragen des Kündigungsschutzes) nur sehr knapp und ohne Bezugnahme auf die hier bestehenden Auslegungsprobleme behandelt.

Eigene Meinungen setzt der Verfasser sehr sparsam ein. Die Treue zum zumeist kaum auslegungsbedürftigen Gesetzestext und die Darstellung von Vorgaben der Rsp dominieren. Dennoch finden sich an maßgeblichen Stellen kritische Anmerkungen, die den Rezensenten durchwegs überzeugt haben. Bei Bedarf wird auch die Judikatur knapp aber konsistent kritisiert.

Zum Inhalt seien einige mir persönlich interessant erscheinende Einzelfragen herausgegriffen:

§ 12a Z 1 AuslBG fordert für die Erteilung einer Rot-Weiß-Rot Karte eine „einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung“. Kind kritisiert, dass die Behörde nur schablonisiert und formalisiert die Gleichwertigkeit bzw Vergleichbarkeit zwischen inländischen und ausländischen Arbeitskräften prüft. Der Grundsatz der materiellen Wahrheit werde dadurch beeinträchtigt, was der Verfasser an Hand von einzelnen Fällen plausibel nachweist.

Bemerkenswert ist auch die Darstellung der Problematik, dass bei den für die Erlangung einer Rot- Weiß-Rot Karte erforderlichen Punkten ältere Personen massiv benachteiligt werden. Kind sieht in diesem Zusammenhang zwar durchaus einen gewissen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Frage der Zulassung von älteren Arbeitskräften, wobei etwa auch öffentliche Interessen hinsichtlich möglicher Belastungen des Sozialsystems Berücksichtigung finden können. Allerdings wurde vom VfGH die konkrete Ausgestaltung des Punktesystems als inkohärent und als unsachliche Differenzierung älterer (insb über 40-jähriger) Arbeitskräfte angesehen.

Kind hält idS auch die altersbezogenen Bepunktungen gem § 12b (Zulassung von Schlüsselkräften) entgegen der Meinung des BVwG für verfassungsrechtlich bedenklich. Ihm ist zuzustimmen, dass etwaige Befürchtungen in Bezug auf Altersarbeitslosigkeit keine ausreichende Rechtfertigung dafür bieten.

§ 12b sieht besonders hohe Bonuspunkte für SportlerInnen vor. Nach den EB sollen ProfisportlerInnen und ProfisporttrainerInnen für Österreich angeblich besonders wichtig sein. Solche wunderlichen Begründungen sind charakteristisch für die oft willkürlich (wohl unter dem Einfluss diverser LobbyistInnen) getroffenen Regelungen und Ausnahmen im AuslBG. Schade, dass solche Ungereimtheiten vom Verfasser nicht noch häufiger aufgegriffen wurden.

Generell sind die Verordnungen zum AuslBG zT ein Spielplatz für inkonsistente und rechtsstaatlich problematische Regelungen. Als Beispiel kann hier die Rolle der „Stellenandrangsziffer“ dienen (§ 13 Abs 1 AuslBG). Der Verfasser kritisiert das Verfahren, das nicht den rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen soll. Die Rechtmäßigkeit der Verordnung könne nicht in einem ordentlichen Verfahren überprüft werden, obwohl diese Zahl entscheidend für die Aufnahme in die Mangelberufsliste ist. Die Stellenandrangsziffer sei nicht ausreichend determiniert.

Gute und überzeugende dogmatische Arbeit leistet der Verfasser auch zur Frage der Auflagen (Bedingungen), die durch § 8 aufgeworfen ist. Er macht auf die Divergenz aufmerksam, die zwischen § 4 Abs 1 Z 2 und § 8 Abs 1 AuslBG besteht. Unklar ist ja, was eigentlich durch § 8 Abs 3 AuslBG an Auflagen gedeckt ist; Gleiches gilt übrigens für die Voraussetzung, dass die Beschäftigungsbewilligung wichtigen öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen nicht entgegenstehen darf. Dazu wäre auch näher zu berücksichtigen, welche dieser Interessen nicht schon durch die aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen abgedeckt sind. Die Kommentierung bleibt hier etwas hinter meinen Erwartungen zurück. Nähere 472 Erläuterungen wären auch für eine andere Kernfrage wünschenswert gewesen. Sie verbirgt sich hinter der gesetzlichen Formulierung, dass bei der Arbeitsmarktprüfung nach § 4b Abs 1 AuslBG das im Antrag auf Beschäftigungsbewilligung angegebene Anforderungsprofil, das in den betrieblichen Notwendigkeiten eine Deckung finden muss, zu Grunde zu legen ist. Hier bestehen zum einen Möglichkeiten einer Umgehung, andererseits wird mE nicht ausreichend berücksichtigt, dass im Zuge der Entwicklung der Arbeitsanforderungen in einer Wissensund Dienstleistungsökonomie dem subjektiven Faktor (und nicht generalisierbaren Anforderungsprofilen) eine immer größere Bedeutung zukommt.

Abschließend ein paar Worte dazu, was aus meiner Sicht zu vermissen ist: Eine nähere Behandlung arbeitsvertraglicher Fragen einschließlich des Kündigungsschutzes und seiner Kompatibilität mit sozialen Kriterien und des „Vorrangs“ der Inländerbeschäftigung (plus EU), eine wenn auch knappe Behandlung der Beschäftigungsmöglichkeiten von Asylwerbern, eine zusammenfassende Behandlung der Rechtsfolgen des Wegfalls des Aufenthaltstitels und eine zusammenfassende Darstellung der Stellung von Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen am Arbeitsmarkt, auch unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit von Frauen. Hinter dem Text des Paragraphen wäre eine Anführung der Literatur (vor der umfassenden Wiedergabe der Materialien) sinnvoll (also nicht nur ein Gesamtliteraturverzeichnis).

Zusammenfassend lässt sich sagen: Es liegt ein gediegener, äußerst kompetenter, praxisorientierter, auch hohen wissenschaftlichen Ansprüchen genügender Kommentar vor. Das Buch ist eine solide Basis für den Umgang mit Fragen der Arbeitsmigration und übt an wichtigen Regelungen und immer wieder auch an der Judikatur berechtigte Kritik. Die reflektierte Aufarbeitung (und nicht nur Wiedergabe) von Literatur und Rsp ist ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal dieses Kommentars. Wer immer beruflich mit dem AuslBG zu tun hat, kommt an diesem Werk nicht vorbei.