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Weiterbeschäftigung im Konzern nach Arbeitnehmerkündigung – keine Abfertigung „alt“

LINDAKREIL (WIEN)
  1. Der Grund der Sonderregelung in § 46 Abs 3 Z 2 BMSVG ist darin zu sehen, dass Wechsel innerhalb des Konzerns in der Regel nicht als Wechsel des AG im eigentlichen Sinne gesehen werden, Konzernwechsel oft auch nur vorübergehend erfolgen und bei diesen uneigentlichen Arbeitsplatzwechseln dem AN das bisherige Abfertigungsrecht samt der bereits erworbenen Abfertigungsanwartschaft erhalten bleiben soll.

  2. Wenn dem AN wegen Selbstkündigung keine Abfertigung „alt“ ausbezahlt wird und er anschließend mit einem anderen Unternehmen desselben Konzerns ein neues Arbeitsverhältnis eingeht, ist die Übergangsregel des § 46 Abs 3 Z 2 BMSVG nicht anzuwenden.

  3. Rechtlich verschiedene AG desselben Konzerns als „selben DG“ iSd § 23 Abs 1 Satz 3 AngG anzusehen, wäre eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Die Entscheidung eines Geschäftsführers, mit dem AN zwar einen neuen Arbeitsvertrag abschließen zu wollen, dies aber nicht namens des bisherigen AG, sondern mit einer anderen konzernangehörigen Gesellschaft, stellt keine Umgehung dieser Bestimmung dar.

Der Kl begann am 1.9.1992 bei der H-GmbH, welche ab 1994 als S-GmbH firmierte (in der Folge: „Transportabwicklungs-GmbH“), eine Lehre als Speditionskaufmann. In das Lehrverhältnis trat einvernehmlich ab 12.7.1994 die Bekl (K-GmbH), die bis 2015 als H-I-GmbH firmierte, ein.

Die Transportabwicklungs-GmbH war gegründet worden, um mit dem Zollgeschäft verbundene Risken auszulagern. Beide Gesellschaften wurden – auch hinsichtlich der Geschäftsführung und der betrieblichen Abläufe – als einheitlicher Betrieb am gleichen Standort geführt. Die Mitarbeiter im Betrieb hatten keine getrennten Arbeitsbereiche, sondern führten alle Tätigkeiten je nach Bedarf für die eine oder andere Unternehmung aus. Nur hinsichtlich eines bestimmten Zollverfahrens wurden Tätigkeiten betreffend die Transportabwicklungs-GmbH vorgenommen.

Im Anschluss an die Lehre war der Kl bei der Bekl als Angestellter beschäftigt. Er verrichtete – wie alle anderen DN auch – Arbeiten sowohl für die Bekl als auch für die Transportabwicklungs-GmbH.

Zu Beginn des Jahres 2004 kündigte der Kl sein bis dahin durchgehendes Dienstverhältnis zum 30.4.2004, weil er mit dem Österreichischen Bundesheer an einem Auslandseinsatz teilnehmen wollte. Da er für diesen Einsatz vom Bundesheer jedoch nicht zugelassen wurde, wandte er sich noch während der Kündigungsfrist mit dem Ansinnen, das Arbeitsverhältnis wie bisher fortsetzen zu wollen, an K H, den damals alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer sowohl der Bekl als auch der Transportabwicklungs-GmbH. Es wurde noch vor dem 1.5.2004 mit dem Kl vereinbart, dass sein Dienstverhältnis ab diesem Datum bei der Transportabwicklungs-GmbH „neu“, bei „null“ beginnen sollte, was Bedingung für die Begründung des neuen Dienstverhältnisses war. Dem Kl war bewusst und von seinem Willen getragen, dass mit dem 1.5.2004 ein neues Dienstverhältnis zu einem anderen DG als bisher beginnen sollte. Dem Kl war zu dieser Zeit auch bewusst, dass es zwei Abfertigungssysteme gab, worüber anlässlich des Abschlusses des neuen Dienstvertrags aber nicht gesprochen wurde. Zu dieser Zeit wurden alle DN – mit Ausnahme einer Mitarbeiterin – in das Abfertigungssystem „neu“ übergeleitet.

Das zum 30.4.2004 infolge Kündigung des Kl beendete Dienstverhältnis zur Bekl wurde endabgerechnet. Der Kl erhielt eine Urlaubsersatzleistung, anteilige Sonderzahlungen sowie eine Lohnabrechnung darüber. Er wurde bei der Gebietskrankenkasse abgemeldet.

Der Kl arbeitete ab 1.5.2004 bis zum 31.12.2016 am gleichen Arbeitsplatz bei gleicher Tätigkeit und gleichem Gehalt wie bisher weiter. Am 5.5.2004 unterfertigte er mit der Transportabwicklungs-GmbH einen schriftlichen Dienstvertrag, in dem der Beginn des Dienstverhältnisses mit 1.5.2004 festgehalten wurde.

Mit 1.10.2005 wurden die Bekl als übernehmende und die Transportabwicklungs-GmbH als übertragende Gesellschaft verschmolzen.

Am 18.4.2011 unterfertigte der Kl einen neuen Dienstvertrag zur Bekl, in dem in einer Präambel festgehalten wurde, dass er bis 30.4.2004 bei der Bekl beschäftigt gewesen, mit diesem Datum auf eigenes Verlangen aus dem Unternehmen ausgeschieden und mit 1.5.2004 in die Transportabwicklungs-GmbH eingetreten sei.

Von Seiten der Bekl wurde das Dienstverhältnis des Kl unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist schließlich zum 31.12.2016 gekündigt. Auf das Dienstverhältnis ist der KollV für Angestellte in Spedition und Logistik anzuwenden.

Der Kl [...] begehrt er mit der vorliegenden Klage Abfertigung („alt“; unter Anrechnung der von der Bekl an die Mitarbeitervorsorgekasse geleisteten Beiträge) [...] und Kündigungsentschädigung (infolge fristwidriger, weil nur eine dreimonatige statt einer viermonatigen Kündigungsfrist einhaltenden Kündigung) [...].

Das Erstgericht [...] wies [...] die Klage ab. [...] Das Berufungsgericht [...] änderte das Ersturteil im klagsstattgebenden Sinn ab. Da Arbeitsplatz, Tätigkeit und Gehalt des Kl nach dem 30.4.2004 gleich geblieben seien, liege ein Umgehungsgeschäft vor, sodass die umgangene Norm anzuwenden sei, wobei eine Analogie zu § 46 Abs 3 Z 2 BMSVG zu schließen sei. Aufgrund der Konzernzugehörigkeit der Bekl und der Transportabwicklungs-GmbH sei daher von einem ohne Unterbrechung bei demselben AG fortgesetzten Arbeitsverhältnis auszugehen. [...]432

Rechtliche Beurteilung

[...]

4. Nach § 23 Abs 7 AngG besteht – vorbehaltlich der (hier nicht einschlägigen) Fälle des § 23a AngG – der Anspruch auf Abfertigung ua dann nicht, wenn der Angestellte kündigt. Dies war hier der Fall [...].

5. Im Anschluss an das durch Kündigung zum 30.4.2004 beendete Dienstverhältnis ging der Kl mit der Transportabwicklungs-GmbH – somit mit einem anderen DG – ein neues Dienstverhältnis ein.

Auf alle privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse, deren vertraglich vereinbarter Beginn nach dem 31.12.2002 liegt, ist gemäß seinem § 46 Abs 1 das BMSVG anzuwenden. Liegt, wie hier, keine Umstiegsvereinbarung iSd § 47 Abs 1 BMSVG vor, sieht § 46 Abs 3 BMSVG für Arbeitsverhältnisse, deren vertraglich vereinbarter Beginn nach dem 31.12.2002 liegt, in drei Fällen den Verbleib von AN, die den bisherigen Abfertigungsregelungen unterlegen sind, im alten Abfertigungssystem vor (Wiedereinstellungszusagen oder -vereinbarungen [Z 1]; Wechsel im Konzern [Z 2]; Kollektivvertragliche Anrechnung von Vordienstzeiten bei unterbrochenen Arbeitsverhältnissen [Z 3]). Von diesen Ausnahmefällen kommt hier nur jener der Z 2 des § 46 Abs 3 BMSVG in Betracht, der nach dem Gesetzeswortlaut dann Platz greift, „wenn Arbeitnehmer innerhalb eines Konzerns im Sinne des § 15 AktG oder des § 115 GmbHG in ein neues Arbeitsverhältnis wechseln“.

5.1. Der Grund der Sonderregelung ist darin zu sehen, dass Wechsel innerhalb des Konzerns in der Regel nicht als Wechsel des AG im eigentlichen Sinn gesehen werden, Konzernwechsel oft auch nur vorübergehend erfolgen und bei diesen uneigentlichen Arbeitsplatzwechseln dem AN das bisherige Abfertigungsrecht samt der bereits erworbenen Abfertigungsanwartschaft erhalten bleiben soll (Neubauer/Rath in Neubauer/Rath/Hofbauer/Choholka, BMSVG [2008] § 46 Rz 15). Dementsprechend setzt die Vorschrift nach hA stillschweigend voraus, dass dem AN aufgrund des Wechsels von seinem bisherigen AG keine Abfertigung ausbezahlt wird; im Falle einer Auszahlung findet nach hA auf das zum anderen Konzernunternehmen eingegangene, neue Arbeitsverhältnis das BMSVG Anwendung (Schrank, Verbleib in der Abfertigung „Alt“ bei neuem Arbeitsverhältnis/neuem Arbeitgeber? ecolex 2004, 122 [125]; Mayr in Mayr/Resch, Abfertigung neu – Betriebliches Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz2 [2009] § 46 Rz 21 f; ders in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 46 BMSVG Rz 12 f; Lang, Geltungsbereich des BMSVG, in Drs, Abfertigungsrecht [2012] 43 [69]; dies, Abfertigung neu – Persönlicher, örtlicher und zeitlicher Anwendungsbereich [2015] 130 f).

5.2. Ebenso unangewendet muss § 46 Abs 3 Z 2 BMSVG aber auch dann bleiben, wenn dem AN zwar keine Abfertigung ausbezahlt wird, dies aber allein deshalb, weil er den Abfertigungsanspruch durch Selbstkündigung verlor, und er anschließend mit einem anderen Unternehmen desselben Konzerns ein neues Arbeitsverhältnis einging. Bei Anwendbarkeit des § 46 Abs 3 Z 2 BMSVG auch auf diesen Fall wäre der Regelungszweck unerfindlich (vgl Klein, Arbeitsrechtliche Inhalte und Probleme der Abfertigungsreform, wbl 2002, 485 [494]).

Gerade dies erfolgte im vorliegenden Fall: Der Kl beendete sein Dienstverhältnis durch Kündigung zur Bekl, welches sodann auch endabgerechnet wurde. Auf das hierauf zur Transportabwicklungs-GmbH eingegangene neue Dienstverhältnis fände damit § 46 Abs 3 Z 2 BMSVG selbst dann keine Anwendung, wenn man die Transportabwicklungs-GmbH und die Bekl als Konzernunternehmen iSd § 115 GmbHG qualifizieren sollte (was mangels Relevanz hier offenbleiben kann). Das neu eingegangene Dienstverhältnis zur Transportabwicklungs-GmbH – welches im Weiteren durch Verschmelzung auf die Bekl überging (§ 96 Abs 1 Z 1 GmbHG) – unterlag damit der „Abfertigung neu“ nach BMSVG. Passivlegitimiert für diese ist die Betriebliche Vorsorgekasse (§ 14 BMSVG), nicht die Bekl (Mayr in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 14 BMSVG Rz 2).

Zur Frage des Vorliegens eines Umgehungsgeschäfts:

[...]

7. Ein Umgehungsgeschäft ist – im Gegensatz zum Scheingeschäft nach § 916 ABGB – nicht schlechthin nichtig (RIS Justiz RS0113579 [T2]). Nur wenn sonst der Zweck der umgangenen Norm, also jener Vorschrift, welche dem primär gewollten Geschäft entgegensteht, vereitelt würde, ist die umgangene Norm auf das Umgehungsgeschäft anzuwenden (RIS Justiz RS0016469 [T8]).

7.1. § 23 Abs 1 Satz 3 AngG ordnet für die Abfertigung bloß eine Berücksichtigung aller Zeiten, die der Angestellte in unmittelbar vorausgegangenen Dienstverhältnissen als Arbeiter oder Lehrling „zum selben DG“ zurückgelegt hat, an. Vordienstzeiten bei anderen DG sind von Gesetzes wegen nicht zu berücksichtigen. Sollen derartige Zeiten angerechnet werden, bedarf es einer besonderen (kollektivvertraglichen oder einzelvertraglichen) Vordienstanrechnung (9 ObA 232/92; 9 ObA 155/03i; OGH9 ObA 25/05z = DRdA 2006/33 [Mayr]; Wachter in Reissner, AngG2 § 23 Rz 30, 34), die hier nicht vorliegt.

7.2. In OGH9 ObA 25/05z = 3DRdA 2006/3 [Mayr] entschied der Senat, dass auch bei Dienstzeiten, die bei verschiedenen Konzernunternehmen verbracht wurden, es sich nicht um solche beim selben AG handelt. In der E wurde eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 13b Abs 6 Satz 1 BUAG abgelehnt, wonach, wenn das Unternehmen (der Betrieb) des AG einem Konzern (§ 15 AktG bzw § 115 GmbHG) angehört, die Voraussetzung der Beschäftigung beim selben AG auch bei Beschäftigungen in anderen den Abfertigungsbestimmungen des BUAG unterliegenden Unternehmungen (Betrieben) des Konzerns erfüllt ist. Es handle sich um eine Sondernorm. Eine gesetzliche Wertung, sie auch für Sachverhalte „außerhalb der Bauwirtschaft“ anzuwenden, sei nicht erkennbar.

7.3. In der Literatur wurde von Kreil (Arbeitsverhältnisse im Konzern [1996] 116) die Ansicht vertreten, es sei unabhängig von möglichen vertragsrechtlichen433Lösungen zu fragen, ob die AN-Mobilität im Konzern nicht generell zur Anrechnung führen müsse. Abgesehen könne davon dann werden, wenn der Wechsel nicht im Interesse des Konzerns erfolgt sei, sondern auf eigenes Bestreben des AN.

7.4. Hiermit inhaltlich übereinstimmend vertritt in jüngerer Zeit Holzer (in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 23 Rz 18a) die Ansicht, dass es sich bei verschiedenen Konzernunternehmen verbrachten Dienstzeiten zwar grundsätzlich nicht um solche beim selben AG handle, dass gleichwohl in den meisten Konstellationen viel für deren Anrechnung auch dann spreche, wenn eine solche nicht ausdrücklich oder konkludent vereinbart sei. Dies gelte vor allem, wenn die Initiative für den Wechsel, was den Regelfall bilden werde, vom Unternehmen ausgegangen sei. Auch müsse es gelten, wenn im Wechsel geradezu eine Strategie der Abfertigungsvermeidung zu erblicken sei oder das Arbeitsverhältnis vom Wechsel des AG abgesehen völlig unverändert weiterlaufe. In die Richtung der vollen Anrechnung von Arbeitszeiten in Konzernunternehmen deute auch die Bestimmung des § 46 Abs 3 Z 2 BMSVG.

7.5. In seiner Glosse zu OGH9 ObA 25/05z in DRdA 2005/33 vertritt Mayr die Ansicht, es sei zwar richtig, dass das BUAG eine spezielle Branchenregelung der Abfertigung sei, um die Bauarbeiter vor Nachteilen zu schützen, die aus der Praxis der Unternehmungen und Betriebe resultierten, dass aber vergleichbare Probleme auch in Konzernen bestünden. Wenn ein Konzernunternehmen einen bestimmten AN eines anderen Konzernunternehmens benötige, werde der AN im Normalfall zur Erhaltung seines Arbeitsplatzes (im Konzern) zustimmen (müssen). Ob der AN in diesem Falle eine – von der Judikatur geforderte – Einzelvereinbarung über eine Anrechnung bzw Vordienstzeitenanrechnung bekomme, werde von ihm – vorausgesetzt er kenne diese Problematik überhaupt – kaum beeinflussbar sein. Da eine Regelung im AngG fehle, liege eine Lücke vor, die auch planwidrig sei und sinnvollerweise durch § 13b Abs 6 Satz 1 BUAG geschlossen werden sollte.

7.6. Der Senat hat hierzu erwogen:

Rechtlich verschiedene AG als „selben DG“ iSd § 23 Abs 1 Satz 3 AngG anzusehen, wenn diese nur demselben Konzern angehören, wäre – auch im Lichte der einer solchen Sicht entgegenstehenden E 9 ObA 25/05z – eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Sie ginge auch über die zitierten Literaturmeinungen, die eine Zusammenrechnung von Dienstzeiten bei Unternehmen desselben Konzerns insb dann befürworten, wenn der konzerninterne Wechsel nicht vom AN initiiert wurde, hinaus. Eine solche generelle Regelung wurde bislang vom Gesetzgeber einzig im besonderen Bereich der Bauwirtschaft eingeführt (§ 13b Abs 6 Satz 1 BUAG). § 46 Abs 3 Z 2 BMSVG enthält dagegen keine materiell-rechtliche Regelung, sondern regelt – wie auch aus der Überschrift zu § 46 BMSVG ersichtlich – nur den „zeitlichen Geltungsbereich“ des neuen Abfertigungssystems (9 ObA 62/11z; vgl auch ErläutRV 1131 BlgNR 21. GP 59; AB 1176 BlgNR 21. GP 7). Dass einer solchen, an sich nur der allgemeinen intertemporalen Regelung des § 5 ABGB derogierenden Vorschrift über den zeitlichen Geltungsbereich eines Gesetzes (vgl Vonkilch/Kehrer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 5 ABGB Rz 1) eine darüberhinausgehende Wirkung zukommen soll, ist grundsätzlich nicht anzunehmen. Es ist damit nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit § 46 Abs 3 Z 2 BMSVG auch das materielle Recht ändern und generell eine Zusammenrechnung der Zeiten aufeinanderfolgender Dienstverhältnisse zu verschiedenen, aber dem selben Konzern angehörenden AG bewirken wollte. Die bloße Meinung des Rechtsanwenders, eine Regelung sei wünschenswert, rechtfertigt die Annahme einer Gesetzeslücke noch nicht. Ohne Vorliegen einer Gesetzeslücke gleichsam an die Stelle des Gesetzgebers zu treten und einen Regelungsinhalt (rechtsfortbildend) zu schaffen, dessen Herbeiführung ausschließlich diesem obläge, steht den Gerichten nicht zu (RISJustiz RS0098756 [T3]).

Darauf, ob eine Qualifizierung zweier (rechtlich verschiedener) Konzernunternehmen als „selber Dienstgeber“ (§ 23 Abs 1 Satz 3 AngG) in den im Schrifttum angesprochenen Fällen, in denen der DG-Wechsel auf einer Initiative des DG beruht, geboten ist, braucht – wie bereits in OGH9 ObA 25/05z – nicht eingegangen werden, da ein solcher Fall hier nicht vorliegt. Die Beendigung des Dienstverhältnisses zur Bekl zum 30.4.2004 wurde vom Kl – ohne Initiierung durch die Bekl – bewirkt.

[...] Durch die Entscheidung des Geschäftsführers K H, zwar bereit zu sein, mit dem Kl einen neuen Arbeitsvertrag abzuschließen, dies aber nicht namens der Bekl, sondern der Transportabwicklung-GmbH, wurde der Normzweck des § 23 Abs 1 Satz 3 AngG nicht umgangen. Es liegt kein Umgehungsgeschäft vor. [...]

ANMERKUNG

In diesem – nicht leicht zu entscheidenden – Fall hat der AN mit seiner vorschnellen Kündigung im Jahr 2004 einen folgenschweren Fehler gemacht. Zuerst scheint für ihn alles gut zu gehen; denn als sich seine Zukunftspläne zerschlagen, erreicht er immerhin doch noch seine Weiterbeschäftigung, wenngleich „nur“ in einer anderen Konzerngesellschaft. Die volle Konsequenz dieses scheinbar nebensächlichen Umstandes zeigt sich erst zwölf Jahre später im Zuge der AG-Kündigung (die das Arbeitsverhältnis übrigens auch recht kurz vor dem präsumptiven 25-jährigen Dienstjubiläum beendet): Der AN fällt um insgesamt € 44.000,– an Abfertigung „alt“ und Kündigungsentschädigung um.

Auf den ersten Blick scheint einiges für diese Entscheidung zu sprechen, zumal ein AN bei Selbstkündigung seine Abfertigung „alt“ ohnehin verliert (§ 20 Abs 7 AngG). Außerdem ist diese Bestimmung inzwischen vom Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz (BMSVG) überlagert worden; bei neuen Dienstverhältnissen ab 2003 gibt es eben – abgesehen von einigen gesetzlichen434Ausnahmen – „nur“ noch die Abfertigung neu (vgl § 46 BMSVG).

Gleichwohl weckt das Ergebnis Zweifel. Immerhin wäre die gegenteilige E vom Wortlaut des § 46 Abs 3 Z 2 BMSVG gedeckt gewesen. Stattdessen hat sich der AG sowohl die Umstiegsvereinbarung (§ 47 BMSVG) als auch die Abfertigung „alt“ erspart. Und dabei hat das Arbeitsverhältnis ja letztlich doch durch AG-Kündigung geendet.

1.
Keine „Konzernversetzung“ im vorliegenden Fall?

Nach den vom Höchstgericht zitierten Lehrmeinungen kommt die Zusammenrechnung von Dienstzeiten bei verschiedenen Konzernunternehmen in Frage, wenn der konzerninterne AG-Wechsel im Konzerninteresse erfolgt bzw von der AG-Seite initiiert wurde (vgl die vom OGH zitierten AutorInnen; im Ergebnis wohl ähnlich Koppensteiner, Zum „Konzern“-Begriff im Arbeitsrecht, DRdA 2017, 163, 173). Das ist geboten, weil es spezielle Formen der „Konzernversetzung“ gibt, wie etwa den Neuabschluss mit einem anderen Konzernunternehmen bei gleichzeitigem Ruhendstellen oder Unterbrechen des bisherigen Arbeitsverhältnisses oder die Vertragsübernahme durch andere Konzernunternehmen (K. Mayr in Neumayr/Reissner [Hrsg], Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht3 [2018] § 46 BMSVG Rz 12). Das Höchstgericht glaubte aber, offen lassen zu können, ob der Literatur zu folgen sei, weil der AG-Wechsel ohnehin vom AN ausgegangen sei.

Doch hier setzen die Zweifel ein: Ist die Weiterbeschäftigung in dieser Form wirklich vom AN ausgegangen? Immerhin wollte der AN eine Weiterbeschäftigung „wie bisher“. Der AG wollte den AN ebenfalls wieder aufnehmen, handelte sich aber aus, dass das Dienstverhältnis bei einem anderen Konzernunternehmen und bei „Null“ beginnen sollte; der AN willigte schließlich ein. Hat hier der AG also einfach nur gut verhandelt? Oder hat sich nicht doch die schwächere Position des – typischerweise auf den Arbeitsplatz angewiesenen – AN auf das Verhandlungsergebnis ausgewirkt (vgl zutreffend K. Mayr, Anm zu OGH9 ObA 25/05z, DRdA 2006/33)? Wenn letzteres: Sind einseitig zwingende Normen betroffen?

An dieser Stelle ein Beispiel, in dem der AG-Wechsel im Konzern vom AN ausgeht und in dessen Interesse erfolgt: Ein/e AN sucht wegen einer Übersiedlung einen neuen Arbeitsplatz. So wechselt er oder sie etwa als SupermarktverkäuferIn vom Supermarkt der X-AG in Salzburg-Lehen zum Supermarkt der Y-GmbH in Wien-Favoriten, ohne groß darüber nachzudenken, dass diese beiden „ja irgendwie zusammenhängen“. Ob diese (wirtschaftliche) Zusammengehörigkeit überhaupt auffällt, hängt davon ab, wie straff der Konzern geführt wird. Man hat eben einen neuen Arbeitsplatz bei einem neuen AG gesucht und gefunden. In so einem Fall wird nicht von einer „Konzernversetzung“ zu sprechen sein.

Der vom OGH zitierte Autor Klein (wbl 2002, 485, 494) bezieht sich ausdrücklich auf einen solchen Übersiedlungsfall, er wurde also womöglich missverstanden. Jedenfalls hätte man hier mE von einer „Konzernversetzung“ ausgehen sollen, auch wenn dies auf den ersten Blick nicht sichtbar war: Nur die Kündigung, nicht aber die Weiterbeschäftigung in dieser Form war vom AN ausgegangen.

Damit kommt man über die direkte Anwendung der Z 2 des § 46 Abs 3 BMSVG zu einer Weitergeltung des alten Abfertigungsrechts und weiter über § 23 Abs 1 dritter Satz AngG zum Abfertigungsanspruch des AN. Denn die letztgenannte Norm verfügt die Berücksichtigung aller beim DG verbrachten Dienstzeiten, und zwar unabhängig vom Endigungsgrund der früheren Dienstverhältnisse (stRsp, siehe RS0028390).

2.
Weiterführende Überlegungen: Gesetzesumgehung im Konzern

Die Rechtsfrage hätte also – mE sachgerecht – zugunsten des AN gelöst werden können, ohne die juristische Person als rechtliche Kenngröße zu „beschädigen“ oder das Verhandlungsungleichgewicht zwischen den Parteien beim Neuabschluss des Vertrages bemühen zu müssen, weil mit § 46 Abs 3 Z 2 BMSVG ohnehin eine passende Norm bereitgestanden wäre. Die eingehenden Überlegungen zur – letztlich verneinten – Gesetzesumgehung wären also wohl gar nicht notwendig gewesen.

Für andere, in ihrer Problematik ähnlich gelagerte Fälle steht aber keine konzernbezogene Spezialnorm bereit. In solchen Konstellationen lautet die Kernfrage: Ist die jeweilige Gestaltung noch als Ausdruck beiderseitiger Vertragsfreiheit hinzunehmen oder wurden hier zwingende Schutznormen des Arbeitsrechts verletzt bzw umgangen? Der OGH votierte, indem er streng auf die juristische Person abstellte, letztlich zugunsten der Vertragsfreiheit. Diese Sichtweise wird angesichts folgender, durchaus praxisnaher Fallgestaltungen fragwürdig:

  • Nehmen wir als Variante des vorliegenden Falles an, dass – ceteris paribus – der anwendbare KollV eine (von der ursprünglichen Beendigungsart unabhängige) Vordienstzeitenanrechnung vorgesehen hätte. Dann wäre bei einer Weiterbeschäftigung beim selben AG eine Abfertigung alt gem § 46 Abs 3 Z 3 BMSVG angefallen. In so einem Fall würde die Abfertigung „alt“ also ausschließlich durch den Wechsel des AG verloren gehen?

  • Ein anderes Beispiel: Eine Praktikantin fragt angesichts des nahenden Endes ihres sechsmonatigen Praktikums nach der Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung, worauf ihr weitere sechs Monate Praktikum bei einer anderen Konzerngesellschaft angeboten werden. Soll dies kein Kettendienstvertrag sein, weil es sich um verschiedene AG handelt und die Weiterbeschäftigung im Konzern ja von ihr, der Praktikantin, ausgegangen ist?

  • Und schließlich: Der AG spaltet eine Tochter-GmbH ab und überlässt die kraft § 3 Abs 1 AVRAG übergegangenen AN im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung an das Mutterunternehmen „zurück“. Ähnliches wurde jüngst in435 den Medien betreffend die „Ausgliederung“ von Reinigungskräften durch einen gemeinnützigen Verein kolportiert; dort ging es um Entgeltminderung wegen geänderter Kollektivvertragszugehörigkeit (die Dienstzeiten wären hier hingegen kein Problem, weil wegen des Betriebsüberganges ohnehin zusammenzuzählen).

Die Probleme müssen sich also nicht nur auf die Zusammenrechnung von Dienstzeiten beziehen. All diese Fragen hätten jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation auftauchen können oder können noch auftauchen.

Daher sei hervorgehoben:

Im vorliegenden Fall handelte es sich nicht etwa um einen Großkonzern mit einer Vielzahl von Unternehmen und Geschäftsfeldern, sondern um eine GmbH, die ein paarmal umfirmiert (also den Namen geändert) und eine weitere GmbH aus- und nach einigen Jahren wieder eingegliedert hat. Geführt wurde das Gebilde von ein und demselben Geschäftsführer. Der AN arbeitete nach dem AGWechsel offenbar am selben Arbeitsplatz weiter. Durch die „Rückverschmelzung“ war am Ende sogar der AG letztlich wieder derselbe wie am Anfang des Arbeitsverhältnisses.

Damit wird das Konzept der juristischen Person als Endpunkt von Rechten und Pflichten geradezu ad absurdum geführt. Oder verstehen sich manche UnternehmerInnen einfach darauf, die juristischen Personen wie Kulissen hin- und herzuschieben und die Schlupflöcher dazwischen aufzuspüren? Jedenfalls haben wir hier wohl ein Paradebeispiel für einen Konzern, der „wie ein Einheitsunternehmen geführt“ wird.

Doch auch die Strukturen von Großkonzernen können so angelegt sein, dass sie die juristischen (Personen-)Grenzen großflächig überschreiten. Dies wurde erst jüngst in der Analyse von Schubert zur Matrixstruktur im Konzern eindrucksvoll gezeigt (Vortrag am 11.4.2019 auf der 54. Tagung der Gesellschaft für Arbeitsrecht und Sozialrecht in Zell am See; vgl Weber, Tagungsbericht, DRdA-infas 2019, 164 f; Abhandlung siehe in diesem Heft DRdA 2019, 407 f). Auch dies kann eine Reihe arbeitsrechtlicher Probleme – einschließlich der drei oben genannten – hervorrufen. Dass diese ausschließlich auf vertragsrechtlicher Basis angemessen gelöst werden können, etwa durch die Annahme konkludenter Vereinbarungen der Vordienstzeitenanrechnung beim AG-Wechsel usw, darf angesichts des vorliegenden Sachverhalts bezweifelt werden.

3.
Wirtschaftliche Einheit und juristische Grenzen

Insgesamt kann der Konzern „als ein von einem Willenszentrum zusammengehaltenes Gebilde“ bzw als „polykorporatives Unternehmen“ aufgefasst werden (Koppensteiner, DRdA 2017, 164). Hinter der juristischen Vielfalt steckt eine wirtschaftliche Einheit. Doch wie kann diese juristisch angemessen erfasst werden?

Dass Einzelregelungen wie § 13b Abs 6 BUAG, wie der OGH ausführt, zu speziell erscheinen und damit nicht als Analogiebasis in Frage kommen, mag verständlich sein (wenngleich nicht gänzlich überzeugend, weil Abs 6 dieser Bestimmung mE durchaus eine konzern- und nicht eine branchenspezifische Problemlage regelt). Aber inzwischen hat der arbeitsrechtliche Gesetzgeber auch in anderen Normen den „AG-Wechsel im Konzern“ bzw das „Konzernarbeitsverhältnis“ normiert.

Neben dem hier vom OGH verschmähten § 46 Abs 3 Z 2 BMSVG können ohne Anspruch auf Vollständigkeit genannt werden: § 2b Abs 2 Z 8 Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz (AMPFG) (Auflösungsabgabe), § 1 Abs 3 Z 4 AÜG („Konzernprivileg“), § 18 AuslBG, § 2a AVRAG, § 8 Abs 6 lit b BEinstG, §§ 1 Abs 5 Z 8, Abs 6 sowie § 3 Abs 5 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG), § 5 Abs 2 Z 3 Betriebspensionsgesetz (BPG), § 3 Abs 3 PKG. Das zeigt immerhin, dass der Gesetzgeber das „Konzernarbeitsverhältnis“ inzwischen als Realität zur Kenntnis genommen hat.

Dem Höchstgericht ist es aber nicht zu verdenken, wenn es diese Büchse der Pandora nicht öffnen will, sondern sich weiterhin an der Person des AG als juristischem Bezugspunkt des Arbeitsverhältnisses orientiert, solange nicht das Gesetz selbst anderes anordnet. Zu vielgestaltig erscheinen die Probleme, zu unklar die möglichen Konsequenzen.

Der OGH weist zutreffend auf das Fehlen einer umfassenden gesetzlichen Regelung hin. Wie könnte eine solche aussehen? Soll es eine Art „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ im Arbeitsrecht geben (vgl § 539a ASVG oder §§ 21-24 Bundesabgabenordnung [BAO])? Derzeit kann man jedenfalls nur auf die normzweckorientierte Interpretation setzen. Dabei sollte die juristische Person mE nicht sakrosankt sein.

An dieser Stelle wäre es sehr aufschlussreich zu wissen, wie dies in anderen Teilgebieten des (Zivil-) Rechts gehandhabt wird (etwa im KonsumentInnenschutz-, GesellschafterInnen- oder AnlegerInnenschutzrecht). Wann bzw wird dort überhaupt die wirtschaftliche Einheit vor die juristische Person gestellt, maW ein so genannter Zurechnungsdurchgriff bejaht, um dem Schutzzweck der jeweiligen Normen gerecht zu werden? Hier wäre wohl auch die Wissenschaft gefordert, dem Höchstgericht allfällige Argumentationsmöglichkeiten an die Hand zu geben; ihre Aufsplitterung in viele einzelne Fachgebiete ist dabei freilich wenig hilfreich.

4.
Fazit

Der vorliegende Sachverhalt wäre mE als „Konzernversetzung“ anzusehen und damit § 46 Abs 3 Z 2 BMSVG anzuwenden gewesen. Dadurch stellt sich die Frage nach der Gesetzesumgehung erst gar nicht.

In vielen gesetzlich nicht näher geregelten Fällen mit Konzernbezug ist die Lage anders. Hier wäre zu überlegen, welche Gestaltungen durch die Organisations- und Vertragsfreiheit noch gedeckt sind und wo die Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Normen beginnt. Ein wesentlicher Hinweis dafür ist mE, wenn sich die AG-Seite selbst über die Grenzen der einzelnen juristischen Personen hinwegsetzt, indem sie Arbeitsverhältnisse, etwa 436durch „Konzernversetzungen“, konzerndimensional ausgestaltet und/oder wenn sie wie ein einheitliches Unternehmen agiert. Bei einem AG-Wechsel im Konzern uä Gestaltungen wäre also zu prüfen, von wem sie ausgegangen bzw in wessen Interesse sie erfolgt ist.

Die Praxis muss sich aber derzeit damit begnügen, dass die Rsp sehr zurückhaltend agiert und nur den jeweiligen AG als juristische Person und Vertragspartner im Fokus hat.