Ausgewählte Rechtsfragen der Beitragsschuld und Beitragshaftung nach dem ASVG*

MICHAELFRIEDRICH (GRAZ)
Das Thema Beitragsschuld und Beitragshaftung ist ein umfassendes, das kaum in einem Zeitschriftenbeitrag abschließend erörtert werden kann. Daher erlaube ich mir, dieses Thema zum einen auf ausgewählte Rechtsfragen im Anwendungsbereich des ASVG zu beschränken und insb die strafrechtliche Verantwortung nach § 153c StGB* wegen Vorenthaltens der DN-Beiträge zur SV außen vor zu lassen, zumal diese Thematik schon einmal Gegenstand eines Vortrags in Zell am See war.* Zum anderen möchte ich diesen Beitrag im Wesentlichen auf die praktisch bedeutenden Regelungen zur Beitragsschuld und Beitragshaftung des ASVG beschränken, haben doch einige Regelungen des ASVG zu diesem Thema kaum noch praktische Relevanz. Neben dem dadurch bedingten Regelungsbedarf durch den Gesetzgeber ist es mir ein Anliegen, im Bewusstsein der unterschiedlichen Zielrichtungen des Beitragsrechts im Sozialversicherungsrecht und des Arbeitsrechts die Unterschiede bei den Begriffsbestimmungen im sozialversicherungs- und arbeitsrechtlichen Zusammenhang in Einzelfragen aufzuzeigen und kritisch zu hinterfragen. Auch wenn das Beitragsrecht in erster Linie der Absicherung der Finanzierung des Sozialversicherungssystems dient, während das Arbeitsrecht vorwiegend dem AN-Schutz dient, rechtfertigt dies, wie im Folgenden zu zeigen ist, in Einzelfällen mE nicht die grob unterschiedliche Interpretation der gleichen Begriffe im Sozialversicherungs- und Arbeitsrecht.
  1. Der Dienstgeber als Beitragsschuldner

    1. Dienstgebereigenschaft von Gesellschaften

    2. Dienstgebereigenschaft bei der Arbeitskräfteüberlassung unter besonderer Berücksichtigung der konzerninternen Überlassung eines Geschäftsführers

      1. Gesellschaftsrechtliche und vertragsrechtliche Kritik

      2. Zwei sozialversicherungspflichtige Dienstverhältnisse bei einer geschuldeten Tätigkeit?

      3. Änderung des § 35 Abs 2 ASVG

  2. Der Dienstnehmer als Beitragsschuldner

  3. Beitragshaftung

    1. Beitragshaftung Dritter mit wirtschaftlichem Interesse am Erfolg des Betriebs

    2. Beitragshaftung bei Betriebsübergang

    3. Beitragshaftung des Geschäftsführers

  4. Haftung bei SubunternehmerInnen in der Baubranche

1.
Der Dienstgeber als Beitragsschuldner

Auch wenn sich der Titel dieses Beitrags auf die Beitragsschuld und Beitragshaftung nach dem ASVG bezieht, darf eine Auseinandersetzung mit dem Begriff der Beitragspflicht nicht fehlen, schließlich kann eine Beitragsschuld oder eine Beitragshaftung nur entstehen, wenn auch eine Beitragspflicht besteht. Die Beitragspflicht ist in der SV die Hauptpflicht sowohl der Versicherten als auch der DG. Außer in der UV, in der nur der DG beitragspflichtig ist, wird die SV im Wesentlichen durch Beiträge, die in einen DN- und in einen DG-Anteil aufgeteilt sind, finanziert. Jedoch ist das Bestehen einer Beitragspflicht nicht gleichbedeutend damit, dass der Beitragspflichtige auch der Beitragsschuldner ist, vielmehr ist zwischen den Regelungen zur Beitragsschuld und zur Beitragspflicht zu unterscheiden.*Im Regelfall ist nämlich gem § 58 Abs 2 ASVG allein der DG beitragspflichtig; er hat, sofern sie ihm nicht vom Sozialversicherungsträger vorgeschrieben werden, gem § 58 Abs 4 ASVG sowohl die DG-Anteile als auch die DN-Anteile selbst zu ermitteln und unaufgefordert an den Träger der KV einzubezahlen. Darüber hinaus kennt das Sozialversicherungsrecht insb mit den §§ 67 ff ASVG und § 14 AÜG aber auch Fälle, in denen bestimmte Dritte für die Sozialversicherungsbeiträge haften.

Wie bereits erwähnt, ist gem § 58 Abs 2 ASVG der DG Beitragsschuldner sowohl hinsichtlich der DG- als auch der DN-Beiträge. Darüber hinaus ist der Begriff des DG aber auch für die Grundfrage des Vorliegens eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses iSd § 4 ASVG relevant. Der DG ist die „andere Seite“ des DN, also dessen Gegenüber im abhängigen Beschäftigungsverhältnis iSd § 4 Abs 2 ASVG,483welches die Pflichtversicherung auslöst. Ob ein solches Beschäftigungsverhältnis eines DN vorliegt, ist immer in Bezug auf eine bestimmte andere Person (bestimmte andere Personen), nämlich den DG (die DG) zu prüfen.* Entscheidend für die Beitragsschuld ist somit, dass die betreffende natürliche oder juristische Person DG des beitragspflichtigen DN im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses ist. Ein Beschäftigungsverhältnis iSd § 35 ASVG wird durch einen „Einstellungsakt“ (Aufnahme der Beschäftigung) begründet und bleibt solange aufrecht, als ein übereinstimmender Wille vorliegt, dass abhängige Dienste gegen Entgelt geleistet und entgegengenommen werden.*

Jedoch darf nicht übersehen werden, dass auch bestimmte „Nicht-DG“ über § 67 ASVG für die Sozialversicherungsbeiträge haftbar sein können. Was im ersten Augenblick einfach und logisch erscheint, kann in Sachverhaltskonstellationen, in denen mehrere Personen die Dienstleistungen eines DN in Anspruch nehmen oder am Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses beteiligt waren, zu Komplikationen führen.

Als sozialversicherungsrechtlicher DG und somit Beitragsschuldner gilt gem § 35 Abs 1 ASVGderjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leis tungen Dritter anstelle des Entgelts verweist“. Die Beurteilung der DG-Eigenschaft ist anhand der in § 539a ASVG normierten wirtschaftlichen Betrachtungsweise, also am wahren wirtschaftlichen Gehalt des Beschäftigungsverhältnisses vorzunehmen.*Nach stRsp* und hM* ist für die DG-Eigenschaft entscheidend, dass die betreffende Person „nach rechtlichen (und nicht bloß tatsächlichen) Gesichtspunkten aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird. Es kommt also darauf an, wen das Risiko des Betriebes als Ganzes trifft“. Denjenigen sollen die sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen des DG treffen, dem die Leistungen des DN zugutekommen, was sich schon darin zeigt, dass der Gesetzgeber Umgehungsversuche, wie den Einsatz von Mittelspersonen oder die Verweisung auf Leistungen Dritter anstelle des Entgelts für unbeachtlich ansieht.* Wann jemanden „das Risiko des Betriebes als Ganzes trifft“, hat die Rsp kaum näher definiert; so hat der verstärkte Senat des VwGH vor dem Hintergrund der Abgrenzung zur Beitragshaftung nach § 67 Abs 3 ASVG festgestellt, dass der sozialversicherungsrechtliche DG von sonstigen Personen abzugrenzen ist, die am Betriebsergebnis interessiert oder beteiligt sind. Es genügt daher nicht, dass dieser Person „die wirtschaftliche Gefahr des Betriebes oder der erzielte Gewinn vorwiegend zufalle“. Ist dies der Fall, so kommt alleine eine Beitragshaftung nach § 67 Abs 3 ASVG in Betracht.

Da der Gesetzgeber im ASVG den DG-Begriff nicht auf Betriebe ieS eingeschränkt hat, sind die Begriffe des DG wie auch des DN iSd ASVG in allen Lebensbereichen anzuwenden, in denen entgeltliche Dienste in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit geleistet werden. So können bspw auch Haushalte den sozialversicherungsrechtlichen DG-Begriff erfüllen.* In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass mehreren Personen die DG-Eigenschaft zukommt. Auch wenn die Ehegattin den Arbeitsvertrag mit einem Haushaltsgehilfen abgeschlossen hat, kann der Ehegatte DG iSd ASVG sein, wenn ihm wesentliche Entscheidungsbefugnisse bei der Haushaltsführung zukommen. Die Ehegattin ist dann sowohl als DG als auch als Mittelsperson iSd § 35 ASVG anzusehen.* Auch kann bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts* mehreren Personen die DG-Eigenschaft zukommen.*

Jedoch wird in den meisten Fällen das Beschäftigungsverhältnis für die Beschäftigung in einem Betrieb abgeschlossen. In diesem Fall ist es nicht unbedingt notwendig, dass der DG zugleich Eigentümer dieses Betriebs ist. Wird für den DG-Begriff verlangt, dass dieser nach rechtlichen (und nicht bloß tatsächlichen) Gesichtspunkten aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird, ihn das Risiko des Betriebes als Ganzes trifft, so kann bspw auch der Pächter eines Betriebes DG sein.* Jedoch steht es der DG-Eigenschaft nicht entgegen, dass der Betrieb durch dritte Personen geführt wird, sofern weiterhin die rechtliche Möglichkeit der Einflussnahme auf die Betriebsführung – bspw durch Weisungsmöglichkeiten gegenüber dem Dritten – fortbesteht,* wobei irrelevant ist, ob diese auch tatsächlich wahrgenommen wird.*

Da der DG Träger von Rechten und Pflichten auch im Sozialversicherungsrecht ist, muss er zumindest diesbezüglich teilrechtsfähig sein.

1.1.
Dienstgebereigenschaft von Gesellschaften

Grundsätzlich kommen als DG natürliche wie auch juristische Personen in Betracht, so dass auch einer484Gesellschaft die DG-Eigenschaft zukommen kann, sofern sie zumindest diesbezüglich teilrechtsfähig ist.* In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welchen Gesellschaftsformen die DG-Eigenschaft zukommen kann und ob hinsichtlich der Beitragsschuld ein Durchgriff auf einzelne GesellschafterInnen oder Organe der Gesellschaft möglich ist. Darüber hinaus hat sich in letzter Zeit auch innerhalb von Konzernstrukturen die Frage gestellt, welche Konzerngesellschaft gegenüber einzelnen DN/GeschäftsführerInnen im Fall der konzerninternen Überlassung die DG-Stellung innehat. Die hierzu ergangene Rsp führte unlängst zu einer seit dem 1.1.2019 wirksamen Gesetzesänderung des § 35 ASVG.*

War die DG-Eigenschaft einer Personengesellschaft lange Zeit umstritten, da zivilrechtlich/handelsrechtlich über deren Rechtspersönlichkeit keine Einigkeit bestand,* ist seit Inkrafttreten des UGB mit § 105 leg cit klargestellt, dass der OG und der KG Teilrechtsfähigkeit dergestalt zukommt, dass ihr somit also auch unmittelbar die DG-Eigenschaft zukommen kann. Hingegen hat die Gesellschaft bürgerlichen Rechts keine Teilrechtsfähigkeit im Bereich der SV, so dass ihr die DG-Eigenschaft nicht zukommen kann. Hier sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 ASVG die GesellschafterInnen die DG.

1.2.
Dienstgebereigenschaft bei der Arbeitskräfteüberlassung unter besonderer Berücksichtigung der konzerninternen Überlassung eines Geschäftsführers

Grundsätzlich, sollte man meinen, ist die DG-Eigenschaft bei der Arbeitskräfteüberlassung im Sozialrecht gleich zu beurteilen wie im Arbeitsvertragsrecht. Bei der Arbeitskräfteüberlassung hat der AN nur mit dem Überlasser einen Dienstvertrag, der auch die Beschäftigung bei einem Dritten zulässt. Zur Beschäftigung bei einem Dritten kommt es allein durch einen Dienstverschaffungsvertrag zwischen dem Arbeitskräfteüberlasser und dem Beschäftiger. Zwischen AN und Beschäftiger bestehen keine vertraglichen Beziehungen, sodass aus arbeitsvertraglicher Sicht nur der Überlasser AG des überlassenen AN ist. Dass dies auch im Sozialversicherungsrecht gelten sollte, zeigt sich schon in § 14 AÜG, wenn diese Vorschrift vorsieht, dass der Beschäftiger als Bürge* für die Sozialversicherungsabgaben haftet. Eine Bürgenhaftung wäre überflüssig, sehe man den Beschäftiger als AG an. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass § 14 AÜG nur auf die gewerbsmäßige Arbeitskräfteüberlassung Anwendung findet.*

Für Aufsehen hat 2017 die sogenannte Bäderentscheidung des VwGH* gesorgt, die, wie bereits erwähnt, letztendlich auch den Gesetzgeber auf den Plan rief und zu einer Änderung des § 35 Abs 2 ASVG führte. Diese betraf die Sachverhaltskonstellation, dass eine Stadt einen auf Grundlage eines Sondervertrages beschäftigten Mitarbeiter (Amtsleiter) als einzigen Geschäftsführer mit der Führung der städtischen Bäder betraute, deren Alleingesellschafterin sie war. Zu diesem Zweck wurde ein „Personalüberlassungsvertrag“ zwischen der Stadt und der Bäder-GmbH abgeschlossen und der Geschäftsführer per „Dienstverfügung“ letzterer zur Dienstleistung zugeteilt. Zuletzt war der Geschäftsführer zu 70 % bei der Bäder-GmbH, zu 30 % bei der Stadt beschäftigt. Für seine Tätigkeit als Geschäftsführer erhielt er neben seinen Bezügen als Gemeindebediensteter vierzehnmal jährlich ca € 1.500,– monatlich als Aufwandsentschädigung, die ebenfalls von der Stadt ausgezahlt wurden.

Nach Auffassung des VwGH war auch die Bäder-GmbH sozialversicherungsrechtlicher DG iSd § 35 Abs 1 ASVG. Dies begründete er wie folgt: Grundsätzlich sei es unzweifelhaft, dass der Bäder-Betrieb für Rechnung der Bäder-GmbH geführt wurde, da sie „nach rechtlichen Gesichtspunkten aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird, als das Risiko des Betriebs trägt“. Für die Tätigkeit in diesem Betrieb erhielt der Geschäftsführer von dritter Seite (der Stadt) ein Entgelt. Zwar sei bei der Arbeitskräfteüberlassung allein der Überlasser DG, weil der DN nur diesem gegenüber zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichtet sei. Dies sei aber nur dann der Fall, wenn bei einer vorübergehenden Überlassung des DN an einen Dritten die grundlegenden Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zwischen Überlasser und überlassener Arbeitskraft aufrecht bleiben, der Beschäftiger nur delegierte fremde Rechte ausübt. Soll hingegen der DN in der Beschäftigergesellschaft die Funktion eines Geschäftsführers ausüben, so sei dies mit der klassischen Arbeitskräfteüberlassung nicht mehr zu vergleichen, da die Beschäftigergesellschaft ein direktes Recht auf die Arbeitsleistung gegen den Geschäftsführer aufgrund eigener Geschäftsbeziehungen, nämlich dem Bestellungsakt, zukommt. Der VwGH geht dabei davon aus, dass hinter der organschaftlichen Bestellung des Geschäftsführers ein zumindest konkludenter Anstellungsvertrag steht, der dessen Hauptleistungspflichten regle. Hierbei handle es sich um einen selbständigen, vom Arbeitsvertrag mit dem Überlasser losgelösten Anstellungsvertrag, so dass dem Beschäftiger die DG-Eigenschaft iSd § 35 ASVG zukomme.

Diese Entscheidung wurde von der Literatur dogmatisch wie praxisbezogen massiv kritisiert. Angesichts 485 der Kürze des mir zustehenden Beitragsumfangs und des Umstandes, dass der Gesetzgeber auf diese Entscheidung – wenn auch aus meiner Sicht nicht wirklich glücklich – reagiert hat, erlaube ich mir, die Begründungen der Kritik nur kurz anzusprechen und stattdessen auf die Neuregelung und deren Konsequenzen näher einzugehen.

1.2.1.
Gesellschaftsrechtliche und vertragsrechtliche Kritik

Zunächst ist als Ausgangspunkt festzuhalten, dass sowohl aus arbeitsrechtlicher als auch aus gesellschaftsrechtlicher Sicht keinerlei Bedenken bestehen, dass innerhalb von Konzernstrukturen eine Muttergesellschaft einen AN als Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft überlässt. Dies entspricht auch der gelebten Praxis in Konzernen, in denen regelmäßig GeschäftsführerInnen von der Konzernmutter an die Töchterunternehmen überlassen werden. Dass die E des VwGH, dass ein solcher Geschäftsführer sowohl DN des Überlassers als auch des Beschäftigers iSd Sozialversicherungsrecht sein soll, auf wenig Verständnis gestoßen ist, erscheint schon daher verständlich.

Im Detail wurde kritisiert,* dass der VwGH aus der Anstellung als Geschäftsführer auf das Vorliegen eines konkludent zustande gekommenen Anstellungsvertrags geschlossen hat, ist doch der Bestellungsbeschluss der Gesellschafter der GmbH kein Rechtsgeschäft, das zwischen der GmbH und den GeschäftsführerInnen abgeschlossen wurde. Trotz der Bestellung zum Organ bleibe noch Platz für die dahinterstehende Ausgestaltung des Anstellungsverhältnisses. Dies müsse insb gelten, wenn die Überlassung der Bestellung zum Geschäftsführer vorangegangen ist.

In diesem Zusammenhang möchte ich vor allem Kritik auch aus allgemeinen vertragsrechtlichen Gesichtspunkten und somit auch vor dem Hintergrund der Beurteilung eines Sachverhalts am Maßstab des wahren wirtschaftlichen Gehalts iSd § 539a ASVG anbringen. Der VwGH ist scheinbar davon ausgegangen, dass mit der Bestellung zum Geschäftsführer konkludent ein Anstellungsvertrag zwischen der Bäder-GmbH und dem DN zustande gekommen ist. Wenn ich mich als AN eines Überlassers diesem gegenüber dazu verpflichte, beim Beschäftiger als Geschäftsführer tätig zu werden, darf dann mein Beschäftiger redlicherweise iSd § 863 ABGB davon ausgehen, dass ich mit ihm einen Anstellungsvertrag abschließen will? ME wird der Geschäftsführer allein aufgrund seiner vertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Überlasser beim Beschäftiger tätig, ist es doch auch der Überlasser, der dem Geschäftsführer das mit der Geschäftsführung verbundene Risiko abgeltet. Einen grundlegenden Unterschied zwischen der „gewöhnlichen“ Arbeitskräfteüberlassung und der Überlassung eines AN als Geschäftsführer kann ich nicht erkennen.* Zudem sind auch für diesen Fall die sozialversicherungsrechtlichen Regelungen zur Arbeitskräfteüberlassung vollkommen ausreichend. Haben wir jetzt plötzlich in diesem Fall der Arbeitskräfteüberlassung zwei AG, so kommt es auch zu Wertungswidersprüchen zwischen § 14 AÜG und § 67 ASVG, sieht ersterer doch eine Bürgenhaftung nach § 1355 ABGB vor, während letzterer eine Haftung zur ungeteilten Hand vorsieht. Ob angesichts der spezialgesetzlichen Regelung der Beschäftigerhaftung in § 14 AÜG vom Gesetzgeber eine weitergehende Haftung gewollt war, ist schon aus allgemeinen gesetzestechnischen Gründen zu bezweifeln.

1.2.2.
Zwei sozialversicherungspflichtige Dienstverhältnisse bei einer geschuldeten Tätigkeit?

Nach Auffassung des VwGH stand der DN sowohl in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur Stadt wie zur Bäder-GmbH, was angesichts des Umstandes, dass der DN auch teilweise beim Überlasser faktisch beschäftigt war, unter diesem Gesichtspunkt verständlich erscheint. Dies führt jedoch innerhalb von Konzernstrukturen notwendigerweise zu einem Verwaltungsmehraufwand, treffen der Auffassung des VwGH folgend innerhalb des Konzerns dann mehrere DG diverse Verpflichtungen (Meldeverpflichtungen etc) nach dem ASVG. Darüber hinaus stellt sich auch das Problem, dass regelmäßig das Entgelt nur durch die überlassende Muttergesellschaft ausgezahlt wird. Wenn keine gesonderte Geschäftsführerzulage ausgezahlt wird, auf welcher Beitragsgrundlage wird dann die Beitragspflicht der zwei DG berechnet? Kann diese Rsp dadurch „umgangen werden“, dass für die Geschäftsführertätigkeit kein gesondertes Entgelt durch die Konzernmutter bezahlt wird?* Auch hier zeigt sich, dass über die bloße Beitragshaftung des Beschäftigers nach § 14 AÜG weit praktikablere Ergebnisse erzielt werden.

Ganz kurz möchte ich nur darauf aufmerksam machen, dass mich die der Sache nach berechtigte Kritik hinsichtlich ihres Zeitpunktes insofern überrascht, als diese E des VwGH keine neue Rsp darstellt, da sie bereits aus dem Jahr 1995 stammt. Bereits damals hat der VwGH* mit der nahezu identischen Begründung festgestellt, dass trotz gesellschaftsrechtlicher Zulässigkeit der Überlassung eines Geschäftsführers im Konzern oder in der GmbH & Co KG sich diese von der allgemeinen Überlassung eines DN unterscheide und daher der Geschäftsführer auch DN des Beschäftigers sei.

1.2.3.
Änderung des § 35 Abs 2 ASVG

Nicht zuletzt aufgrund der umfangreichen Kritik an der Rsp des VwGH hat der Gesetzgeber § 35 Abs 2 ASVG mit einem Satz 3 dahingehend geändert, dass bei der Überlassung von Arbeitskräften innerhalb eines Zusammenschlusses rechtlich selbständiger486Unternehmen unter einheitlicher Leitung insb zur Übernahme einer Organfunktion der Beschäftiger nicht als DG iSd ASVG gilt.* Dies gilt sinngemäß auch für Körperschaften des öffentlichen Rechts, was angesichts der für diese Gesetzesänderung ursächlichen, gerade behandelten Rsp logisch ist. Mit dieser Regelung soll entsprechend dem § 5 AÜG klargestellt werden, dass bei der Überlassung zur Übernahme einer Organfunktion innerhalb von Unternehmensverbünden nur der Überlasser der sozialversicherungsrechtliche DG ist.*

Dennoch glaube ich nicht, dass mit dieser Gesetzesänderung alle Probleme beseitigt sind.* Was passiert bei Sachverhalten, in denen bei einer nicht-konzerninternen Arbeitskräfteüberlassung ein AN vom Beschäftiger mit der Geschäftsführung beauftragt wird oder (auch bei der konzerninternen Überlassung) einfach nur eine Prokura erhält? Schließlich gibt es auch gewerbliche Arbeitskräfteüberlasser, die hochqualifizierte AN im Wege der Dienstverschaffung BeschäftigerInnen zuführen, die langfristig im Betrieb des Beschäftigers angestellt sind, aber nur beim Überlasser beschäftigt sein möchten.

ME sollte im Regelfall der Arbeitskräfteüberlassung, in denen der AN aus arbeitsrechtlicher Sicht als AN des Überlassers angesehen wird, auch aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht als DN gelten. Dem gesetzesunterworfenen überlassenen AN ist kaum zu erklären, warum sein AG iSd Arbeitsvertragsrechts, der sein Entgelt bezahlt, aus dem sich seine Sozialversicherungsbeiträge berechnen, nicht sein sozialversicherungsrechtlicher DG ist. Sollte die Neufassung des § 35 Abs 2 ASVG nicht alle Sachverhalte erfassen, in denen eine überlassene Arbeitskraft vom Beschäftiger mit zusätzlichen Aufgaben betraut wird, würde ich daher anregen, leg cit in ihrer Neufassung auf diese Fälle analog anzuwenden bzw das Wort insb sehr großzügig auszulegen. Keine Analogie sollte man hingegen zulassen, wenn die Überlassung nur dem Zweck der Umgehung der Sozialversicherungspflicht dient. Dies kann mE dann der Fall sein, wenn die Dienstverpflichtung ausschließlich gegenüber dem Beschäftiger besteht und diesem allein jegliche Weisungsrechte zukommen. Ich denke hier zB (noch) an Fälle der grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung durch eine englische Ein-Mann-Limited, die den einzigen Zweck hat, die eigene Arbeitskraft bei einem Vertragspartner/Beschäftiger einzusetzen.* Vor dem Schutzzweck des Sozialversicherungsrechts erscheint es mir zudem auch bei bestimmten Formen der Arbeitskräfteüberlassung im Payroll-System* gerechtfertigt, den Beschäftiger sozialversicherungsrechtlich als DG anzusehen. Beim Payrolling* handelt es sich um eine atypische Variante der Arbeitskräfteüberlassung, in der wesentliche Verpflichtungen und Rechte, die bei der normalen Arbeitskräfteüberlassung vom Überlasser wahrgenommen werden bzw diesem zustehen, auf den Beschäftiger übertragen werden. Diese Payroll-Systeme gehen teilweise so weit, dass vom Beschäftiger sogar die Personalauswahl getroffen und die Vertragsbedingungen ausverhandelt werden, die Rolle des Überlassers sich faktisch auf die Aufgaben einer Verrechnungsstelle beschränkt,* so dass teilweise sogar auch die arbeitsvertragsrechtliche AG-Eigenschaft des Beschäftigers angenommen wird.* Führt die Übertragung der AG-Rechte auf den Beschäftiger dazu, dass bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt der Dienst- und Dienstverschaffungsverträge und deren Handhabung dazu führt, dass in Wahrheit die AG-Funktion nahezu ausschließlich vom Beschäftiger ausgeübt wird, erscheint es gerechtfertigt, den Beschäftiger auch sozialversicherungsrechtlich als DG und den Überlasser nur oder auch als Mittelsperson iSd § 35 Abs 1 ASVG anzusehen.

ME wäre es aber vom Gesetzgeber geschickter gewesen, ganz generell im § 14 AÜG zu regeln, dass auch die Übernahme von wie auch immer gearteten Funktionen durch den AN beim Beschäftiger für jenen nicht zur sozialversicherungsrechtlichen DG-Eigenschaft führt, § 14 AÜG auf alle Formen der Überlassung anzuwenden ist, sofern Überlassungsstrukturen nicht ausschließlich zur Gesetzesumgehung eingesetzt werden. Damit wäre die mE zu Recht kritisierte Rsp des VwGH endgültig beseitigt und für die Zukunft größere Rechtssicherheit gegeben.

2.
Der Dienstnehmer als Beitragsschuldner

Die Beitragsschuld des DG gem § 58 Abs 2 ASVG wird durch § 53 Abs 3 durchbrochen.* Danach ist der DN selbst zu Beitragsentrichtung zur Gänze verpflichtet, wenn

  1. die Beiträge vom DG, der die Vorrechte der Exterritorialität genießt oder dem im Zusammenhang mit einem zwischenstaatlichen Vertrag oder der Mitgliedschaft Österreichs bei einer internationalen Organisation besondere Privilegien oder Immunitäten eingeräumt sind, nicht entrichtet werden,

  2. der DG im Inland keine Betriebsstätte (Niederlassung, Geschäftsstelle, Niederlage) hat, außer in jenen Fällen, in denen dieses Bundesgesetz487auf Grund der VO (EWG) 1408/71 oder der VO (EG) 883/2004 anzuwenden ist oder

  3. für die Dauer des Weiterbestandes einer Pflichtversicherung nach § 11 Abs 3 lit a oder e.

Aus Platzgründen möchte ich nur kurz auf die Ausnahme der DG, die keine Betriebsstätte im Inland haben, eingehen. Verweist der Gesetzgeber in diesen Fällen darauf, dass der DN zur Beitragsleistung nicht verpflichtet ist, wenn das ASVG aufgrund der Regelungen des koordinierenden europäischen Sozialrechts zu Anwendung kommt, so ist damit klargestellt, dass innerhalb der EU und dem EWR (innerhalb des Geltungsbereichs der VO [EG] 883/2004) ein DG auch dann in Österreich Beitragsschuldner ist, wenn er in Österreich keine Betriebsstätte hat (vgl Art 21 Abs 1 der VO [EG] 987/2009 zur Durchführung der VO [EG] 883/2004). Zu berücksichtigen ist jedoch, dass gem Art 21 Abs 2 dieser VO ein AG, der keine Niederlassung in dem Mitgliedstaat hat, dessen Rechtsvorschriften auf den AN anzuwenden sind, mit dem AN vereinbaren kann, dass dieser die Pflichten des AG zur Zahlung der Beiträge wahrnimmt, ohne dass die daneben fortbestehenden Pflichten des AG berührt würden. Dies ist vom AG dem Sozialversicherungsträger des Beschäftigungsstaates aber mitzuteilen. Im Ergebnis kommt es somit nur zu einer Beitragsschuld des AN, wenn der AG keinen Betriebssitz innerhalb von EU und EWR hat.*

3.
Beitragshaftung

Bei der Beitragshaftung geht es um die Frage, wer neben dem Beitragsschuldner noch für die Sozialversicherungsbeiträge haftet. Schon die Begrifflichkeit verlangt es, dass der für die Sozialversicherungsbeiträge Haftende nicht der Beitragsschuldner sein kann, sondern für eine fremde Schuld haftet. Letztendlich führt somit die Beitragshaftung zu einer Erweiterung des Personenkreises, der für die Sozialversicherungsbeiträge einstehen muss und sichert zusätzlich insofern die Finanzierung der SV ab.* In den §§ 67 ff ASVG hat der Gesetzgeber eine Vielzahl von Haftungstatbeständen manifestiert, die ich nur schwerpunktmäßig ansprechen kann. Während die Fälle des § 67 Abs 1 bis 9 ASVG als Solidarhaftung des Dritten konzipiert sind, handelt es sich im Fall der Vertreterhaftung gem § 67 Abs 10 ASVG um eine Ausfall- und Verschuldenshaftung.

3.1.
Beitragshaftung Dritter mit wirtschaftlichem Interesse am Erfolg des Betriebs

§ 67 Abs 1 bis 3 ASVG sieht neben dem DG als Beitragsschuldner eine Haftung für das gesamte Entgelt zur ungeteilten Hand für bestimmte Dritte vor, die ein wirtschaftliches Interesse am Unternehmenserfolg haben. Damit es in diesen Fällen zur solidarischen Haftung kommen kann, ist jedoch erforderlich, dass die Beitragshaftung für Zeiten besteht, in denen dieses gemeinsame Interesse aufrecht war, also Beitragsschuldner und Beitragshaftender in den spezifischen rechtlichen Beziehungen zueinander standen, die die Beitragshaftung für den Beitragsschuldner auslösen.*

Dies kann gem § 67 Abs 1 ASVG zunächst der Fall sein, wenn mehrere DG iSd § 35 ASVG im Einvernehmen (als MitunternehmerInnen), wenn auch gegen gesondertes Entgelt, dieselbe Person beschäftigen. Der DN muss aufgrund eines gemeinsamen Plans der DG zwei oder mehrere Beschäftigungen ausüben. Da grundsätzlich der DG ja bereits Beitragsschuldner ist, kann es sich hierbei nur um eine zusätzliche Haftung für jene Beiträge handeln, für die der andere DG Beitragsschuldner ist. Als Fallbeispiele werden hier in der Literatur* bspw die Beschäftigung eines Buchhalters einer GmbH & Co KG und deren Komplementär-GmbH auf Grundlage zweier Dienstverträge, die Beschäftigung eines DN in zwei Konzernunternehmen oder die Beschäftigung eines Hausverwalters durch zwei Wohnungseigentümergemeinschaften, die auch über gemeinsame Grünflächen oder sonstige Einrichtungen verfügen, genannt. Sollte die Rsp annehmen, dass trotz der Änderung des § 35 ASVG Fälle denkbar sind, in denen bei der Überlassung von Arbeitskräften sowohl der Überlasser als auch Beschäftiger DG sind, wäre auch in diesen Fällen die Solidarhaftung gegeben.

§ 67 Abs 2 ASVG sieht zudem eine Haftung für das gesamte Entgelt zur ungeteilten Hand vor, wenn mehrere DG iSd § 35 ASVG auf gemeinsame Rechnung (als TeilunternehmerInnen) einen Betrieb führen. Typisches Beispiel ist hier der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, da die Gesellschaft bürgerlichen Rechts mangels diesbezüglicher Rechtsfähigkeit gerade nicht DG sein kann.* Daher wird man bei der im Baubereich vielfach anzufindenden (vorübergehenden) Arbeitsgemeinschaft (ARGE), die regelmäßig in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführt wird, die in dieser ARGE verbundenen DG sowohl als Beitragsschuldner für die eigenen DN als auch als Beitragshaftenden für die DN der anderen DG innerhalb der ARGE ansehen müssen.

§ 67 Abs 3 ASVG regelt die Beitragshaftung für den Fall, dass Nicht-DG entweder die wirtschaftliche Gefahr des Betriebs tragen oder ihnen an Stelle des DG der erzielte Gewinn zukommt. Dies ist im Zusammenhang mit dem DG-Begriff des § 35 ASVG durchaus schlüssig, ist doch DG nur derjenige, der die wirtschaftliche Gefahr des Betriebs zur Gänze trägt, nicht aber derjenige, dem die wirtschaftliche Gefahr des Betriebes oder der erzielte Gewinn vorwiegend zufällt.* Die wirtschaftliche Gefahr trägt insb jemand, der als DG einen „Strohmann“ einsetzt, aber selbst auf diese Art nicht nur den Gewinn erzielt, sondern auch das wirtschaftliche Risiko, also insb auch das Insolvenzrisiko, trägt.488

3.2.
Beitragshaftung bei Betriebsübergang

Gem § 67 Abs 4 ASVG haftet ein Erwerber im Fall der Übereignung eines Betriebs für die Beiträge, die sein Vorgänger zu zahlen gehabt hätte, und zwar auch dann, wenn sein Vorgänger nach § 1409 ABGB oder § 38 UGB ebenfalls haftet.* Jedoch ist die Haftung auf die Beiträge der letzten zwölf Monate, gerechnet ab Übernahme des Betriebs, beschränkt. Hat der Erwerber vor der Übernahme des Betriebs beim Versicherungsträger eine Anfrage über die Höhe der Beitragsschuld seines Vorgängers gestellt, so haftet er nur in der Höhe des Betrages, der ihm als Rückstand ausgewiesen wurde. Die Erwerberhaftung greift nicht im Fall der Insolvenz.*

Die Haftung des Erwerbers greift gem § 67 Abs 6 ASVG auch, wenn der Betrieb auf einen Angehörigen des Betriebsvorgängers,* eine am Betrieb des Vorgängers wesentlich beteiligte Person* oder auf eine Person mit wesentlichem Einfluss auf die Geschäftsführung* übergeht.* Hieraus schließt die stRsp* vollkommen zu Recht, dass § 67 Abs 4 ASVG auch für den genannten Personenkreis erstreckt werden soll, bei dem der Betriebsübergang nicht auf einem Veräußerungsgeschäft beruht. Im Gegenschluss bedeutet dies, dass § 67 Abs 4 ASVG nur auf Betriebsübergänge auf Grundlage eines Veräußerungsgeschäftes anzuwenden ist, so dass leg cit bspw keine Anwendung auf die Rückübereignung an einen Verpächter findet.*

Kernpunkt für das Vorliegen eines Betriebsübergangs iSd § 67 Abs 4 ASVG ist, dass der Erwerber von seinem Vorgänger eine funktionsfähige („lebensfähige“*) Einheit und damit die Betriebsmittel übernimmt, mit denen er in die Lage versetzt wird, den Betrieb des Vorgängers fortzusetzen.* Als Betriebe werden dabei „die technischen und administrativen Einrichtungen zur planmäßigen Ausübung einer durch den Betriebszweck gekennzeichneten Erwerbstätigkeit“ angesehen.* Dabei stellt die Rsp auf die Umstände des Einzelfalls und somit auf die besondere Art und den Gegenstand des Betriebs ab.* Der Erwerber muss also nicht alle Betriebsmittel übernehmen, sondern es genügt die Übernahme jener Betriebsmittel, die den Erwerber in die Lage versetzen, den Betrieb des Vorgängers fortzuführen.* Weder ist es entschieden, ob der Betrieb des Vorgängers fortgeführt wird, noch, ob im Fall der Betriebsfortführung der Betriebsgegenstand und die Betriebsart gleich bleiben.* In reinen Dienstleistungs(Reinigungs)gewerben, in denen es im Wesentlichen auf die Belegschaft und deren Organisation ankommt, ist deren Übernahme hingegen im Gegensatz zur Übernahme der Betriebsmittel entscheidend.*

In der Rsp des VwGH und des BVerwG zeigt sich, dass sich der Begriff des Betriebsübergangs iSd § 67 Abs 4 ASVG vom arbeitsrechtlichen Betriebsübergangsbegriff iSd § 3 AVRAG in der Ausgestaltung, die dieser durch die Rsp des EuGH zu Art 3 der Betriebsübergangs-RL 2001/23/EG erhalten hat, erheblich unterscheidet. So ist für das Vorliegen eines Betriebsübergangs nach der arbeitsrechtlichen Rsp von EuGH* und OGH* der Rechtsgrund der Übertragung irrelevant, vielmehr genügt, dass „die für den Betrieb des Unternehmens verantwortliche natürliche oder juristische Person, die die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten des Unternehmens eingeht“, wechselt.* Die Begriffe Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil werden nach stRsp des EuGH seit der Rs Spijkers* und der ihr folgenden Rsp des OGH* einheitlich dahingehend interpretiert, dass eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit gegeben sein muss, die bei einem neuen Inhaber ihre Identität fortsetzt. Bei der Beurteilung der identitätswahrenden Fortsetzung einer wirtschaftlichen Einheit berücksichtigt die Rsp eine Vielzahl von Kriterien, von denen aber keinem Kriterium eine entscheidende Bedeutung zukommt. Im Sinne eines beweglichen Systems ist in einer Gesamtbetrachtung der folgenden Kriterien das Vorliegen eines Betriebsübergangs zu ermitteln, das Fehlen einzelner der folgenden Merkmale steht der Anwendung der Regelungen zum Betriebsübergang nicht entgegen.*

Seit der E Spijkers berücksichtigt die europäische wie die nationale Rsp

  • die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs,

  • den Übergang oder Nichtübergang materieller Aktiva wie Gebäude und Geräte,

  • den Wert der immateriellen Aktiva (Know-how) zum Zeitpunkt des Übergangs,

  • die Übernahme oder Nichtüberbernahme der Hauptbelegschaft durch den Erwerber,489

  • den Übergang oder Nichtübergang der Kundschaft,

  • den Grad der Ähnlichkeit zwischen der vor und der nach dem Übergang verrichteten Tätigkeit sowie

  • die Dauer der Unterbrechung dieser Tätigkeit.

Jedoch bedarf es keiner europarechtskonformen Auslegung des § 67 Abs 4 ASVG gemessen am Maßstab der Betriebsübergangs-RL, da diese die sozialversicherungsrechtliche Seite des Betriebsübergangs nicht erfasst. Aus der Sicht des europäischen Arbeitsrechts ist die Rsp zu § 67 Abs 4 ASVG daher nicht zu kritisieren. Dennoch erinnern auf der einen Seite manche Ausführungen der Rsp der Verwaltungsgerichte zum sozialversicherungsrechtlichen Begriff des Betriebsübergangs an die Rsp zum Betriebsübergangsbegriff des europäischen und nationalen Arbeitsrechts.* Auf der anderen Seite lässt sich der Rsp des VwGH und des BVerwG dennoch entnehmen, dass die Spijkers-Kriterien im Sozialversicherungsrecht gerade nicht von entscheidender Bedeutung sind. Dies ist mE nur dadurch zu erklären, dass die arbeitsrechtlichen Regelungen zum Betriebsübergang der Sicherung der Rechte des AN dienen, während die sozialversicherungsrechtlichen Regelungen die Finanzierung der Versicherungsträger absichert.

Dies führt zu den Betroffenen schwer zu vermittelnden Ergebnissen. Als Beispiel sei eine Entscheidung angeführt, welche die Fortführung eines Marktstandes für Obst und Gemüse als Marktstand für Fisch und Meeresfrüchte betraf, in welcher der VwGH* das Vorliegen einer Betriebsnachfolge iSd § 67 Abs 4 ASVG annahm. Aus arbeitsrechtlicher Sicht läge hingegen kein Betriebsübergang vor, da allein die Übernahme eines Markstandes oder auch einer Immobilie nicht zur Begründung des Vorliegens eines Betriebsübergangs nach den Spijkers-Kriterien genügt. Der AG ist also nicht nach § 3 AVRAG verpflichtet, die AN zu übernehmen, dennoch haftet er für die Sozialversicherungsbeiträge. Dass ein Fischhändler für die Sozialversicherungsbeiträge der DN eines Obstbauern, die bei ihm nicht weiter beschäftigt werden und auch nicht werden müssen, haftet, bloß weil er auf einem Marktplatz einen Stellplatz mit zwei Tischen übernimmt, halte ich, selbst wenn es möglicherweise vom Gesetzgeber so gewollt war,* für überzogen.

Im Zusammenhang mit der Betriebsnachfolge sei zuletzt darauf hingewiesen, dass der Umstand praktische Probleme bereitet, dass die Beitragshaftung des Erwerbers für die Beitragsschuld seines Vorgängers für die Sozialversicherungsbeiträge des letzten Jahres der Höhe nach auf den Rückstand beschränkt ist, der ihm vom Sozialversicherungsträger auf Verlangen mitgeteilt wurde, vielfach der Erwerber diese Auskunft aber nicht oder nicht rechtzeitig erhält. ME macht diese Vorschrift nur Sinn, wenn man sie dahingehend interpretiert, dass dem Erwerber ein Anspruch auf zeitnahe Auskunftserteilung gegenüber dem Sozialversicherungsträger zusteht. Verweigert der Sozialversicherungsträger die Auskunftserteilung oder verzögert er sie unnötig, so wäre es unbillig, wenn er dann trotzdem die Beitragshaftung der Rückstände des Vorgängers geltend machen könnte. Es hat sich jedoch die Praxis entwickelt, dass der Sozialversicherungsträger die Auskunft unter dem Vorbehalt künftiger Nachverrechnungen erteilt,* was mE dem Zweck dieser Regelung offensichtlich zuwider läuft, soll doch durch sie dem Betriebsnachfolger Sicherheit bezüglich etwaiger Haftungen in Bezug auf ausstehende Sozialversicherungsbeiträge seines Vorgängers gewährleistet werden. Im Ergebnis führt nämlich eine derartige Auskunft unter Vorbehalt dazu, dass sich der Erwerber Teile des Kaufpreises zur Absicherung etwaiger Haftungen für ausstehende Sozialversicherungsbeiträge vorbehält, was die Betriebsnachfolge und somit auch Arbeitsplätze gefährden kann.

3.3.
Beitragshaftung des Geschäftsführers

Gem § 67 Abs 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaft (offene Gesellschaft, KG) berufenen Personen sowie die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge. Die Haftung ist jedoch insoweit beschränkt, als sie nur für die Beiträge greift, die in Folge schuldhafter Verletzung der Vertreterpflichten nicht eingebracht werden können.* Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.

Grundsätzlich trifft die Vertreterhaftung nur die gesetzlichen Vertreter (Organmitglieder), ohne die das vertretene Subjekt nicht handeln kann (Geschäftsführer einer GmbH, Vorstand einer Aktiengesellschaft, die in OG und KG unbeschränkt Haftenden), daher nicht einen willkürlich bestellten Vertreter wie bspw einen Prokuristen iSd § 53 UGB.* Die Vertreterhaftung ist zum einen anders als in den anderen Fällen des § 67 ASVG als Ausfallhaftung,* zum anderen als dem Schadensersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung ausgestaltet. Als späte Folge einer Entscheidung des verstärkten Senats des VwGH,* in der die Vertreterhaftung mangels einer § 80 BAO vergleichbaren Regelung auf Fälle des Unterlassens der Abfuhr490 einbehaltener DN-Beiträge und Meldepflichtverletzungen beschränkte, wurde mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2010 (SRÄG)* mit § 58 Abs 5 ASVG eine an § 80 BAO angelehnte Regelung zu den Pflichten der VertreterInnen getroffen.* Hier wird jetzt ausdrücklich festgehalten, dass die VertreterInnen alle Pflichten zu erfüllen haben, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Explizit wird hervorgehoben, dass sie dafür zu sorgen haben, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Für die Beitragshaftung muss ein Kausalzusammenhang zwischen der schuldhaften Verletzung dieser Vertreterpflichten und der Uneinbringlichkeit der Beitragsschuld bestehen. Haftungsbegründend können daher alle Verpflichtungen sein, deren Verletzung dazu führen, dass Beiträge nicht einbezahlt und daher später uneinbringlich werden. Dies sind bspw die Meldepflichten, bei deren Verstoß der Sozialversicherungsträger die Bemessungsgrundlage nicht kennt und daher keine Beiträge vorschreiben kann, Pflichten gem § 58 Abs 4 ASVG, wonach der Beitragsschuldner von jedem DN die Beiträge von der Gesamtsumme der im Beitragszeitraum gebührenden und darüber hinaus gezahlten Entgelte zu ermitteln und an den Sozialversicherungsträger zu überweisen hat, oder die Verpflichtung gem § 60 ASVG, die DN-Beiträge einzubehalten und abzuführen.

Grundsätzlich haftet der Vertreter nur für schuldhafte Pflichtenverletzungen, wobei leichte Fahrlässigkeit genügt. Diese ist bereits dann anzunehmen, wenn der Vertreter keine Gründe anzugeben vermag, weshalb ihm die Erfüllung seiner Beitragsverpflichtung unmöglich war.* Zu Problemen kann es kommen, wenn dem Vertreter keine oder nicht ausreichende Mittel zur Verfügung stehen, um die Beiträge bei Fälligkeit zu bezahlen. Allein aus dem Fehlen der Mittel kann noch nicht auf ein Verschulden des Vertreters geschlossen werden. Nach stRsp* haftet der Geschäftsführer für nichtentrichtete Abgaben der Gesellschaft, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hierzu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten. Letztendlich besteht hier somit ein Verbot der Gläubigerbegünstigung zu Lasten des Sozialversicherungsträgers.*

Abschließend möchte ich noch kurz auf kollegiale Vertretungsorgane eingehen, so bspw, wenn eine GmbH über mehrere Geschäftsführer verfügt.* Hier lässt die Rsp* grundsätzlich eine Aufteilung der Agenden mit der Konsequenz zu, dass der nicht mit Abgabenangelegenheiten betraute Geschäftsführer nicht zur Haftung nach § 67 Abs 10 herangezogen werden kann. Hat er aber Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung durch den in Abgabenangelegenheiten betrauten Geschäftsführer, hat er diesen zu kontrollieren. Wird ihm die Kontrolle untersagt, muss er diese auf dem Rechtsweg erzwingen oder die Funktion als Geschäftsführer zurücklegen.

4.
Haftung bei SubunternehmerInnen in der Baubranche

Wird die Erbringung von Bauleistungen von einem Unternehmen an ein Subunternehmen ganz oder teilweise weitergegeben, so haftet das den Auftrag weitergebende Unternehmen gem § 67a ASVG* für alle Beiträge und Umlagen, die der Subunternehmer an österreichische Krankenversicherungsträger abzuführen hat bis zum Höchstmaß von 20 % des geleisteten Werklohnes. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass es durch den Einsatz von Subunternehmen zu keiner Beitragshinterziehung kommt. Die Auftraggeberhaftung entfällt jedoch, wenn er sich als Subunternehmen eines in der Liste der haftungsfreigestellten Unternehmen bedient. In diese Liste sind gem § 67b ASVG auf Antrag nur solche Unternehmen aufzunehmen, die mindestens drei Jahre lang Bauleistungen mit zur SV angemeldeten DN erbracht haben, wenn sie zum Zeitpunkt der Antragstellung keine rückständigen Beträge nach § 59 ASVG bis zu dem der Antragstellung zweitvorangegangenen Kalendermonat aufweisen. Hier hält es der Gesetzgeber für sachlich gerechtfertigt, dass ein Unternehmen, das ein im Hinblick auf die Beitragsverpflichtung zuverlässiges Subunternehmen beschäftigt, von der Beitragshaftung befreit wird.491