DäublerDigitalisierung und Arbeitsrecht – Internet, Arbeit 4.0 und Crowdwork
6. Auflage, Bund-Verlag 2018, Frankfurt am Main 2018 621 Seiten, kartoniert, € 29,90
DäublerDigitalisierung und Arbeitsrecht – Internet, Arbeit 4.0 und Crowdwork
Die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Arbeitsrecht sind spürbar. Mit dem Einsatz neuer Technologien am Arbeitsplatz sind viele neue Rechtsfragen verbunden – und die Entwicklungen gehen weiter. In zunehmendem Maße werden Roboter eingesetzt, sie sollen zB bei der Bewältigung des Pflegenotstandes eine „Hilfe“ sein, Datenbrillen (anstatt „Bildschirmbrillen“) sollen die Arbeit erleichtern. Personalabteilungen wollen die Daten auswerten, die sie von ihren MitarbeiterInnen und BewerberInnen gesammelt haben und am Horizont erscheint das „Internet of Things“, in dem sich autonome Systeme selbst steuern – von „Arbeiten 4.0“ ist die Rede.
Bereits das „Weißbuch Arbeiten 4.0“ sowie der Vorgänger „Grünbuch Arbeiten 4.0“ des deutschen BM für Arbeit und Soziales haben sich mit Problemen in diesem Zusammenhang auseinandergesetzt. Daneben hat sich auch Rüdiger Krause im Rahmen des 71. Deutschen Juristentags (2016) unter der Überschrift „Digitalisierung der Arbeitswelt – Herausforderungen und Regelungsbedarf“ mit ausgewählten Themenfeldern beschäftigt und sich in diesem Kontext in ähnlich detaillierter Weise mit ausgewählten Rechtsfragen befasst. Das vorliegende Buch ist allerdings – soweit ersichtlich – das wohl umfangreichste, das man in der deutschsprachigen Literatur in Zusammenschau mit „Arbeitsrecht 4.0“ finden kann. Zum vergleichsweise günstigen Preis von € 29,90 legt Wolfgang Däubler, Professor für Deutsches und Europäisches Arbeitsrecht, Bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht an der Universität Bremen, in bereits sechster Auflage mit „Digitalisierung und Arbeitsrecht – Internet, Arbeit 4.0 und Crowdwork“ ein 621 Seiten (inklusive aller Verzeichnisse) umfassendes Werk vor. Der Autor stellt dabei den Anspruch an sich, Aspekte des „neuen Arbeitens“ näher zu beleuchten und damit verbundene neue Rechtsprobleme zu identifizieren. 476
Was den Aufbau des Werks betrifft, so ist dieses in 19 (§§ 1-19) Kapitel gegliedert. Konkret folgen die Kapitel nach einer kurzen Einführung einem in sich logischen Aufbau, der/die LeserIn kann sich somit einen raschen Überblick über die behandelten Fragestellungen verschaffen. Einleitend (§ 1) werden die „Veränderungen durch Digitalisierung“, also insb Treiber und Trends in der digitalisierten Arbeitswelt sowie Chancen und Risiken dieser Veränderungen beschrieben. Dazu gibt der Autor eine Einschätzung dieser Entwicklungen ab und beschreibt die aus seiner Sicht anstehenden Probleme für das derzeitige Arbeitsrecht. Ferner thematisiert Däubler den Einsatz des Internets und digitale Geräte als Arbeitsmittel (§ 2) und unterzieht das Konzept „Bring your own Device“ (§ 3) einer nur kurzen Analyse, bevor er sich näher den Themen „Arbeitsrechtliche Probleme sozialer Netzwerke“ (§ 4) und dem Themenbereich „Entgrenzte Arbeit – Arbeitszeitrecht als Flexibilisierungsgrenze“ (§ 5) widmet.
In diesem Kapitel 5 bringt Däubler einige höchst lesenswerte Vorschläge zur Verbesserung des Status quo (S 164), vor allem wenn es um die Beurteilung der arbeitsbezogenen erweiterten Erreichbarkeit (zB durch das Smartphone) in der Freizeit geht.
Die Beantwortung eines dienstlichen Anrufs, ebenso wie eine unmittelbare Antwort auf eine dienstliche E-Mail stellen nach Ansicht des Autors „Arbeiten“ dar, die die Ruhezeit unterbrechen und nach deren Erledigung automatisch eine neue „Elf-Stunden-Ruhezeit“ beginnen müsse (S 151).
Däubler kritisiert dabei zugleich die in der Literatur vertretene Ansicht, dass dies dann nicht der Fall sein sollte, wenn es sich nur um eine „geringfügige Unterbrechung der Freizeit“ oder eine „nicht nennenswerte Arbeitsleistung“ handle.
Völlig zutreffend betont der Autor dabei jedoch, dass es für diese Ansicht keine gesetzliche Grundlage gibt. Insb sieht auch das österreichische Recht hier keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass nur jene Arbeitseinsätze ausgeschlossen sein sollten, die die Erholung spürbar beeinträchtigen, oder der/die AN notwendige Folgehandlungen (wie etwa das Schreiben einer längeren E-Mail) setzen muss.
Däubler ist insofern darin zuzustimmen, dass es Sache des Gesetzgebers ist, hier Regelungen zu treffen und eine Ausnahme hinsichtlich der „Ruhezeitproblematik“ vorzusehen, die gleichzeitig auch die Grenzen einer Geringfügigkeit bestimmen müsste. Im Wege der Auslegung ist dies auch mE auch in Österreich – wohl abgesehen von jenen außergewöhnlichen Fällen des § 20 AZG – nicht möglich.
Im nächsten Kapitel widmet sich der Autor sodann dem „Arbeitsschutz“ (§ 6) und geht daran anknüpfend – nicht zuletzt aufgrund der thematischen Verwobenheit des Themas mit der Datenschutz-Grundverordnung – sehr ausführlich auf ausgewählte Fragestellungen von „Arbeitnehmerdaten im Internet“ (§ 7) und dem „Kontrollpotential des Arbeitgebers und seine Begrenzung durch den Arbeitnehmerdatenschutz“ (§ 8) ein.
Nach dem Teil „Personalpolitik mithilfe von Big Data“ (§ 9) zeigt Däubler in dem Kapitel „Neue Arbeit, neue Rechtsprobleme“ (§ 10) anhand einer Aneinanderreihung von Beispielen weitere „neue Problemfelder“ (Wearables, Robotik etc), ohne sich jedoch tiefergehend damit auseinanderzusetzen. Ein in der Praxis höchst relevantes Thema ist auch die „Unerlaubte Privatnutzung dienstlicher Geräte“ (§ 11). Doch nicht nur für den/die einzelne/n AN, auch für die Gewerkschaften (§ 13, Gewerkschaften im Netz) und Betriebsräte (§ 14, BR, Personalrat und europäischer BR in digitalisierter Umwelt) ist die Umstellung auf neue Medien von grundlegender Bedeutung. Höchst lesenswert erachte ich auch das Kapitel „Homeoffice und mobile Arbeit“, wo Däubler versucht (§ 15), eine Abgrenzung dieser beiden Arbeitsformen vorzunehmen.
Nach diesem Themenblock geht Däubler ferner auf „außerbetriebliche Entgrenzungstendenzen“ wie etwa das „Internet-Arbeitsverhältnis“ (§ 16) näher ein und legt – wie der Titel des Werks bereits verrät – auch einen Schwerpunkt seiner Untersuchungen auf neue internetbasierte Arbeitsformen – die Plattformökonomie (§ 17) und Crowdwork (§ 19) – und unternimmt den Versuch, rechtliche Schutzmechanismen dafür zu entwickeln.
Bevor im Anhang mehrere Formulierungsvorschläge für eine „Musterbetriebsvereinbarung Digitalisierung“ gemacht werden und der/die RechtsanwenderIn Tipps für die Umsetzung in der Praxis (zB mögliche Inhalte einer BV oder die Behandlung von E-Mails) erhält, geht der Autor im letzten Kapitel (§ 19) nur kurz auf ausgewählte Fragen der IT-Sicherheit ein, wo er beispielsweise die Frage der arbeitsrechtlichen Stellung des IT-Sicherheitsbeauftragten in Abgrenzung zum Datenschutzbeauftragten erörtert.
Formal ist das Werk übersichtlich gestaltet und klar gegliedert. Struktur, Layout, Inhalts-, Abkürzungs- und Literaturverzeichnis sowie Stichwortverzeichnis des Werkes lassen keine Wünsche offen. Wichtige Stellen im Fließtext sind durch Fettdruck hervorgehoben, sodass ein schnelles Auffinden und eine gute Lesbarkeit gewährleistet sind. Wie man es von Däubler gewohnt ist, so ist auch dieses Werk sprachlich außerordentlich gut gelungen, sodass das Lesen wirklich zum Vergnügen wird. Die zahlreichen Beispiele aus Wirtschaft und Gesellschaft machen die Zusammenhänge klar und regen den/die LeserIn durchwegs auch zur Reflexion des eigenen „digitalen Verhaltens“ an.
Sowohl WissenschaftlerInnen als auch AG, Datenschutzbeauftragte, Betriebsräte oder „PersonalerInnen“ sowie alle Interessierten finden im vorliegenden Werk wertvolle Hinweise und Anregungen. Insb finden PraktikerInnen und Betriebsräte im Anhang 1 Anregungen für Muster-Betriebsvereinbarungen sowie im Anhang 2 zahlreiche Internetadressen, die, obgleich das Werk sich ausschließlich auf die deutsche Rechtslage bezieht, auch für österreichische PraktikerInnen höchst lesenswert sind.
Es fällt somit insgesamt äußert leicht, eine uneingeschränkte Kaufempfehlung auch für den/die österreichische/n RechtsanwenderIn zu geben. Das Standardwerk bleibt auch in der sechsten Auflage ein verlässlicher Begleiter für den juristischen Alltag und stellt ein aktuelles und höchst brauchbares Nachschlagewerk für vielseitige Fragestellungen im Bereich des Arbeitsrechts dar. Das hier vorliegende Buch wird insofern seinem Anspruch, Aspekte des „neuen Arbeitens“ näher zu beleuchten und neue Rechtsprobleme zu identifizieren, in umfänglicher Weise gerecht.477