53OGH setzt Karfreitags-Urteil des EuGH um
OGH setzt Karfreitags-Urteil des EuGH um
Aus der allgemeinen Treuepflicht folgt, dass der AN seine Zugehörigkeit zu einer der in § 7 Abs 3 ARG idF vor BGBl I 2019/22BGBl I 2019/22 genannten Kirchen und den Wunsch, am Karfreitag nicht zu arbeiten, vorab dem AG bekannt zu geben hat.
Es ist davon auszugehen, dass § 7 Abs 3 ARG idF vor BGBl I 2019/22BGBl I 2019/22, der den Karfreitag als Feiertag von der Angehörigkeit bestimmter Kirchen abhängig macht, eine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion darstellt. Aufgrund seines eindeutigen Wortlauts ist eine richtlinienkonforme Interpretation nicht möglich.
Auch dem AN, der keiner der in § 7 Abs 3 ARG idF vor BGBl I 2019/22BGBl I 2019/22 genannten Kirchen angehört, steht ein Anspruch auf Feiertagsentgelt nach § 9 Abs 5 ARG dann zu, wenn er zuvor vom AG eine Freistellung am Karfreitag gefordert hat, der AG aber diesem Ersuchen nicht nachgekommen ist.
Der Kl ist bei der Bekl, einem privaten Detekteiunternehmen, beschäftigt. Er ist kein Angehöriger der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche oder der Evangelisch-methodistischen Kirche. Für die von ihm am Karfreitag, dem 3.4.2015, erbrachte Arbeitsleistung wurde ihm daher von der Bekl kein Feiertagsentgelt bezahlt.
Der Kl begehrt die Zahlung von 109,09 € sA und bringt vor, dass auch den AN, die keiner der vier genannten Kirchen angehören, ein entsprechendes Feiertagsentgelt für am Karfreitag erbrachte Arbeitsleistungen zustehe. Die gesetzliche Regelung, die einen Feiertag am Karfreitag nur für Angehörige bestimmter Kirchen vorsehe, bewirke eine Ungleichbehandlung aufgrund der Religion und der Weltanschauung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen bzw beim Entgelt. AN, die diesen Kirchen nicht angehören, hätten nämlich um einen Tag pro Kalenderjahr weniger Anspruch an gesetzlich zuerkannter, bezahlter Ruhezeit. [...]
1. § 7 ARG regelt die Feiertagsruhe. Sein Abs 3 sieht vor, dass (nur) für Angehörige der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch-methodistischen Kirche der Karfreitag ein Feiertag ist. § 9 ARG regelt das Entgelt für Feiertage: Grundsätzlich behält der AN nach Abs 1 für die infolge eines Feiertags ausgefallene Arbeit seinen Anspruch auf Entgelt. Nach Abs 5 hat der AN, der während der Feiertagsruhe beschäftigt wird, zusätzlich (soweit hier relevant) Anspruch auf das für die geleistete Arbeit gebührende Entgelt.
Da der Kl keiner der vorgenannten Kirchen angehört, stellt sich die Frage, ob die Beschränkung des Feiertagsentgelts auf die Angehörigen bestimmter Kirchen mit dem Unionsrecht im Einklang steht.
2. Aus Anlass des Rechtsmittelverfahrens legte der OGH daher zunächst dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vor und setzte das Revisionsverfahren [...] bis zur Entscheidung des EuGH aus (9 ObA 75/16v).
Mit Urteil vom 22.1.2019, C-193/17, hat der EuGH die Vorlagefragen wie folgt beantwortet: [...; vgl EuGH-Urteil in diesem Heft, DRdA 2019, 502 ff]
3. Aufgrund dieses Erk des EuGH ist davon auszugehen, dass die Normierung des Karfreitags als Feiertag bzw des Anspruchs auf Feiertagsentgelt im Fall der Arbeitsleistung an diesem Tag nur für Angehörige der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche und der Evangelischmethodistischen Kirche eine Art 21 GRC widersprechende unmittelbare Diskriminierung aufgrund der Religion darstellt.
4. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob eine richtlinienkonforme Interpretation der nationalen Bestimmungen, konkret des § 7 Abs 3 ARG iVm § 9 Abs 5 ARG, möglich ist.
Hinsichtlich der Verpflichtung der nationalen Gerichte zur richtlinienkonformen Interpretation verwies der EuGH in seiner Vorabentscheidung auf den Methodenkatalog des nationalen Rechts (Rn 74). Die Pflicht zur richtlinienkonformen Interpretation reicht danach grundsätzlich bis zur Grenze der äußersten Wortlautschranke, erstreckt sich aber zudem auf die nach dem innerstaatlichen interpretativen Methodenkatalog zulässige Rechtsfortbildung durch Analogie oder teleologische Reduktion im Fall einer planwidrigen Umsetzungslücke (8 ObA 47/16v mwN). Eine „interprétation conforme“ der geltenden nationalen Rechtsvorschriften ist aber dann unzulässig, wenn diese zu einer Auslegung contra legem führen würde (4 Ob 124/18s).
Aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 7 Abs 3 ARG, der den Karfreitag als Feiertag von der Zugehörigkeit zu bestimmten Religionen abhängig macht, und des § 9 Abs 5 ARG, der ein Feiertagsentgelt nur für den Fall der Beschäftigung eines AN während der Feiertagsruhe vorsieht, ist eine richtlinienkonforme Interpretation der Bestimmung nicht möglich.
5. Wie der EuGH in seiner Vorabentscheidung weiters ausgeführt hat, unterscheidet sich Art 21 GRC in seiner Bindungswirkung grundsätzlich nicht von den einzelnen Bestimmungen der Gründungsverträge, die verschiedene Formen der Diskriminierung auch dann verbieten, wenn sie aus Verträgen zwischen Privatpersonen resultieren (Rn 77). Die Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes könne nur dadurch sichergestellt werden, dass den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile gewährt werden wie den Angehörigen der begünstigten Gruppe. Die benachteiligten Personen müssten also in die gleiche Lage versetzt werden wie die Personen, denen der betreffende Vorteil zugute kommt (Rn 79).
In einem derartigen Fall sei das nationale Gericht gehalten, eine diskriminierende nationale Bestimmung außer Anwendung zu lassen, ohne dass es ihre vorherige Beseitigung durch den Gesetzgeber beantragen oder abwarten müsste, und auf die Mitglieder der benachteiligten Gruppe eben die Regelung anzuwenden, die für die Mitglieder der anderen Gruppe gilt (Rn 80). Eine solche Lösung542 komme jedoch nur dann zur Anwendung, wenn es ein gültiges Bezugssystem gebe (Rn 81). Dies sei im Ausgangsverfahren der Fall, wobei die Regelung, die für die Angehörigen der relevanten Kirchen iSd ARG gelte, solange das Unionsrecht nicht richtig durchgeführt sei, das einzig gültige Bezugssystem bleibe (Rn 82).
6. Dem Kl kommen daher in Bezug auf den Karfreitag grundsätzlich dieselben Rechte (Feiertagsruhe, Feiertagsentgelt) zu, wie sie vom nationalen Recht den Angehörigen der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch-methodistischen Kirche eingeräumt werden.
Diese Rechte stehen ihm jedoch nur unter den gleichen Bedingungen wie den Angehörigen der begünstigten Gruppe zu. Das derzeit gültige Bezugssystem bringt es mit sich, dass sich ein AN hinsichtlich seiner Religion und seines Wunsches am Karfreitag nicht zu arbeiten, gegenüber dem AG artikulieren muss, zumal dem AG die Religion seiner AN häufig nicht bekannt ist. Bereits der General-KollV aus dem Jahr 1952 sah vor, dass die AN, die den evangelischen Kirchen angehören, freizustellen sind, wenn sie dies vom AG spätestens eine Woche vorher begehren. Eine vergleichbare Regelung findet sich in § 7 Abs 3 ARG zwar nicht ausdrücklich (vgl aber § 8 Abs 2 ARG). Dass vom AN eine „Vorinformation“ des AG und eine entsprechende Klarstellung verlangt werden kann, folgt in Bezug auf das derzeit gültige Bezugssystem, das hinsichtlich des Karfreitags nur eine bestimmte Gruppe begünstigt, aber schon aus der allgemeinen Treuepflicht (Fremdinteressenwahrungspflicht) des AN, die ihn dazu verhält, auf betriebliche Interessen des AG entsprechend Rücksicht zu nehmen (RIS-Justiz RS0021449).
Der EuGH legte daher in seiner Vorabentscheidung dar, dass die AN der begünstigten Gruppe ihren AG davon in Kenntnis setzen müssen, dass sie einer der in § 7 Abs 3 ARG genannten Kirchen angehören, damit er ihre Abwesenheit am Karfreitag im Vorfeld absehen kann (Rn 84). Der AG muss – solange der Gesetzgeber keine Konformität hergestellt hat – AN, die keiner dieser Kirchen angehören, das Recht auf einen Feiertag am Karfreitag zugestehen, sofern sie ihm vor diesem Tag ihren Wunsch mitgeteilt haben, am Karfreitag nicht zu arbeiten (Rn 85).
Auch der AN, der keiner der relevanten Kirchen iSd § 7 Abs 3 ARG angehört, hat gegen seinen AN Anspruch auf Zahlung des Feiertagsentgelts nach § 9 Abs 5 ARG, wenn dieser seinem Ansuchen, am Karfreitag nicht zu arbeiten, nicht nachkommt (Rn 86). Auch wenn diese Offenlegung durch Forderung nach einer Freistellung bei Gleichbehandlung aller AN bezüglich des Karfreitags ihren unmittelbaren Zweck – der Zuordnung eines AN zur begünstigten Gruppe – verliert, kann aus dem Unionsrecht nur eine Gleichstellung abgeleitet werden. Wie zuvor dargelegt, ist die geltende Regelung des ARG zum Karfreitag das für den Kläger gültige Bezugssystem.
Demnach steht dem Kl ein Anspruch auf Feiertagsentgelt nur dann zu, wenn er zuvor von der Bekl eine Freistellung am Karfreitag, dem 3.4.2015, gefordert hat, die Bekl aber diesem Ersuchen nicht nachgekommen ist.
Da die Relevanz dieses Umstands bisher von den Vorinstanzen und den Parteien nicht beachtet wurde, wurde dazu bislang kein Vorbringen erstattet und es wurden dazu auch keine Feststellungen getroffen. Die Gerichte dürfen die Parteien nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die diese nicht beachtet haben und auf die sie vom Gericht nicht aufmerksam gemacht wurden (RIS-Justiz RS0037300). Das Gericht darf seine Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, nur dann stützen, wenn es den Parteien Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat (§ 182a ZPO). Da auch der OGH die Parteien nicht mit einer bisher von keiner Seite vorgebrachten Rechtsansicht überraschen darf, ist eine Erörterung und allfällige Ergänzung des Beweisverfahrens zu dieser Frage in erster Instanz erforderlich.
Der Revision der Bekl war daher Folge zu geben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Der hier besprochene Beschluss ist die innerstaatliche Erledigung des weithin beachteten Karfreitag-Urteils des EuGH, womit dieser festgestellt hat, dass die seit über 50 Jahren bestehende Karfreitagsregelung, die Angehörigen der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen sowie der Evangelisch-methodistischen Kirche einen zusätzlichen bezahlten Feiertag gewährte, gegenüber anderen Religionsangehörigen oder Konfessionslosen diskriminierend war (EuGH 22.1.2019, C-193/17, Cresco Investigation/Achatzi, ECLI:EU:C:2019:43 = DRdA-infas 2019/45, 77 [Tinhof ]). Der Kl, der keiner dieser vier genannten Kirchen angehört (nach Mazal, Gleichbehandlung: Diskriminierung oder positive Maßnahme, ZAS 2016/47, 272 und Potz, Das Karfreitagsdilemma: ein Feiertag für alle oder niemanden? ecolex 2017, 743 sei der Kl konfessionslos, was aber aus den veröffentlichen Entscheidungen nicht zu entnehmen ist), arbeitete am Karfreitag 2015 und begehrt nun nachträglich von seinem AG das Feiertagsentgelt, weil er sich wegen seiner Religion diskriminiert fühlt. Um Missverständnissen vorzubeugen, erscheint es angebracht, begrifflich klar zwischen dem Feiertagsentgelt nach § 9 Abs 1 ARG, also dem während der Feiertagsruhe fortgezahlten Entgelt, und dem Feiertagsarbeitsentgelt nach § 9 Abs 5 ARG zu unterscheiden, das zusätzlich immer dann zu zahlen ist, wenn trotz Feiertagsruhe eine Arbeitsleistung erbracht und kein (bezahlter) Zeitausgleich vereinbart wurde (vgl zB Reissner, Lern- und Übungsbuch Arbeitsrecht5 [2015] 180; Schindler, Rechtsfragen zu Arbeitspausen und der Feiertagsruhe, in Resch [Hrsg], Ruhe- und Erholungszeiten [2013] 35 [51]; Burger, Urlaub an Feiertagen? DRdA-infas 2015, 283). Das Feiertagsarbeitsentgelt ist das „normale“ Entgelt für543die geleistete Arbeit, die der bekl AG offenbar auch bezahlt hat. Davon wiederum sind die Feiertagszuschläge zu unterscheiden, womit Kollektivverträge die an Feiertagen geleistete Arbeit aufwerten.
Weil die Karfreitagsregel des § 7 Abs 3 ARG den Anwendungsbereich des Art 21 GRC und der Gleichbehandlungs-RL 2000/78/EG eröffnete, trat der OGH mit seinem Vorlage- und Aussetzungsbeschluss 9 ObA 75/16v vom 24.3.2017 in den nach Art 267 AEUV vorgesehenen Dialog mit dem EuGH ein: Allein dem EuGH kommt das Monopol für die autoritative Auslegung des Unionsrechts zu, an seine Auslegung sind die mit der Einzelfallentscheidung zuständigen nationalen Gerichte gebunden. Umgekehrt ist der EuGH keinesfalls zur Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts berechtigt, sondern diese verbleiben ausschließlich bei den mitgliedstaatlichen Gerichten. Der EuGH ist daher seinerseits an die im Vorlagebeschluss enthaltene Interpretation des nationalen Rechts gebunden. Die nationalen Gerichte, auch die unteren Instanzen, bilden so mit dem Gerichtshof der EU einen Gerichtsverbund, sie sind gemeinsam mit ihm „Juge de l‘Union“ und werden als „ordentliche Unionsgerichte“ tätig (vgl zB von Danwitz, Der Einfluss des nationalen Rechts und der Rechtsprechung der Gerichte der Mitgliedstaaten auf die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, ZESAR 2008, 57 [58]). Auch der EuGH ist zur Kooperation mit den mitgliedstaatlichen Gerichten gezwungen, weil die unionale Rechtsordnung nicht autark existiert (Martens, Methodenlehre des Unionsrechts [2013] 240).
Äpfel dürfen nicht mit Birnen verglichen werden, so der Volksmund, weil sie nicht vergleichbar sind. Auch die vom Kl behauptete Diskriminierung setzt voraus, dass er sich in einer vergleichbaren Situation befindet wie die Angehörigen der in § 7 Abs 3 ARG genannten Kirchen. In der literarischen Diskussion wurde dies verneint, weil der Kl keine vergleichbaren religiösen Bedürfnisse habe wie die Angehörigen der privilegierten Kirchen, für die der Karfreitag der höchste Feiertag darstellt (vgl Mazal, ZAS 2016/47, 272 [279]; Karl, Karfreitag: Zulässiges Feiertagsprivileg oder verbotene Diskriminierung? RdW 2016/462, 615 [616]; ähnlich auch Potz, ecolex 2017, 743 [744]). Der EuGH definiert die Vergleichsgruppe jedoch nicht über ihr religiöses Bedürfnis, weil § 7 Abs 3 ARG nur die formale Kirchenangehörigkeit erforderte (C-193/17, Rz 46 ff). Wer aber als Angehöriger einer privilegierten Kirche auch ohne Bedürfnis, den für ihn höchsten Feiertag religiös zu feiern, am Karfreitag arbeitete und dafür neben dem erarbeiteten Feiertagsarbeitsentgelt auch das Feiertagsentgelt erhielt, befand sich in einer vergleichbaren Situation wie der Kl, der ebenso ohne religiöses Bedürfnis am Karfreitag arbeitete und dem dafür sein erarbeitetes Entgelt, nicht jedoch ein Feiertagsentgelt bezahlt wurde. Man wird auch ohne statistisches Material davon ausgehen können, dass – gleich wie bei den römisch-katholisch Bekennenden an ihrem höchsten Feiertag – sogar die Mehrheit der von § 7 Abs 3 ARG begünstigten Angehörigen am Karfreitag keiner Feier beigewohnt haben, sondern diesen Feiertag zu anderweitigen Erholungs- und Freizeitzwecken nutzten. Wenngleich das einzig verbliebene Unterscheidungsmerkmal nicht das religiöse Bedürfnis, also der gelebte Glaube, sondern das bloße Religionsbekenntnis einschließlich der Bekenntnislosigkeit war, war jedoch auch dieses als forum externum vom Begriff der Religion erfasst und der Kl entgegen Art 1 und 2 Abs 2 RL 2000/78/EG wegen seiner Religion unmittelbar diskriminiert.
An diese Festlegung der Vergleichsgruppe ist der OGH gebunden. Ihm obliegt es aber, autonom die Prämissen dieses Vergleiches zu prüfen. Dabei hat er das nationale Recht so weit wie möglich unionsrechtskonform auszulegen, dh den nationalen Bestimmungen im Rahmen einer systematischen Interpretation einen Inhalt einzulegen, der weder dem primären noch dem sekundären Unionsrecht widerspricht. Wie weit dies möglich ist, bestimmt sich nach dem Methodenkatalog des nationalen Rechts, also nach jenem Auslegungsrahmen, den der nationale Gesetzgeber für seine eigene Rechtsordnung als Ausdruck der mitgliedstaatlichen Souveränität einräumt. Schon in seinem Vorlage- und Aussetzungsbeschluss hatte der OGH den EuGH darauf hingewiesen, dass eine interpretative Ausweitung des § 7 Abs 3 ARG auch auf AN, die nicht Angehörige der vier genannten Kirchen sind, wegen des eindeutigen Wortlauts nicht möglich sei. An seine Auslegung im Vorlagebeschluss ist der OGH zwar nicht gebunden (Roloff in Preis/Sagan [Hrsg], Europäisches Arbeitsrecht2 [2019] Rz 2.115), im erledigenden Beschluss wiederholt er jedoch die Unmöglichkeit der richtlinienkonformen Interpretation und prüft nicht näher, ob § 7 Abs 3 ARG im Lichte der vom EuGH vorgegebenen Auslegung der RL 2000/78/EG noch zu retten ist. Tatsächlich gelingt ein Rettungsversuch nicht, denn eine bloße Streichung der vier genannten Kirchen sehenden Auges entspricht einer Gesetzesanalogie, die jedoch einen unklaren Wortlaut des Gesetzes und so eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Gesetzeslücke voraussetzt (vgl Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff2 [1991] 570). Diese ist in § 7 Abs 3 ARG aber nicht erkennbar, weil es dem Gesetzgeber gerade darauf ankam, (nur) diesen vier Kirchen den Karfreitag als weiteren Feiertag zu gewähren. Denkbar wäre auch eine einschränkende Interpretation, wonach der Karfreitag nur für praktizierende Angehörige der vier genannten Kirchen ein gesetzlicher Feiertag ist. Eine solche Auslegung bedeutet eine Verschiebung der Vergleichsgruppen dergestalt, dass der Kl eben nicht mehr mit jenen Angehörigen der privilegierten Kirchen verglichen werden könnte, für die der Karfreitag nicht nur auf dem Papier, sondern tatsächlich gelebt der höchste Feiertag ist; weil er sich dadurch nicht mehr in einer vergleichbaren Situation befindet, wäre er auch nicht diskriminiert544 worden. Diese Auslegung eröffnet jedoch andere Probleme: Erstens kann der AG nicht beurteilen, ob – und wenn ja, in welchem Ausmaß – sein AN praktizierender Gläubiger ist, zweitens bedeutet dies einen Eingriff in die Religionsfreiheit (Karl, RdW 2016, 618) und drittens kann dies eine Diskriminierung im Verhältnis einerseits zu anderen ChristInnen bedeuten, die den Karfreitag ebenfalls als höchsten Feiertag ansehen, aber nicht in § 7 Abs 3 ARG erwähnt wurden, wie zB die Neuapostolische Kirche, deren Mitglieder zahlreicher sind als die der Evangelisch-methodistischen Kirche (so Wieshaider, Das staatliche Feiertagsrecht als vergessene Umsetzungsmaterie der Richtlinie 2000/78/EG, öarr 2008, 279 [286]), andererseits zu anderen Religionsgemeinschaften, deren höchster religiöser Festtag kein gesetzlicher Feiertagsstatus zukommt. Eher käme noch eine einschränkende Interpretation des § 9 Abs 1 ARG in Frage, wonach sich die Wortfolge „infolge eines Feiertages“ nur auf einen Feiertag iSd § 7 Abs 2 ARG, nicht jedoch auf den Karfreitag beziehe. Weil es dem Kl nur um das Feiertagsentgelt geht, wäre mit diesem einschränkenden Verständnis zwar die Diskriminierung im zu entscheidenden Einzelfall aufgehoben, weil damit niemandem ein Feiertagsentgelt am Karfreitag zustünde, dies beseitigt aber nicht die Diskriminierung, die in der Gewährung der Feiertagsruhe gem § 7 Abs 1 ARG weiterhin bestünde (vgl Potz, Karfreitag-Lösungen mit Pferdefüßen, Der Standard 28.1.2019, 12 aus Sicht de lege ferenda: „Diskriminierungsproblematik weitestgehend reduziert“). Interpretiert man dann auch § 7 Abs 1 ARG bezüglich der Feiertagsruhe einschränkend, wäre zwar ebenso diese Diskriminierung beseitigt, die Feiertagserhebung des § 7 Abs 3 ARG hätte dann aber gar keine Rechtsfolgen mehr gehabt, was man dem Gesetzgeber auch nicht unterstellen kann. Mit dem OGH ist daher insgesamt festzuhalten, dass eine unionsrechtskonforme Interpretation des § 7 Abs 3 ARG tatsächlich „nicht möglich“ ist.
Viel interessanter und nach Ansicht des GA Bobek auch „die komplexere Frage“ (Schlussanträge 25.7.2018, ECLI:EU:C:2018:614, Rz 18) ist diejenige nach den Rechtsfolgen der festgestellten Diskriminierung, weil der Rechtsstreit als Folge einer diskriminierenden Gesetzesbestimmung zwischen zwei privaten Individuen besteht und eine Richtlinie nicht unmittelbar zwischen ihnen wirkt. Wie schon bezüglich einer Altersdiskriminierung (beginnend mit EuGH 22.11.2005, C-144/04, Mangold, ECLI:EU:C:2005:709, Rz 75) sieht der EuGH in der RL 2000/78/EG als Sekundärrechtsquelle nur eine Konkretisierung eines im Primärrecht bestehenden und in Art 21 GRC niedergelegten allgemeinen Grundsatzes eines Diskriminierungsverbotes wegen Religion und Weltanschauung (EuGH 17.4.2018, C-414/16, Egenberger, ECLI:EU:C:2018:257, Rz 76). Wird somit das Diskriminierungsverbot der Richtlinie nicht umgesetzt, liegt auch ein Verstoß gegen Art 21 GRC vor, den der Betroffene unmittelbar aufgreifen kann. Soweit eine nationale Norm entgegen der RL 2000/78/EG einen Grundrechtsträger schlechter stellt, ist sie einfach nicht anzuwenden. Hier jedoch führt § 7 Abs 3 ARG zu einer Besserstellung eines anderen, der sich in einer vergleichbaren Situation befindet. Durch die Nichtanwendung dieser Norm würde die Diskriminierung zwar beseitigt werden – wenn alle nichts haben, ist keiner benachteiligt. Dies ist zumindest die Lösung des Gesetzgebers in BGBl I 2019/22BGBl I 2019/22, worin der diskriminierende § 7 Abs 3 ARG ab 22.3.2019 aufgehoben wurde. Solange aber der Mitgliedstaat keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung erlassen hat, sieht der EuGH eine Anpassung nach oben vor, indem den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile zu gewähren sind. Anders als in den bisherigen Entscheidungen des EuGH hat hier jedoch ein privater AG nicht von sich aus, sondern auf Basis einer gesetzlichen Bestimmung diskriminiert. Damit ist aber nicht nur er, sondern auch alle anderen AG zur Vorteilsgewährung verpflichtet. Und weil der EuGH durch Auslegung diese Pflicht nur freilegt, die schon vorher unerkannt bestand (vgl EuGH 16.1.2014, C-429/12, Pohl, ECLI:EU:C:2014:12, Rz 30), besitzen alle benachteiligten AN plötzlich auch für die Vergangenheit einen Anspruch auf Feiertagsentgelt am Karfreitag, soweit dieser Anspruch noch nicht verjährt oder verfallen ist. Spätestens seit 28.8.2017 (Kundmachung des Vorabentscheidungsersuchens, ABl C 2017/283, 13) konnten alle AG nicht mehr auf die Richtlinienkonformität des ARG vertrauen (vgl Sagan in Riesenhuber [Hrsg], Europäische Methodenlehre3 [2015] Rz 1.157). Für den Generalanwalt war hier nicht der AG in die Pflicht zu nehmen, der „einfach das verbindliche nationale Recht angewandt“ hat, sondern der Staat als der „Hauptverantwortliche für die Diskriminierung“ in Form der Staatshaftung (GA Bobek, Schlussanträge zu C-193/17, Rz 172 ff). Weil aber das unmittelbar anwendbare Diskriminierungsverbot eine Gleichstellung erfordert, der Staat als Substitut aber nicht mit dem AG gleichzusetzen ist, entschied sich der EuGH in seinem Karfreitags-Urteil für die unmittelbare Pflicht eines jeden AG, ihren AN ein Feiertagsentgelt am Karfreitag zu gewähren – allerdings mit einer bedeutenden Einschränkung, die sich nicht generell aus der Horizontalwirkung des Diskriminierungsverbotes ergibt, sondern speziell aus „den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften“ (C-193/17, Rz 84): Weil AN ihren AG in Kenntnis setzen müssen, dass sie einer relevanten Kirche angehören, damit dieser ihre Abwesenheit am Karfreitag im Vorfeld absehen kann, haben nur jene diskriminierten AN Anspruch auf Feiertagsentgelt, die dem AG „vor diesem Tag ihren Wunsch mitgeteilt haben, am Karfreitag nicht zu arbeiten“ (C-193/17, Rz 85).
Ob sich jedoch aus § 7 Abs 3 ARG tatsächlich eine solche Mitteilungspflicht ergab, wie der EuGH – weil nicht seine Auslegungskompetenz – bloß hinweisend und unverbindlich annimmt, hat wiederum der OGH zu beurteilen. Anders als der hier nicht einschlägige Pkt II Abs 1 General-KollV vom 3.4.1952 und der ebenfalls nicht relevante 545 § 8 Abs 2 ARG sah § 7 Abs 3 ARG selbst diese Pflicht nicht ausdrücklich vor. Doch nach Ansicht des OGH verlangte die allgemeine Treuepflicht vom AN, dem AG vorab seine Kirchenangehörigkeit mitzuteilen (aA Haider, Karfreitag – Die Saga vom „halben“ Feiertag und sich daraus ergebende Fragestellungen, ARD 6638/4/2019; ders, Karfreitag: Für kurze Zeit ein Feiertag für alle, ecolex 2019, 352 [353]). Dies ist zutreffend, weil der AN nur dann am Karfreitag überhaupt arbeiten durfte, wenn auch eine Ausnahme zur Feiertagsruhe gem §§ 10 ff ARG für die gem § 2 Abs 2 ARG unumgänglich notwendige Anzahl von AN bestand, was der AG zu beachten hatte und was ihm wiederum nur gelang, wenn er auch Kenntnis vom Feiertagsanspruch hatte. Insofern sprach der OGH der Offenlegung über die Kirchenangehörigkeit konstitutive Wirkung für § 7 Abs 3 ARG zu: Wer zwar Angehöriger einer privilegierten Kirche gewesen war, sich aber gegenüber seinem AG erst nachträglich dazu bekannte, hatte keinen rückwirkenden Anspruch auf Feiertagsentgelt; die Treuepflicht lässt das In-Unkenntnis-Lassen auf den AN zurückfallen. Weil aber nun in der Vergangenheit diese Pflicht zur „Vorabinformation“ für die begünstigte Gruppe der AN bestand, verlangt der OGH nun auch von der benachteiligten Gruppe eine Informationspflicht, die sie gleich belastet, um die geforderte Gleichstellung herzustellen. Nun ist die Mitteilung der eigenen Religionszugehörigkeit gerade wegen der Gleichstellung zwecklos geworden, doch dem OGH geht es nicht um den gleichen Informationsgehalt, sondern um die gleiche Belastung. Und diese gleiche Belastung sieht der OGH im zu stellenden Begehren des AN, am Karfreitag freigestellt zu werden. Dem Kl steht daher ein Feiertagsentgelt zu, „wenn er zuvor von der Bekl eine Freistellung am Karfreitag, dem 3.4.2015, gefordert hat, die Bekl aber diesem Ersuchen nicht nachgekommen ist
“. Zwar kann man dagegen einwenden, dass die benachteiligte Gruppe bisher keine Kenntnis von ihrer Mitteilungspflicht hatte, weil diese ja – anders als bei den begünstigten AN – nicht direkt aus dem Gesetz entnommen werden konnte, doch schlägt dieses Argument in dieselbe Kerbe, wie die betroffenen AG entgegenhalten könnten, dass sie nur § 7 Abs 3 ARG getreu seinem Wortlaut angewandt haben. Beide Einwendungen setzen aber voraus, dass erst mit der höchstgerichtlichen Entscheidung etwas geschaffen wurde, was vorher nicht bestanden habe, sodass beide Betroffenen sich nun mit einer neuen Rechtslage konfrontiert sehen. Dies trifft aber nicht zu, weil weder der EuGH noch der OGH Recht geschaffen, sondern lediglich durch Auslegung das freigelegt haben, was schon vorher im bestehenden Recht eingeschrieben war. Damit ist § 2 ABGB angesprochen, der zwar eine kenntnisunabhängige Rechtsgeltung normiert, die aber bei der subjektiv nicht vorwerfbaren Rechtsunkenntnis endet (vgl Kodek in Rummel/Lukas, ABGB4 [2015] § 2 ABGB Rz 7). Auf Seite des AN kommt es nicht auf die Unkenntnis seiner Diskriminierung an, sondern auf seine Treuepflicht, die ihn dazu verhält, auf betriebliche Interessen seines AG Rücksicht zu nehmen. Diese ist im Arbeitsrecht aber derart etabliert, dass es dem AN zumutbar war, auch im Hinblick auf seine mögliche Religionsdiskriminierung (vgl dazu schon kurz nach Inkrafttreten der RL 2000/78/EG Mayr, Feiertage und Diskriminierung aufgrund der Religion im österreichischen Arbeitsrecht, ecolex 2004, 428) daran zu denken und den AG vorab über sein Ansinnen, den Karfreitag 2015 als Feiertag in Anspruch nehmen zu wollen, in Kenntnis zu setzen.
§ 7 Abs 3 ARG verlangte jedenfalls aber keine jährlich wiederkehrende „Vorabinformation“. Es bestand nämlich kein Wahlrecht, ob der Angehörige einer privilegierten Kirche den Karfreitag als Feiertag konsumieren wollte oder nicht (zutr Wiesinger, Karfreitag und andere Feiertage, ARD 6489/5/2016; Haider, ARD 6638/4/2019; ders, ecolex 2019, 352 [353]); hat der Angehörige sich einmal zur begünstigten Kirche bekannt, waren für ihn – und sogar gegen seinen Willen – solange alle zukünftigen Karfreitage gesetzliche Feiertage, bis er seinen AG von einem Bekenntniswechsel informierte. Daher kann auch von der benachteiligten Gruppe keine sich wiederholende Informationspflicht angenommen werden (ebenso Haider, ARD 6638/4/2019; ders, ecolex 2019, 352 [353]): Falls der Kl tatsächlich seine Freistellung am Karfreitag, dem 3.4.2015, im Vorhinein begehrt hat, so gilt dieses Begehren auch für die Karfreitage der Jahre 2016 bis 2018.
In der ersten Instanz, an die die Rechtssache zurückverwiesen wurde, ist nun die Frage, ob der Kl vor dem 3.4.2015 eine Freistellung gefordert hatte, erstmalig zu erörtern. Weil freilich davon auszugehen ist, dass für die vergangenen Jahre so gut wie kein AN den Wunsch auf einen diskriminierungsfreien Karfreitag gegenüber dem AG geäußert hatte, wird der Karfreitag als Feiertag für alle mit derselben Rsp abgeschafft, die ihn auch einführte.546